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Kitabı oku: «Die Äbtissin von Castro», sayfa 15

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Dieser Brief schloß mit zwei Seiten toller Sätze, in welchen ich leidenschaftliche Redewendungen fand, die auf die Ideen Platons zurückzugehen scheinen. Ich habe in dem eben übersetzten Brief mehrere Sätze dieser Art unterdrückt.

Giulio Branciforte war sehr erstaunt, als er abends etwa eine Stunde vor dem Ave Maria dieses Schreiben erhielt; er hatte grade die Abmachung mit dem Priester beendet. Er war außer sich vor Zorn.

‚Sie hat nicht notwendig, mir zu raten, daß ich sie entführe. Dieses schwache, zaghafte Geschöpf!‘

Und er brach sogleich nach dem Walde von La Faggiola auf.

Für Signora Campireali stand die Sache folgendermaßen: Ihr Gatte lag auf dem Sterbebett; die Unmöglichkeit, sich an Branciforte zu rächen, brachte ihn langsam zum Grabe. Vergebens hatte er mehrmals den römischen Bravi beträchtliche Summen anbieten lassen; keiner hatte sich an einem der „Korporale“, wie sie sagten, des Fürsten Colonna vergreifen wollen; sie waren zu gewiß, samt ihren Familien ausgetilgt zu werden. Es war noch kein Jahr her, daß ein ganzes Dorf zur Strafe für den Tod eines Soldaten des Colonna niedergebrannt wurde, und alle Einwohner, Männer und Frauen, welche in die Campagna zu fliehen suchten, wurden an Händen und Füßen gefesselt in die brennenden Häuser geworfen.

Signora Campireali besaß große Güter im Königreich Neapel; ihr Gatte hatte ihr aufgetragen, von dort Mörder kommen zu lassen; aber sie hatte nur zum Schein zugestimmt, denn sie glaubte ihre Tochter unlöslich an Giulio Branciforte gebunden. In dieser Voraussetzung meinte sie, daß Giulio einen oder zwei Feldzüge in den spanischen Heeren mitmachen solle, welche damals Krieg gegen die Aufständischen in Flandern führten. Fiele er nicht, so sollte dies ein Zeichen sein, daß Gott eine Heirat nicht mißbillige, die sich nicht vermeiden ließ; in diesem Fall würde sie ihrer Tochter die Güter geben, welche sie im Königreich Neapel besaß, Giulio Branciforte würde den Namen einer dieser Besitzungen annehmen und einige Jahre mit seiner Frau in Spanien verbringen. Nach allen diesen Prüfungen würde sie vielleicht den Mut finden, ihn zu sehen. Doch alles war seit dem Geständnis ihrer Tochter anders geworden; die Heirat war keine Notwendigkeit mehr – weit entfernt davon – und während Helena ihrem Geliebten den Brief schrieb, den wir wiedergegeben haben, schrieb Signora Campireali nach Pescara und nach Chieti und gab ihren Pächtern den Auftrag, ihr sichere Männer nach Castro zu senden, die zu einem Handstreich zu gebrauchen wären. Sie verhehlte ihnen nicht, daß es sich darum handelte, den Tod Fabios, ihres jungen Herrn, zu rächen. Der Kurier machte sich mit diesen Briefen noch vor Ende des Tags auf den Weg.

V

Schon am übernächsten Tage war Giulio wieder in Castro, er führte acht seiner Soldaten mit sich, welche ihm freiwillig gefolgt waren, wenn sie sich gleich dem Zorn des Fürsten aussetzten, der einige Male Unternehmungen dieser Art mit dem Tode bestraft hatte. Giulio hatte schon fünf Mann in Castro und acht brachte er hinzu; indessen schienen ihm vierzehn Soldaten, wie tapfer sie auch sein mochten, nicht ausreichend für sein Unternehmen; denn das Kloster glich einer Festung.

Es handelte sich darum, durch das erste Tor des Klosters mit Gewalt oder List zu dringen und dann durch einen Gang von mehr als fünfzig Schritten Länge zu kommen. Linker Hand sollten die vergitterten Fenster einer Art Kaserne liegen, wo die Nonnen dreißig bis vierzig Diener, ehemalige Soldaten, untergebracht hatten. Aus diesen vergitterten Fenstern würde, sobald erst das Kloster alarmiert war, ein ausgiebiges Feuer abgegeben werden.

