Kitabı oku: «Das Naturforscherschiff», sayfa 34
Auch die übrigen lächelten, indes sie geräuschlos ihre Schlachtlinie ordneten. Franz hatte sich so aufgestellt, daß er, ohne selbst gesehen zu werden, den Anführer der Gefangenen fixieren konnte. Sein Blick haftete auf der Stirn des bleichen, düster dreinschauenden Mannes, bis sich dieser, magnetisch gezogen vielleicht, halb umdrehte und in solcher Weise plötzlich dicht vor sich den jungen Europäer gewahrte. Eben so schnell aber hatte auch Franz den Finger auf die Lippen gelegt, eben so schnell hatte der Gefangene begriffen, daß ein einziger Laut genügen werde, um alles zu verderben. Er regte kein Glied, sondern sah mit dem gewohnten Ausdruck abweisenden Ernstes vor sich hin, dabei aber immer den unerwartet erschienenen Fremdling im Auge behaltend und jede seiner Bewegungen beobachtend.
Die Fidschianer lagen ahnungslos rauchend um das Feuer herum. Sie konnten sich ja nicht träumen lassen, daß in ihren nie von Weißen betretenen Wäldern der Feind nur das Signal zum Kampfe erwartete, daß die nächsten Minuten ein furchtbares Blutbad bringen sollten. Gerade diese vollständige Ruhe sicherte den Weißen den Sieg.
Franz hatte sein Messer aus der Tasche gezogen und es dem Gefangenen gezeigt. Jetzt bückte er sich, um es durch das Moos den gefesselten Händen näher zu bringen. Ein Stöckchen schob nach, eine schlauberechnete Wendung des Körpers deckte das Unternehmen, und der Schnitt durch die scharfgedrehten Binsenstricke war glücklich vollbracht. Franz sah an der Reihe seiner Genossen hinab, sie lagen alle im Anschlag, – atemlos vor Aufregung horchte er den verabredeten Zeichen.
Da trat einer der mit Turban und vielfachen Zieraten geschmückten Priester aus der Mitte der übrigen hervor und näherte sich den Gefangenen, deren einen er ohne Umstände an den Haaren ergriff und gebunden, wie der Unglückliche war, nach sich schleifte. Franz fühlte, wie ihm das Blut in allen Adern kochte; nur mit äußerster Anstrengung bezwang er sich, nicht sogleich den kecken Übeltäter zu Boden zu strecken, doppelt angestrengt aber lauschte er dem Signal, das Rua-Roa zu geben versprochen hatte. So viele Papageien krächzten von den Bäumen herab, – wie würde es möglich sein, gerade den einen erkünstelten Schrei aus der Menge natürlicher herauszuhören?
Die Priester hatten mittlerweile ihr Opfer seiner sämtlichen Kleider beraubt und schritten nun zur Vollstreckung eines Greuels, wie es nicht grausamer und fürchterlicher gedacht werden kann, wie es aber im Innern der Fidschiinseln dennoch bis auf den heutigen Tag, nicht allein Schiffbrüchigen und Kriegsgefangenen, sondern auch den eigenen Stammesgenossen gegenüber Sitte ist. Jeder Häuptling bekommt als Mahlzeit einen in sitzender Stellung gebratenen Menschen; der Gottheit aber wird vorher ein Gefangener geopfert, dem man Arme und Beine vom lebendigen Körper geschnitten, und den man gezwungen, Stücke seines eigenen Fleisches zu verschlucken. Hierfür war der aus der Reihe der übrigen hervorgesuchte Matrose, ein blutjunger Mensch, ausersehen, und die Priester holten steinerne Messer sowohl als eine irdene Pfanne herbei, um die entsetzliche Verstümmelung auszuführen, während sich der unglückliche junge Mensch aus Leibeskräften gegen die Fäuste seiner Angreifer sträubte und nicht unterließ, sie mit den ehrenrührigsten Titeln zu überhäufen.
Franz sah von einem zum andern. Schon schwebte das Messer des Zauberers über dem rechten Arm des jungen Matrosen, schon schrie dieser vor Entsetzen laut auf, – was sollte er tun, um das Fürchterliche abzuwenden?
Da erklang der Ruf des Malagaschen. Franz hört sofort den bezeichnenden, warnenden Klang, ein- – zwei- – dreimal, und zugleich mit dem letzten fiel der verabredete Schuß. In den Kopf getroffen stürzte der Priester, dessen Mordwaffe schon gehoben gewesen, um ein abscheuliches Verbrechen zu begehen.
