Kitabı oku: «Familienrecht», sayfa 2

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Literatur

Aristoteles, Politik (hg.v. Olof Gigon), 4. Auflage (1981); Claus Bextermöller, Das Familienrecht in den Systemen der Pandektistik des 19. Jahrhunderts (1970); Jean Bodin, Sechs Bücher über den Staat (1576), hg.v. Peter Cornelius Mayer-Tasch (1981); Bill Drews, Gerhard Wacke, Wolfgang Martens, Klaus Vogel, Gefahrenabwehr. Allgemeines Polizeirecht (Ordnungsrecht) des Bundes und der Länder, 9. Auflage (1986); Michel Foucault, Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Geschichte der Gouvernementalität I. Vorlesung am Collège de France 1977–1978 (2006), S. 449–478 (Vorlesung 12); Sten Gagnér, Über Voraussetzungen einer Verwendung der Sprachformel „Öffentliches Recht und Privatrecht“ im kanonistischen Bereich, in: Deutsche Landesreferate zum VII. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Uppsala 1966 (1967), S. 23–57; Janet Halley & Kerry Rittich, Critical Directions in Comparative Family Law: Genealogies and Contemporary Studies of Family Law Exceptionalism, in: The American Journal of Comparative Law 58 (2010), S. 753–775; Duncan Kennedy, Two Globalizations of Law & Legal Thought (1850–1968), in: Suffolk University Law Review 36 (2003), S. 631–679; ders., Savigny’s Family / Patrimony Distinction and its Place in the Global Genealogy of Classical Legal Thought, in: American Journal of Comparative Law 58 (2010), S. 811–841; Johann Heinrich Wilhelm Kirchhoff, Gesinde-Recht nach Grundsätzen des Gemeinen und Preußischen Rechts und mit vorzugsweiser Berücksichtigung der Provinzial-Gesetze und Statute in Neu-Vorpommern und Rügen (1835); Ferdinand Regelsberger, Pandekten, 1. Band (1893); Moritz Renner, Zwingendes transnationales Recht. Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates (2011); Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. I (1840); Rainer Schröder, Das Gesinde war immer frech und unverschämt. Gesinde und Gesinderecht vornehmlich

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im 18. Jahrhundert (1992); ders., Gesinderecht im 18. Jahrhundert, in: Gotthardt Frühsorge, Rainer Gruenter, Beatrix Freifrau Wolff Metternich (Hg.), Gesinde im 18. Jahrhundert (1995), S. 13–39; Christian Seiler, Grundzüge eines öffentlichen Familienrechts (2008); Thomas Simon, „Gute Policey“. Ordnungsleitbilder und Zielvorstellungen politischen Handelns in der Frühen Neuzeit (2004); Michael Stolleis, Öffentliches Recht und Privatrecht im Prozeß der Entstehung des modernen Staates, in: Wolfgang Hoffmann-Riem, Eberhard Schmidt-Aßmann (Hg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen (1996), S. 41–61; Anton Friedrich Justus Thibaut, System des Pandekten-Rechts, 1. Band, 1. Auflage (1803); Thomas Vormbaum, Politik und Gesinderecht im 19. Jahrhundert, vornehmlich in Preußen 1810–1918 (1980).

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1 In der Analogie zum Eltern-Kind-Verhältnis liegt auch der Grund, warum das Gesinderecht in das Gebiet des Öffentlichen Rechts, insbesondere des Polizeirechts eingeordnet wurde (Vormbaum, 1980, S. 140, S. 149; siehe auch Fußnote 56, S. 131).

