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IIAuf dem deutschen Sonderweg

1. Ethnische Homogenität und übersteigertes Selbstwertgefühl

Der Primat des Deutschen nahm im 19. Jahrhundert die Form des nationalistischen deutschen Sonderwegs an – wie ihn zunächst Hans-Ulrich Wehler in seiner Studie »Nationalsozialismus« skizziert, und dann Volker Ulrich in »Die nervöse Großmacht 1871-1918« weiter ausführt für die Zeit nach der Reichsgründung.1 Statt sich dem Beispiel der westlichen Demokratien – der USA, Frankreichs, Großbritanniens oder der Schweiz – anzuschließen und im Geist der Aufklärung auf eine offene, freiheitliche, Toleranz praktizierende Gesellschaftsordnung zu drängen, konzentrierte sich das von Napoleon besetzte, gedemütigte Deutschland auf das, was es für das unverwechselbar Eigene hielt und selbstversessen verklärte. Das Deutsche wurde nach 1805 zum Antidot gegen die welsche Besatzungsmacht. Begriffe wie deutsche Nation, deutsches Volk, germanische Rasse wurden verabsolutiert. Auf diesem seit der Romantik von vielen betretenen deutschen Sonderweg galt ethnische Homogenität, das heißt rassische, völkische ›Reinheit‹, nun als unverzichtbar. Sie wurde zur Grundvorstellung »deutscher Leitkultur«. Das faszinierende kosmopolitische Weltbild zum Beispiel Lessings sowie der deutschen Klassiker Goethe und Schiller mit ihrer Abwehr jeglicher Xenophobie vermochte à la longue nichts dagegen auszurichten. Im Kaiserreich Wilhelms II. explodierte das deutsche Selbstwertgefühl. Es setzte sich buchstäblich aufs hohe Roß: Wilhelm II. und Bismarck nahmen symbolisch Platz auf zahllosen Reiterdenkmälern. Nach der Reichsgründung 1871 vollzog sich unter den geistigen Eliten – Professoren, Journalisten, Funktionseliten – ein Meinungswechsel: hin von der bis dahin nicht unüblichen – weil auch vom einflußreichen Lebensphilosophen Nietzsche artikulierten – Gesellschafts- und Staatskritik zu Nationalismus, Deutschtümelei und Hurrapatriotismus. Auch der neue Mittelstand, der sich in der wild wuchernden Industriegesellschaft ständig vom sozialen Abstieg bedroht glaubte, verfiel der – so der Publizist und Historiker Johannes Willms – »Deutschen Krankheit« kleinbürgerlicher Fremdenfeindlichkeit, einer Übersteigerung des Selbstwertgefühls aus mangelndem weltbürgerlichem Bewußtsein. In seinem satirischen Roman »Im Schlaraffenland« datierte Heinrich Mann die »deutsche Krankheit«, die neue wilhelminische Mentalität aus Untertanengesinnung und Obrigkeitshörigkeit auf das Jahr 1890, das Jahr der Entlassung Bismarcks durch Wilhelm II.: »Damals hatten alle einem Bedürfnis der Epoche nachgegeben, sie waren ihren freisinnigen Prinzipalen ein Stückchen Weges nach rechts gefolgt und bekannten sich seither zum Regierungsliberalismus und Hurrapatriotismus.«2 Ein weiterer Beweggrund dieses Meinungswechsels: Durch Industrialisierung und Reichsgründung hatte das zuvor agrarische Deutschland sich entwickelt zur ökonomischen Weltmacht und sogar England und Frankreich überholt, das heißt: Es wollte nun, wovon es glaubte, daß es ihm zustünde: einen »Platz an der Sonne«. Das Mittel dazu: expansive Kolonialund Flottenpolitik – begleitet von einer zunehmend aggressiveren Präsentation des Deutschtums. Die intellektuellen Eliten wußten diesen Nationalismus zu steigern. Der mediokre Kaiser mit seiner Großmannssucht3 wurde idolisiert – etwa von Detlef von Liliencron, der einen Ehrensold von ihm erhielt: »Der Kaiser ist mir ein Abglanz der Heiligkeit, für ihn und mein deutsches Vaterland gebe ich den letzten Atemzug.«4

Nicht zufällig wurde zum Beispiel ein nationalistisches Traktat wie Julius Langbehn‘s »Rembrandt als Erzieher« in Berlin und im Deutschen Reich des Jahres 1890 ein Bestseller: Es lag ganz im geistigen Trend der Zeit, wenn Langbehn Demokratie und Sozialismus als veraltete, typisch westliche und welsche Lebensformen abwertete: »Der französischpolitische Geist ist im Niedersteigen, der deutschpolitische Geist im Aufsteigen.«5 Der antisemitische Kulturkritiker Langbehn prognostizierte: »Der Deutsche beherrscht also, als Aristokrat, bereits Europa; und … es wird vielleicht nicht lange dauern, bis er als Mensch die Welt beherrscht.«6 Indem Langbehn für den völkischen Gedanken warb und Deutschtum über alles stellte, warnte er zugleich vor den Juden: »Dem Streben der heutigen Juden nach geistiger und materieller Herrschaft läßt sich ein einfaches Wort entgegenhalten: Deutschland für die Deutschen.«7 Und er wurde aggressiv: »Die Jugend gegen die Juden.«8 Langbehn wurde zur Chiffre für völkische Erneuerung durch Antisemitismus – wie etliche andere, so auch der Göttinger Orientalistikprofessor Paul de Lagarde, dessen »Deutsche Schriften« nicht nur Hitler und Rosenberg akribisch genau studierten.

