Kitabı oku: «Als der Efeu sich verliebte», sayfa 2

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Zeitgefüge

Gestern, Heute, Morgen – für mich sind dies alles Begriffe. Unwichtig und begrenzt. Das mag ich nicht. Jetzt, Hier, Alles, Überall – so ist mein Leben“ sagte die schöne Buche mit ihrer tiefen Bassstimme. Sie war schon alt, die silbern schimmernde Dame und ich noch ein kleines Mädchen, damals. Ich verstand, was sie mir damit sagen wollte und habe es bis heute nicht vergessen. Es begleitet mich durch mein Leben, macht es leicht und fröhlich.

Die Bäume haben ihre eigene Art zu kommunizieren. Sie teilen sich mit noch viel weniger Worten mit, als die anderen Naturwesen. Tiefgründig und weise sind die Baumgeister. Ihre Beschreibungen sind kurz und zutreffend, jedes Wort hat sein Gewicht und ist mächtig. Folglich wird zuerst nachgedacht, ehe ein Baumgeist spricht und dann tut er oder sie es in einigen wenigen Sätzen und alles ist gesagt. Man muss es mögen, ihre Eigenheit, und sich darauf einlassen. Baumwesen sprechen gerne und auch viel, nur in einem anderen Tempo als wir uns das gewohnt sind. Ein Baum kann viele hundert Jahre alt werden, er kennt keine Eile. Sorgfältig und gewissenhaft wächst er jedes Jahr ein kleines bisschen mehr. Für ihn ist jeder Augenblick unersetzbar, einzigartig.

Wenn du an einen Baum mit einer Frage herantrittst, so hört er sich diese an. Dann denkt er darüber nach, wie dir am besten geholfen werden könnte. Aus der Sicht eines Menschen kann dies schon einmal Stunden dauern. Man kann in der Zwischenzeit also beruhigt einen Spaziergang machen oder gleich am nächsten Tag nochmals vorbeikommen. Die Ratschläge eines Baumes sind aber auch nicht immer gleich verständlich. Denn am Ende sind sie nicht da, um einem das Denken abzunehmen, sondern um es zu erweitern.

Bevor wir uns also den Geschichten der Naturwesen zuwenden, gibt es noch etwas Wichtiges zu beachten: die Zeit.

Naturwesen kennen keine Stunden oder Daten, wie wir. Sie kennen die Sonnen- und Mondphasen, Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Wenn es regnet, dann regnet es und hört erst wieder auf, wenn es vorbei ist. Wenn die Sonne scheint, dann scheint sie wunderschön, bis sie nicht mehr scheint. So einfach ist das Leben in ihren Augen. Der Moment wird gelebt und geschätzt.

Nicht nur hat dies eine herrliche Auswirkung auf ihr Sein, sondern auch auf ihre Geschichten und Ansichten. Überanstrengung ist ein Wort, das die Naturwesen gar nicht verstehen. Ein solcher Zustand existiert in ihrem Leben nicht. Natürlich kennen sie geschäftiges oder nervöses Herumeilen, aber meistens nur im Frühling. Sie lieben ihre Arbeit, wieso sollte dieser Umstand ihnen also Mühe bereiten?


Zwetschgengeistchen

Beim Niederschreiben ihrer Erzählungen haben sich manch lustige und knifflige Situationen ergeben. Schließlich konnte ich nicht einfach schreiben: Er stieg auf den riesigen Berg, sprach mit dem Windgeist und wurde ein anderer Mensch. Dazwischen „fehlten“ mir sämtliche Zeitangaben und Gespräche. Für die Naturwesen spielt es keine wirkliche Rolle, ob jemand ein, zwei oder zehn Jahre braucht, um etwas zu erreichen. Das Erreichen an sich zählt.

So habe auch ich bewusst auf solche Zeiteinteilungen verzichtet. Wenn immer möglich, benutzte ich Begriffe wie „nach einer Weile“, „Tage oder Zyklen später“ und nur ganz selten gebe ich eine Zahl an. Es ist wirklich fast ein wenig wie in unseren Märchen und diese beginnen traditionell mit Es war einmal...