1. Kapitel Grundlagen und Gang der Untersuchung

Das Familienrecht ist ein relativ junges Fach. Dies gilt vor allem für die Länder des „Common Law“. So hat der US-amerikanische Rechtstheoretiker Duncan Kennedy jüngst behauptet, das Familienrecht existiere in der „Common Law world“ als selbstständige Disziplin erst seit Kurzem (2010, 813). Ähnliche Aussagen finden sich bei englischen Rechtswissenschaftlern. In Deutschland kann das Familienrecht immerhin auf eine Tradition zurückblicken, die bis ins 19. Jahrhundert führt. ­Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) war der erste, der dem Eherecht der bürger­lichen Familie innerhalb des Rechtssystems einen selbstständigen Platz zugewiesen hat. Dies geschah freilich in einer Zeit, als die ung­leiche Behandlung der Geschlechter im Recht, wenn überhaupt, nur von einer kleinen Minderheit angezweifelt wurde. Es herrschte ein Rollenverständnis, wonach der Mann in der Ehe befehlen durfte und die Frau gehorchen musste. Diese Vorstellungen sind heute überholt. An ihre Stelle ist die Idee einer formalen Gleichheit der Geschlechter getreten, die aber ebenfalls Probleme aufwirft. Denn formale Gleichheit kann dort zu Ungleichheiten führen, wo tatsächliche Unterschiede bestehen. Beispiele sind die aktuell im Unterhalts- oder Ehegüterrecht geführten Diskussionen. Die Forderung nach einem geschlechtergerechten Familienrecht ist also bis heute virulent geblieben.

Mit welchen Argumenten haben Juristen die ungleiche Behandlung der Geschlechter gerechtfertigt? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit sich Recht ändert und gewandelten Lebensverhältnissen anpasst? So lauten die Fragen, von denen der folgende Versuch einer „Geschichte des Familienrechts“ seinen Ausgang nimmt. Dabei ist zu beachten, dass die rechtlichen Ungleichheiten im Geschlechterverhältnis und die Forderungen nach ihrer Überwindung nicht nur eine nationale, sondern auch eine internationale Geschichte haben.

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1.1 Defizite in der Rechtsvergleichung

Frauenvereinigungen arbeiteten schon im 19. Jahrhundert auf internationaler Ebene zusammen, um die Rechtsordnungen ihrer Länder zu vergleichen. Von der damals noch jungen wissenschaftlichen Disziplin der „Rechtsvergleichung“ sind diese Aktivitäten allerdings kaum wahrgenommen worden. Denn die Rechtsvergleichung verfolgte in erster Linie praktische Ziele, indem sie etwa Kaufleute über internationales Handelsrecht zu informieren oder ausländisches Recht für die innerjuristische Argumentation fruchtbar zu machen suchte (Zweigert / Kötz, 1971, 58; Ranieri, 2003, 221). Dafür eignete sich vor allem das „Verkehrsrecht“, also Rechtsgeschäftslehre, Schuldrecht, Mobiliarsachenrecht oder Handelsrecht. Das Familienrecht blieb außen vor, weil es mehr mit nationalen Traditionen, kulturellen Eigenarten oder religiösen Prägungen verknüpft zu sein schien und zu innerjuristischer Argumentation oder Dogmatik wenig beizutragen hatte. Noch heute ist die Auffassung verbreitet, dass z.B. das europäische Kauf- oder Zahlungsverkehrsrecht leichter zu vereinheitlichen sei als das „mit unterschiedlichen Ansichten über das Leben und die Religion und mit Lebenserfahrungen im Allgemeinen“ zusammenhängende Familienrecht (de Groot, 2001, 618 f.).

Dennoch darf nicht übersehen werden, dass Ehe und Familie auch Gebiete sind, die im internationalen Vergleich viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Die abnehmende Zahl von Eheschließungen, die Erhöhung von Scheidungsquoten oder der Geburtenrückgang gehören zu jenen Phänomenen, die derzeit in allen „westlichen“ Ländern diskutiert werden. Die gemeinsamen Trends beschränken sich nicht auf die Gegenwart. Auch in der Vergangenheit hat es eine Vielzahl paralleler Erscheinungsmuster gegeben. So sind die Beseitigung der Gehorsamspflicht von Frauen, gemeinsame elterliche Sorge, Erleichterung von Scheidungen oder die Verbesserung der Rechtsstellung nichtehelicher Kinder bereits in einer Zeit länderübergreifend gefordert worden, als die wissenschaftliche Disziplin der Rechtsvergleichung Ehe und Familie, wenn überhaupt, allenfalls am Rande behandelt hat (Anderson, 2007, 59; Gerhard, 1993, 50).