Der Deutsche Sonderweg – der später, in den Zwanziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts, in der Weimarer Republik, in die »Konservative Revolution« und deren Personal einmündete – wurde vom rechten intellektuellen Mainstream im wilhelminischen Deutschland fortgeführt, von der »Deutschen Bewegung«, den »Alldeutschen« über die Frontkämpfergeneration des Ersten Weltkrieges9 bis hin zu Thomas Manns »Aufzeichnungen im Kriege« (1915) sowie seinen – in fundamentalen Irrtümern befangenen – »Betrachtungen eines Unpolitischen« (1918). Den »Militarismus« verklärte Thomas Mann darin zu einer »Erscheinungsform deutscher Moralität«. Unterwegs auf dem deutschen Sonderweg, hat Thomas Mann in den »Betrachtungen eines Unpolitischen« sich die Ressentiments des nationalistischen Stammtischs peinlich »geschwätzig« (Harpprecht) zu eigen gemacht. Und wie die de Lagarde, Langbehn, Oswald Spengler et alii geistiges Gift gesprüht gegen den »Unfug« der »Politisierung, Literarisierung, Intellektualisierung, Radikalisierung Deutschlands«.10

Die von Aufklärung, Humanismus, Pazifismus und Vernunft geprägten Ressourcen und Reserven waren im Deutschen Reich zu schwach, um der Militarisierung des Denkens durch rassistische und nationale Superioritätsphantasmen etwas entgegenzusetzen. Krieg, lange schon eine ganz natürliche Option, wurde in der ersten Dekade des Zwanzigsten Jahrhunderts herbeigesehnt als metaphyisches Reinigungsgewitter. Nicht nur Deutschland, alle europäischen Großmächte wollten es nun mithilfe der Waffen wissen. Vernunft und Denken waren erstarrt. Nicht nur im Deutschen Reich, aber doch besonders hier. In Deutschland manifestierte sich der massive Verrat der Intellektuellen zum Beispiel am 4. Oktober 1914 in der Erklärung »An die Kulturwelt« von 93 Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern. Sie glaubten ihr Land gegen den Vorwurf des Angriffskrieges verteidigen zu müssen und deklarierten eine enge Symbiose von deutscher Kultur und Militarismus: »Ohne den deutschen Militarismus wäre die deutsche Kultur schon längst vom Erdboden verschwunden.«11 Viele fühlten sich durch dieses Manifest in ihrer Kriegseuphorie bestätigt. Nur wenige waren es, die sich dem kriegerisch erhitzten Nationalempfinden entzogen und besonnen Einspruch erhoben: In Frankreich Romain Rolland zum Beispiel. Seine Maxime: »über den Parteien« (»au-dessus de la melée«) stehen. Um sich vor Anfeindungen zu schützen, hielt er sich während der Kriegsjahre wie die Deutschen Hermann Hesse und René Schickele in der Schweiz auf. Den vernehmbarsten Einspruch erhob in Deutschland Heinrich Mann. Sein Roman »Der Untertan«, Anfang 1914 veröffentlicht, erregte Widerspruch und Empörung. Heinrich Mann widersetzte sich dem chauvinistischen Zeitgeist und demontierte dessen Doppelmoral. Als das Kaiserreich 1918 an seinen eigenen Widersprüchen zerbrach und besiegt wurde, wurde von Mitte-rechts mit der Dolchstoßlegende eine neue Verschwörungstheorie etabliert: Sozialdemokraten, Linke, Pazifisten und Juden wurden für die Niederlage verantwortlich gemacht. Beseitigung der – undeutschen, linken, jüdischen – Weimarer Republik sowie Revision des Versailler Vertrages lauteten nun die politischen Parolen der Rechten. Die mit ihrer Edelfeder Moeller van den Bruck während der Weimarer Republik intellektuell einflußreichste Gruppe der Jungkonservativen sowie Nationalrevolutionäre, bündische Jugend und Landvolk heizten ein chauvinistisches Klima an, das der »Bewegung« der Nationalsozialisten zuarbeitete. Der teutonische Rassismus samt seiner ideologischen Bausteine gipfelte im »Dritten Reich« schließlich im »Wieder Krieg« – des Zweiten Weltkrieges. Wieder Krieg. Was sonst? Wieder war das Resultat eine Weltkatastrophe, diesmal die schlimmste und folgenreichste: Sie mündete im historisch einmaligen – generalstabsmäßig organisierten, fabrikmäßig ausgeführten – Genozid an Juden und anderen Minderheiten. Der Versuch – zum Beispiel von Karlheinz Weismann in seiner Fortschreibung von Armin Mohlers »Die konservative Revolution« (6. Auflage 2005) – heute die Konservative Revolution vom Nationalsozialismus abzugrenzen, wird in der offenkundigen Absicht unternommen, erzkonservative Denkmuster vom Stigma des Nationalsozialismus zu befreien und neu zu aktualisieren. Beide indes, Konservative Revolution und Nationalsozialismus, lassen sich aber nicht voneinander trennen. Ganz zu Recht weist Felix J. Krömer in der »FAZ«12 daraufhin, daß der Nationalsozialismus die »Billigversion« der Konservativen Revolution darstellt, seine, wie Ernst Jünger es formuliert hat, »Münchner Schule«.