Tiefe Totenstille folgte dem Schrei des Getroffenen, der ersten Bewegung jähen Erschreckens, das alle Wilden ergriffen hatte. Was war das? Woher kam es?
Aber nur Sekunden währte die allgemeine Erstarrung, dann wandten sich einige Häuptlinge, die Feuerwaffe erkennend, mit furchtbarem Wutgeschrei jener Richtung zu, aus der Rua-Roa geschossen. Sie zogen die übrigen nach sich, der ganze Haufe stürzte gegen die Hütten vorwärts, auch die jungen Mädchen flüchteten schreiend, kurz, es war eine Szene furchtbarster Aufregung und des wildesten Durcheinanders.
Jetzt mußte gehandelt werden, die Weißen sahen es alle. Ohne Kommando fielen auf der ganzen Linie die Büchsenschüsse, während zugleich drinnen der befreite Kapitän im Fluge die Fesseln seiner Leute durchschnitt und so die Zahl der Kämpfenden um sechzehn Männer vergrößerte. Auch der zum Kolanfest bestimmt Gewesene wurde mit Kleidern und Waffen versehen; die nach allen Seiten flüchtenden, ratlosen, unbewaffneten Wilden erhielten noch eine zweite Salve, die gleich der ersten nur in ihre Beine traf, ohne sie zu töten; dann aber benutzten unsere Freunde den Augenblick panischen Schreckens, um so schnell als möglich zu fliehen. Ein Papageienruf klang ihnen vom Dorf her nach, laut und spöttisch, nah und näher, bis endlich der Malagasche aus dem Gebüsch hervorbrach mit blutenden Armen und Schultern, aber mit triumphierenden Blicken, über dem Kopf eine Anzahl Wurfspieße schwenkend, die er vom Tempel herabgerissen, ganz Wilder, ganz der Sohn des Urwaldes. »Ich habe den Tempel in Brand gesteckt,« rief er, »und das Gewehr liegen lassen, um die Aufmerksamkeit der Menschenfresser einstweilen abzulenken. Hier hinunter, hier, – in fünf Minuten können wir das Riff erreichen, während uns jene auf der anderen Seite suchen.«
Er stürmte voran und die übrigen drängten nach, nicht ohne von einzelnen Fidschianern verfolgt zu werden, die aber durch ein paar Kugeln sehr bald allen Mut zu weiteren Feindseligkeiten verloren und hinkend und blutend zum Dorfe zurückkehrten. Es konnte indessen nicht zweifelhaft sein, daß sogleich, nachdem die erste Verwirrung besiegt, auch der ganze Stamm den Flüchtigen nachsetzen würde; die größte Eile war daher geboten.
»Wir sind nicht weit vom Ufer entfernt,« rief der Malagasche. »Ich stieg auf einen Baum und sah dabei ziemlich nahe die See durch das Gebüsch schimmern. Rasch, rasch, dann erreichen wir das Korallenriff, ehe uns die Kerle mit ihren langen Schleppen einzuholen vermögen.«
Die ganze Schar folgte der angedeuteten Richtung; schon nach kaum hundert Schritten blitzte im Sonnengold hinter dem Riff der Ozean auf; eine weite freie Bucht dehnte sich bis tief in das Land hinein, an Pflöcken und Baumstämmen lagen hoch heraufgezogen die schönen, schlanken Doppelkähne der Fidschianer.
»Hurra!« rief Franz, »Hurra, die Ausbeute ist größer, die Tat ruhmvoller, als man denken sollte! – Wir nehmen die Boote der Wilden und drehen ihnen vom Wasser her eine Nase.«
Der Vorschlag fand allgemeinen Beifall; über Hals und Kopf wurden die Taue gekappt, jeder Mann bestieg eins der schlanken Fahrzeuge, und die übriggebliebenen nahm man, um das Nachsetzen erfolgreich zu verhindern, ins Schlepptau. Es war aber auch die höchste Zeit. Kaum trieb die seltsame Flotte in der Entfernung von etwa fünfzig Schritten auf hoher See, als aus dem Walde die ganze Masse der Kannibalen hervorbrach und mit einem Gebrüll, das nichts Menschliches halte, ihre Opfer sich entgangen sah. Zugleich sollten auch die Kähne verloren sein; das raubte den Fidschianern alle Überlegung, einige stürzten sich blindlings, heulend vor Wut, ins Meer, um die Flüchtigen zu verfolgen, andere tanzten buchstäblich wie die Verrückten am Ufer auf und ab; alle aber schrieen, daß es klang, als sei eine Herde von Teufeln losgelassen.