Die Frauenbewegungen haben es also schon früh gewagt, im Familienrecht den Blick über die Landesgrenzen zu werfen. Der intensive

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Gedankenaustausch zwischen Aktivistinnen verschiedener Nationen, die Durchführung internationaler Kongresse und die Gründung internationaler Organisationen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind frühe Zeugnisse für das Entstehen einer globalen Zivilgesellschaft, deren Normsetzung unter Stichworten wie „new world order“, „global law with­out a state“, „Entstaatlichung des Rechts“ oder „ius non scriptum“ heute so lebhaft diskutiert wird. Dabei verdient Hervorhebung, dass aus Sicht der Frauenbewegung ein Vergleich ganz andere Funktionen als im klassischen Privatrecht zu erfüllen hatte. Zunächst sollte durch transnationale Kooperation die Aufmerksamkeit der Frauen auf die Rechtslage im eigenen Land gelenkt werden. Namentlich der „International Council of Women“ suchte auf Basis vergleichender Länderstudien Reformbedarf zu identifizieren, um mit überzeugenden Argumenten Einfluss auf die nationale Politik zu nehmen (Nachweise bei Schüler, 2012). In Anlehnung an ein oft zitiertes Diktum des Sozialphilosophen Charles Fourier (1772–1837) sahen die Aktivistinnen in den „Fortschritten der Befreiung der Frau“ einen Gradmesser für den „Fortschritt“ einer bestimmten Nation oder Kulturepoche (Fourier, 1808, 190). Wegen der großen Bedeutung des Fortschrittsgedankens im 19. Jahrhundert konnte das vergleichende Argument in den Diskussionen über die rechtliche Gleichbehandlung von Frauen erhebliche Überzeugungskraft gewinnen. Von einer vergleichenden Betrachtung ließ sich nämlich leicht in den Modus eines Rankings übergehen, welches den einzelnen Staaten Anreiz gab, die führenden Nationen noch zu überbieten. Es sind also weniger praktische oder dogmatische als politische Gründe, die im Familienrecht das Bedürfnis nach einem Vergleich entstehen ließen. Erst im 20. Jahrhundert ist dann auch darüber diskutiert worden, inwieweit bestimmte Rechtsinstitute oder dogmatische Lösungen des Familienrechts anderer Nationen zur Rechtsfortbildung im eigenen Land herangezogen werden können. Ein Beispiel bildet die Diskussion über das skandinavische Recht in der Zeit der Weimarer Republik. Allerdings hatten auch hier Reformer des Familienrechts und nicht Rechtsvergleicher die Federführung übernommen (8. Kapitel, S. 217).

Dass Frauen bereits im 19. Jahrhundert begonnen haben, sich zu organisieren, um auf internationalen Kongressen das Recht ihrer Länder zu vergleichen, bleibt auch in jüngeren Darstellungen zur Geschichte

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der Rechtsvergleichung noch so gut wie ausgeblendet (Pintens, 2003, 330–332). Dieser Befund gab den Anstoß zu einem Forschungsvor­haben mit dem Titel „Internationale Reformforderungen zum Familienrecht und Rechtskämpfe des Frauenweltbundes 1830–1914“. Ziel war es, anhand ausgewählter Staaten wie Frankreich, England, USA, Schweden, Dänemark oder Norwegen erste Ansätze zu einer vergleichenden Familien- und Frauenrechtsgeschichte zu formulieren. Reformforderungen des Frauenweltbundes sollten analysiert werden, ohne dass dabei der Blick für nationale Besonderheiten verloren geht. Im Verlauf der Untersuchungen wurde deutlich, wie stark das Familienrecht dieser Länder seinerseits auf Prämissen beruht, die weit in die Vergangenheit zurückreichen. Die Frauenbewegungen haben nämlich nicht nur andere Staaten, sondern auch vergangene Rechtskulturen als Vorbild herangezogen, um Reformforderungen zum Ehe- und Familienrecht zu legitimieren. Über einen Ländervergleich hinaus musste also auch ein Vergleich vergangener Epochen oder Zeitabschnitte durchgeführt werden, was die Aufgabe nicht gerade erleichterte. Wo aber sollte ein solcher „doppelter Vergleich“ anfangen?

1.2 Wo anfangen?

Rechtshistoriker können auf diese Frage oft eine sehr klare Antwort geben: „Mit dem römischen Recht“, würden sie sagen, „weil es rezipiert wurde und in die großen europäischen Zivilrechtskodifikationen eingeflossen ist“. Gegenstand der Rezeption waren allerdings weniger das Familien­recht als die Methode der römischen Juristen und insbesondere das „allgemeine Verkehrsrecht“. Denn Methode und Verkehrsrecht seien in viel „höherem Maße neutral“ als „das an die individuelle Volksanschauung gebundene Familien- und Erbrecht“. Nur dieser Umstand mache „es begreiflich, dass die von den Römern für ganz andere Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse geschaffene Ordnung“ auf andere Zustände „übertragen werden konnte“ (Kaser, 1967, 340, Hervorhebung im Original).

