Kitabı oku: «Die Äbtissin von Castro», sayfa 13
Giulio wurde ganz bleich, er sprach mühsam und als ob ihm der Atem fehlte, weiter:
„Vielleicht sehe ich jetzt die Gefühle schwinden, deren Hoffnung mein Leben ist. Ihr haltet mich für arm; das ist nicht alles: ich bin Brigant und Sohn eines Briganten.“
Bei diesen Worten fühlte Helena, die als Tochter eines reichen Mannes in allen Vorurteilen ihrer Kaste aufgewachsen war, daß ihr übel wurde, sie fürchtete umzusinken; ‚welcher Kummer würde dies für den armen Giulio sein!‘ dachte sie, ‚er wird sich verachtet glauben,‘ Er lag vor ihr auf den Knien. Um nicht zu fallen, stützte sie sich auf ihn, und fast im gleichen Augenblick sank sie wie bewußtlos in seine Arme. Wie man sieht, liebte man im sechzehnten Jahrhundert Genauigkeit in Liebesdingen. Dies kam daher, daß nicht der Verstand diese Geschehnisse beurteilte, sondern die Einbildungskraft sie fühlte und die Leidenschaft des Lesers sich an der der Helden entzündete. Die beiden Manuskripte, denen wir folgen, und besonders jenes, das einige dem florentinischen Dialekt eigentümliche Wendungen aufweist, beschreiben mit den kleinsten Einzelheiten alle Zusammenkünfte, welche auf diese folgten. Die Gefahr ließ in dem jungen Mädchen keine Gewissenszweifel aufkommen. Oft war die Gefahr außerordentlich, doch dadurch wurden diese beiden Herzen, welche alle Eindrücke, die mit ihrer Liebe zusammenhingen, als Glück empfanden, nur noch mehr entflammt. Öfters waren Fabio und sein Vater nahe daran, sie zu überraschen. Sie waren wütend, weil sie sich gefoppt fühlten. Der öffentliche Klatsch trug ihnen zu, daß Giulio Helenas Liebhaber sei und sie konnten nichts bemerken. Fabio, heftig und ahnenstolz, schlug seinem Vater vor, Giulio töten zu lassen.
„So lange er auf der Welt ist,“ sagte er, „läuft das Leben meiner Schwester Gefahr. Wer schützt uns davor, daß unsre Ehre uns nicht im ersten Augenblick zwingen wird, unsre Hände in das Blut dieser Eigensinnigen zu tauchen? Sie ist zu solchem Unmaß von Verwegenheit gelangt, daß sie ihre Liebe nicht einmal mehr leugnet; habt Ihr sie auf Eure Vorwürfe anders antworten gehört, als mit einem verbissenen Schweigen? Nun wohl, dieses Schweigen ist das Todesurteil für Giulio Branciforte.“
„Denk daran, was sein Vater war“, antwortete Herr von Campireali. ‚Sicherlich ist es für uns nicht schwer, auf sechs Monate nach Rom zu gehen und während dieser Zeit diesen Branciforte verschwinden zu lassen. Aber wer sagt uns, daß sein Vater, der trotz all seiner Verbrechen tapfer und freigebig war, – freigebig genug, um viele seiner Soldaten reich zu machen, während er selbst arm blieb – wer sagt uns, daß sein Vater nicht noch Freunde besitzt, sei es in der Schar des Herzogs von Monte Mariano, sei es in der Truppe Colonna, welche oft die Wälder von La Faggiola besetzt, die nur eine halbe Meile von uns entfernt sind? In diesem Fall werden wir alle ohne Erbarmen umgebracht, du, ich und vielleicht auch deine unglückliche Mutter.“
Diese oft erneuten Unterhaltungen zwischen Vater und Sohn waren der Mutter Helenas, Vittoria Carafa, nur zum Teil verborgen geblieben und brachten sie zur Verzweiflung. Das Ergebnis der Unterhaltungen zwischen Vater und Sohn war, daß es sich nicht mit ihrer Ehre vertrüge, den Klatsch, der in Albano umging, ruhig dauern zu lassen. Da es nicht klug schien, diesen jungen Branciforte verschwinden zu machen, der täglich unverschämter wurde und jetzt sogar in seinen prächtigen Kleidern die Dreistigkeit so weit trieb, an öffentlichen Orten das Wort an Fabio oder dessen Vater zu richten, erübrigte nichts als einen der beiden folgenden Entschlüsse oder vielleicht alle beide ausführen: die ganze Familie mußte nach Rom gehen, Helena aber im Kloster der Heimsuchung in Castro untergebracht und so lange dort belassen werden, bis eine passende Heirat für sie gefunden war.