ERZÄHLUNGEN UND BERICHTE VON NATURWESEN

„In den Märchen sehe ich eines eurer größten Vermächtnisse, denn sie setzten dort an, wo euer Verstand und eure Vernunft enden und wo Träume geboren werden.“

– Pan

ERDE
Unter und über Tage bei Zwergen, Riesen
und beim Efeu

Braun, schwer, dicht, dunkel, warm, kalt, feucht, beständig. Von allen Elementen ist die Erde das am Greifbarste für uns Menschen. Die Erde schenkt uns Halt und Sicherheit, ein zuhause, den Boden unter unseren Füßen und Nahrung. Aus dem dunklen Leib von Mutter Erde wird das Leben geboren und genau wie Samen, wachsen auch wir heran, eingehüllt im geborgenen Mutterleib.

In ihrer Beständigkeit liegt die größte Kraft der Erde, ganz ähnlich den Elementarwesen dieses Elementes. Augenscheinlich mögen all die Riesen, Zwerge oder Kobolde eher grobschlächtig, laut und bisweilen etwas plump wirken. Aber hier sollte man unter die dicke Schale blicken und die gütigen Herzen entdecken. Den Erdgeistern ist Stabilität und ein Rückzugsort, ein Zuhause, sehr wichtig. Sie sind eher gemütliche Naturen und das Familienleben ist für sie zentral. Stets reichlich Essen und Trinken zu haben gehört für sie ebenfalls zum guten Ton.

Laut, mürrisch und sehr nachtragend können diese Wesen sein. Auf der anderen Seite aber findet man unter ihnen die geduldigsten, sanftesten und fröhlichsten Gefährten. Stur wie ein Felsbrocken, aber ebenso treu können sie sein.

Das Akzeptieren wer man ist, seine Aufgaben gewissenhaft erfüllen und den eigenen Tempel ehren – dies sind Dinge, welche die Erdgeister einen lehren. So gut wie diese Wesen für Mutter Erde sorgen, so gerne kümmern sie sich auch um sich selbst. Fördern und dankbar sein, für das, was man hat ist ihre Leidenschaft. Durch sie kann der Mensch seinen Körper als das erkennen, was er ist: unser Tempel auf Erden, unsere eigenen vier Wände. Und dass wir das Recht haben, selbst entscheiden zu dürfen.

Tief unter der Erde, fern aller alltäglichen Geräusche, umgeben von Dunkelheit und dem sanften Herzschlag von Mutter Erde in den Ohren, findet man Ruhe und Zufriedenheit. Oder wie die Erdgeister sagen würden: „Fern aller Hektik von oben findest du hier das wahre Leben. Gute Gespräche und feine Gesellschaft. Der Geruch von brennenden Kräutern steigt aus den Pfeifen hoch während du hier das Leben miterleben kannst.“

Der Steinriese, der seine Aufgabe nicht mochte

In jedem Buch gibt es einen Abschnitt, der durch eine Besonderheit hervorsticht: Es war der Anfang. So auch hier. Es ist weniger eine Geschichte, dafür mehr ein persönliches Erlebnis und zugleich eine Art Prüfung. Als ich mit dem Gedanken spielte, ein Buch mit den Naturwesen zu schreiben, schickten diese mich erst einmal zu Hacok. „Hör ihm aufmerksam zu, und wenn dich glücklich macht, was du hörst, dann werden wir sehr gerne mit dir arbeiten.“

Gesagt, getan. Ich ließ meinen Geist wandern und machte mich auf die Suche, nach Hacok, dem Steinriesen. Ich fand ein wundervolles Wesen, voller Liebe und Freude und tief berührt wollte ich diese Empfindungen mit Anderen teilen.


„Zum höchsten Berg musst du gehen und die letzten Bäumen hinter dir lassen. Von dort weiter bis zur höchst gelegenen Quelle und dann bis zur Grenze, wo Weiß über Grün herrscht und das Reich von Hacok, dem Steinriesen, beginnt.

Neblig und kalt, windig und eisig ist die Heimat von Hacok. Der glitzernde Schnee ist dort Dauergast, und wenn er manchmal an einigen Stellen zurückweicht, dringt dort blanker Fels hervor. Die Welt dort oben ist in grau, weiß und schwarz gehalten. Nur der blaue Himmel bringt gelegentlich eine Ahnung von Farbe an jenen einsamen Ort.

Wenn du also den Mut aufgebracht hast, bis dort ganz hoch zu steigen, so erwartet dich ein finsterer Schlund und eine grobe Treppe in Fels gehauen, welche dich noch ein kleines Stück aufwärts bringt. Weit in die pechschwarze Höhle musst du gehen, ehe schwacher Feuerschein dir deinen Weg etwas erhellt. Es gibt keine Türe ins Haus von Hacok, dem Steinriesen, denn außer vereinzelten Windstößen verirrt sich fast nie jemand hier her.