Die Vorstellung einer „Übertragung“ auf die innerjuristische Argumentation lässt erkennen, dass Rechtsvergleichung und Rechtsgeschichte ähnliche Funktionen erfüllen sollen. Ob die Rechtsgeschichte überhaupt einen

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Beitrag zur Dogmatik des geltenden Rechts liefern kann, ist freilich lebhaft umstritten: Kritiker erblicken hier eine unzulässige Katego­rienvermengung und befürchten eine durch Bedürfnisse der Rechtspraxis verzerrte Wahrnehmung der Vergangenheit. Der Streit dreht sich aber im Wesentlichen um das Verkehrsrecht und lässt das Familienrecht weitgehend unberührt. Denn bislang hat, soweit ersichtlich, niemand behauptet, Formen antiken Familienrechts auf die Gegenwart „übertragen“ oder gar zur Rechtsfortbildung mit heranziehen zu wollen. Die verfeindeten Gruppen wären sich wohl darin einig, dass derartige Versuche als anachronistisch oder ungeschichtlich zu verwerfen sind. Wie in der Rechtsvergleichung wäre aber auch in der Rechtsgeschichte zu fragen, ob das Familienrecht tatsächlich einen solchen Sonderfall gegenüber anderen Gebieten des Privatrechts bildet.

Warum ist gegen die Rezeption des römischen Familienrechts „fast immer unbedingter Widerstand“ geleistet worden? (Wieacker, 1967, 194, 229). In welchem Punkt weicht die „individuelle Volksanschauung“ der Römer von jenen Auffassungen ab, die nicht nur im Mittelalter, sondern auch in den großen Kodifikationen der Aufklärung bis hin zum BGB von 1900 dominieren? Darauf gibt es eine einfache Antwort: Geschlechtsvormundschaft, munt, mundium, Ehevogtei oder Ehegewalt sind Begriffe, die bis ins 20. Jahrhundert galten und mehr oder weniger alle das gleiche sagen, nämlich dass die Frau dem „Haupt der Ehe“ Gehorsam schuldet. Zwar räumte das altrömische Recht mit der manus-Ehe dem Mann eine ähnliche Vormachtstellung ein. Die manus-Ehe und verwandte Institute waren im Rom der klassischen Epoche aus dem Rechtsleben jedoch schon fast überall verschwunden. Gegenstand der Rezeption hätte also nur ein Familienrecht werden können, das keine Ehegewalt mehr kannte und der Frau eine weitgehende rechtliche Selbstständigkeit gewährte (Fußnote 4, S. 43). Dieser Umstand, und nicht die Tatsache der Rezeption, ist letztlich der Grund, warum das römische Recht den idealen Ausgangspunkt für einen doppelten Vergleich, also für einen Vergleich nicht nur in geographischer, sondern auch in temporaler Hinsicht bieten kann. Oder anders ausgedrückt: Die Entwicklung innerhalb des römischen Rechts von einem streng patriarchalen zu einem durch egalitäre Elemente geprägten Familienrecht erregt heute ebenso Interesse wie die Argumente, die Juristen zur Rechtfertigung der ungleichen Behandlung

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der Geschlechter gebrauchten. Auch einige Anhängerinnen der bürger­lichen Frauenbewegung haben im römischen Recht ein Vorbild gesehen, jedoch mit einer Einschränkung: Während sie das zu ihrer Zeit geltende Recht verschiedener Länder vergleichen und sich insoweit ein eigenes Bild machen konnten, war ihnen auf Grund des Ausschlusses vom Studium an den Universitäten der unmittelbare Zugang zu den Quellen des römischen Rechts noch versperrt (näher S. 43).