Niemals hatte Helena ihrer Mutter ein Geständnis ihrer Liebe gemacht: Mutter und Tochter liebten sich zärtlich, sie verbrachten ihr Leben gemeinsam, und doch war nie ein einziges Wort über diesen Gegenstand gesprochen worden, der sie beide fast in gleichem Maße beschäftigte. Zum erstenmal verriet sich in Worten, was fast ausschließlich Gegenstand ihrer Gedanken war, als die Mutter ihrer Tochter zu verstehen gab, man wolle nach Rom übersiedeln und vielleicht sogar Helena für einige Jahre in das Kloster von Castro schicken.
Diese Unterredung war von Vittoria Carafa unklug und ließ sich nur durch die unsinnige Zärtlichkeit entschuldigen, welche sie für ihre Tochter hegte. Im Übermaß ihrer Liebe wollte Helena ihrem Geliebten beweisen, daß sie sich seiner Armut nicht schämte und daß ihr Vertrauen in seine Ehrenhaftigkeit ohne Grenzen war. „Wer würde es glauben,“ ruft der florentinische Chronist aus, „daß trotz so vielen gewagten Zusammenkünften, im Garten und ein- oder zweimal sogar in ihrem eigenen Zimmer, für die sie sich einem schrecklichen Tod aussetzten, Helena unberührt war!“ Durch ihre Tugend sicher, schlug sie ihrem Geliebten vor, gegen Mitternacht den Palast durch den Garten zu verlassen, und den Rest der Nacht in seinem kleinen, auf den Ruinen Albas erbauten Haus zu verbringen, das mehr als eine halbe Stunde entfernt lag. Sie verkleideten sich als Franziskanermönche. Helena war hoch gewachsen und glich, so gekleidet, einem jungen Novizen von achtzehn oder zwanzig Jahren. Es ist unbegreiflich und zeigt Gottes Finger, daß Giulio und seine Geliebte, als Mönche verkleidet, auf dem engen, in den Felsen gehauenen Weg, der an der Mauer des Kapuzinerklosters entlang führt, Herr von Campireali und seinem Sohn Fabio begegneten, welche, von vier wohlbewaffneten Dienern gefolgt und einem Pagen mit brennender Fackel voran, aus Castel Gandolfo zurückkehrten, einem unweit am Ufer des Sees gelegenen Ort. Um die Liebenden vorbeizulassen, stellten sich die Campireali und ihre Diener zur Rechten und Linken dieses in den Felsen gehauenen Wegs auf, welcher etwa acht Fuß breit sein mochte. Wieviel besser wäre es für Helena gewesen, wenn man sie in diesem Augenblick erkannt hätte! Sie wäre durch einen Pistolenschuß ihres Vaters oder ihres Bruders getötet worden und ihre Marter hätte nur einen Augenblick gedauert: aber der Himmel hatte es anders beschlossen. Superis aliter visum.
Man fügt dieser sonderbaren Begegnung noch einen Umstand hinzu, welchen die Signora Campireali noch oftmals im höchsten Alter erzählt hat, als fast Hundertjährige in Rom, vor Leuten, die selbst sehr alt waren; sie haben es mir wiedererzählt, als meine große Neugierde sie über diesen Gegenstand und über vieles andre ausforschte.
Fabio von Campireali, der ein junger auf seinen Mut stolzer Mann und hochfahrend war, rief, als er merkte, daß der ältere Mönch weder seinen Vater noch ihn grüßte, trotzdem er so nah an ihnen vorbeiging:
„Das ist ja ein Spitzbube von einem stolzen Mönch! Gott weiß, was er außerhalb des Klosters sucht, er und sein Begleiter, zu so ungehöriger Stunde! Ich weiß nicht, was mich abhält, ihre Kapuzen zu lüften, wir würden sehen, wie sie ausschauen!“
Bei diesen Worten faßte Giulio nach seinem Dolch unter der Mönchskutte und stellte sich zwischen Fabio und Helena. In diesem Augenblick war nicht mehr als ein Fuß breit Raum zwischen ihm und Fabio; aber der Himmel befahl es anders und besänftigte durch ein Wunder den Zorn dieser beiden jungen Leute, die sich bald danach in noch anderer Nähe sehen sollten.