Der alte Steuermann bemühte sich voll Ingrimm, mittels des Ruders den Doppelkahn zu lenken; der nebenher schwimmende Klotz ärgerte ihn über alle Maßen, und als jetzt einer der Fidschianer seinem Fahrzeug ziemlich nahe kam, da legte er erbost die Kugelbüchse auf ihn an. »Warte, du Satan, mit dem Schrecken sollst du davon kommen; aber für deine Art, Kähne zu zimmern, will ich dir doch einen Denkzettel geben.«
Er zielte und schoß den Turban vom Kopf des Wilden, der vor Schreck tauchte und erst nach einer Minute in ziemlicher Entfernung wieder zum Vorschein kam. Die Weißen begrüßten mit lautem Hurra den allgemeinen Rückzug des farbigen Rachekorps um so mehr, als jetzt auch der Dampfer in Sicht kam und zum Zeichen des Erkennens einen langhallenden Kanonenschuß über das Meer dahinsandte. Die Antwort wurde mittels hochgeschwungener Taschentücher und Hüte gegeben, nur Rua-Roa konnte nichts dergleichen schwenken, weil er bei seiner Pfadfinderexpedition alles von sich geworfen hatte und ganz als Wilder den Doppelkahn regierte. Die Matrosen fischten indessen glücklich den Turban des Fidschianers und überreichten ihm diesen, der nun tröpfelnd vom Kopf bis zur Kniebeuge herabhing; es war eine Szene ausgelassener, nach dem überstandenen Schrecken um desto lebhafter hervortretender Heiterkeit, die gerade durch den ohnmächtigen Zorn der Eingebornen ihre höchste Würze erhielt. Während diese in großen Sprüngen am Ufer den Weg der Boote begleiteten, und während das Schiff in langsamer Majestät den heimkehrenden Reisegenossen entgegenkam, berieten die Führer, was mit den Booten der Wilden zu machen sei.
»Wir überlassen sie ihrem Schicksal,« meinte Holm.
Hans protestierte. »Das dürfen wir nicht, Karl. Auch Kannibaleneigentum ist heilig.«
»Aber wie wolltest du es denn einrichten, mein Lieber?«
»Wir binden die Kähne wie einen Rattenkönig zusammen,« versetzte der junge Mann. »In unser eigenes Boot steigen sodann sechs Mann mit geladenen Gewehren, die das ganze kleine Geschwader an Land bringen, wenigstens bis an das äußere Riff. Die Wilden werden unter der unmittelbaren Gefahr der Bleikugeln keinen Angriff wagen.«
Doktor Bolten stimmte ihm bei. »Hans hat recht,« entschied er. »Gerade die menschlichen Bestien, welche im Begriff waren, ihrem Nächsten das Leben zu stehlen, gerade diese müssen sehen, daß wir die Besitzrechte anderer respektieren.«
Der Malagasche schüttelte den Kopf. »Diesen Kahn und die Ruder und sämtliche Waffen behalte ich!« sagte er keck. »Sie sollen in das Museum in Hamburg.«
Der Kapitän lachte. »Nun gut,« warf er ein, »so wollen wir die Sache ausgleichen. Durch das große Boot von der »Eintracht« haben wir ein solches zu viel an Bord, das mag mit einigen anderen Geschenken den Wilden in Tausch gegeben werden, nicht wahr? Sie besitzen dann ein Erinnerungszeichen an den Tag des verunglückten Menschenopfers.«
»Und wir haben einen höchst interessanten Doppelkahn von Viti-Levu nebst Wurfwaffen aus Holz mit Menschenknochen!« rief der junge Gelehrte, jetzt erst die erbeuteten Spieße genauer betrachtend. »Ich kenne sie freilich schon aus verschiedenen Sammlungen, aber diese hier sind ganz besonders schön.«
Er zeigte den übrigen die langen, aus steinhartem Holz gefertigten, braun gebeizten und in schauerlicher Weise verzierten Speere. Nach oben rund und kolbenartig zulaufend, hatten mehrere ein strahlenförmig befestigtes Bündel von Knochensplittern, deren mittlere fußlang und die äußeren von Reihe zu Reihe etwas kürzer waren, während andere platt und länglich an beiden Seiten eingelassene Zähne zeigten: alles schwere Waffen, die den einmal Getroffenen unfehlbar töten mußten.