Die regierende Äbtissin, eine Frau von starkem Verstande, hatte Angst vor den Unternehmungen der Orsini, Colonna, Marco Sciarra und so vieler andrer, welche die umliegende Gegend beherrschten. Wie war es möglich, achthundert entschlossenen Männern Widerstand zu leisten, wenn sie unversehens eine kleine Stadt wie Castro einnahmen, weil sie das Kloster mit Gold gefüllt glaubten?

Gewöhnlich waren im Kloster der Heimsuchung von Castro fünfzehn oder zwanzig Bravi in der Kaserne zur Linken des Ganges, der zur zweiten Klosterpforte führte; zur Rechten dieses Durchlasses lag eine hohe, uneinnehmbare Mauer; an seinem Ende befand sich ein eisernes Tor, das auf eine Säulenhalle führte; nach dieser kam der große Klosterhof, rechts der Garten. Diese eiserne Türe war von der Pförtnerin bewacht.

Als Giulio mit seinen acht Mann sich drei Meilen vor Castro befand, machte er in einem abgelegenen Wirtshaus Halt, um die Stunden der großen Hitze verstreichen zu lassen. Dort erst legte er sein Vorhaben dar; dabei zeichnete er den Plan des Klosters, das er angreifen wollte, in den Sand des Hofs.

„Um neun Uhr“, sagte er seinen Leuten, „werden wir außerhalb der Stadt zu Abend essen; um Mitternacht werden wir eintreten. Eure fünf Kameraden erwarten uns in der Nähe des Klosters. Einer von ihnen wird zu Pferde sein und die Rolle eines Kuriers spielen, der aus Rom kommt, um Signora von Campireali zu ihrem Gemahl zu rufen, der im Sterben liegt. Wir werden versuchen, geräuschlos durch die erste Türe des Klosters zu kommen,“ sagte er, indem er auf den Plan im Sand deutete, „die hier in der Mitte der Kaserne liegt. Wenn wir den Kampf gleich beim ersten Tor beginnen, haben es die Bravi der Nonnen zu leicht, uns Flintenschüsse nachzusenden, während wir auf diesem kleinen Platz da vor dem Kloster sind oder durch den engen Gang zwischen dem ersten und zweiten Tor laufen. Dieses zweite Tor ist von Eisen, aber ich besitze den Schlüssel dazu. Allerdings sind große, mit einem Ende an der Mauer befestigte Eisenbalken oder Sperrstangen da, welche, wenn sie vorgelegt sind, das Öffnen der Torflügel verhindern. Aber da die beiden Eisenstangen zu schwer sind, als daß die Schwester Pförtnerin sie handhaben könnte, habe ich sie nie an ihrem Platz gesehen und bin doch mehr als zehnmal durch das Eisentor gegangen. Ich rechne darauf, auch heute Abend ohne Hindernis hindurchzukommen. Ihr merkt wohl, daß ich Bekanntschaften im Kloster habe. Mein Ziel ist: eine Pensionärin zu entführen, und nicht eine Nonne; wir dürfen erst im äußersten Notfall von den Waffen Gebrauch machen. Wenn wir den Kampf eröffnen, bevor wir an dieser zweiten Tür mit den Eisen angekommen sind, wird die Pförtnerin nicht verfehlen, zwei alte siebzigjährige Gärtner, die im Kloster wohnen, herbeizurufen, und diese Alten würden die Stangen vorlegen. Wenn uns dieser Unglücksfall zustößt, müssen wir erst die Mauer demolieren, um durch die Tür zu kommen, was uns zehn Minuten kosten würde; auf jeden Fall werde ich als erster zur Tür eilen. Einer der Gärtner ist von mir gekauft, aber, wie Ihr Euch denken könnt, habe ich mich gehütet, ihm etwas von meinem Entführungsplan zu erzählen. Wenn man diese zweite Tür hinter sich hat, wendet man sich nach rechts in den Garten, und sind wir erst in diesem Garten, so sprechen die Waffen; man muß alles niedermachen, was sich in den Weg stellt. Ihr werdet natürlicherweise nur Eure Schwerter und Dolche brauchen; ein einziger Flintenschuß würde die ganze Stadt in Aufruhr bringen und man würde uns beim Abzug angreifen. Glaubt nicht, daß ich mich mit dreizehn Mann, wie Ihr seid, nicht stark genug fühle, durch dieses Nest zu kommen: sicher würde niemand wagen, auf die Straße hinabzusteigen; aber mehrere Bürger haben Flinten und sie würden aus den Fenstern schießen. Nebenbei gesagt muß man sich in diesem Fall längs der Häuser halten. Einmal im Garten, sagt Ihr mit leiser Stimme zu jedem, der sich zeigt: Zieh dich zurück! und wenn er nicht augenblicklich gehorcht, tötet Ihr ihn mit dem Dolch. Ich dringe dann mit denen von Euch, die gerade um mich sind, durch die kleine Gartentür ins Kloster ein, und drei Minuten später kehre ich mit einer oder zwei Frauen zurück, die wir auf unsren Armen tragen und nicht selbst gehen lassen werden. Sofort verlassen wir eilig das Kloster und die Stadt. Zwei von Euch werde ich in der Nähe des Tors zurücklassen, sie werden von Minute zu Minute etwa zwanzig Schüsse abgeben, um die Bürger zu schrecken und in Entfernung zu halten.“