In dem Prozeß, den man in der Folge Helena von Campireali machte, wollte man diesen nächtlichen Ausflug als einen Beweis ihrer Verderbtheit darstellen; doch es war das Delirium eines jungen Herzens, das in ganz unsinniger Liebe entflammt war, denn dies Herz war rein.
III
Die Orsini, die ewigen Nebenbuhler der Colonna und damals in den Dörfern zunächst Rom allmächtig, hatten erst vor kurzem einen reichen Landwirt namens Balthasar Bandini aus La Petrella durch die Gerichte der Regierung zum Tod verurteilen lassen. Es würde zu weit führen, hier die verschiedenen Taten aufzuzählen, welche man dem Bandini zur Last legte: zum größten Teil wären sie heute Verbrechen, aber im Jahre 1559 durften sie nicht in einer so strengen Weise betrachtet werden. Bandini saß in einem den Orsini gehörenden Schloß gefangen, das bei Valmontone im Gebirge lag, sechs Meilen von Albano entfernt. Der Bargello von Rom, von hundertfünfzig seiner Sbirren gefolgt, verbrachte eine Nacht auf der Landstraße; er war gekommen, um Bandini zu holen und ihn nach Rom ins Gefängnis von Tor di Nona zu bringen. Bandini hatte in Rom gegen das Todesurteil Berufung eingelegt. Aber, wie wir schon sagten, war er aus La Petrella gebürtig, einer Feste, die den Colonna gehörte; seine Frau war zu Colonna geeilt, der sich in La Petrella aufhielt, und sagte ihm vor allen Leuten:
„Werdet Ihr einen Eurer treuen Diener sterben lassen?“ Colonna erwiderte:
„Es wäre Gott nicht wohlgefällig, wenn ich die Ehrfurcht verletzte, die ich den Entscheidungen der Gerichte des Papstes, meines Herrn, schulde!“
Sofort erhielten seine Soldaten Befehle, und er ließ allen seinen Anhängern Weisung zukommen, sich bereit zu halten. Der Sammelpunkt wurde bei Valmontone bestimmt, einer kleinen, auf dem Gipfel eines niederen Felsens gelegenen Stadt, die aber einen stufenlosen und fast lotrechten Absturz von sechzig bis achtzig Fuß Tiefe zur Schutzwehr hat. In diese kleine, dem Papst gehörende, Stadt war es den Anhängern der Orsini und den Sbirren der Regierung geglückt, Bandini zu schaffen. Unter die eifrigsten Anhänger dieser Partei rechnete man Herrn von Campireali und seinen Sohn Fabio, die übrigens mit den Orsini weitläufig verwandt waren. Seit jeher waren dagegen Giulio Branciforte und sein Vater Anhänger der Colonna.
Unter Umständen, wo es den Colonna nicht paßte, öffentlich zu handeln, nahmen sie zu einer einfachen Vorsicht ihre Zuflucht: die meisten der reichen römischen Bauern waren damals wie heute Mitglieder irgendwelcher Büßergemeinschaften. Die Büßer erschienen in der Öffentlichkeit nie anders als den Kopf mit einem Stück Leinwand bedeckt, das ihr Gesicht verhüllte und nur zwei Löcher für die Augen frei ließ. Wenn die Colonna sich zu einer Unternehmung nicht bekennen wollten, luden sie ihre Anhänger ein, sich ihnen im Büßerkleid anzuschließen.
Nach langen Vorbereitungen wurde die Überführung Bandinis, welche schon seit vierzehn Tagen das Gespräch der Gegend bildete, auf einen Sonntag festgesetzt. An diesem Tag um zwei Uhr morgens ließ der Bürgermeister von Valmontone in allen Dörfern des Waldes von La Faggiola die Sturmglocken läuten. Man sah aus jedem Ort Bauern in ziemlich großer Anzahl ausrücken. Die Sitten der mittelalterlichen Republiken, als man sich noch schlug, um irgendeine Sache, die man wünschte, zu erlangen, hatten in den Herzen der Landleute sehr viel Tapferkeit erhalten; zu unsrer Zeit würde sich niemand rühren.