Betrittst du nun den letzten Abschnitt der Höhle, bleibt für einen Augenblick dein Energiestrom stehen. Zu deinen Füßen breitet sich dir ein richtig kuscheliges Nest aus. Viele Felle sind an Boden und an den Wänden platziert, Kerzen brennen in schmucken Halterungen, Kräuter baumeln von der Decke und neben einem geräumigen Kochherd steht ein grober Holztisch mit einigen Stühlen. Sogar einige bunte Bilder hängen etwas verloren an den grauen Steinwänden. Munter brennt ein Feuer in der Mitte und in einer versteckten Ecke kann man eine gemütliche Schlafnische entdecken.

Bist du bis hierher gekommen so wirst du von einem großen Riesen mit Haut wie trockener Stein begrüßt. Monströs wirken seine Hände, wie Pranken, und doch wollen sie dich nur herzlich Willkommen heißen. Ein kurzes, aber kräftiges Drücken und schon wirst du zu einem Stuhl geleitet. Das Gesicht von Hacok, dem Steinriesen, sieht alt und runzelig aus und aus dieser etwas unförmigen Masse strahlen dich ein paar braune, freundliche Augen an. Eine dicke, schiefe Nase dominiert sein zerfurchtes Gesicht.

Ob du Hunger hast und durstig bist, wirst du sogleich von Hacok gefragt. Natürlich bist du das, schließlich hast du gerade den gewaltigsten Berg der Welt erklommen. Das Essen ist schnell auf dem Tisch, dazu folgen ein fein duftender Tee und zum Schluss noch etwas stärkeres – zur Feier deines Besuches.

Wenn du dich hier so umblickst kommt es dir schwer vorstellbar vor, dass du gerade dort bist, wo du eben bist. Und noch seltsamer mutet dir an, dass Hacok als junger Spund doch tatsächlich von hier fort wollte. Sich diesen Ort ohne den Steinriesen vorzustellen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Wie es Brauch ist, fragst du Hacok, den Steinriesen, nach seinem größten Abenteuer. Der Riese erzählt gerne davon, immer und immer wieder, denn genau wie die Steine kaum sichtbar wachsen, so lange dauert es, bis Hacok genug von seiner Geschichte haben wird. Demnach haben wir noch eine kleine Ewigkeit Zeit.

Hacok zündet sich eine riesige Pfeife an und bietet auch dir eine kleinere an. Es wäre äußerst unhöflich, diese abzulehnen, hat der Steinriese doch so gut wie nie Gesellschaft beim Rauchen.

„Ich war damals noch keine fünfhundert Zyklen alt“ beginnt er mit seiner Bassstimme. Er hat extra für uns nach einer plausiblen Zahl gegriffen. Die Naturgeister untereinander tun dies nie. „Zu jener Zeit“ fährt Hacok leidenschaftlich fort, „hatte ich genug von meinem einsamen Leben hier oben. Natürlich lag es nicht an der Langeweile, denn zu tun hatte ich wahrlich genügend. Wenn du so hoch oben auf einem Berg lebst musst du ständig auf das Gestein aufpassen, dass es sich nicht plötzlich löst und ins Tal hinunter donnert. Manchmal kommst du aber zu spät und manchmal kannst du auch die Steine nicht mehr beschwichtigen – dann wollen diese nur noch frei hinunter purzeln. Das scheint ihnen großen Spaß zu machen. Nicht das Zerstören auf dem Weg hinab natürlich, sondern einfach nur das Rollen an sich. Zugleich muss auch auf mögliche Schneelawinen acht gegeben werden. Hin und wieder lasse ich eine frei, aber ständig muss man aufpassen, dass nicht zu viel Schnee hinunter rutscht. Und dann die Bergspitze. Der Berggeist mag es sehr, wenn ich seine Spitze poliere und sie schön halte. Dort, ganz ganz oben, bin ich gerne. Es ist, als könntest du das Dach der Welt berühren...

Nun denn. Es war vor langer, langer Zeit, als ich an einem Morgen aufwachte und mehr vom Leben außerhalb meines Berges sehen wollte. So packte ich meine sieben Sachen und stieg hinab. Natürlich war der Berggeist alles andere als einverstanden. Er tobte und zeterte und versuchte mich am Gehen zu hindern, aber wir Steinriesen können wirklich sture Brocken sein. So verließ ich den Berg und betrat eine mir völlig unbekannte Welt.