Die Abkehr vom konservativen deutschen Sonderweg – dem des völkisch-deutschnationalen, nationalsozialistischen Rassismus, Nationalismus, Chauvinismus und Antisemitismus – erzwangen nach der bedingungslosen Kapitulation des »Dritten Reiches« am 8. Mai 1945 die Westalliierten. In Westdeutschland bedeutete das Wiederbelebung der mindestens zweimal – 1848 und am 30. Januar 1933 nach 14 Jahren Weimarer Demokratie – mißglückten Demokratie. Dabei war die Etablierung demokratischer Normalität in der Bundesrepublik immer auch – und ist es bis heute – eine Antwort auf die Frage: Wie wird in der Erinnerung mit der Vergangenheit – »erinnerungspolitisch« – umgegangen, wie also mit dem Holocaust? Und welche Rolle spielen dabei Begriffe wie Nation, ethnische Homogenität, deutsche Leitkultur? Werden sie überhöht oder den demokratisch-republikanischen Verfassungswerten untergeordnet? Hinter diesen Fragen verbirgt sich auch die Besorgnis, daß die »deutsche Krankheit« (Willms) der Selbstüberschätzung und Xenophobie noch immer nicht völlig aus der Welt ist. Wie schon angedeutet: Mit Wende und Vereinigung 1989/90 erhielt sie einen neuen Impuls. Als gesteigerte Fremdenfeindlichkeit machte sie sich vor allem im Ostteil wieder bemerkbar, belebte sich danach erneut auch in der alten Bundesrepublik. Soziologen wie Wilhelm Heitmeyer eruieren seit 2002 die traurige Virulenz des altbekannten fatalen Verhaltensmusters: Angst vor sozialem Abstieg in Zeiten von Globalisierung und Rationalisierung verstärkt die Ablehnung »fremder Kulturen« – das gilt nicht nur für die Unter-, sondern zunehmend auch für die Mittelschicht. Diese Abwehr des Fremden oder Anderen wird begleitet von geistiger Militarisierung und gesteigerter Gewaltbereitschaft. Und zu dieser geistigen Nahrung trug und trägt bei der Schriftsteller Ernst Jünger, der in den achtziger und neunziger Jahren erneut zu einer Ikone der Rechten in der Bundesrepublik wurde. Der notorische Antidemokrat feierte ein »Comeback« als Vordenker der konservativen Wende, eine Tatsache, die sein Biograph Helmuth Kiesel herunterzuspielen versuchte.13

2. »Der Krieg ist der Vater aller Dinge« oder »Pfiff und Schliff« als »permanente Tatsache« – Ernst Jünger I

Krieg als Selbstverständlichkeit, als Lebenselixier – wir betreten eine Vorstellungswelt, die uns nach dem Zweiten Weltkrieg fremd zu werden begann und die bis dahin in Deutschland ebenso fester Bestandteil der Realität gewesen war wie sie es in der militarisierten Gedankenwelt der George W. Bush von heute noch immer ist. Im November 1913 entfloh zum Beispiel der siebzehnjährige Apothekerssohn Ernst Jünger dem quälenden Hannoveraner Schulalltag. Er träumte von gefahrvollen Abenteuern in Afrika und ließ sich von der Fremdenlegion in Verdun anwerben. Als er mit dem Schiff in Afrika eingetroffen war, veranlaßte der entsetzte Vater mit Geld und guten Worten seine schnelle Rückkehr. Jünger durfte in Hannover das Notabitur machen. Danach drängte es ihn sofort wieder zum wahren Leben – zum Militär: Freiwillig meldete er sich beim Hannoveraner Füsilier-Regiment Nr. 73 »Prinz Albrecht von Preußen«. Dessen Angehörige trugen zur Erinnerung an die Verteidigung der Festung Gibraltar gegen die Franzosen in den Jahren 1779 bis 1783 eine Armbinde mit der in Gold gehaltenen Aufschrift »Gibraltar«. In diesem Traditionsregiment, dem er den ganzen Ersten Weltkrieg über angehörte, machte Jünger Karriere: vom einfachen Rekruten bis zum bewunderten Stoßtruppführer. Verwundungen und Beförderungen, Lazarettaufenthalte und Auszeichnungen wechselten einander ab. In Marquion bei Cambrai erhielt Kompanieführer Jünger am 25. August 1918 seine letzte Verwundung: einen Lungendurchschuß. Im Lazarett, so berichtet der Träger des Eisernen Kreuzes Erster Klasse im Kriegstagebuch »In Stahlgewittern«, zählte er schließlich alle seine Verletzungen der vier Frontjahre zusammen: »Von Kleinigkeiten wie von Prellschüssen und Rissen abgesehen«, hatte ich »im ganzen mindestens vierzehn Treffer aufgefangen, nämlich fünf Gewehrgeschosse, zwei Granatsplitter, eine Schrapnellkugel, vier Handgranaten- und zwei Gewehrgeschoßsplitter, die mit Ein- und Ausschüssen gerade zwanzig Narben zurückließen. In diesem Kriege, in dem bereits mehr Räume als einzelne Menschen unter Feuer genommen wurden, hatte ich es immerhin erreicht, daß elf von diesen Geschossen auf mich persönlich gezielt waren. Ich heftete daher das goldene Verwundetenabzeichen, das mir in diesen Tagen verliehen wurde, mit Recht an meine Brust … An einem dieser Tage, es war der 22. September 1918, erhielt ich vom General von Busse folgendes Telegramm: ›Seine Majestät der Kaiser hat Ihnen den Orden Pour le mérite verliehen. Ich beglückwünsche Sie im Namen der ganzen Division.‹«1