An diesem Tag konnte man etwas Sonderbares bemerken: So oft ein kleiner Trupp bewaffneter Bauern aus seinem Dorf heraus in den Wald bog, verringerte er sich um die Hälfte; die Anhänger der Colonna schlugen die Richtung nach dem von Fabrizio bezeichneten Treffpunkt ein. Ihre Anführer schienen überzeugt, daß man sich an diesem Tage nicht schlagen würde: sie hatten morgens Befehl erhalten, dieses Gerücht zu verbreiten. Fabrizio durcheilte den Wald mit der Auslese seiner Anhänger, die mit halbwüchsigen jungen Pferden seines Gestüts beritten waren. Er hielt eine Art Heerschau über die verschiedenen Bauerntrupps ab; aber er sprach nichts zu ihnen; weil jedes Wort bloßstellen konnte. Fabrizio war ein großer, magerer Mann von unglaublicher Gewandheit und Kraft; obwohl er kaum fünfundvierzig Jahre zählte, waren seine Haare und sein Schnurrbart von blendender Weiße, was ihm sehr unangenehm war. Denn an diesem Merkmal konnte man ihn auch an Orten erkennen, wo er lieber unerkannt geblieben wäre. Sobald die Bauern ihn sahen, riefen sie: Evviva Colonna! und zogen ihre Leinenkapuzen über. Der Fürst selbst hatte seine Kapuze auf der Brust hängen, um sie überziehen zu können, sobald sich der Feind zeigte.
Dieser ließ nicht auf sich warten. Die Sonne war kaum aufgegangen, als etwa tausend Mann der Orsini-Partei von der Seite von Valmontone her in den Wald eindrangen und in einer Entfernung von etwa dreihundert Schritten an den Anhängern des Colonna vorbeizogen, die sich auf seinen Befehl zur Erde geworfen hatten. Einige Minuten, nachdem die letzten dieser Vorhut der Orsini vorbei waren, setzte der Fürst seine Leute in Bewegung; er hatte beschlossen, das Geleit des Bandini anzugreifen, wenn eine Viertelstunde vorbei sein würde, nachdem es den Wald betreten hatte. An dieser Stelle ist der Wald mit kleinen Felsen von fünfzehn oder zwanzig Fuß Höhe übersät; das sind mehr oder weniger alte Lavaflüsse, auf denen die Kastanien wunderbar wachsen und fast ganz den Tag verhüllen. Weil diese Lavablöcke, die mehr oder weniger von der Zeit angegriffen sind, den Boden sehr uneben machen und um der Landstraße eine Anzahl kleiner unnützer Auf- und Abstiege zu ersparen, hat man den Weg in die Lava eingesenkt, und er liegt jetzt oft drei oder vier Fuß tiefer als der Wald.
An der Stelle, wo Fabrizio den Angriff vorgesehen hatte, befand sich eine mit Gras bedeckte Lichtung, die an einem Ende von der Landstraße überquert wurde. Dann trat die Straße wieder in den Wald ein, der an dieser Stelle voll von Brombeerbüschen und zwischen Baumstümpfen wuchernder Stauden ganz undurchdringlich war. Fabrizio hatte hier seine Fußtruppen etwa hundert Schritt tief im Walde und zu beiden Seiten der Straße aufgestellt. Auf ein Zeichen Colonnas setzte jeder der Bauern seine Kapuze auf und nahm mit seiner Büchse hinter einem Kastanienbaum Stellung; die Soldaten des Fürsten stellten sich hinter die Bäume zunächst der Straße. Die Bauern hatten strengen Befehl, erst nach den Soldaten zu schießen und diese durften erst Feuer geben, wenn der Feind auf zwanzig Schritt nahe sein würde. Fabrizio ließ in Eile einige zwanzig Bäume fällen, welche mit ihren Zweigen auf die Straße gestürzt sie vollständig sperrten; die Straße war an dieser Stelle sehr eng und lag um drei Fuß tiefer. Hauptmann Ranuccio mit fünfhundert Mann folgte der Vorhut; er hatte Befehl, erst anzugreifen, wenn er die ersten Flintenschüsse hören würde, die vom Holzverhau abgegeben werden sollten, der die Straße versperrte. Als Fabrizio Colonna seine Soldaten und seine Anhänger jeder hinter seinem Baum wohl aufgestellt und voll Entschlossenheit sah, ritt er im Galopp mit seinen Berittenen weiter, unter denen sich auch Giulio Branciforte befand. Der Fürst schlug einen Pfad zur Rechten der Landstraße ein, welcher zum entgegengesetzten Ende der Lichtung führte.