Giulio wiederholte diese Erklärung zweimal.

„Habt Ihr gut verstanden?“ sagte er seinen Leuten. „In der Vorhalle wird es dunkel sein; rechts ist der Garten, links der Hof, man darf sich nicht irren.“

„Zählt auf uns!“ riefen die Soldaten. Dann gingen sie trinken; der Korporal folgte ihnen nicht und bat um die Erlaubnis, mit dem Kapitän sprechen zu dürfen.

„Nichts ist einfacher“, sagte er, „als der Plan Eurer Gnaden. Ich bin schon zweimal in meinem Leben in Klöster eingebrochen; dies wäre das dritte; aber wir sind zu wenig. Wenn der Gegner uns nötigt, die Mauer zu zerstören, welche die Angel der zweiten Tür hält, muß man bedenken, daß die Bravi während dieser langen Arbeit nicht müßig bleiben; sie werden Euch sieben oder acht Mann erschießen und dann kann man uns am Rückweg die Frau wieder abnehmen. Das ist uns in einem Kloster in der Nähe Bolognas passiert: uns wurden fünf Mann getötet, wir töteten acht, aber der Hauptmann bekam nicht die Frau. Ich schlage Euer Gnaden zweierlei vor: ich kenne vier Bauern aus der Umgebung dieser Herberge, die Sciarra tapfer gedient haben und sich für eine Zechine die ganze Nacht lang wie Löwen schlagen würden. Vielleicht werden sie etwas Silber aus dem Kloster rauben; das kümmert Euch wenig, denn die Sünde ist ihre Sache und Ihr bezahlt sie, um eine Frau zu holen, das ist alles. Mein zweiter Vorschlag ist folgender: Ugone ist ein gescheiter und sehr geschickter Bursche; er war Arzt, als er seinen Schwager tötete und ging in die Macchia. Ihr könnt ihn eine Stunde vor Sonnenuntergang zum Klostertor schicken, er wird um Dienst bitten und wird es so geschickt einrichten, daß man ihn in die Wache einreiht; dann wird er die Knechte der Nonnen betrunken machen, und er ist sogar fähig, die Lunten ihrer Flinten zu durchnässen.“ Zu seinem Unglück nahm Giulio den Vorschlag des Korporals an. Als dieser sich entfernte, fügte er noch hinzu:

„Wir wollen ein Kloster angreifen. Das ist excommunicatio major und noch mehr: dieses Kloster steht unmittelbar unter dem Schutz der Madonna…“

„Ich verstehe!“ rief Giulio, aufgerüttelt durch dieses Wort. „Bleibt bei mir.“

Der Korporal schloß die Tür und kam zurück, um den Rosenkranz mit Giulio zu beten. Diese Andacht dauerte eine volle Stunde. Als es Nacht war, brach man auf.

Wie es Mitternacht schlug, kehrte Giulio, der gegen elf Uhr allein nach Castro gegangen war, zurück, um seine Leute zu holen, die außerhalb des Tores gewartet hatten.

Er trat mit seinen acht Mann, denen sich drei gut bewaffnete Bauern angeschlossen hatten, in die Stadt ein und vereinigte sich mit den fünf Soldaten, welche er schon in der Stadt hatte; so befand er sich an der Spitze von sechzehn entschlossenen Männern; zwei trugen als Diener verkleidet weite Blusen aus schwarzem Leinen, um ihr giacco zu verdecken und ihre Mützen waren nicht mit Federn geschmückt.

