Kitabı oku: «Vier Jahre für Lincoln», sayfa 3

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Kapitel III

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Aufbruch an die Front – Die Schlacht von Shiloh (März und April 1862).

Am 25. März verließen wir die Benton-Kaserne und machten uns auf den Weg an die Front. An jenem Tag marschierten wir durch St. Louis und gingen an Bord eines Dampfers, aber aus irgendeinem mir unbekannten Grunde legte das Schiff erst spät am Abend des folgenden Tages ab. Meine Kompanie war auf dem Oberdeck untergebracht. Der Dampfer war noch nicht lange auf dem Fluss unterwegs, als sich ein Vorfall ereignete, der heute einigermaßen belustigend erscheinen mag, damals jedoch ein durchaus ernstzunehmendes Unglück für mich darstellte und zudem mein Gewissen beträchtlich belastete. Ich hatte meinen Tornister, an dem ich meine Decke festgeschnallt hatte, zusammen mit meiner sonstigen Ausrüstung bei einigen pyramidenförmig zusammengestellten Musketen (darunter auch die meine) abgelegt. Plötzlich bemerkte ich zu meinem Entsetzen, dass meine Decke verschwunden war! In der Tat, meine verehrte Leserschaft, hatte sich irgendein Tunichtgut vorsätzlich und arglistig diesen für eine erholsame Nachtruhe unverzichtbaren Gegenstand angeeignet. Eine lange, raue Märznacht stand bevor und aus dem kalten Fluss stieg nebelgleich eine feuchte und frostige Luft empor. Alle Anzeichen deuteten zudem auf nächtlichen Regen hin. Donner grollte dumpf vom Südwesten her, gelegentliche Blitze erhellten den Himmel und vereinzelte Regentropfen prasselten bereits auf das Oberdeck und kräuselten die Wasseroberfläche des Flusses. Was sollte ich nur tun? Ich musste eine Decke haben, das stand fest. Mein ganzes Leben lang hatte man mich gelehrt, dass Diebstahl so ziemlich das schändlichste aller Verbrechen und Diebe erbärmliche und verachtenswerte Schurken seien. Zudem sagt eines der Zehn Gebote unmissverständlich: "Du sollst nicht stehlen." Und doch musste ich es tun und zwar unverzüglich. Ich überdachte die Angelegenheit und gelangte zu der Erkenntnis, dass ich ja ein Soldat und somit vorübergehend ein Werkzeug von Onkel Sam war. Folglich war ich Regierungseigentum und es war meine Pflicht, dieses Eigentum unbedingt zu schützen. Somit war die Sache entschieden und ich verscheuchte mein schlechtes Gewissen (und meine Integrität). Ich möchte an dieser Stelle nicht in die schändlichen Details gehen und so soll es genügen, wenn ich gestehe, dass ich irgendeinem armen Kerl aus einer anderen Kompanie die Decke stahl und somit die Gesundheit und militärische Verwendbarkeit eines willigen Dieners der Nation bewahrte. Wie der andere Bursche durch die Nacht kam, vermag ich nicht zu sagen. Ich stellte diesbezüglich keine Nachforschungen an und war in der Folgezeit sorgsam darauf bedacht, diese Decke am Tage im Inneren meines Tornisters vor eventuellen neugierigen Blicken zu verbergen. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass dies der einzige Akt von unverhohlenem Diebstahl war, den ich während meiner gesamten Dienstzeit beging (mit Ausnahme einiger Zwiebeln, von denen möglicherweise an späterer Stelle noch die Rede sein wird). Selbstverständlich versorgte ich mich auf dem Marsch oder Postendienst unzählige Male mit Maiskolben, Süßkartoffeln, Äpfeln und dergleichen, aber es waren dies legitime Fälle von Requirierung, die von der militärischen Führung ausdrücklich gestattet waren.