Colonna war kaum einige Minuten davon, als man auf der Straße von Valmontone von weitem eine große Schar Berittener nahen sah; das waren die Sbirren und ihr Bargello, die Bandini geleiteten, und alle Herren, die zu den Orsini hielten. In ihrer Mitte befand sich Balthasar Bandini, von vier rotgekleideten Scharfrichtern umringt; sie hatten Befehl, das Urteil der ersten Instanz zu vollstrecken und Bandini sofort zu töten, wenn die Anhänger der Colonna daran wären, ihn zu befreien.
Die Reiter Colonnas waren kaum am andern Ende der Lichtung angelangt, als man die ersten Flintenschüsse aus dem Hinterhalt beim Holzverhau auf der Straße hörte. Sogleich setzte er seine Reiter in Galopp und richtete seinen Angriff auf die vier rotgekleideten, Henker, die Bandini umgaben.
Wer werden nicht im genauen Verlauf diesem kleinen Handstreich folgen, der nicht einmal dreiviertel Stunden dauerte; überrascht flohen die Anhänger der Orsini nach allen Richtungen, aber bei der Vorhut wurde der tapfere Hauptmann Ranuccio getötet, und dieses Ereignis hatte einen verhängnisvollen Einfluß auf das Schicksal Brancifortes. Kaum hatte dieser einige Säbelhiebe ausgeteilt, um sich an die rotgekleideten Männer heranzuarbeiten, als er sich Fabio Campireali gegenüber befand.
Auf einem schnaubenden Pferd und mit goldenem Kettenhemd bekleidet, schrie Fabio:
„Wer sind diese maskierten Schufte? Laßt uns ihre Masken mit einem Säbelhieb zerschneiden! Seht, wie ich das mache!“
Fast im gleichen Augenblick erhielt Giulio Branciforte von ihm einen Säbelhieb über die Stirn. Dieser Schlag war mit solcher Geschicklichkeit geführt, daß das Leinen, welches sein Gesicht verhüllte, fiel, als seine Augen durch das Blut geblendet wurden, welches aus dieser übrigens harmlosen Wunde floß. Giulio ritt abseits, um Zeit zum Aufatmen zu gewinnen und sein Gesicht abzuwischen. Er wollte sich um keinen Preis mit Helenas Bruder schlagen, und sein Pferd war schon einige Schritte von Fabio entfernt; da erhielt er einen wütenden Säbelhieb über die Brust, der dank seinem Kettenhemd nicht durchdrang, aber ihm für einen Augenblick den Atem nahm. Fast gleichzeitig hörte er in seine Ohren schreien:
„Ti conosco, porco! Kanaille, ich kenne dich! So verdienst du also dein Geld, um deine Lumpen abzulegen?“
Giulio, in solcher Weise gereizt, vergaß seinen Vorsatz und stürzte sich wieder auf Fabio:
„Ed in mal ponto tu venisti!“ rief er aus.
Nach einigen heftigen Säbelhieben fiel das Gewand, das ihre Panzerhemden bedeckte, nach allen Seiten. Das Panzerhemd Fabios war vergoldet und prächtig, das Giulios so gewöhnlich wie nur möglich.
„In welchem Dreck hast du dein Giacco aufgelesen?“ schrie Fabio.
Im gleichen Augenblick fand Giulio die Gelegenheit, die er seit einer halben Minute suchte. Das stolze Panzerhemd Fabios deckte den Hals nicht genug, und Giulio führte nach dieser kleinen ungedeckten Stelle des Halses einen Stoß, der saß. Giulios Schwert drang einen halben Fuß weit in die Gurgel Fabios und ließ einen mächtigen Blutstrahl hervorspringen.
„Unverschämter“, schrie Giulio dabei und galoppierte auf die Rotgekleideten zu, von denen zwei, hundert Schritte von ihm entfernt, noch zu Pferd waren; als er sich näherte, fiel der dritte Henker, aber im Augenblick, wo Giulio dem vierten schon ganz nahe war, drückte dieser, da er sich von mehr als zehn Reitern umzingelt sah, gegen den unglücklichen Bandini eine Pistole aus nächster Nähe los, so daß er zu Boden fiel.
„Meine werten Herrn, wir haben hier nichts mehr zu tun!“ rief Branciforte, „machen wir diese Schurken von Sbirren nieder, die nach allen Seiten davonlaufen.“
Alles folgte ihm.