Dem »rücksichtslos tapferen Führer« – so die Begründung des Divisionskommandeurs – war der höchste Kriegsorden verliehen worden. Mit der Nachricht der Verleihung und dem Abdruck des Telegramms beendete Jünger seine erste, 1920 erschienene Buchpublikation »In Stahlgewittern«. Beginnen ließ er sie im Januar 1915 mit der Ankunft des Militärzuges in Bazancourt, einem Städtchen in der Champagne in der Nähe der Front, und dem Bekenntnis: »Wir hatten Hörsäle, Schulbänke und Werktische verlassen und waren in den kurzen Ausbildungswochen zu einem großen, begeisterten Körper zusammengeschmolzen. Aufgewachsen in einem Zeitalter der Sicherheit, fühlten wir alle die Sehnsucht nach dem Ungewöhnlichen, nach der großen Gefahr. Da hatte uns der Krieg gepackt wie ein Rausch. In einem Regen von Blumen waren wir hinausgezogen, in einer trunkenen Stimmung von Rosen und Blut. Der Krieg mußte es uns ja bringen, das Große, Starke, Feierliche. Er schien uns männliche Tat, ein fröhliches Schützengefecht auf blumigen, blutbetauten Wiesen. ›Kein schönrer Tod ist auf der Welt …‹«2 Eben diesen aus Abenteuerlust betriebenen Opfertod fürs ›Vaterland‹ rühmte Jünger in den »Stahlgewittern«, seinem bekanntesten Kriegsbuch, das bis zum November 1932 eine Auflage von 51. Tausend Exemplaren erreichte. Danach wurde es in der NS-Zeit zum Kultbuch. Episoden aus den »Stahlgewittern« verwertete und steigerte Jünger in den frühen Zwanziger Jahren noch einmal lustvoll patriotisch in »Der Kampf als inneres Erlebnis«, »Das Wäldchen 125« und »Feuer und Blut«. Dabei tat er alles, um dem aus einer Sicht impertinenten Antimilitarismus der Weimarer Nachkriegsjahre die Stirn zu bieten; denn durch den Pazifismus sah er sich um seinen Lebensinhalt betrogen: »Eine Weltanschauung, die im Sterben der Millionen eine Sinnlosigkeit sieht, muß als eine gottlose, geistlose und herzlose Anschauung von Grund aus unfruchtbar sein. Und dies ist letzten Endes die Weltanschauung des Liberalismus aller Schattierungen, von der blutleeren demokratischen Intelligenz bis zu ihrem späten geistigen Erben, dem Kommunismus herab.«3 Da Leben im sozialdarwinistischen Verständnis ständiger Kampf ums Überleben bedeutet, ist Pazifismus für seine Verächter allemal und in jeder Form – so Umberto Eco in seinem bedenkenswerten Essay »Urfaschismus«, einem »kleinen antifaschistischen Führer« für postmodern »Verwirrte« – »Kollaboration mit dem Feind«.4