In jener Nacht, als wir St. Louis verließen, erhielt ich meine erste anschauliche Lektion über die unterschiedlichen Lebensbedingungen der Offiziere und der einfachen Soldaten. Ich hatte meine Decke entlang der Wand des sogenannten "Texas" ausgebreitet, einer kleinen Konstruktion, die an die Kabine des Steuermanns anschließt. Am Boden des "Texas" war eine Reihe kleiner Fenster eingelassen, durch die man in das Kabineninnere hinabsehen konnte. Ich musste nur meinen Kopf zur Seite drehen, um zu beobachten, was sich dort drinnen ereignete. Die Offiziere saßen in gepolsterten Sesseln oder schlenderten auf Teppichen in dem hell erleuchteten Raum umher, während ihr Abendessen zubereitet wurde. Farbige Diener in weißen Uniformen trugen das Essen herein und als die Tafel gedeckt war, ertönte ein Gong und die Offiziere begaben sich zu Tische. Was dort alles auf sie wartete! Gebratener Schinken und Beefsteak, frischgebackene Brötchen, Butter, Melasse, dampfend heiße große Pellkartoffeln, duftender Kaffee mit Sahne in feinen Tassen und Untertassen sowie weitere kleine Leckereien in Form von eingemachtem Obst und dergleichen. Wie köstlich diese Dinge dufteten! An meiner Position konnte mir der Geruch nicht entgehen. Dort saßen die Offiziere in der warmen, lichtdurchfluteten Kabine zu Tische, ließen sich von Niggerkellnern bedienen und labten sich an all diesen erlesenen Speisen! Es war dies ein Anblick vollkommenen Komforts und Wohlbehagens! Wenn die Offiziere sich schließlich für die Nacht zurückzogen, warteten warme, gemütliche Kojen auf sie, wo sie auf Matratzen und Daunendecken ihre müden Glieder ausstrecken konnten, ohne auch nur einen Gedanken an die Kälte und Nässe dort draußen zu verschwenden. Ich wandte meinen Kopf zurück und besah mir meinen eigenen Schlafplatz. In der kalten, pechschwarzen Nacht rieselten Asche und Ruß von den Schloten auf uns hernieder und der Nieselregen trommelte auf das Deck. Mein Abendessen hatte aus Hartkeksen und rohem Schweinebauch bestanden, dazu wurde als Getränk Flusswasser von dem exzellenten Jahrgang 1541 gereicht. [Anm. d. Übers.: Der Mississippi River wurde 1541 von Hernando de Soto entdeckt.] Um mein Elend zu vervollständigen, lag ich zudem noch unter einer Decke, die ich aus einer militärischen Notlage heraus hatte stehlen müssen. Ich besann mich jedoch, dass wir nicht alle Offiziere sein konnten; irgendjemand musste schließlich die Musketen abfeuern. Ich tröstete mich weiter mit dem Gedanken, dass die Offiziere zwar etliche Privilegien gegenüber den einfachen Soldaten hatten, im Gegenzug aber auch eine größere Verantwortung schultern mussten und sich über viele Dinge den Kopf zerbrachen, die uns nicht im Geringsten zu kümmern brauchten. So unterdrückte ich nach Kräften meinen Neid, wickelte mich in meine Decke, schloss die Augen und schlief die ganze Nacht hindurch den tiefen, traumlosen Schlaf der kerngesunden Jugend.