„Was wir als Anfänge glauben nachweisen zu können, sind ohnehin schon ganz späte Stadien“ (J. Burckhardt, 1905, 7). Rom steht am Ende der Antike und die Menschheit hat bereits zuvor Tausende von Jahren erlebt, in denen die unterschiedlichsten Eheformen praktiziert wurden. In der Literatur ist viel darüber diskutiert worden, ob von den altsteinzeitlichen Jäger- und Sammlergesellschaften über das Neolithikum bis zu den Funden der ersten schriftlichen Quellen die Raub- oder Entführungsehe herrschte und ob diese dann durch die Kaufehe abgelöst worden sei. Unter „Kauf­ehe“ pflegen wir eine Art Brautkauf zu verstehen, zu dem gewisse Gaben des Bräutigams an den Gewalthaber der Braut, in der Regel also den Vater, gehören. Dabei erscheint die Frau lediglich als Objekt, das durch den Kauf in die Gewalt des Erwerbers gelangt. Das Abstoßende an der Idee, dass die Frau wie eine Sklavin oder Kuh übereignet wird, hat manche Forscher dazu gebracht, die Existenz einer Kaufehe überhaupt zu leugnen und sich stattdessen mit der Idee eines Mutterrechts anzufreunden, welches das Geschlechterverhältnis früher Zeiten in einem günstigeren Licht erscheinen lässt (Geary, 2006). Insbesondere unter Germanisten war im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Mythos von einem frauenfreundlichen Ursprungsrecht verbreitet. Auch auf die Frauenbewegung vermochten diese Ideen eine gewisse Anziehungskraft auszuüben (L. Braun, 1901, 3, 4). So meint z.B. die Mitbegründerin der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung, Louise Otto-Peters, „das alte römische Recht“ habe die vorteilhaftere „altgermanische Ansicht von den Frauen verdrängt“ (Otto-Peters, 1876, 6). Ähnlich ist in den skandinavischen Ländern die Auffassung verbreitet, dass die Wikinger den Frauen eine vergleichsweise freie Rechtsstellung eingeräumt hätten und hier die Ursache dafür liege, dass in Schweden oder Norwegen ein egalitäres Familienrecht schon frühzeitig verwirklicht werden konnte (Nachweise bei Willekens, 2012).

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Andererseits lehrt gerade die Familienrechtsgeschichte, dass die Vergangenheit nicht nur eine Vorgeschichte der Gegenwart ist, sondern auch ein eigenständiges und zugleich fremdes Gebiet sein kann. Zur Vorstellung, dass die Ehefrau wie eine Sklavin oder ein Stück Vieh gekauft wurde, kann nur gelangen, wer einen modernen Begriff des Eigentums auf frühere Zeiten projiziert. Denn das Merkmal des modernen Eigentums besteht darin, dass es nach der Beschaffenheit von Objekten nicht unterscheidet. Frühen Rechtskulturen ist eine derart abstrakte Vorstellung vom Eigentum unbekannt: Sie kennen nur ein Herrschaftsrecht an Sachen, dessen Inhalt nach diesen differenziert wird. Einem solchen Rechtsdenken bereitet es denn auch keine Probleme, sich ein „Eigentum“ des Mannes an seiner Frau vorzustellen, das vom Kauf einer Sklavin oder eines Stücks Vieh völlig verschieden ist. Die Kaufehe braucht daher nicht in allen Fällen als Indiz für ein „primitives“ Niveau einer bestimmten Kulturepoche genommen werden (Koschaker, 1937, 80, 81).

Die folgende Darstellung zielt nicht darauf, eine Übersicht über die ältesten Eheformen zu geben. Das altrömische Recht soll den Ausgangspunkt bilden, weil es die Möglichkeit eröffnet, einige Merkmale früher Rechtskulturen zumindest exemplarisch zu behandeln. Von Instituten wie patria potestas, manus oder tutela führt eine Linie zum Frühmittelalter über die Epoche der Aufklärung bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts, als nach Inkrafttreten des BGB über das Fortleben einer manus- oder munt-Ehe (in § 1354) wieder lebhaft diskutiert wurde. Die Argumente der klassischen römischen Juristen kommen, soweit sie auf egalitäre Ansätze hinauslaufen, in den mittelalterlichen und neuzeitlichen Diskursen dagegen nur selten vor. Vereinzelt begegnen aber auch sie, und zwar vornehmlich bei Autoren der Aufklärungsepoche, die das Postulat der Gleichheit aller Menschen auf das Geschlechterverhältnis anwenden. Dieser Befund führt zu der grundsätzlichen Frage: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit es im Ehe- und Familienrecht zu einer Änderung überhaupt kommen kann? Lassen sich die Lehren von der Rechtsentstehung und den Rechtsquellen auch auf das Familienrecht ohne Weiteres anwenden? Die These ist, dass Gesetz und Gewohnheit hier oftmals in vertauschten Rollen auftreten.