Den Ersten Weltkrieg hatte Jünger an der Westfront überlebt in den Schützengräben der Getreidefelder der Champagne, in der Materialschlacht an der Somme, als mit Handgranaten vollgepackter Stoßtruppführer, und in Flandern in der letzten deutschen Westoffensive vom März 1918. Dabei demonstrierte er entschlossen den Mut eines Haudegens und die Todesverachtung eines Landsknechtes. In den »Stahlgewittern« beschreibt er, wie er nach seiner letzten Verwundung aus einer Ohnmacht erwachte: »Ein älterer Mann aus einer anderen Kompanie beugte sich mit gutmütigem Gesicht über mich, löste das Koppel und öffnete meinen Rock. Er nahm zwei blutige Kreisflecke wahr – einen in der Mitte der rechten Brust und am Rücken den anderen. Ein Gefühl der Lähmung fesselte mich an die Erde, und die glühende Luft des engen Grabens badete mich in qualvollen Schweiß.«5 Als in der Nähe des verwundeten Leutnants Jünger die Angreifer an Boden gewannen, ertönte auf einmal der Schreckensschrei: »Links sind sie durch! Wir sind umgangen!«. »In diesem schrecklichen Augenblick fühlte ich, daß die Lebenskraft wie ein Funke wieder aufzuglühen begann. Es gelang mir, in Armhöhe zwei Finger in ein Loch zu krallen, das eine Maus oder ein Maulwurf in die Grabenwand gebohrt haben mochte. Langsam zog ich mich hoch, während das in der Lunge aufgestaute Blut aus den Wunden rieselte. In demselben Maß, in dem es Abfluß gewann, spürte ich Erleichterung. Mit bloßem Kopf und offenem Rock, die Pistole in der Hand, starrte ich ins Gefecht.«6 Obwohl schwer verwundet, schaltete sich Jünger wieder ins Gefecht ein, und während sich um ihn herum Soldaten und Offiziere der gegnerischen Übermacht ergaben, verließ er den Schützengraben: »Es blieb nur noch die Wahl zwischen Gefangenschaft und einer Kugel. Ich kroch aus dem Graben und taumelte auf Favreuil zu. Es war wie in einem bösen Traum, in dem man die Füße am Boden haften fühlt. Der einzige günstige Umstand war vielleicht das Durcheinander, in dem man bereits zum Teil Zigaretten austauschte, zum Teil sich noch niedermetzelte. Zwei Engländer, die einen Trupp Gefangener 99er auf ihre Linien zuführten, stellten sich mir entgegen. Ich hielt dem nächsten die Pistole vor den Leib und drückte ab. Der andere brannte sein Gewehr auf mich ab, ohne zu treffen. Die hastigen Bewegungen trieben das Blut in hellen Schlägen aus der Lunge. Ich konnte freier atmen und begann, an dem Grabenstück entlangzulaufen … Der große Blutverlust gab mir die Freiheit und Leichtigkeit eines Rausches, mich beunruhigte nur der Gedanke, zu früh zusammenzubrechen.«7 Als Jünger dann doch zusammenbrach, wurden dabei einige der Sanitätssoldaten, die ihn bargen und ihm so das Leben retteten, selbst getötet. Solchen und anderen »Gefallenen« des Ersten Weltkrieges widmete Jünger sein Kriegstagebuch »In Stahlgewittern«, eine Widmung, die er in dem Ende 1919 geschriebenen Vorwort zur ersten Auflage mit den Worten begründete: »Ob ihr gefallen seid auf freiem Felde, das arme, von Blut und Schmutz entstellte Gesicht dem Feinde zu, überrascht in dunklen Höhlen oder versunken im Schlamm endloser Ebenen, einsame, kreuzlose Schläfer; das ist mir Evangelium: Ihr seid nicht umsonst gefallen … Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Kameraden, euer Wert ist unvergänglich. Euer Denkmal tief in den Herzen eurer Brüder, die mit Euch standen, vom flammenden Ringe umschlossen … Möge dieses Buch dazu beitragen, eine Ahnung zu geben von dem, was ihr geleistet. Wir haben viel, ja vielleicht alles verloren. Eins bleibt uns: die ehrenvolle Erinnerung an euch, an die herrlichste Armee und den gewaltigsten Kampf, der je gefochten wurde. Sie hochzuhalten … ist stolzeste Pflicht eines jeden, der nicht nur mit Gewehr und Handgranate, sondern auch mit lebendigem Herzen für Deutschlands Größe kämpfte.«8

Stilistisch idealisiert und ideologisch verharmlost wurde Jüngers Kriegsprosa von Karl Heinz Bohrer in seiner Habilitationsschrift »Die Ästhetik des Schrekkens« (1978). In Jüngers Beschreibung des Krieges und des vielfachen Todes sieht Bohrer keine Ausformung einer Idee – etwa der, daß der Krieg der Vater aller Dinge sei –, sondern ein authentisches ästhetisches »Wahrnehmungsereignis«. Der Plötzlichkeit des Todes, dem Schock des Schreckens habe Jünger in seinem Frühwerk für die Moderne exemplarisch Ausdruck verschafft. Jüngers »Verhältnis zur politischen Theorie und der ihr entstammenden Terminologie« bleibe dagegen »trotz tagespublizistischer Tätigkeit und zeitweiligem politischem Engagement … willkürlich«. »Die politische Terminologie ist selbst determiniert« – so mißversteht Bohrer Jüngers stets geschliffene, jedoch keineswegs willkürliche politische Terminologie – »durch ästhetische Wahrnehmungs-Kategorien.«9 Jüngers Terminologie ist mitnichten willkürlich. Daß Jünger Krieg und den Tod im Krieg auf der Grundlage ultrarechter politischer Theorie glorifiziert und metaphysisch überhöht zur absoluten Sinnresource, übersieht Bohrer. Nicht ignoriert das der Mannheimer Historiker Rolf Peter Sieferle. Er weist immerhin auf Jüngers heldische Ideologie hin, wenngleich im unkritischen Modus bloßer, unreflektierter Einfühlung: »Das Opfer der Gefallenen gewinnt ›Sinn‹ als Dienst am Ganzen. Sie sind ›für Deutschland gestorben‹, das heißt, ihr Tod ist in Hinblick auf etwas Überindividuelles gerechtfertigt. Die gefallenen Kameraden haben ihr Leben gegeben, damit ihr Volk etwas gewinnen möge. Es existiert also eine Hierarchie der Werte, die den Tod des einzelnen als Mittel zu einem höheren Zweck rechtfertigt. Gerade der individuelle Opfertod bestätigt die Existenz eines überindividuellen Allgemeinen.«10 Eben distanzlos unkritisch, weil als autonomer Wert wird referiert: Daß da gestorben wird für einen »höheren Zweck«, für etwas »Überindividuelles«, eine »Hierarchie der Werte«. Was es mit diesen ›Werten‹ – Nation, Staat, Gemeinschaft – nun auf sich hat, das läßt Sieferle außer acht. Weil er diesen ›Werten‹ oder der mit ihnen verbundenen Intention insgeheim beipflichtet?11