In der Nacht klarte das Wetter auf und der folgende Tag war angenehm, was unsere Laune beträchtlich verbesserte. Unsere Umgebung war neu und ungewohnt und wir blickten voller Aufregung und Hoffnung in die Zukunft. Wir waren beinahe alle einfache Jungs vom Lande, die ihr bisheriges Leben in der entlegenen Provinz zugebracht hatten. Ich selbst war vor meiner Soldatenzeit noch nie weiter als 80 Kilometer von meinem Zuhause entfernt gewesen, war niemals auf einem Dampfschiff gefahren und hatte auf meinen gelegentlichen Eisenbahnfahrten kaum mehr als 120 Kilometer zurückgelegt (Hin- und Rückfahrten zusammengezählt). Doch nun hatte sich der beengte Horizont meiner Heimat plötzlich geöffnet und vor meinen Augen entfaltete sich eine große, weite Welt. Hierzu gesellten sich die Gedanken an das kühne, heroische Leben, das uns nun bevorstand. Keiner von uns Jungs rechnete ernsthaft damit, getötet zu werden oder ein anderes ungünstiges Schicksal zu erleiden. Den anderen mochte es übel ergehen, einige von ihnen würden wohl sterben müssen, aber man selbst würde am Ende eines siegreichen Krieges unversehrt nach Hause zurückkehren und den Rest seines Lebens als bewunderter und respektierter Kriegsheld verbringen. Dies waren zumindest meine Gedanken und ich hege keinerlei Zweifel daran, dass 99 von 100 der anderen Burschen ebenso dachten.

Am Nachmittag dieses Tages (dem 27. März) erreichten wir Cairo, wo wir am Kai vor Anker gingen und eine kurze Zeit verbrachten. Das Städtchen lag am Ohio River, der zu dieser Zeit, ebenso wie der Mississippi River, viel Wasser führte. Cairo bot einen erbärmlichen Anblick. Man hatte Dämme gegen das Hochwasser errichtet, aber die Straßen und der Boden allgemein waren trotzdem ein einziger abgestandener, fauliger Morast. Dampfmaschinen pumpten das Wasser nach Kräften durch in den Damm eingelassene Rohre zurück in den Fluss und ohne sie wären die Einwohner wohl ertrunken. Im Frühling des Jahres 1842 besuchte Charles Dickens diesen Ort während seiner Amerikareise und er diente ihm als Inspiration für die Stadt "Eden" in seinem Buch "Leben und Abenteuer des Martin Chuzzlewit". Ich las dieses Buch erst nach dem Ende des Krieges, habe es seitdem jedoch bereits mehrmals durchgelesen und muss sagen, wenn das "Eden" von 1842 dem Cairo, das ich 20 Jahre später sah, auch nur annähernd glich, so hätte Dickens' düstere Beschreibung nicht treffender sein können.

Unser Dampfer hatte kaum angelegt, als sich an Bord bereits herumsprach, dass sich auf dem Transportschiff zu unserer Rechten konföderierte Kriegsgefangene befänden. Wir stürmten also zur Steuerbordreling, um unseren ersten Blick von den "Secesh" (wie wir die Rebellen nannten) zu erhaschen. Es war nur ein kleines Häuflein, wohl etwa um die 100 von ihnen. Sie waren unter Bewachung und standen achtern auf dem Unterdeck, entlang der Seite und des Hecks des Schiffes. Es stellte sich heraus, dass dies so ziemlich die letzte Fuhre der bei Fort Donelson gemachten Gefangenen war, die sich auf dem Weg zu einem Gefangenenlager im Norden befanden. Selbstverständlich beäugten wir sie mit großer Neugierde und bald begannen die Jungs, Witze zu reißen und die Rebellen gutmütig zu necken. Diese ließen es stillschweigend und mit einem gelegentlichen trockenen Grinsen über sich ergehen. Schließlich fixierte uns jedoch ein gutaussehender, junger Bursche mit einem eindringlichen Blick und rief mit sanfter Stimme in der gedehnten Sprechweise des Südens: "Noch vor dem nächsten Sommer werdet ihr alle ein anderes Liedchen singen!" Unsere Jungs antworteten hierauf mit schallendem Gelächter und spöttischem Geheul, es sollte sich aber herausstellen, dass dieser junge konföderierte Soldat ein wahrer Prophet war.