Eine halbe Stunde nach Mitternacht kam Giulio, der die Rolle des Kuriers für sich übernommen hatte, im Galopp vor dem Klostertor an; er machte mächtigen Lärm und schrie, daß man unverzüglich einem Kurier öffnen möge, den der Kardinal schicke. Mit Wohlgefallen bemerkte er, daß die Soldaten, die ihm durch das kleine Fenster neben dem Tor antworteten, halb betrunken waren. Der Vorschrift folgend, schrieb er seinen Namen auf ein Stück Papier, ein Soldat überbrachte den Namen der Pförtnerin, die den Schlüssel zur zweiten Tür besaß und die Äbtissin in besondren Fällen zu wecken hatte. Die Antwort ließ endlose dreiviertel Stunden auf sich warten. Während dieser Zeit hatte Giulio viel Mühe, seinen Trupp ruhig zu halten; einige Bürger öffneten schon vorsichtig ihre Fenster; endlich traf eine günstige Antwort von der Äbtissin ein; Giulio wurde, gefolgt von zwei als Diener verkleideten Soldaten, mit Hilfe einer fünf oder sechs Fuß langen Leiter, die man ihm aus dem kleinen Fenster reichte, in die Wachstube eingelassen; die Bravi des Klosters wollten sich nicht die Mühe machen, das große Tor zu öffnen. Als er vom Fenster ins Wachzimmer sprang, begegneten seine Augen dem Blick Ugones; die ganze Wache war, dank seiner Vorsorge, betrunken. Giulio sagte dem Kommandanten, daß drei Diener der Campireali, die er als Soldaten habe ausrüsten lassen, um ihn am Marsch zu schützen, sehr guten Branntwein gekauft hätten und um Einlaß bäten, damit sie sich nicht allein auf dem Platze langweilen müßten. Dem wurde einmütig zugestimmt. Er selbst stieg mit seinen zwei Leuten die Treppe hinunter, welche von der Wachstube in den Gang führte.

„Trachte die große Tür zu öffnen“, sagte er zu Ugone.

Dann gelangte er unangefochten zur eisernen Tür. Dort fand er die gute Pförtnerin, welche ihm sagte, daß jetzt, da Mitternacht vorbei sei, wenn er ins Kloster eingelassen würde, die Äbtissin dem Bischof darüber Bericht erstatten müßte. Darum lasse sie ihn bitten, seine Nachrichten der jungen Schwester zu übergeben, welche die Äbtissin zu diesem Zweck schicke. Worauf Giulio antwortete, wegen der Bestürzung, welche durch die unerwartete Agonie des Signor von Campireali hervorgerufen worden sei, hätte man ihm nur ein einfaches vom Arzt ausgefertigtes Beglaubigungsschreiben mitgegeben; alle Einzelheiten sollte er mündlich der Frau und Tochter des Kranken berichten, wenn diese Damen noch im Kloster wären und in jedem Fall auch der Frau Äbtissin. Die Pförtnerin ging, diese Botschaft zu überbringen. Niemand blieb an der Tür als die junge Schwester, welche die Äbtissin gesandt hatte. Giulio plauderte und scherzte mit ihr, dabei steckte er die Hände durch die dicken Eisenstangen des Tors und versuchte es, immer noch lachend, zu öffnen. Die Schwester war sehr schüchtern, sie hatte Angst und nahm die Scherze übel auf. Da hatte Giulio, der sah, daß beträchtliche Zeit verstrich, die Unvorsichtigkeit, der Schwester eine Handvoll Zechinen anzubieten, mit der Bitte, ihn einzulassen, da er zu müde sei, zu warten. „Er wußte wohl, daß er eine Dummheit beging,“ sagt der Erzähler, „er hätte mit Eisen und nicht mit Gold arbeiten müssen; aber er hatte nicht das Herz dazu; nichts leichter, als sich der Schwester zu bemächtigen, sie war nicht weiter als einen Fuß breit von ihm, auf der andern Seite der Tür. Durch das Angebot der Zechinen wurde das junge Mädchen in Schrecken versetzt. Sie sagte später, daß sie aus der Art wie Giulio zu ihr gesprochen habe, wohl verstanden hätte, daß er kein gewöhnlicher Kurier sei: ‚Das ist der Geliebte einer unsrer Nonnen,‘ dachte sie, ‚der zu einem Stelldichein kommt‘; und sie war fromm. Von Entsetzen ergriffen, begann sie mit aller Kraft die Schnur einer kleinen Glocke zu ziehen, die im großen Hof hing und alsogleich einen Lärm machte, um Tote zu wecken. „Der Krieg beginnt,“ sagte Giulio seinen Leuten, „gebt acht!“