Als Giulio eine halbe Stunde später in die Nähe Fabrizio Colonnas zurückkehrte, richtete dieser große Herr zum erstenmal das Wort an ihn. Giulio fand ihn trunken vor Zorn, während er geglaubt hatte, ihn vor Freude entzückt zu finden; denn der Sieg war vollständig gewesen und gänzlich seinen guten Anordnungen zu verdanken; denn die Orsini hatten nahezu dreitausend Mann und Fabrizio hatte für diese Sache nicht mehr als fünfzehnhundert aufgeboten.
„Wir haben unsern tapfren Freund Ranuccio verloren,“ sagte der Fürst zu Giulio, „ich komme eben von seiner Leiche, er ist schon kalt. Und der arme Balthasar Bandini ist tödlich verwundet. Also haben wir im Grunde nicht gesiegt. Doch der Schatten des tapfren Kapitäns Ranuccio wird wohl begleitet vor Pluto erscheinen. Ich habe Befehl gegeben, alle diese gefangenen Schurken an die Bäume zu knüpfen. Versäumt das nicht, meine Herren!“ rief er mit erhobener Stimme.
Und er ritt im Galopp zu der Stelle, wo der Kampf der Vorhut stattgefunden hatte. Giulio kommandierte als Vertreter Ranuccios dessen Abteilung; er folgte dem Fürsten, welcher bei dem Leichnam dieses tapfren Soldaten, der von mehr als fünfzig gefallenen Feinden umgeben war, zum zweitenmal vom Pferd stieg, um die Hand Ranuccios zu drücken. Giulio tat weinend das gleiche.
„Du bist noch sehr jung,“ sagte der Fürst zu Giulio, „aber ich sehe dich vom Blut bedeckt und dein Vater war ein tapfrer Mann, der mehr als zwanzig Wunden im Dienst der Colonna erhalten hatte. Übernimm die Führung derer, die von Ranuccios Abteilung übrig sind und geleite seine Leiche in unsre Kirche in La Petrella; vergiß aber nicht, daß du unterwegs angegriffen werden kannst.“
Giulio wurde nicht angegriffen, aber er tötete mit einem Degenhieb einen seiner Soldaten, der ihm sagte, daß er zu jung wäre, um zu befehlen. Diese Unklugheit hatte Erfolg, weil Giulio noch von Fabios Blut bedeckt war. Die ganze Straße entlang fand er die Bäume mit Männern beladen, welche man aufgehängt hatte. Dieses gräßliche Schauspiel, verbunden mit Ranuccios und besonders mit Fabios Tod, machten ihn fast wahnsinnig. Seine einzige Hoffnung war, daß man nicht den Namen von Fabios Besieger wußte.
Wir übergehen die militärischen Einzelheiten. Drei Tage nach dem Kampf konnte Giulio wieder einige Stunden in Albano verbringen; er erzählte seinen Bekannten, ein heftiges Fieber habe ihn in Rom zurückgehalten und ihn gezwungen, die ganze Woche über das Bett zu hüten.
Aber man behandelte ihn überall mit einem sichtlich zur Schau getragenen Respekt; die angesehensten Leute der Stadt grüßten ihn zuerst; einige Unvorsichtige gingen sogar so weit, ihn mit Herr Hauptmann anzureden. Er war mehrmals am Palazzo Campireali vorbeigegangen, hatte ihn aber fest verschlossen gefunden, und da der neue Hauptmann sehr schüchtern war, wenn es galt, sich nach gewissen Personen zu erkundigen, vermochte er erst gegen Mittag über sich zu gewinnen, den alten Scotti, der ihn stets mit Güte behandelt hatte, zu fragen:
„Aber wo sind denn die Campireali? Ich sehe ihren Palast geschlossen.“
„Mein Freund,“ antwortete Scotti mit plötzlicher Traurigkeit, „das ist ein Name, den du niemals aussprechen solltest. Deine Freunde sind wohl davon überzeugt, daß er es war, der herausgefordert hat und sagen es überall; aber schließlich: war er nicht das Haupthindernis deiner Heirat? Und macht sein Tod nicht seine Schwester unermeßlich reich? Und bist es nicht du, den sie liebt? Man kann sogar hinzufügen – und in diesem Fall wird die Unverschämtheit zur Tugend – , daß sie dich genug liebt, um dich nachts in deinem kleinen Haus in Alba zu besuchen. Daher kann man in deinem Interesse sagen, daß Ihr schon vor dem verhängnisvollen Kampf bei Ciampi Mann und Frau wart.“
Der Greis unterbrach sich, weil er bemerkte, daß Giulio die Tränen nicht beherrschen konnte.