Unser Aufenthalt in Cairo war nur von kurzer Dauer; bald legte das Schiff wieder ab und dampfte den Ohio River hinauf zur Mündung des Tennessee River, von wo ab es diesem Fluss folgte. Am folgenden Tag passierten wir Fort Henry. Wir alle hatten von seiner Eroberung im vergangenen Monat durch die vereinten Kräfte unserer Armee und Marine gelesen und waren natürlich neugierig, dieses Bollwerk zu sehen, in dem eine Handvoll Männer solch tapferen Widerstand geleistet hatten. Meine Vorstellung von Befestigungsanlagen basierte zu jener Zeit auf Illustrationen aus Büchern über alte europäische Festungen und auf Schilderungen in Sir Walter Scotts "Marmion", die die Burg Tantallon beschreiben. Als wir uns Fort Henry näherten, rechnete ich also fest damit, ein riesiges, beeindruckendes Bauwerk mit Wehrerkern, einem Bergfried, einem Fallgatter, einer Zugbrücke und dergleichen mehr zu sehen, auf dessen Mauern womöglich noch ein hoher Offizier mit gezogenem Schwerte umherstolzieren mochte, der aus vollem Halse Dinge wie: "Heiho, ihr Krieger, frischauf!" oder ähnliche Worte ausrief. Entsprechend groß waren mein Erstaunen und meine Enttäuschung, als wir am Fort vorbeidampften und ich lediglich ein elendes, kleines Etwas aus festgestampfter Erde entdeckte, dem so rein gar nichts von "Pracht, Pomp und Rüstung des glorreichen Kriegs" anzusehen war. [Anm. d. Übers.: Hier zitiert Stillwell William Shakespeares "Othello".] Das Fort war an einer niedrigen Stelle nahe dem Ufer des Tennessee River errichtet worden und da der Strom gerade Hochwasser führte, war das umliegende Land nahezu völlig von Wasser bedeckt. Zudem glich das Innere des Forts eher einem Schweinepferch. Es war mir einfach unbegreiflich, wie sich dieses erbärmliche Konstrukt unseren Kanonenbooten so lange zu widersetzen vermocht hatte. Damals wusste ich noch nicht, dass eben diese Art von Befestigung mit Wällen aus festgestampfter Erde den bestmöglichen Schutz gegen moderne Artillerie bietet. Tatsächlich war zu diesem Zeitpunkt meine Unwissenheit über militärische Belange breit gefächert und nahezu allumfassend.

Während wir weiter den Tennessee River hinauffuhren, bemerkten wir in den Bäumen seltsame, uns unbekannte, grüne Knäuel. Da die Bäume noch kein Laub trugen, wussten wir, dass dies keine Blätter sein konnten, aber wir vermochten nicht zu sagen, um was es sich stattdessen handeln könnte. Schließlich erfuhren wir von einem Besatzungsmitglied des Dampfers, dass es Misteln waren. Wenn ich mich recht entsinne, hatte noch kein einziger von uns Soldaten diese seltsame immergrüne Pflanze jemals zuvor gesehen und so stellte sie ein faszinierendes Kuriosum für uns dar. In der Folgezeit wurde sie uns ein alltäglicher Anblick.

Am Abend des 31. März erreichten wir bei Sonnenuntergang Pittsburg Landing. Hier schlugen wir an unserer Stellung in der Linie unser Lager auf und schliefen erstmals in unserem Soldatenleben in Zelten. Wir verfügten über sogenannte Sibley-Zelte, recht geräumige Behausungen von konischer Form, in denen zwölf Männer mitsamt ihrer Ausrüstung Platz finden konnten. Um zu verdeutlichen, wie wenig wir vom ordnungsgemäßen Aufbau eines Zeltes verstanden, gestehe ich an dieser Stelle, dass wir nicht einmal einen Graben um unser Zelt herum zogen. Prompt brach in der ersten Nacht ein schwerer Regen über uns herein und am nächsten Morgen schwammen wir förmlich auf dem Wasser und unsere Decken und Ausrüstung waren natürlich völlig durchnässt. Fortan bestand eine unserer ersten Maßnahmen nach dem Aufbau des Zeltes stets im Ausheben eines Grabens mit seitlichem Abfluss.