Viele Zyklen zogen ins Land, und ich hatte eine Menge gesehen und erlebt. Dennoch wurde ich nie richtig glücklich. Eine seltsame Unruhe und das Gefühl fehl am Platz zu sein bedrückten mich ständig. Nirgends fühlte ich mich zugehörig, bis ich eines Tages einen anderen Steinriesen traf.

In einem weit entfernten Reich hatten die Bewohner mich gebeten, mit dem Berggeist zu sprechen, da die vielen Lawinen und Steine Leben zerstörten. Es kam immer wieder vor, dass der Berg seine Lasten abwarf, aber noch nie zuvor hatte er so beständig gewütet. Also stieg ich hoch, höher und höher, bis ich bei der Spitze ankam. Dort oben war ich alleine, es war ruhig und still, die Luft frisch. Nackter Fels und strahlender Schnee hießen mich willkommen. Ich fühlte mich wohl hier. Irgendjemand musste doch für all dies sorgen, dachte ich mir und machte mich auf die Suche nach dem Hüter.

Bald darauf fand ich ihn, einen Steinriesen, tief schlafend unter einem Felsvorsprung. Ich brauchte ganze drei Tage und Nächte, um ihn endlich wach zu bekommen. Er stellte sich als Nakamu vor, Steinriese und Hüter von diesem Berg, auf welchem wir uns gerade befanden.

„Warum hast du mich geweckt, Bruder?“ fragte er mich gähnend.

Ich berichtete was die Wesen weiter unten mir aufgetragen hatten. Nakamu erschrak darüber aufs heftigste.

„Oh weh, oh weh“ jammerte er und schlug die Hände vor sein furchiges Gesicht. „Ich bin eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Oh weh, die Armen. Oh weh, der arme Berggeist. Und all die Leutchen, oh weh. Was mussten sie durchstehen, oh weh...“

Nakamu wollte mit dem Klagen gar nicht mehr aufhören und rappelte sich auf. Geschwind eilte er auf der Bergspitze herum, begann Ordnung in das Chaos zu bringen und die Spitze zu putzen. Mittendrin blieb er stehen und starrte mich verdutzt an.

„Sag mir, Bruder Hacok, was machst du eigentlich hier? Musst du nicht für deinen Berg sorgen?“

Du kannst dir vorstellen, dass mir diese Fragen sehr unangenehm waren und ob du es glaubst oder nicht, ich wurde rot – rot wie ein Blutjaspis. Dann stammelte ich Nakamu meine Beweggründe vor.

„Oh weh, oh weh“ sagte der nur und fasste mich an den Schultern. „Bruder, du solltest zurückgehen. Ich verstehe ja, dass du die Welt sehen wolltest, aber sag mir, bist du so wirklich glücklich?“

Ich verneinte leise.

„Geh nach Hause, Hacok“ meinte er freundlich.

Und so nahm ich den beschwerlichen Weg zurück nach Hause auf mich. Lange bin ich fort gewesen und vieles hat sich verändert, während dieser Zeit. Tiere und Menschen sind vom Berg fortgezogen, die Hänge voll von Geröll und Schutt, die Spitze geknickt und der Berggeist hatte sich in die tiefsten Tiefen zurückgezogen. Ich wusste, dass dies alles meinem Weggehen zuzuschreiben war, und so machte ich mich daran aufzuräumen. Es war eine schwere Arbeit aber ich war nicht bereit aufzugeben. Als schließlich sämtliche Hänge frei von Geröll waren, die Quellen wieder ungehindert ins Tal fließen konnten und die Spitze aufgeräumt in den blauen Himmel strahlte, ging ich den Berggeist suchen. Nach und nach fand das Leben seinen Weg wieder zurück zu mir, und ich fühlte mich wieder zu Hause.

Hier bin ich glücklich und zufrieden. Hier werde ich gebraucht, hier gehöre ich hin, das weiß ich jetzt. Es gibt einen Grund, weshalb wir so sind, wie wir sind. Ich verurteile das Ausbrechen keineswegs, manchmal ist es nötig zu erkennen, was man die ganze Zeit vor Augen hat. So war es bei mir“ endet Hacok mit einem Augenzwinkern.


Mittlerweile ist es draußen dunkel geworden und die Strapazen des Aufstieges machen sich bei dir bemerkbar. Da der Steinriese ein guter Gastgeber ist, richtet er dir geschwind einen gemütlichen Schlafplatz ein. Die Felle sind warm und duften nach Stein. Du schläfst selig ein, an einem wundervollen Ort, denn hier lebt ein Wesen, welches sich selbst erkannt hat.