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1.3 Reformforderungen zum Familienrecht: Rechtsquellentheoretische Aspekte

Was die Lehren von den Rechtsquellen anbelangt, so gibt es zwei Auffassungen, die bis heute spannungsreich geblieben sind. Danach ist zu unterscheiden zwischen Normen, die ‚von oben‘ kommen – die eine über der Gesellschaft stehende Autorität befohlen hat, und Normen, die unabhängig von irgendeinem dominierenden Willen, gleichsam spontan, ‚von unten‘ herauf aus der Gesellschaft wachsen. Seit der Antike pflegen Juristen diese unterschiedlichen Vorstellungen über die Rechtsentstehung mit der Einteilung in geschriebenes (scriptum) und ungeschriebenes (non scriptum) Recht zu veranschaulichen, wobei das ius scriptum dem Willen eines staatlichen Gesetzgebers und das ius non scriptum den Kräften der Gesellschaft Ausdruck verleihen soll. Als Beispiele für ein solches nicht vom Staat, sondern aus dem Kreise der Gesellschaft produziertes Recht wären zu nennen: das Gewohnheitsrecht, das von Verbänden in Satzungen autonom gesetzte Recht und das Juristen- bzw. Richterrecht, also vor allem das durch Interpretation gewonnene Recht.

Die praktischen Vorteile des Gewohnheitsrechts entsprechen nach allgemeiner Meinung den Nachteilen des Gesetzesrechts. Bereits der Redaktor des Allgemeinen Teils des BGB, Albert Gebhard, erkannte, „daß die Kodifikation eines Rechts nie eine vollständige sein könne, daß bei der Vielgestaltigkeit des Lebens fort und fort neue Verhältnisse entstehen“ und „daß die infolge dessen entstehenden Rechtslücken einer Ausfüllung“ durch Gewohnheitsrecht bedürfen. Durch Gewohnheitsrecht gewinnt die Rechtsordnung „an Elastizität und an der Fähigkeit, sich jederzeit alsbald dem Leben anschmiegen“ zu können (Gebhard, 1881, 83–86). Noch heute herrscht die Auffassung, dass größere Flexibilität, Sachnähe der Rechtsetzer und Akzeptanz bei den Betroffenen zu den Vorteilen des ungeschriebenen Rechts gehören (Nachweise bei Meder, 2009, 1–2).

Das ius non scriptum bildet also einen wichtigen Faktor bei der Anpassung des Rechts an veränderte Gegebenheiten. Die Frage ist nur, ob dies auch für das Familienrecht gilt. Einiges spricht dafür, dass die Gewohnheit hier eher eine beharrende Wirkung entfaltet und eine Anpassung an gesellschaftlichen Wandel mehr über Gesetzgebung erfolgt. Reiches

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Anschauungsmaterial für die retardierende Funktion des Gewohnheitsrechts bilden die Diskussionen, die römische Juristen der klassischen Epoche (2.3, S. 46) und Lehrer des Vernunftrechts im 18. Jahrhundert (4.2, S. 104) über die Frage geführt haben, wie die ungleiche Rechtsstellung von Frauen zu begründen sei. Auch in Ländern des Common Law, in England oder in den USA, erfolgte die Beseitigung rechtlicher Nachteile für Frauen meistens durch Gesetzgebung (6.3, S. 171 und 6.4, S. 179). In eine ähnliche Richtung weisen die Erwartungen, welche die deutsche Frauenbewegung gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit einer Reform der Zivilgesetzgebung verbunden hat (7.2.3, S. 196).2

Trotz der hervorgehobenen Bedeutung des Gesetzes lassen sich auch innerhalb der Frauenbewegung unterschiedliche Vorstellungen über die Entstehung des Rechts und seine Quellen feststellen. So hat z.B. ­Emilie Kempin in einer bemerkenswerten Schrift über das „ungeschriebne Recht“ 1897 ausgeführt, dass das Recht „immer dem Leben nachgeht“ – dass es ‚von unten‘ herauf aus der Gesellschaft wächst (7.3.2, S. 200). Von der Kontroverse über geschriebenes und ungeschriebenes Recht zu unterscheiden ist der Streit um die Politik der „kleinen Schritte“, den so verschiedene Gruppierungen wie die Stimmrechts- oder die proleta­rischen Frauenbewegung im 19. Jahrhundert entfacht haben. Der Kampf