Der Dampfer war unterdes herangekommen, die Reisenden gingen an Bord und ließen nur so viele Matrosen, als zur Befestigung der Kähne notwendig waren, einstweilen unten. Im Boot der »Hammonia« brachten dann zehn Bewaffnete, die Kugelbüchsen beständig im Anschlag, sämtliche Fahrzeuge mit Einschluß des vertauschten an Land, ohne daß die Wilden irgend eine Feindseligkeit gewagt hätten. Als ihre Kähne von den Weißen verlassen waren, fielen sie wie ein Bienenschwarm darüber her; das fremde Fahrzeug schien sogleich ein Gegenstand erbitterten Streites zu werden, ja, ehe noch der Dampfer die hohe See gewonnen hatte, rauften sie sich schon untereinander auf das lebhafteste. Jetzt erst, nachdem die Gefahr vorüber und völlige Sicherheit zurückgekehrt war, kam es zwischen den Geretteten und ihren Rettern zu Mitteilungen. Rua-Roa blieb der Held des Tages, obgleich ihm Holm lächelnd riet, den zivilisierten Menschen wieder anzuziehen; er erzählte, daß im Dorf die Weiber und Kinder ihn für einen bösen Geist gehalten haben müßten, da sie bei seinem Erscheinen mit dem Gesicht auf den Fußboden gefallen und vor Schreck liegen geblieben seien, jetzt aber schien er sich doch seines früheren Rausches einigermaßen ungern zu erinnern und schlüpfte eilends in die Kajütte, um Toilette zu machen.
Der Kapitän der »Eintracht« berichtete, daß er von Bremen nach Lewuka, der Hauptstadt von Viti-Levu, bestimmt gewesen und daß er mit seinen Leuten die brennende Bark habe verlassen müssen, um nur das nackte Leben zu retten. Vom Erd- oder besser gesagt vom Seebeben hatte er nichts bemerkt, sondern nur von dem heftigen Gewitter, dessen erster Schlag den Großmast zersplitterte und das ganze Schiff in Brand setzte; er erzählte, daß ihn und die Seinen jene räuberischen Wilden nach einer unter allen Qualen des Durstes im Walde vollbrachten Nacht am heutigen Morgen aufgegriffen und zum Opfer bestimmt hätten, daß man ihnen keinerlei Nahrung gereicht und sie gänzlich ausgeplündert. Trauringe, Taschenmesser, Portemonnaies, Schlüssel, Taschenbücher, ja sogar die Papiere des verbrannten Schiffes, alles war in den Händen der Fidschianer geblieben.
Man beschloß daher, Lewuka anzulaufen und hier die Geretteten den zuständigen Behörden unter Mitteilung aller Einzelheiten ihrer Auffindung zu überliefern; das paßte auch Holm und den jungen Leuten gut, da sie bei der schleunigen Flucht aus dem Walde auf jede Ausbeute für ihre wissenschaftlichen Zwecke hatten verzichten müssen. Als das Schiff nach wenigen Tagen den sicheren, hübschen Hafen erreicht hatte, als auf derselben Insel, die in ihrem entlegenen, bergigen Innern noch Kannibalen beherbergte, jetzt eine elegante Stadt mit schönen Gebäuden und glänzenden Läden sich zeigte, da begriffen sie kaum, wie auf verhältnismäßig so engem Raume solche Gegensätze nebeneinander bestehen konnten. Hier ließ sich ein Ausflug in die nächste Umgebung ohne alle Gefahr wagen, nur ein paar Eingeborne wurden mitgenommen, um als Lastträger zu dienen.
Wie schön war die Landschaft ringsumher! Wie belebt von großen Schmetterlingen, von Riesenspinnen, Skolopendren und Käfern, von Tauben, Drosseln und Kakadus. Auf einer grünen Ebene sahen unsere Freunde sogar Termitenbauten, die Holm als bewohnt erkannte. Diesen Fund wollte er sich natürlich nicht entgehen lassen. Es wurde Halt gemacht und man bearbeitete mit kurzen Beilen die Hügel so lange, bis der innerste Mittelpunkt derselben, die Wohnung der Königin, den Blicken bloßgelegt war. Ein Geschöpf, so seltsam wie kein anderes, kam zum Vorschein, das Termitenweibchen mit dem zum unförmlichen Sack verlängerten Hinterkörper der Tausende von Eiern barg und wenigstens viermal so groß erschien als das Tier selbst. Nachdem unsere Freunde diesen Fang in Sicherheit gebracht, verließen sie das Termitendorf, um nicht mit den Bewohnern desselben in Konflikt zu geraten. Noch wurden große Fruchttauben, schwarze Glanzstare und viele andere Tiere erlegt, auch eine grün und rot gesteckte große Wanzenart.