Am nächsten Morgen, nach einem ausgiebigen Frühstück versteht sich, machst du dich wieder auf den Weg ins Tal hinunter. Hacok liebt zwar Besuch, aber er ist ein Einzelgänger, und so freut er sich jedes Mal, wenn sein Gast auch wieder geht. Während deinem Abstieg fällt dir auf, wie friedlich das Leben hier ist. Es ist wahrlich ein schöner Ort und du könntest dir gut vorstellen, länger hier zu verweilen.

Unten blickst du ein letztes Mal hoch. Ganz weit oben, kaum sichtbar, glaubst du eine große Gestalt zu sehen. Hacok, der Steinriese, hat aufgepasst, dass du sicher am Fuße ankommst, bevor er sich wieder um seinen Berg kümmert...“

Hunkapunka erzählt eine Geschichte

Ich wäre wohl keine sonderlich gute und dankbare Freundin, würde ich Hunkapunka nicht wenigstens ein Mal zu Wort kommen lassen. Nun werden es sogar ganze zwei Mal sein.

Dem Zwerg Hunkapunka bin ich erstmals in Kindertagen begegnet. Wenn ich mich nun zurückerinnere, kommt mir das Bild von einem kleinen, witzigen Zwerg, der allerlei Dinge zu erzählen hatte, in den Sinn. Er war schon immer hier gewesen, und ich habe seine Anwesenheit nie angezweifelt.

Ein dichter, weißer Bart wächst bis zu Hunkapunkas Nabel hinab und auf seinem Haupthaar ruht eine flache, bunte Mütze. Mal ist sie rot, dann blau oder grün und manchmal sogar gelb. Er zeigt sich mir immer noch gerne in diesem typischen Zwergenbild; klein, stämmig, lustig, rotwangig, mit Vollbart, großen Ohren und ordentlichem Schuhwerk oder barfuß.

Hunkapunka gehört zu den Zwergen, die tiefer im Erdinnern leben. Sie sind unter anderem dafür zuständig, dass die Erdenergien frei fließen können, dass Wasser seinen Weg an die Oberfläche findet und natürlich für die Steine. Das Gestein ist ihre Domäne, dort fühlen sie sich wohl, dort sind sie Meister ihres Fachs.

Sie sind also Steinzwerge und mitunter auch zuständig für die Edelsteine. Diese Kostbarkeiten werden oftmals tief unter Tage „ausgebrütet“ und von ihnen umsorgt. Manchmal legen sie ganze Gärten mit Edelsteinen an. Dann kann man beobachten, wie die Zwerge mit ihren Hämmerchen und Hacken über die Steinfelder wuseln und nach und nach die Edelsteine aus dem Boden locken. Natürlich dauert es eine lange, lange Zeit, bis so ein Edelstein „geerntet“ werden kann, und selbst dann gibt es viele von den Steinen, die überhaupt kein Interesse daran haben, an einen anderen Ort zu gehen. Von den Steingärten werden einige in die Hallen der Zwerge getragen, wo sie zu wundervollen Gegenständen verarbeitet werden. Der Rest wird auf der ganzen Welt verteilt, nahe der Oberfläche, wo die Steine auch immer wieder von Menschen gefunden werden.

Dies ist, wie ich mich erinnere...

...es war in einem der unterirdischen Steingärten. Unzählige Fackeln hingen in schmucken Halterungen entlang der Wände. Ihr Schein wurde von den Edelsteinen zurückgeworfen und schuf so ein eigenes Licht. Dies war auch von Nöten, wollten die Zwerge beim Arbeiten etwas sehen. Die Luft war erfüllt vom beständigen Murmeln der Zwerge, wenn sie die Steine für ihre Schönheit lobten. Hin und wieder stimmte einer der Zwerge ein Lied an und bald darauf fielen alle mit ein. Manchmal waren es lustige und leichte, dann wieder schwere und tiefsinnige und dazwischen gaben sie sogar einige Trinklieder zum Besten. Die Stimmung war froh und von einer leichten Heiterkeit getragen. Steine sangen, klangen und brachen unter dem rhythmischen Klopfen der Hämmer.

Es war das erste Mal, dass Hunkapunka mich hierher mitgenommen hatte, und ich verliebte mich augenblicklich in diesen Ort. Der kalte, feuchte Duft der Edelsteine und wurde von der weichen Erde eingeschlossen. Man fühlte sich geborgen und sicher und vergaß dabei die Tatsache, dass über dem Kopf tonnenschwere Schichten aus Erde ruhten.