„Gehn wir zum Gasthaus hinauf“, sagte Giulio.
Scotti folgte ihm; man gab ihnen ein Zimmer, worin sie sich einschlossen und Giulio bat den Greis, ihm alles, was sich seit acht Tagen ereignet hatte, erzählen zu dürfen. Nach Beendigung dieser langen Erzählung sagte der Alte:
„Ich sehe wohl an deinen Tränen, daß nichts, was geschehen ist, in deiner Absicht lag, aber Fabios Tod ist deshalb kein weniger böses Ereignis für dich. Es ist dringend nötig, daß Helena ihrer Mutter erklärt, du seiest schon seit langem ihr Gatte.“
Giulio antwortete nicht und der Greis schrieb dies einer lobenswerten Diskretion zu. In schweres Sinnen versunken, fragte sich Giulio, ob Helena, verletzt durch den Tod eines Bruders, seinem Zartgefühl noch gerecht werden würde; jetzt bereute er, was er damals versäumt hatte. Darauf bat er den Alten, ihm alles, was sich am Tage des Kampfes in Albano zugetragen hatte, frei zu erzählen. Fabio war gegen halb sieben Uhr morgens getötet worden, mehr als sechs Meilen von Albano entfernt und – so unglaublich es klingt! – schon um neun Uhr wurde von diesem Tod zu sprechen begonnen. Gegen Mittag hatte man gesehen, wie sich der alte Campireali, tränenüberströmt und auf seine Diener gestützt, in das Kapuzinerkloster begab. Kurz darauf hatten drei dieser ehrwürdigen Väter, auf den besten Rossen der Campireali und von vielen Dienstleuten gefolgt, den Weg nach dem Dorf Ciampi eingeschlagen, in dessen Nähe der Kampf ausgefochten worden war. Der alte Campireali wollte durchaus mit, aber man hatte ihn davon abgebracht, indem man ihm vorstellte, daß Fabrizio Colonna wütend sei (warum, wußte man allerdings nicht recht) und ihm übel mitspielen könnte, wenn er gefangen genommen würde.
Nachts gegen die zwölfte Stunde schien der Wald von La Faggiola in Flammen zu stehen: das waren alle Mönche und alle Armen von Albano, die – jeder eine große brennende Wachskerze in der Hand – dem Leichnam des jungen Fabio entgegengingen.
„Ich will dir nicht verhehlen,“ fügte der Greis hinzu, die Stimme senkend, als fürchte er, gehört zu werden, „daß die Straße, welche nach Valmontone und nach Ciampi führt…“
„Nun was?“ sagte Giulio.
„Nun wohl, diese Straße führt an deinem Haus vorbei und man sagt, daß das Blut aus der schrecklichen, Halswunde wieder zu fließen begann, als Fabios Leichnam dort vorbeikam.“
„Wie entsetzlich!“ rief Giulio und erhob sich.
„Beruhige dich, mein Freund“, sagte der Greis. „Du siehst wohl ein, wie es nötig ist, daß du alles weißt. Und jetzt muß ich dir sagen, daß deine Anwesenheit hier heute ein wenig verfrüht erscheint. Wenn Ihr mir die Ehre erweisen wollt, mich um Rat zu fragen, Kapitän, möchte ich hinzufügen, daß es nicht passend ist, daß Ihr Euch früher als nach einem Monat in Albano zeigt. Es ist wohl nicht notwendig, Euch aufmerksam zu machen, daß es unvorsichtig wäre, nach Rom zu gehen. Man weiß noch nicht, wie sich der Heilige Vater zu den Colonna stellen wird, man denkt zwar, daß er der Erklärung Fabrizios Glauben schenken wird, der vorgibt, von dem Kampf bei Ciampi nicht früher als durch das öffentliche Gerede gehört zu haben; aber der Gouverneur von Rom, der ein treuer Orsini ist, wütet und würde entzückt sein, einige der tapfren Soldaten Fabrizios hängen zu lassen, und dieser könnte sich nicht einmal öffentlich beschweren, weil er schwört, beim Kampf nicht dabei gewesen zu sein. Ich werde noch weiter gehen, und, obwohl Ihr mich nicht danach fragt, mir die Freiheit nehmen, Euch einen militärischen Rat zu geben: Ihr seid in Albano beliebt, sonst wäret Ihr hier nicht in Sicherheit. Aber bedenkt, daß Ihr seit mehreren Stunden in der Stadt umhergeht, daß einer der Anhänger der Orsini sich herausgefordert fühlen könnte, oder mindestens an die Leichtigkeit, eine schöne Belohnung zu gewinnen, denken kann. Der alte Campireali hat tausendmal wiederholt, daß er seine schönste Besitzung dem schenkt, der Euch tötet. Ihr hättet einige der Soldaten aus Eurem Haus nach Albano herunternehmen sollen.