Er nahm seinen Schlüssel, und den Arm zwischen den Eisenstäben durchzwängend, öffnete er die Tür zur größten Verzweiflung der jungen Nonne, die sich über den Kirchenfrevel entsetzt schreiend auf die Knie warf und Ave Maria zu beten begann. Noch in diesem Augenblick hätte Giulio das junge Mädchen zum Schweigen bringen müssen, aber er hatte nicht das Herz dazu; einer seiner Leute ergriff sie und schloß ihr den Mund.

Im selben Augenblick hörte Giulio im Gang hinter sich einen Flintenschuß. Ugone hatte das große Tor geöffnet, die übrigen Soldaten traten ohne Lärm ein, als einer der weniger betrunkenen Bravi der Wache sich einem der vergitterten Fenster näherte und in seinem Erstaunen so viele Leute im Gang zu sehen ihnen fluchend verbot, weiterzugehen. Man hätte nicht antworten und ruhig weiter gegen die eiserne Tür vorgehen sollen, so machten es auch die ersten, aber der letzte der Reihe, einer der am Nachmittag erst angeworbenen Bauern, feuerte einen Pistolenschuß nach dem Klosterknecht, der durchs Fenster rief, und tötete ihn. Dieser Pistolenschuß mitten in der Nacht und das Schreien der Betrunkenen, als sie ihren Kameraden fallen sahen, weckten jene Soldaten, welche diese Nacht in ihren Betten lagen und nicht von Ugones Wein gekostet hatten. Acht oder zehn Bravi des Klosters sprangen halb nackt in den Gang und griffen die Soldaten Brancifortes heftig an.

Wie wir bereits gesagt haben, begann dieser Lärm im Augenblick, als Giulio das eiserne Tor geöffnet hatte. Von seinen zwei Soldaten gefolgt, stürzte er in den Garten und lief zu der kleinen Türe, die zur Treppe der Pensionärinnen führte. Aber er wurde von fünf oder sechs Pistolenschüssen empfangen. Seine beiden Soldaten fielen; er selbst bekam eine Kugel in den rechten Arm. Diese Pistolenschüsse waren von den Leuten der Signora von Campireali abgegeben, welche auf ihren Befehl die Nacht im Garten zubrachten, wozu sie die Erlaubnis beim Bischof erwirkt hatte. Giulio lief allein zu der kleinen, ihm so wohlbekannten Tür, welche vom Garten zur Treppe der Pensionärinnen führte. Er tat, was er nur konnte, um sie aufzusprengen, aber sie war fest verschlossen. Er suchte nach seinen Leuten, doch die achteten nicht darauf, ihm zu antworten, denn sie starben; er stieß in der tiefen Dunkelheit auf drei Dienstleute der Signora von Campireali, deren er sich mit Dolchstichen erwehrte.

Er lief in die Vorhalle, gegen die Gittertür, um seine Soldaten zu rufen; er fand diese Türe verschlossen: die beiden schweren Eisenarme waren auf ihrem Platz und mit Schlössern gesichert, welche die alten Gärtner vorgelegt hatten, als sie das Läuten der jungen Schwester weckte.

‚Ich bin abgeschnitten‘, sagte sich Giulio. Er rief es seinen Leuten zu; vergeblich versuchte er eins dieser Vorlegschlösser mit seinem Degen zu sprengen; wenn ihm das geglückt wäre, hätte er eine der Eisenstangen entfernen und einen Türflügel öffnen können. Sein Degen zerbrach im Ring des Vorlegschlosses; im gleichen Augenblick wurde er durch einen aus dem Garten herbeigeeilten Diener an der Schulter verwundet; er wandte sich um, und gegen die Eisenpforte gelehnt, sah er sich von mehreren Männern angegriffen. Er verteidigte sich mit seinem Dolch; zum Glück, da es völlig dunkel war, trafen fast alle Degenstöße auf sein Panzerhemd. Er wurde schmerzhaft am Knie verwundet, stürzte sich auf einen der Leute, der sich zu weit vorgewagt hatte, um ihm diesen Degenstich zu versetzen, tötete ihn mit einem Dolchstoß ins Gesicht und hatte das Glück, sich seines Degens zu bemächtigen. Nun glaubte er sich gerettet; er stellte sich zur Linken der Tür, an die Seite der Mauer. Seine Leute waren jetzt herbeigeeilt, sie schossen fünf oder sechs Pistolenschüsse durch das Eisengitter hindurch und trieben die Diener in die Flucht. Man sah hier in der Vorhalle nichts, außer beim Aufleuchten der Pistolenschüsse.