Ich war damals noch jung, ein Menschenkind, das mit großen Augen an Hunkapunkas Hand ging. Mein Herz klopfte wie wild, und noch heute kann ich das aufgeregte Kribbeln auf meiner Haut fühlen, wenn ich mich daran zurückerinnere. Die Zwerge mögen Menschenkinder. Deren Herzen sind noch offen für die Rhythmen der Natur. Ihre Ohren können den Herzschlag der gütigen Mutter noch hören und sie wissen instinktiv, um was es sich da handelt. Das Wissen der Zwerge ist groß. Es umfasst die Geschichte der Steine, der Erde, der Menschen als auch ihre eigene. Für sie ist die Weitergabe dieses Wissens eine Ehre und sie teilen es gerne mit jenen, die offenen Herzens sind.

Hunkapunka und ich machten es uns am Rand des Steinfeldes gemütlich. Bevor der Zwerg aber zu sprechen begann, musste er seine Pfeife stopfen. Hunkapunka pflegte zu rauchen, wenn er etwas erzählen wollte und da er mir jedes Mal etwas Neues zu berichten hatte, qualmte er fleißig. Für Naturwesen ist das Rauchen unschädlich, und sie haben auch eine ganz andere Beziehung dazu. Mit jedem Atemzug werden die Kräuter, der Rauch und Mutter Erde geehrt und ihnen gedankt. Die Zwerge vergleichen das Pfeifenrauchen sogar mit einer Meditation. Und ich, als Zuhörerin, lernte geduldig zu sein.

Ich fand Hunkapunkas Pfeife lustig. Der Pfeifenhals war so lang, dass Hunkapunka den Pfeifenkopf gemütlich auf dem Boden abstellen konnte. Es hatte schon etwas Mystisches an sich, wenn sein bärtiges Gesicht hinter einer grauen Rauchwand verschwand. Und dann schien es, als würde seine Stimme durch den Nebel zu mir sprechen.

„Kleine Freundin“ sagte er mit seiner lebendigen Stimme. „ Heute erzähle ich dir die Geschichte vom ersten Zwerg Mamouki. Er war der Erste von uns, der seine Heimat tief unter der Erde gefunden hatte. Und er war auch der Grund, weshalb wir Zwerge die Steine so sehr lieben.

Nun, es war in den alten Tagen. Jenen alten Tagen, die schon so lange zurück liegen, dass niemand mehr weiß wie lange denn genau. In eben jenen alten Tagen da lebte ein Zwerg namens Mamouki.

Mamouki wohnte sehr nahe an der Oberfläche, und er war dort glücklich. Seine Stube lag direkt unter den Wurzeln einer gewaltigen Eiche. Er und der Eichengeist waren gute Freunde, und ein jeder kümmerte sich um den anderen. Mit seinem kleinen Hämmerchen sorgte Mamouki dafür, dass die Wurzeln unbeschwert gedeihen und genügend Nahrung für den Baum aufnehmen konnten. Als Gegenleistung gewährte ihm der Eichengeist Schutz und ein Zuhause.

Mamouki unternahm gerne ausgedehnte Spaziergänge und war manchmal einige Tage fort. Eines Tages aber ging er weiter als je zuvor und gelangte an einen besonders hohen Berg. Schon in diesen alten Tagen war der Zwerg von Gestein fasziniert gewesen, und so beschloss er, dessen Gipfel zu erklimmen. Vielleicht gab es dort oben Interessantes zu entdecken.

Einige Male drehte die Sonne ihre Runden und Mamouki war noch immer auf dem Weg zum Gipfel. Aufgeben lag nicht in seiner Natur, und so stieg er stetig weiter. Eines Mittags galt es eine besonders tückische Stelle zu überwinden, und als Mamouki zu straucheln begann, fiel sein geliebtes Hämmerchen in eine Spalte. Dunkel und tief führte die Furche nach unten in unbekanntes Terrain und wäre das Hämmerchen nicht ein Geschenk von Pan gewesen, er hätte es liegen lassen. So aber konnte er es nicht vergessen, denn das Hämmerchen hatte eine große symbolische Bedeutung für Mamouki. Es stand für die Freundschaft und den Respekt des Pans gegenüber dem Zwerg. Es stand für die Dankbarkeit und Wertschätzung, welche Mamouki der Eiche hatte zukommen lassen und es stand für die innere Stärke eines jeden Lebewesens. Unsere Hämmerchen stehen auch heute noch für diese Werte.