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um das Frauenstimmrecht, der in England oder in den USA bisweilen alle anderen Forderungen verdrängt hat (G. Bock, 1978, 7), beruht auf der Vorstellung, dass sich Rechtsänderungen zugunsten von Frauen am besten über den Einfluss auf politische Parteien verwirklichen lassen. Einmal gewählt, würden die Parteien dann für eine frauenfreundliche Gesetzgebung sorgen. Hintergrund ist also der Gedanke, dass Frauen über das Wahlrecht an staatlicher Gesetzgebung beteiligt werden würden (Nachweise bei Schüler, 2012).

Die Stimmrechtsbewegung ist sich dessen bewusst, dass das Wahlrecht auf einer anderen Ebene als Einzelforderungen zum Scheidungs- oder Güterrecht angesiedelt ist. Sie geht davon aus, dass das Allgemeine über dem Besonderen steht, das Wahlrecht also zwangsläufig zu Rechtsänderungen auf der konkreten Ebene führen würde. Diese Annahme ist durch die Wirklichkeit nicht bestätigt worden. Frauen wählten oft konservativ, so dass durch das Wahlrecht als solches für Reformen einzelner Rege­lungsgebiete zunächst nicht viel gewonnen war (Schnitger, 1990, 94–96; Molitor, 1992, 24; Bremme, 1956, 243; Falter, 1986, 83). Als ähnlich wirklichkeitsfremd hat sich die im 19. Jahrhundert durch die proletarische Frauenbewegung propagierte und nach 1917 zunächst in der Sowjetunion und später auch in anderen sozialistischen Staaten behauptete Lösung der „Frauenfrage“ durch einen Sieg im Kampf um die „Klassenfrage“ erwiesen. Der Etatismus tritt hier in Form einer Staatsdoktrin auf, welche dem Recht als Erscheinung des Überbaus jede selbstständige Bedeutung abspricht (zur proletarischen Frauenbewegung Szymanski, 2012).

Eine Alternative zur Politik der „großen Schritte“ bieten jene Teile der Frauenbewegung, die Reformen dort anstreben, wo das Recht das Leben von Frauen unmittelbar, häufig sogar existenziell berührt. Im Gebiet der elterlichen Sorge, der Scheidung oder des Güterrechts bilden oftmals konkrete Sachverhalte den Ausgangspunkt, welche die Folgen einer Ungleichbehandlung von Frauen im Familienrecht drastisch vor Augen führen. Die von Léon Richer (6.2.2, S. 168), Caroline Norton (6.3.4, S. 176) oder Charlotte Pape (7.1, S. 190) präsentierten Fälle haben nicht nur in der Öffentlichkeit große Wirkung erzeugt, sondern auch zu Reformen der Gesetzgebung geführt. Es handelt sich also um Forderungen, die in besonderem Maße dazu bestimmt sind, Kräften der

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Gesellschaft Ausdruck zu verleihen. Diesen Weg, der sozusagen unmittelbar ‚von unten nach oben‘ führt, haben sowohl Anhängerinnen der Stimmrechtsbewegung als auch der proletarischen Frauenbewegung häufig als konservativ, als inhaltlich gemäßigt oder als „Politik der kleinen Schritte“ („politique de la brèche“) kritisiert (6.1, S. 162). Dies ist zu Unrecht geschehen, da sich aus heutiger Sicht gerade jene Lehren als überlegen zeigen, die, wie die soziologische Jurisprudenz oder der legal realism, vom Konkreten – vom „Leben“ – ausgehen, um von dort aus Vorschläge zur Anpassung des Rechts an die Wirklichkeit zu unterbreiten. Vor diesem rechtsquellentheoretischen Hintergrund muss überraschen, dass im Vergleich etwa zur Bewegung des Frauenstimmrechts gerade die Reformforderungen zum Privatrecht ein vernachlässigtes Gebiet der Frauenrechtsgeschichte sind.

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