„Schießt nicht auf meine Seite“, rief Giulio seinen Leuten zu.

„Ihr seid hier wie in einer Mausefalle gefangen“, sagte ihm der Korporal mit großer Kaltblütigkeit durch die Eisenstangen hindurch, „und wir haben drei Tote. Wir werden die Türpfosten auf der Euch entgegengesetzten Seite einreißen. Rührt Euch nicht, denn man wird auf uns schießen; es scheint, daß im Garten Feinde sind.“

„Die Schufte von Dienern der Campireali“, sagte Giulio.

Er sprach noch mit dem Korporal, als von der Seite des Vestibüls, die in den Garten führte, Pistolenschüsse, auf das Geräusch gezielt, gegen sie abgefeuert wurden. Giulio verbarg sich in der Loge der Schließerin, zur Linken des Eingangs; zu seiner Freude fand er dort ein kaum wahrnehmbares Lämpchen, das vor dem Bildnis der Madonna brannte; er nahm es mit großer Vorsicht, um es nicht auszulöschen; er bemerkte zu seinem Kummer, daß er zitterte. Er betrachtete seine Wunde am Knie, die ihn sehr schmerzte; das Blut floß in Strömen.

Umhersehend, erkannte er zu seinem Erstaunen in einer ohnmächtig auf einem Holzstuhl lehnenden Frau die kleine Marietta, die vertraute Kämmerin Helenas; er schüttelte sie lebhaft.

„Aber! Signor Giulio,“ rief sie weinend, „wollt Ihr Eure Freundin Marietta töten?“

„Weit davon entfernt! Sag Helena, daß ich sie um Verzeihung bitte, ihre Ruhe gestört zu haben und daß sie des Ave Maria vom Monte Cave gedenken möge. Hier ist ein Blumenstrauß, den ich in ihrem Garten in Albano gepflückt habe; aber er ist ein wenig mit Blut befleckt; wasche es ab, bevor du ihn ihr gibst.“

In diesem Augenblick hörte er eine Flintensalve im Gang; die Bravi der Nonnen griffen seine Leute an.

„Sag mir, wo der Schlüssel der kleinen Tür ist?“ fragte er Marietta.

„Ich sehe ihn nicht, aber hier sind die Schlüssel zu den Vorlegschlössern der Eisenstangen, welche das große Tor sperren. Ihr könnt hinaus.“

Giulio nahm die Schlüssel und stürzte aus der Loge.

„Laßt die Mauer,“ rief er seinen Soldaten zu, „ich habe endlich den Schlüssel des Tores.“

Einen Augenblick, während er versuchte, ein Schloß mit einem der kleinen Schlüssel zu öffnen, herrschte völliges Schweigen; er hatte sich im Schlüssel geirrt und nahm den andern; endlich öffnete er das Schloß: aber im Augenblick, wo er die Eisenstange hob, erhielt er aus allernächster Nähe einen Schuß in den rechten Arm. Sogleich spürte er, daß der Arm den Dienst versagte.

„Hebt den Eisenriegel“, schrie er seinen Leuten zu. Er hatte nicht erst nötig, es ihnen zu sagen. Im Licht des Pistolenschusses hatten sie bemerkt, daß das äußerste umgebogene Ende der eisernen Stange schon zur Hälfte aus dem am Tor befestigten Ring herausgehoben war. Sofort lüpften drei oder vier kräftige Arme die eiserne Stange; als das äußerste Ende ganz aus dem Ring war, ließ man sie fallen. Nun konnte man einen der Torflügel ein wenig öffnen; der Korporal trat ein und sagte leise zu Giulio:

„Es ist nichts mehr zu machen, wir sind nur mehr drei oder vier ohne Wunden, fünf sind tot.“

„Ich habe Blut verloren,“ entgegnete Giulio, „ich fühle, daß ich ohnmächtig werde; laßt mich fortbringen.“

Während Giulio mit dem tapfren Korporal sprach, gaben die Soldaten der Wache noch drei oder vier Flintenschüsse ab und der Korporal fiel tot zu Boden. Zum Glück hatte Ugone den Befehl Giulios gehört; er rief zwei Soldaten herbei, die den Kapitän forttragen sollten. Da er aber nicht ohnmächtig wurde, befahl er, ihn durch den Garten zu der kleinen Tür zu tragen. Dieser Befehl brachte die Soldaten zum Fluchen, aber sie gehorchten.