Also stieg Mamouki in die Tiefe. Tapfer setzte er einen Fuß vor den anderen, während das Tageslicht immer schwächer wurde. Irgendwann musste er doch den Grund erreichen und sein Hämmerchen wieder finden. Bald hatte der liebe Mamouki die Orientierung verloren und wusste nicht mehr, wo oben und wo unten war. Es gab keine Gestirne, nach denen er sich hätte richten können. Kein Rascheln von Blättern im Wind, welche ihm den Weg weisen konnten. So blieb Mamouki nichts anderes übrig, als weiterzugehen. Es ging bergab, nicht mehr so steil wie zuvor aber doch beständig. Mamoukis Brust schnürte sich zusammen und zum ersten Mal in seinem Leben hatte er so etwas wie Angst. Die Verzweiflung ließ ihn schneller gehen, bis er über etwas stolperte und zu Boden stürzte.

Eine Weile blieb Mamouki liegen, zu erschöpft um wieder aufzustehen. Stille umfing ihn, und er dachte, dass es sicherlich schlimmere Orte geben musste, an denen man stranden konnte. Da glaubte er auf einmal das Flüstern von Stimmen zu hören. Mamouki schüttelte den Kopf. Jetzt wurde er schon ver-rückt. Er hatte von einigen Geistern gehört, denen dies passiert war. Aber es waren alles unleidige Gesellen gewesen. Nein, so wollte er nicht enden. Hatte Pan ihm nicht einmal gesagt, dass alles lebendig sei? Überall existierte Leben, wieso also nicht auch hier?

Erst einmal die Schuhe ordentlich abklopfen. Von seiner unfreiwilligen Wanderung unter Tage klebten nämlich große Erdklumpen an seinen Sohlen.

Dann stand er entschieden auf, stemmte die Hände in die Hüften und rief in die Dunkelheit: „Hallo, ist hier jemand? Ich bin der Zwerg Mamouki von der Oberfläche, und ich habe mich verirrt.“

Kaum hatte er gesprochen, da verstummten die feinen Stimmchen und nichts war mehr zu hören.

„Gut gemacht, Mamouki“ sagte er zu sich selbst. „Nun bist du wahrlich ver-rückt.“

Mutlos ließ er seine Schultern hängen und wusste nicht weiter. Aber da hörte er auf einmal ein neues Geräusch. Es war weder besonders laut, noch sehr auffällig, weshalb es ihm zuvor nie aufgefallen war. Bumm Bumm schien es zu machen. Mehr wie ein fernes Trommelschlagen. Mamouki hatte schon mit manch seltsamen Wesen gesprochen, auch mit einigen, die im Erdinnern lebten. Sie hatten ihm erzählt, dass Mutter Erdes Herzschlag das erste und letzte war, dass sie jeweils hörten. Könnte dieses Trommeln vielleicht...?

Kurz entschlossen machte Mamouki sich auf die Suche nach dem Ursprung. Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, aber noch heute sind wir ihm für seinen Mut dankbar.

Irgendwann entdeckte Mamouki einen feinen Lichtstrahl. Neugierig ging er darauf zu und je näher er kam, desto heller wurde es. Ein sanfter Windhauch schien durch den Gang zu wehen, und er konnte allerlei Geräusche hören. Der Gang bog um eine Ecke und dann landete Mamouki am außergewöhnlichsten Ort, den er je gesehen hatte.

Über seinem Kopf wölbte sich eine gigantische, unterirdische Höhle. Wasser tropfte von der Decke, Windgeister trieben ihren Schabernack zwischen Stalaktiten und grüne Moosflechten wuchsen entlang der Wände. Zu seinen Füßen aber erstreckte sich ein schier endloses Feld aus Kristallen. Große und kleine, spitze und runde, glasklare und milchige, schimmernde und matte lagen wirr nebeneinander. Aus ihrer Mitte schien ein sanftes Licht zu entströmen und wurde von den Nachbarsteinen zurückgeworfen. So also war der Lichtschimmer entstanden, der Mamouki hierher geführt hatte. Es war nicht mit Tageslicht zu vergleichen, aber wenn man hier einige Fackeln aufstellen würde...