Nicht Diagnose und Reflexion des Krieges, sondern dessen Ideologisierung zum »Vater aller Dinge« sowie unbedingter Kampf für »Deutschlands Größe«, ausgeführt von opferbereiten, dem Ideal »Nation« bedingungslos ergebenen Frontkämpfern – diese Kerngedanken des »Stahlgewitter«-Vorworts kennzeichnen sowohl Jüngers Kriegstagebücher als auch seine »Politische Publizistik« der Jahre 1919 bis 1933. Was in Jüngers früher Prosa als Lebenselixier eines jungen abenteuerlustigen Draufgängers beschrieben wird, wird in der »Politischen Publizistik« immer wieder auf den Begriff gebracht: Der Krieg – er ist Vater aller Dinge und Zielpunkt. Leutnant Jünger, im Frühjahr 1919 in Hannover der Reichswehr beigetreten, zählte zu den intellektuellen Kadern des deutschen Militärs. Das erkannte sogleich seine Talente und machte sie sich zunutze: In der Heeresvorschriftenkommission in der Bendlerstraße in Berlin wurde Jünger nicht nur mit der Ausarbeitung von Ausbildungsregeln befaßt, sondern ebenso mit Fragen der militärischen Strategie, Taktik und Bewaffnung. Im »Militär-Wochenblatt«, der in Berlin erscheinenden »Zeitschrift für die deutsche Wehrmacht«, stellte er im Oktober 1921 dar, wie die Entwicklung neuer Techniken im Ersten Weltkrieg dem Krieg ein neues Gesicht gegeben hatte: »Die Technik ist es, die ihn von früheren Kriegen grundlegend unterscheidet. Wohl hatte man – am eisernen Ladestock, Zündnadelgewehr und gepanzertem Schiff – ihren entscheidenden Einfluß kennengelernt. Doch eine solche Fülle der Erscheinungen, so vielfache Verzweigung, so massenhaften Einsatz und raschen Wechsel hatte niemand erträumt. Immer überragender wurde die Maschine. Immer mehr macht sich das Bestreben geltend, auf kleinem Raum stärkste Kraft zu versammeln. Durch das Maschinengewehr verfügt ein Mann über die Feuerkraft eines früheren Zuges. Ein Tank oder Panzerkraftwagen, gespickt mit Maschinengewehr und Kanonen, wertet eine Kompanie … Wo die Maschine auftaucht, erscheint der Wettlauf des Menschen mit ihr aussichtslos. Wie will sich der Handwerker auf die Dauer gegen die Maschine wehren? Er muß sich zu ihr bekehren oder untergehen. Was könnte ein Stoßtrupp auch mit erlesenster Mannschaft mit veralteter Bewaffnung ausrichten? Ein einziges Maschinengewehr, ein sekundenlanges Gleiten des Ladegurtes – und die Technik hätte entschieden. So ist es im Kleinen wie im Großen.«12

Die Sprengstoff und Metall »verspritzenden« Maschinen erzielen zwar immer größere Wirkung, machen aber nicht den einzelnen Soldaten überflüssig, im Gegenteil, wie Jünger in seiner »Skizze moderner Gefechtsführung« im »Militär-Wochenblatt« vom 13. November 1920 ausführte: »Nur ein Gegenmittel gibt es: die Kampfkraft der untersten Einheiten erheblich zu steigern, damit wenig Menschen dasselbe leisten, wie früher Massen auf gleichem Raum.«13 Um die Kampfkraft zu erhöhen, müsse, so Jünger, kleineren »Einheiten« wie Kompanie, Zug, Stoßtrupp und auch dem Einzelkämpfer »größere Selbständigkeit« eingeräumt werden. Im »Zukunftskämpfer« sieht Jünger einen Mann von seiner Statur: von »kaltblütiger Verwegenheit«, der sein Vorgehen »schlängelnd«, guerillaartig selbst bestimmt: »Das Schlachtfeld von heute fordert Männer, die friderizianischen Angriffsschneid, altpreußischen Geist verbinden mit selbständiger, sportsmäßiger Ausnutzung des Geländes und wissenschaftlicher Schulung im Gebrauch der technischen Mittel. Eine neue Zeit des Soldatentums ist angebrochen, ihr Held ist der intelligente, disziplinierte, in Kampf und Sport gestählte, rücksichtslose Sturmsoldat. Er ficht im geschlossenen Rahmen seines Stoßtrupps, einer Eliteschar … Meister des Sprengstoffs.«14