Fünfzehntes Kapitel
Nach den Samoainseln. »Tabu.« Auf des Vaters Besitzungen. Die Nachricht vom Attentat. Dankgottesdienst. Haifischjagd. Tänze der Eingeborenen. Ausflug ins Innere. Barbarische Justiz und Rettung. Rua-Roas Taufe. Abschied von Samoa.
Nach mehrtägigem Aufenthalt, nach beglückendem Stilleben inmitten der abenteuerreichen Reise wurde die Fahrt nach den Samoa- oder Schifferinseln fortgesetzt, zunächst nach Tutuila, einem schönen Garten gewissermaßen, wo die Eingebornen, nackte, hellfarbige Polynesier, in regelrecht gebauten Dörfern lebten und sowohl Landwirtschaft als Viehzucht betrieben, obgleich ihnen Schafe, Ziegen, Hunde und Schweine erst aus den Kulturländern zugeführt worden waren. In den dichten Palmenhainen standen unter grünem Blätterdach die hübschen, runden Hütten, neben denen Ställe aus Bambus, Vorratsschuppen und wohlgepflegte Gärten das Auge angenehm berührten. Wo sich offene Stellen zeigten, da waren Yams, Taro, süße Kartoffeln oder Gemüse und Gewürze angebaut, während in den Wäldern die aus Steinen errichteten Feuerstellen durch ihre reichliche Asche verrieten, daß unablässig Palmöl gekocht wurde. Alle diese gutmütigen Menschen schienen große Freunde von Tieren, namentlich Geflügel, das in ganzen Massen jeden Hausstand belebte. Scharen stolzer Hühner, Pfauen, Tauben und Fasanen bewohnten den Hof, Papageien, zahm wie bei uns, hingen in Holzkäfigen, und allerlei Singvögel schmetterten lustig vom Dach herab.
Obgleich die Eingebornen meistens nur mit dem Gürtel einhergingen, so gab es doch für sie auch einen Staatsanzug, der bei festlichen Gelegenheiten übergeworfen wurde, und der bei den Männern aus einem Gewand von den Blättern der Drauma, bei den Frauen aus einem Mantel von weißem Faserwerk bestand. Eines Morgens erschienen sie sämtlich in diesem Kostüme; durch die Dorfstraße ging ein Mann mit einem großen, hohlen Holzklotz, auf dessen Boden er mit zwei Stöcken taktmäßig schlug und dadurch die Reisegefährten auf etwas Außergewöhnliches vorbereitete. Sie wohnten hier für die Tage ihres Besuches mitten unter den Eingebornen, schliefen auf Matten aus seinem Flaum, aßen die bescheidenen Gerichte außer dem auch hier beliebten Palolo und sammelten ebensowohl die verschiedenen Arten vulkanischen Gesteins als der einzelnen kleineren Pflanzenformen und Insekten, – jetzt aber war alles das vergessen. Schleunigst folgten sie dem Trommler zu einer mäßigen Anhöhe vor dem Dorfe, wo bereits der Häuptling mit seinem Hofnarren Platz genommen hatte, und wo sich junge Mädchen und Burschen mit dem beliebten Ballspiel unterhielten.
Aller Köpfe schmückten granatrote und weiße Blüten; die Männer hatten sich durch an Brust und Rücken befestigte Palmenzweige auf das wunderlichste herausgeputzt; Frauen und Kinder trugen die langen, zottigen Mäntel, in denen sie wie vermummt erschienen. Die possierlichste Figur bildete der Hofnarr, den bunte Federn, Steine, Blumen, ausgeschnittene Stücke Perlmutter, aufgereihte Muscheln und die greulichsten Malereien in einen menschlichen Teufel verwandelten. Er verbarg sein Gesicht hinter einer ungeheuren, gelb und rot bemalten Maske mit ellenlangem Flachshaar, er tutete auf einem hölzernen, gewundenen Instrument und vollführte die seltsamsten Sprünge, wobei sich sein überall angestrichener Körper wie der eines Verrückten drehte und wendete.