Es ist bekannt, dass der erste Zwerg Mamouki kein allzu sentimentaler Geselle war, aber bei diesem Anblick konnte auch er seine Rührung nicht verbergen. So unbeschreiblich schön und friedlich war es an diesem Ort, dass er nie mehr von hier fort wollte. Geborgenheit und Zufriedenheit erfüllten sein Herz und ließen ihn erkennen, wohin er all die Zeit schon immer gehört hatte. Lange, lange war er so stehen geblieben, den Blick im Funkeln der Kristalle verloren...

Auf einmal bemerkte Mamouki eine neue Energie in der Höhle. Es war eine alte und weise Energie voller Liebe und Kraft und Mamouki wusste augenblicklich, wer da zu ihm gekommen war. Es war Gaia selbst, die gütige Mutter Erde. Mit freudigem Herzen und geröteten Wangen begrüßte er sie.

„Lieber Mamouki“ sagte sie ihm da freundlich, „siehst du all diese wundervollen Geschöpfe. Sie sind eingeschlossen, hier tief unter der Erde und viele von ihnen würden doch so gerne einmal das Tageslicht sehen. Sie brauchen jemanden, der für sie sorgt, ihnen hilft nach oben zu kommen. Jemand, der sie pflegt und schöne Dinge aus ihnen herstellt. Jemand, der sie achtet und liebt. Aber vor allem brauchen sie jemanden, mit dem sie ihre Liebe und Weisheit teilen können. Möchtest du derjenige sein, Mamouki?“

Du kannst dir Mamoukis Antwort natürlich denken, sonst wären wir ja nicht hier, wo wir jetzt sind. Die gütige Mutter überreichte Mamouki sein altes Hämmerchen, aber es war nicht mehr so, wie als er es verloren hatte. Sein Material war nun unverwüstlich, ein funkelnder Diamant. Damit konnte Mamouki die Kristalle aus dem Boden befreien und einige von ihnen in noch atemberaubendere Formen bringen.

Also übernahm Mamouki die Aufgabe über die Edelsteine, insbesondere die Kristalle, zu wachen. Er war der erste Zwerg hier so tief unter der Erde, der erste Kristallzwerg. Wie du weißt, sind wir nun einige Kristallzwerge mehr, denn viele von Mamoukis Freunde zogen zu ihm hinab. Und so kamen auch die anderen Edelsteine zu ihren „Gärtnern“. Aus Respekt, Dankbarkeit aber auch um Verwechslungen zu vermeiden, haben wir die Farbe unserer Bärte an die Edelsteine angepasst. So haben die Kristallzwerge weiße, die Amethystenzwerge violette, die Türkiszwerge türkisfarbene Bärte... und so weiter.

Nun kennst du sie, die Geschichte vom ersten Zwerg Mamouki und wie es dazu kam, dass wir so tief unter der Erde wohnen. Nun weißt du auch, woher unsere Vorliebe für Kristalle und Edelsteine aller Art kommt. In unserer Brust schlägt dasselbe Herz wie jenes von Mamouki. Seine Liebe zum Gestein hat er uns weitervermacht, und es ist das schönste Geschenk, dass man sich wünschen kann. Etwas so sehr lieben zu können wie sich selbst, gibt einem eine Bestimmung, ein zuhause, ein Halt, eine Einheit und Zufriedenheit. Wir sind ein wenig wie die Steine geworden; manchmal etwas grimmig, hart und rau (das gebe ich zu), aber dennoch voller strahlender Liebe.

So, genug der Erzählerei“ meinte Hunkapunka jäh. Die Geschichte war beendet und seine Pfeife ausgeraucht – für den Moment jedenfalls. „Komm, kleine Freundin“ er reichte mir ein Hämmerchen. „Hilf mir einige der Kristalle zu befreien. Hier ist dein Hämmerchen.“

Es war ein prächtiges Hämmerchen, kunstvoll verziert und für mich passend in der Hand liegend. Ein wundervolles Geschenk. Dann zeigte mir Hunkapunka wie man einen Kristall erkannte, der an die Oberfläche wollte. Wie man ihn mit viel Geduld und Liebe aus dem weichen Boden hämmerte und grub. Welche Lieder die Besten waren, um einen schüchternen Kristall zum Loslassen zu bewegen. Welche Worte einen übermütigen Kristall beruhigten und zugleich mich selbst. Hunkapunka lehrte mich, dass jeder Kristall, jeder Edelstein, jeder Fels, ein beseeltes Wesen war und folglich auch als solches zu behandeln war. Er lehrte mich, dass wenn man Respekt vor ihnen hatte, dann würden die Steine mit einem Flüstern antworten...

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
204 s. 7 illüstrasyon
ISBN:
9783945574430
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