Ich erinnere mich noch lebhaft an die Soldatenkochkünste, die wir während unserer ersten Monate in Tennessee zu erdulden hatten. In Camp Carrollton und der Benton-Kaserne hatten wir Kompanieköche, die jeweils das Essen für eine gesamte Kompanie zubereiteten. Es waren dies einfache Soldaten, die man zu diesem Zweck eingeteilt hatte und ihre kulinarischen Fähigkeiten waren beileibe nicht der Rede wert, aber verglichen mit unserem jetzigen Essen hatten sie wahre Genüsse gezaubert. Wir bildeten Messen von jeweils vier, acht oder zwölf Mann und jeder kam nach und nach an die Reihe, als Koch für seine Messe zu fungieren. Nur sehr wenige von uns hatten auch nur die geringste Ahnung von der Nahrungszubereitung und über die Resultate unserer diesbezüglichen Experimente hätte man lachen können, hätten sie kein so erbärmliches Leid angerichtet. Nach unserer Ankunft in Pittsburg Landing wurde Mehl an uns ausgegeben, aber wir hatten nicht die notwendigen Utensilien, um Brötchen oder Brotlaibe zu backen. Wir rührten also einen Teig aus Mehl, Wasser, Schmalz und Salz an und brieten ihn in einer Pfanne. Das Ergebnis waren die Armeepfannkuchen, die sogenannten "Flapjacks". Diese waren ausnahmslos zäh wie ein Maultierohr, hatten in etwa die Dichte von Blei und waren nahezu unverdaulich. Später lernten wir, mit Lehm verputzte Holzöfen und Steinöfen zu bauen, mit denen wir schließlich in der Lage waren, gutes Brot zu backen. Trotzdem blieb bei den Soldaten auf dem westlichen Kriegsschauplatz stets der Hartkeks das Hauptnahrungsmittel und nichts, was wir mit unserem Mehl herstellen konnten, kam ihm geschmacklich auch nur nahe.

Unsere Zubereitung der "Yankee-Bohnen" (wie wir sie nannten) war lange Zeit einfach nur grauenhaft. Wie du weißt, muss man Bohnen kochen, bis sie vollkommen gar sind, da sie ansonsten giftig sind. Nun, unsere Bohnen waren in der Regel bestenfalls halbgar und das Ergebnis war eine widerliche, schleimige Pampe, deren Aussehen schon ausreichen konnte, einem den Appetit zu verderben. Und was den Reis betrifft … was davon nach unserer Zubereitung auf dem Teller landete, spottete jeder Beschreibung. Ich entwickelte einen dermaßen großen Ekel vor Reis, dass ich es noch als Zivilist, Jahre nach dem Ende des Krieges, einfach nicht über mich bringen konnte, ihn zu essen, gleich wie köstlich er auch zubereitet sein mochte.