Wir kennen diesen Typ von Soldaten aus der amerikanischen Serie »Rambo«. Heute wird er präsentiert als »Übermensch in Uniform«15 mit GPS im Helm, Display im Visier und Klimaanlage im Unterhemd. Und doch wohl sie, eben solche Rambos, mit allen technischen Vernichtungsmöglichkeiten ausgestattete Kampfmaschinen, empfahl schon Jünger der Berufsarmee der Reichswehr. Zumal ihr 1919 laut Versailler Friedensvertrag schwere Artillerie, Flugzeuge und Tanks verboten waren. Dazu beizutragen, den als ›Diktat‹ empfundenen Vertrag von Versailles mit kriegerischen Mitteln außer Kraft zu setzen, dazu war Jünger von Anfang an entschlossen. Im »Spiegel«-Gespräch von 1982 stellte der 87-jährige noch einmal fest: »Als ich aus dem Krieg zurückkam und mir der Versailler Vertrag serviert wurde, da dachte ich, das ist eine kannibalische Sache, die unter allen Umständen geändert werden muß.«16 Den Friedensvertrag von Versailles, der in Artikel 231 die Verantwortung Deutschlands für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges feststellte, sehen liberale Historiker heute überwiegend als (best)möglichen Kompromiß. Er ließ, trotz erheblicher Gebietsabtretungen, das Deutsche Reich als Nationalstaat weiterbestehen. Vor allem: Er verhinderte nicht, daß der Weimarer Republik in wenigen Jahren der Wiederaufstieg zur wirtschaftlich stärksten Macht Europas gelang. Der Historiker Eberhard Kolb hat in seiner Studie »Der Friede von Versailles« darauf aufmerksam gemacht, daß die Weimarer Republik den Versailler Vertrag in wesentlichen Punkten, vor allem was die Reparationen anging, zu ihren Gunsten revidieren konnte. Die Rechte allerdings hat das Weimarer »Revisionssyndrom« »auf das schamloseste«17 gepflegt und mißbraucht. An vorderster Front agitierte dabei Ernst Jünger.