„Hundert Zechinen dem, der diese Tür öffnet“, rief Giulio aus.

Aber sie widerstand dem Ansturm dreier wütender Männer. Einer der alten Gärtner schoß unaufhörlich von einem Fenster des zweiten Stockwerks mit der Pistole nach ihnen und beleuchtete so ihre Versuche.

Nach den unnützen Anstrengungen, die Tür zu öffnen, wurde Giulio gänzlich bewußtlos; Ugone hieß den Soldaten, den Kapitän eiligst fortzutragen. Er selbst ging in die Loge der Schwester Pförtnerin und warf die kleine Marietta hinaus, indem es ihr mit drohender Stimme befahl, fortzugehen und niemals zu verraten, wer sie wiedererkannt habe. Er zog das Stroh aus dem Bett, zerbrach einige Stühle und steckte das Zimmer in Brand. Als das Feuer gut brannte, lief er so schnell er konnte, mitten durch die Flintenschüsse der Bravi des Klosters davon.

Etwa hundertfünfzig Schritt von der Heimsuchung entfernt, fand er den ganz bewußtlosen Kapitän, den man eiligst davontrug. Nach einigen Minuten war man außerhalb der Stadt. Ugone ließ halten: er hatte nur noch vier Soldaten bei sich; er schickte zwei in die Stadt zurück mit dem Befehl, von fünf zu fünf Minuten Flintenschüsse abzufeuern.

„Versucht Eure verwundeten Kameraden wiederzufinden,“ sagte er ihnen, „verlaßt die Stadt vor Tag, wir folgen dem Fußweg über Croce rossa. Wenn Ihr irgendwo Feuer anlegen könnt, verabsäumt es nicht.“

Als Giulio das Bewußtsein wieder erlangte, befand man sich drei Meilen von der Stadt entfernt und die Sonne stand schon hoch am Himmel. Ugone erstattete Bericht.

„Euer Trupp besteht nur mehr aus fünf Mann, wovon drei verwundet sind. Den beiden überlebenden Bauern habe ich je zwei Zechinen Entschädigung gegeben und sie sind davongelaufen. Die beiden nicht verwundeten Männer habe ich in den nächsten Marktflecken geschickt, um einen Wundarzt zu holen.“

Der Wundarzt, ein zittriger Alter, kam bald auf einem prächtigen Esel angeritten; man hatte ihm drohen müssen, sein Haus in Brand zu stecken, um ihn zum Mitgehen zu bewegen. Es war nötig, ihn erst etwas Branntwein trinken zu lassen, um ihn zu seiner Arbeit instand zu setzen, so groß war seine Furcht. Endlich machte er sich ans Werk; er sagte Giulio, daß seine Wunden ohne Bedeutung seien. „Die am Knie ist nicht gefährlich,“ fügte er hinzu, „aber Ihr werdet zeitlebens hinkend bleiben, wenn Ihr Euch nicht zwei bis drei Wochen vollkommen ruhig verhaltet.“

Der Wundarzt verband die verletzten Soldaten. Ugone gab Giulio einen Wink mit den Augen, man entlohnte den Wundarzt, der sich vor Dank gar nicht fassen konnte, mit zwei Zechinen; dann gab man ihm unter dem Vorwand der Erkenntlichkeit eine solche Menge Branntwein zu trinken, daß er fest einschlief. Das war es, was man wollte. Man trug ihn ins nächste Feld, man wickelte vier Zechinen in ein Stück Papier, das man ihm in die Tasche steckte. Das war der Preis für seinen Esel, auf welchen man Giulio und einen der am Bein verletzten Soldaten setzte. Man verbrachte die Stunden der größten Hitze in einer antiken Ruine am Ufer eines Weihers; man marschierte die ganze Nacht hindurch und vermied die Dörfer, die auf diesem Weg nicht zahlreich waren; endlich am übernächsten Morgen bei Sonnenaufgang erwachte Giulio, als er tief im Walde von La Faggiola von seinen Leuten in die Köhlerhütte getragen wurde, die sein Hauptquartier war.

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Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
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