Das mangelhaft zubereitete Essen, der Klimawechsel, das ungewohnte Wasser und die Vernachlässigung hygienefördernder Maßnahmen führten in Pittsburg Landing zu einer wahren Durchfall-Epidemie, welche besonders den "grünen" Regimentern (darunter auch unseres) arg zusetzte. Für einen Zeitraum von etwa sechs Wochen litt praktisch jeder Soldat darunter und der einzige Unterschied bestand in der Schwere der jeweiligen Erkrankung. Tatsächlich war der Zustand der Truppen in dieser Zeit so erbärmlich und widerwärtig, dass ich eine eingehendere Schilderung vermeiden möchte. Dergleichen habe ich weder vorher noch nachher jemals wieder miterlebt. Ich bin der Überzeugung, dass dieses Problem von den Unmengen an Zucker, welche die Soldaten begierig aßen, noch verstärkt wurde. Nicht nur schütteten sie ihn überreichlich in ihren Kaffee und Reis, sie verschlangen auch regelmäßig Händevoll davon in purer Form. Ich kann aus dem Stegreif einen Vorfall schildern, der den übersteigerten Heißhunger der Jungs auf Zucker veranschaulicht. Das Ganze ereignete sich in unserem Lager an einem regnerischen Tag während der Belagerung von Corinth. Jake Hill aus meiner Kompanie hatte einen kleinen Zuckerberg auf einem Hartkeks aufgehäuft, so viel, wie nur irgendwie darauf passte, bevor die Körner an den Seiten herabzurieseln begannen. Er setzte sich auf seinen Tornister und begann, an seinem Festmahl herumzunagen, wobei er sich systematisch an allen Seiten zu schaffen machte. Er litt zu jenem Zeitpunkt an der oben genannten Epidemie und war dermaßen geschwächt, dass er kaum laufen konnte. Jemand sagte zu ihm: "Jake, in deinem Zustand ist der Zucker nicht gut für dich!", woraufhin er mit betroffener Miene aufblickte und im Tonfalle zutiefst gekränkter Unschuld entgegnete: "Habe ich etwa nicht das Recht, meinen eigenen Proviant zu verzehren?" Wider Erwarten gesundete Jake wieder und diente für den gesamten Rest des Krieges, wobei er sich als guter Soldat erwies.

Ich persönlich entschloss mich bereits zu Beginn meiner Soldatenzeit, überhaupt keinen Zucker mehr zu mir zu nehmen (mit Ausnahme einer gelegentlichen winzigen Menge auf eingemachtem Obst oder Beeren) und ich gewöhnte mir seinen regelmäßigen Gebrauch erst Jahre nach meiner Entlassung aus der Armee wieder an.

Aufgrund der bereits angedeuteten Bedingungen in Pittsburg Landing starben die Männer dort wie die Fliegen. Viele weitere mussten wegen Untauglichkeit aus dem Militärdienst entlassen werden und folglich stand auch ihre Kampfkraft nicht mehr zur Verfügung. Es ist wahr, dass sich einige dieser Entlassenen, besonders die jüngeren Burschen, in der Folgezeit wieder zum Heer meldeten und gute Soldaten abgaben, aber die krankheitsbedingten Verluste der Unionsarmeen in Tennessee überstiegen im Frühjahr '62 zweifellos die Verluste einer großen Schlacht. Im Gegensatz zu Verlusten im Kampf trugen sie aber rein gar nichts zu einer Beendigung des Krieges bei.

Die Schlacht von Shiloh wurde am 6. und 7. April ausgefochten. Im Jahre 1890 schrieb ich einen Bericht über diese Schlacht, welcher in der "New York Tribune" und später noch in weiteren Zeitungen erschien. Ferner wurde er zusammen mit Artikeln anderer Personen (einige handelten vom Kriege, andere widmeten sich verschiedensten Themen) in Buchform veröffentlicht. Dieser Text, den ich vor 25 Jahren abfasste, ist wohl so gut wie, wenn nicht gar besser als alles, was ich jetzt über die Schlacht schreiben könnte, weswegen ich ihn an dieser Stelle einfügen möchte.

Als Soldat in Shiloh.

von Leander Stillwell,

ehemals First Lieutenant, 61st Illinois Volunteer Infantry.