Ende August 1923 aus der Reichswehr ausgeschieden und damit publizistisch frei von Rücksichtnahme auf seinen Arbeitgeber, blies Jünger am 23. September 1923 im »Völkischen Beobachter«, dem in München erscheinenden »Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands«, zum Angriff auf die Weimarer Republik. Ablehnender und aggressiver läßt es sich kaum sagen: »Die sogenannte Revolution von 1918 war kein Schauspiel der Wiedergeburt, sondern das eines Schwarmes von Schmeißfliegen, der sich auf einen Leichnam stürzte, um von ihm zu zehren. Welche Idee ist denn verwirklicht durch diese Revolution? Die der Freiheit? Der Demokratie? Des parlamentarischen Systems? Diese Frage dürfte wirklich jeden in Verlegenheit setzen. Nicht einmal im rein Formalen war etwas Neues zu sehen, zum Teil wurden russische Einrichtungen kopiert, verbrauchte Phrasen von 1789 und 1848 hervorgezerrt, längst verfaulte Schlagwörter des Marxismus aufgewärmt. Überall da aber, wo es galt, selbständig Neues zu schaffen, versagten die Führer, sie sahen sich vorm Nichts und klammerten sich im Gefühl der Ideenlosigkeit gerade an die Zustände, die sie zu bekämpfen vorgaben. So wuchs der Kapitalismus durch ihre Hilfe mächtiger denn je, die politische Unterdrückung wurde grenzenlos, die Freiheit der Presse und des Wortes ein Kinderspott.«18 Für Jünger – und er ist Sprachrohr der Mehrheit – war die Weimarer Republik ein Fremdkörper. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – ihre ideelle Geschäftsrundlage – sind für ihn »die verbrauchten Phrasen von 1789 und 1848«. Etabliert haben sich nur Profitkapitalismus und Wirtschaftsliberalismus, ausgelebt werden als gesellschaftliche Grundwerte nur materielles Gewinnstreben und Konsumismus. Jünger vermißt die spirituelle Anleitung durch die alle und alles einende Idee der nationalen Gemeinschaft: »Hinter den Tarnfassaden von Regierungen und Kabinetten herrscht die Freibeuterei in ihrer nacktesten Form. Es gibt nur noch Plünderer und Ausgeplünderte. Die Berufe, die die ideellen Güter des Volkes zu wahren und zu mehren hatten, sterben aus. Die Vertreter des Materialismus in seiner ganzen Gemeinheit, Schieber, Börsianer und Wucherer, sind die wirklich Regierenden. Alles Reden und Handeln dreht sich um Ware, Geld und Profit.«19 Musterbeispiel dafür ist die konservative Kulturkritik an den USA. Auch Benn attackiert in gleicher Weise den Kapitalismus, skrupelloses Profitstreben, einen nur auf materielle Güter ausgerichteten Konsumismus, bedenkenlose Werbung und das Schneller, Höher, Weiter um jeden Preis. Die USA, von der Benn 1914 in New York als Schiffsarzt der Hapag einige Eindrücke gewonnen hatte, galten ihm als Prototyp einer falschen Entwicklung: einer hedonistischen, alles nivellierenden Massengesellschaft. Auf eine Umfrage, in der nach dem Einfluß des »Amerikanischen Geistes« gefragt wurde, antwortete er im Mai 1928: »Ich persönlich bin gegen Amerikanismus. Ich bin der Meinung, daß die Philosophie des rein utilitaristischen Denkens, des Optimismus à tout prix, des ›keep smiling‹, des dauernden Grinsens auf den Zähnen, dem abendländischen Menschen und seiner Geschichte nicht gemäß ist. Ich hoffe, daß der Europäer, wenigstens in den reinen Typen seiner Künstler, immer das bloß Nützliche, den Massenartikel, den Kollektivplan verschmähen und nur aus seinem inneren Selbst leben wird.«20 Nicht zu trennen vom »inneren Selbst« des Künstlers sei aber die Nation. Übereinstimmend mit dem linken Flügel der NSDAP fordert Jünger die völlige Unterordnung von Wirtschaft und Kapitalismus unter Geist und Idee der Nation. Die ausschließliche Konzentration auf den schnellen Erwerb von Reichtum – so seine Kapitalismuskritik von rechts – zerstöre das Gemeinwohlinteresse: »Alle Äußerungen des Staates, seiner Verordnungen, seine Erklärungen, seine Maßnahmen, sein Geld, seine Aufrufe, dünsten den Geruch des Verwesens aus. Wie könnte es auch anders sein, da die Revolution keine Geburt, kein Aufstrahlen neuer Ideen, sondern eine Verwesung war, die von einem sterbenden Körper Besitz ergriffen hat. Zu lange währt dieses ärgerliche Schauspiel schon.«21 Nach dieser mißglückten Revolution, so Jünger, stehe nun endlich die wahre bevor: »Die echte Revolution hat noch gar nicht stattgefunden, sie marschiert unaufhaltsam heran. Sie ist keine Reaktion, sondern eine wirkliche Revolution mit all ihren Kennzeichen und Äußerungen, ihre Idee ist die völkische, zu bisher nicht gekannter Schärfe geschliffen, ihr Banner das Hakenkreuz, ihre Ausdrucksform die Konzentration des Willens in einem einzigen Punkt – die Diktatur! Sie wird ersetzen das Wort durch die Tat, die Tinte durch das Blut, die Phrase durch das Opfer, die Feder durch das Schwert.«22 Bedarf es deutlicherer Worte: Zerstörung der parlamentarischen Demokratie durch das Schwert und Errichtung der Diktatur der national und völkisch Gesinnten unter dem Banner des Hakenkreuzes? Jünger formulierte im »Völkischen Beobachter« im September 1923 mit diesen Kernforderungen auch das Programm Hitlers und der NS-Bewegung. Und wie diese gebrauchte er stereotyp seine üppige Metaphorik des Blutes. Unentwegt trug er das Klischee der völkischen Feier des blutreichen Opfertodes vor: »… nicht das Geld wird in der Revolution die bewegende Kraft darstellen, sondern das Blut, das in geheimnisvollen Strömen die Nation verbindet und das lieber fließt als sich knechten läßt. Das Blut soll unsere neuen Werte gebären, es soll die Freiheit des Ganzen unter Opferung des einzelnen erstehen lassen, es soll seine Wellen werfen bis an die Grenzen, die uns zukommen, es soll die Stoffe ausscheiden, die uns schädlich sind. Das sind die Ziele, für die auf unseren Barrikaden gefochten wird!«23 Spricht Jünger von schädlichen Stoffen, die aus dem nationalen Blutkreislauf auszuscheiden sind, fällt zumeist das Wort »Krämer«. Er und der in Jüngers Sprachgebrauch synonyme »Bürger«, zuweilen sind es auch »Advokaten und kleinbürgerliche Gewerkschaftssekretäre«, gelten ihm als Prototypen des Verfalls des kapitalistischen Systems und der Demokratie: »Der Bürger … ist vielleicht am besten gekennzeichnet als der Mensch, der die Sicherheit als einen höchsten Wert erkennt und demgemäß seine Lebensführung bestimmt. Seine Ordnungen und Systeme sind darauf angelegt, den Raum gegen die Gefahr abzudichten.«24

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