Dieser Narr war keineswegs ein Priester oder Zauberei, sondern lediglich für die Unterhaltung des Königs bestimmt; er durfte alles tun, was ihm eben einfiel, selbst den alten Monarchen necken oder am Ohr zupfen, die Kinder in Schrecken setzen und den Ort, wo des Häuptlings Hütte stand, nach Belieben betreten. Für alle übrigen war die unter hohen, alten Brotbäumen belegene Stelle unzugänglich; es lag auf ihr das »Tabu« oder die Heiligsprechung, welche fast allen Südseeinseln, einschließlich sogar des großen Neuseeland, eigentümlich ist. Die Wohnungen der Priester und Häuptlinge, die Tempel und zuweilen ganze Orte sind tabu, d.h. der gemeine Haufe darf sie nicht betreten, er wird durch dies Gesetz von jedem Mitbesitz, jedem Recht ausgeschlossen. Wie viel Mißbrauch daraus entsteht, ist begreiflich, weil eben jeder Gegenstand, den die Mächtigen, Reichen für sich zu behalten wünschen, bis herab auf einen besonders schönen Fruchtbaum, eine Hütte oder ein Tier, einfach für tabu erklärt und dadurch der Berührung entzogen wird. Die Wohnung des alten Königs lag patriarchalisch-friedlich im Schatten hoher Bäume, während rings anstatt jeder Einfriedigung kreuzweis gebundene Palmenzweige die geheiligte Grenze bekundeten. Beide Majestäten, der Häuptling Le-Le und seine Gemahlin Li-Ho saßen auf kostbaren, von weißen und bunten Federn zusammengesetzten Matten mit untergeschlagenen Beinen und ziemlich gleichgültigen Gesichtern, die sich selbst bei den Kapriolen ihres Narren nur sehr selten zum Lächeln verzogen. Als sich die weißen Gäste dem Herrscherpaare unter Überreichung verschiedener, sehr anständiger Geschenke vorstellten, da geschah etwas für die Einwohner des Dorfes nie Dagewesenes; König Le-Le hob den Fremden zu Ehren das Tabu seines Hauses auf und lud alle ein, sich neben ihn zu setzen und mit ihm aus einer Schüssel zu speisen. Letztere Vergünstigung hatte allerdings wenig Lockendes, denn das Gefäß bestand aus einem Holznapf und der Inhalt aus gerösteter Yamswurzel, wobei mittels spitzer Holzstückchen gegessen wurde, während sich die Teilnehmer des Schmauses um die auf dem blanken Fußboden stehende Schüssel gruppierten; dennoch aber erwiesen sich unsere Freunde äußerst höflich, so daß nach und nach der alte Le-Le ganz vertraulich wurde und vor allem die Weißen bat, ihm doch gegen seine quälenden rheumatischen Schmerzen ein Zaubermittel zu schenken, er wolle dafür auch alles, was ihnen etwa erwünscht sei, sogleich zur Verfügung stellen.
Während draußen die Jugend den Mekitanz aufführte, Ball spielte, Taubenschießen hielt und endlich das Fest des Tättowierens beging (die Weißen kannten es von Australien her), kramte der alte Häuptling unter seinen Sachen und förderte Schätze zu Tage, die sowohl Holm als auch die jüngeren Besucher förmlich entzückten.
»An Bord haben wir noch verschiedene Büchsen mit Opodeldok und Nervensalbe,« meinte der Doktor; »damals in Hamburg nahm ich‘s für alle Fälle mit, und jetzt kann es diesem alten Herrn wenigstens als Linderungsmittel dienen. Tauscht nur in Gottes Namen ein, was ihr wollt, morgen schicke ich einen Boten mit ein paar Worten an den Kapitän nach Pangopango, wo dann die Kleinigkeiten verabfolgt werden.«
Das übersetzte der als Dolmetscher mitgenommene Eingeborne dem alten Häuptling, welcher indessen von solcher Verzögerung nichts wissen wollte. »Einer seiner Sklaven könne gleich hinlaufen,« antwortete er, weshalb denn der Doktor ein Blatt aus der Brieftasche riß und unter andächtigem Staunen aller die Bitte an den Kapitän niederschrieb. Der junge Bursche erfaßte das Blatt mit den fremden, zauberhaften Strichen so zaghaft, als sei es heißes Eisen, dann aber, nachdem er für etwaiges Verlieren oder Versäumen auf kürzeste Weise mit dem Tode bedroht worden war, machte er sich schleunigst davon, indes nun der Häuptling, wahrscheinlich um den Zauber wirksam zu erhalten, seinen Gästen schenkte, was sie eben zu besitzen wünschten, eine Tapa aus Perlmutter, Federn und Pflanzenfasern, in der er früher als junger Mann den Mekitanz