„Ich habe nicht einen Soldaten in meinem Haus.“
„In diesem Fall seid Ihr ein Narr, Kapitän. Diese Herberge hat einen Garten; wir werden uns durch den Garten machen und über die Weinberge flüchten. Ich werde Euch begleiten; ich bin alt und ohne Waffen; aber wenn wir Übelgesinnten begegnen, werde ich mit Ihnen sprechen; Ihr werdet wenigstens Zeit gewinnen.“
Giulios Seele war zerrissen. Sollen wir zu erzählen wagen, wie weit seine Narrheit ging? Sowie er gehört hatte, daß der Palast Campireali geschlossen war und alle seine Bewohner nach Rom abgereist seien, faßte er den Plan, den Garten wiederzusehen, wo er so oft mit Helena zusammengekommen war. Er hoffte sogar, ihr Zimmer wiederzusehen, wo sie ihn empfangen hatte, wenn ihre Mutter abwesend war. Er hatte das Bedürfnis, sich durch den Anblick der Orte, wo sie so zärtlich zu ihm gewesen war, gegen ihren Zorn zu wappnen.
Branciforte und der edelmütige Alte hatten keine unangenehme Begegnung, während sie den kleinen Pfaden folgten, die durch die Weinberge zum See ansteigen. Giulio ließ sich von neuem die Einzelheiten des Begräbnisses des jungen Fabio erzählen. Die Leiche dieses tapfren jungen Mannes war von vielen Priestern begleitet nach Rom überführt und in der Familiengruft im Kloster San Onofrio am Gianicolo beigesetzt worden. Man hatte als einen sehr auffallenden Umstand vermerkt, daß Helena am Vorabend der Zeremonie von ihrem Vater nach dem Kloster der Heimsuchung in Castro zurückgebracht worden war; dies hatte das umlaufende Gerücht verstärkt, daß sie heimlich mit dem Wegelagerer vermählt sei, der das Unglück gehabt hätte, ihren Bruder zu töten.
Als er bei seinem Haus ankam, fand Giulio den Korporal seiner Kampagnie mit vieren seiner Soldaten; sie sagten ihm, daß ihr früherer Hauptmann nie den Wald verlassen hätte, ohne einige seiner Leute bei sich zu haben. Der Fürst hatte öfters geäußert, daß jeder, bevor er sich aus Unvorsichtigkeit töten lasse, vorher seinen Abschied nehmen möge, damit er die Rache für einen solchen Tod nicht ihm aufbürde.
Giulio Branciforte verstand die Berechtigung solcher Gedanken, die ihm bisher völlig fremd gewesen waren. Er hatte, ähnlich, wie es die Naturvölker tun, geglaubt, daß der Krieg in nichts bestünde, als sich tapfer zu schlagen. Er fügte sich auf der Stelle den Wünschen des Fürsten und nahm sich nur noch die Zeit, den weisen Alten zu umarmen, der so edelmütig gewesen war, ihn nach Haus zu begleiten.
Aber einige Tage später kehrte Giulio halb verrückt vor Schwermut zurück, um den Palast Campireali wiederzusehen. Mit Einbruch der Nacht kamen er und seine Soldaten, als neapolitanische Kaufleute verkleidet, nach Albano. Er sprach allein bei Scotti vor und hörte, daß Helena noch immer im Kloster von Castro verbannt sei. Ihr Vater, der sie mit dem vermählt glaubte, den er den Mörder seines Sohnes nannte, hatte geschworen, sie nie wiederzusehen. Selbst als er sie ins Kloster brachte, hatte er sie nicht angesehen. Die Zärtlichkeit ihrer Mutter dagegen schien sich zu verdoppeln und oft verließ sie Rom, um einen Tag oder zwei bei ihrer Tochter zu verbringen.