mitgemacht, und die, wie eine Art von faltigem Mantel, am Hals beginnend, über Brust und Rücken herabfiel, während die Arme frei blieben und der Kopf hindurchgesteckt wurde, – einen hölzernen, schöngeschnitzten Schläger, eine Rolle Bast des Papiermaulbeerbaumes, ein Steinbeil mit Holzgriff aus uralter Zeit, ehe noch das Eisen von Europa und Amerika eingeführt worden, und ein eben so altes, vom Vater auf den Sohn vererbtes Tättowierinstrument, von dem freilich Seine Majestät berichtete, daß es aus Menschenknochen hergestellt sei. Scharfe, kammartige Spitzen waren an einem Schildpattgriff befestigt und das Ganze sehr alt, es hatte vielleicht Jahrhunderte lang gedient, um die Zeichen der Häuptlingswürde den zuckenden Gliedern einzuprägen, jetzt aber war seine Laufbahn beschlossen. »Die Häuptlinge lassen sich nicht mehr tättowieren,« setzte Le-Le hinzu, »sie sind fast alle Christen, – ich bin es auch.«
Unsere Freunde hüteten sich, daran zu zweifeln. Der gute, jeden Augenblick vor Schmerz blinzelnde alte Mann war zwar durchaus ein Wilder, aber dennoch mochte das Christentum viel dazu beigetragen haben, auf seinem Gebiet so geordnete wirtschaftliche Zustände ins Leben zu rufen.
Der Kamm aus den Knochen geschlachteter und von früheren Generationen ohne Zweifel verzehrter Menschen wurde als Andenken vergangener, hier für immer besiegter Greuel dankbar entgegengenommen, ebenso die Spenden, welche jetzt Li-Ho, die Königin, denen ihres Gemahls hinzufügte, ein Stirnband ihrer Mädchentage aus aufgereihten, geschliffenen Rosamuscheln, »Pale« genannt, nur den Töchtern und Frauen der Häuptlinge gestattet, – die dazu gehörigen Armringe und die »Fau«, ein Gewand aus den Blättern des Papiermaulbeerbaumes, das um den mittleren Teil des Körpers bei hohen Festlichkeiten getragen wird, ebenso lange, über Brust und Rücken herabhängende, mit vielen Perlmutterstückchen verzierte Schnüre aus Menschenhaaren. Das alte Paar hatte keine Kinder, es sah also seine Heiligtümer recht gern in solche Hände übergehen, die wenigstens den empfangenen Wert zu schätzen wußten; erst spät, nachdem nochmals bei der Beleuchtung langsam brennender, halbdürrer Blätter (die auf den Samoainseln als Lampen dienen) der wunderliche Mekitanz, ein wahrer Höllenreigen halbbekleideter und nicht selten vom Kawagenuß mehr als halbberauschter Gestalten, vollführt worden war, spät am Abend unter Sternenschein und dem sanften Wehen des Nachtwindes kehrten die Fremden durch den Palmenwald zu ihrer Hütte zurück. Auf diesen glücklichen Inseln, wo man arbeitete, um zu essen, wo die Natur reichlich spendete, was eine geringe Bevölkerung verbrauchte, wo weder wilde menschliche Leidenschaften noch gefährliche Raubtiere den Frieden störten, auf den schönen, von mildester Luft durchhauchten Inseln mußte es sich leben wie einst im Paradiese; selbst die Angehörigen des Kulturstaates rasteten hier beglückende acht Tage, indem sie das Eiland nach allen Richtungen durchforschten und von den friedliebenden Einwohnern alle möglichen Gebrauchsgegenstände gegen Eisenwaren und bares Geld erhandelten, – Holzgeräte, Perlenschnüre, Waffen, die ungeheuerlichen Beratungsmasken, hölzerne Kopfkissen, Farben und geschnitzte Formen, mittels derer das Grün und Rot den Stoffen aufgedruckt wird. Für den Häuptling kamen von Pangopango nicht allein die versprochenen Medikamente, sondern Franz ließ auch die Zimmerleute, mit Gerät und ein paar großen Glasscheiben ausgerüstet, vom Kapitän erbitten, worauf dann die Hütte Le-Les das wirksamste Mittel gegen Rheumatismus, nämlich dichtschließende Wände, Türen und Fenster erhielt. Letztere beide Gegenstände waren den Dorfbewohnern durchaus fremd, sie gingen fortwährend an der königlichen Behausung vorüber, um das Wunder der Fensterscheiben anzustaunen, während Le-Le seinerseits nicht müde wurde, von außen und innen das Glas zu betasten und sich selbst zu fragen, ob es denn wirklich möglich sei, daß man einen festen, harten Gegenstand vor sich habe und doch hindurchschauen könne, als sei dieser nur leere Luft.
Die geschenkten Wolldecken, die Medikamente und die erhöhte Wärme in der jetzt überall wohlverwahrten Bambushütte bewirkten so angenehme Veränderung, daß der alte Häuptling den Abschied von seinen weißen Wohltätern wie einen wahren Verlust empfand. Mehrere Knechte mußten ihnen die schönsten, erlesensten Früchte, die seltensten Vögel und Pflanzen bis Pangopango nachtragen, und so verließen sie eines Tages, von wohlwollenden Wünschen begleitet, das kleine paradiesische Eiland, um dafür die Insel Sawaii, die hochgelegene, einem breiten Felsrücken gleichende, unzugängliche größte Insel der Samoagruppe, aufzusuchen. Auch Tutuila hatte Berg an Berg; auch hier befanden sich tätige und erloschene Vulkane; lag doch der kleine Hafen Pangopango zwischen 250 Meter hohen Felswänden; dazwischen aber befanden sich reizende, fruchtbare Täler mit üppig tropischer Vegetation, während auf Sawaii neben vorhandenem Wassermangel der entschieden schroffe Gebirgscharakter mehr hervortrat.
Es ist bekannt, daß um die Insel Sawaii herum ein Korallenriff ohne Unterbrechung fortläuft und daß Schiffe keinen Hafen finden. Unsere Freunde besuchten mittels des Bootes die Ostküste, wo alles von braunen, nackten Klippen und Geröllen starrte. Über ihnen erhoben sich die ungeheuren Kuppen der Gebirge, unter ihnen dröhnte der hohle, von vulkanischen Erschütterungen gehobene und zerrissene Boden; stellenweise grünte kein Halm und sang kein Vogel, die ganze Umgebung war mit Blöcken von Lava und Gestein überdeckt. An anderen Punkten ragte dichter, ununterbrochener Hochwald, in dem sich wie auf Tutuila die Palmen am meisten vertreten fanden.
»Wir wollen uns hier nicht aufhalten,« hatte Holm gesagt. »Nicht nur alle Samoainseln, sondern überhaupt alle im Großen Ozean besitzen eine in den wesentlichsten Punkten übereinstimmende Tier- und Pflanzenwelt, die zwar nach dem Äquator hin üppiger und artenreicher wird, sonst aber doch die gleiche ist. Neues, anderes begegnet uns nicht, auch wenn wir alle Häfen anlaufen; laßt uns daher erst auf Opolu längere Rast machen und dort Felsen besteigen, dort die Schlünde und Untiefen alter Krater durchforschen, namentlich da hier die wenigen Bewohner an der Nordküste leben und für uns weder Führer noch Lebensmittel aufzutreiben wären.«
Der Vorschlag wurde angenommen und die beschwerliche Kletterpartie über ungangbare Pfade nach wenigen Stunden wieder aufgegeben. Schöne, malerische Felshöhlen hatten die Reisenden gesehen, eine großartige, wildromantische Natur, ein selten berührtes einsames Gebiet, auf dem fast alles noch ursprünglich und von keiner Kultur beeinflußt erschien; aber lebende Wesen waren ihnen außer vielen Strandvögeln nicht begegnet. Ein eigentümliches Gefühl beherrschte die Teilnehmer der jetzt gegen drei Jahre dauernden Weltreise, als sie von Sawaii aus wieder an Bord gingen. Auf Opolu wartete ihrer ein halbes Zuhause; bekannte, befreundete Gesichter würden sie empfangen, deutsche Laute, deutsches Wesen ihnen entgegenkommen; da war der Name Gottfried in jedermanns Mund, da standen die großen Faktoreien des Hamburger Handelshauses und hatte deutsche Bildung, deutscher Unternehmungsgeist aus der Wildnis ein kleines, blühendes Gemeinwesen erschaffen, eine hübsche Stadt, die ihre Bewohner gut ernährte, und von wo aus sich europäische Gesittung erfolgreich immer weiter verbreitete. Aber mehr als alles das! – Die Söhne des Gottfriedschen Hauses würden hier in ihrem Eigentum sein, auf väterlichem Grund und Boden wohnen, höchst wahrscheinlich sogar auch mehrere Schiffe der väterlichen Firma antreffen, – das ließ die Herzen höher schlagen, das stimmte weich und fröhlich, wie, man es seit langer Zeit nicht empfunden hatte.