Viel ist bereits über die Schlacht von Shiloh gesagt und geschrieben worden, sowohl von Offizieren der Rebellen und der Union als auch von Schriftstellern. Was erstere betrifft, so wird wohl auf ewig erbitterte Uneinigkeit über das Verhalten von General Beauregard herrschen, der den Angriff seiner Truppen am Sonntagabend einstellen ließ, als ihm noch eine volle Stunde wertvollen Tageslichts zur Verfügung stand. Diese Zeit, so behaupten einige, hätte er nutzen können, um den Rest von Grants Armee zu zerschlagen, bevor Buell hätte über den Tennessee River setzen können. Unter den unionstreuen Schreibern wird hingegen am häufigsten diskutiert, ob unsere Truppen nun überrumpelt wurden oder nicht, inwieweit Grants Armee am Abend des ersten Tages noch kampffähig war, wie die Schlacht ohne die Unterstützung der Kanonenboote ausgegangen wäre und wie ein Nichterscheinen von Buells Verstärkungen den weiteren Verlauf der Kämpfe beeinflusst hätte. Es ist nicht meine Absicht, mit der Schilderung meiner Erlebnisse in der Schlacht von Shiloh etwas zur Lösung dieser bereits lebhaft erörterten Themen beizutragen. Ich war damals gerade einmal 18 Jahre alt und stand in den Reihen der einfachen Soldaten. Es wäre mithin töricht von mir, mich als Schlachtenkritiker zu gebaren. Es liegt in der Natur der Sache, dass es den Generälen, welche von der verhältnismäßigen Sicherheit ihrer Feldherrenhügel herab das Schlachtfeld mit ihren Ferngläsern überblicken und die Truppenbewegungen überwachen und lenken, vorbehalten bleibt, die Fakten zur Geschichtsschreibung beizutragen. Der einfache Soldat sieht das Schlachtfeld lediglich durch das Visier seiner erhobenen Muskete und das Wenige, was er wahrnimmt, ist nur "durch einen Spiegel ein dunkles Bild". [Anm. d. Übers.: Hier zitiert Stillwell die Bibel, den ersten Brief des Paulus an die Korinther.] Die dichten Pulverschwaden verwehren ihm die Sicht, er erspäht durch den vorbeiziehenden Rauch nur ebenso unvermittelt auftauchende wie verschwindende Schemen seiner Feinde.

Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass der einfache Soldat während der Erfüllung seiner Pflicht in der Schlacht all seine körperlichen und geistigen Kapazitäten ausschließlich auf seinen eigenen, kleinen Part im großen Werk der Vernichtung konzentriert und er folglich kaum Gelegenheit dazu findet, im Geiste seine Erlebnisse zu ordnen, um auf deren Basis ein Vierteljahrhundert später historische Artikel verfassen zu können. Man holt eine Patrone aus der Patronentasche, beißt sie auf, schüttet das Pulver in den Lauf, rammt die Kugel hinterher (im Bürgerkriege benutzten wir Vorderlader), setzt das Zündhütchen auf, zielt und feuert – all dies mit getriebener Hast und verzweifelter Geschwindigkeit, denn jeder Schuss könnte der letzte sein. Diese Dinge verlangen nach der ganzen Aufmerksamkeit des Soldaten und machen ihn blind und taub für alles, was außerhalb seiner unmittelbaren Umgebung geschieht. Zudem wird sein Gehörsinn überwältigt von all dem donnernden Lärm um ihn herum. Das unablässige und fürchterliche Rasseln der Musketen, das Dröhnen der Kanonen und das ständige Zischen der an einem vorbeisausenden Kugeln vermischen sich mit den erbärmlichen Schreien der Verwundeten und den hörbaren Todesqualen der sterbenden Kameraden, die sich direkt vor den Augen der Lebenden krampfartig auf der Erde winden. All dies trägt nicht gerade zu jener ruhigen und kühl abwägenden Gemütsverfassung bei, die der Historiker in seinem stillen Kämmerlein empfinden mag.

Deswegen sollen die Generäle und Geschichtsschreiber über die Bewegungen von Corps, Divisionen und Brigaden berichten. Ich habe nichts anzubieten, außer der simplen Geschichte über die Eindrücke eines einfachen Soldaten von einer der blutigsten Schlachten des Krieges.

Das Regiment, dem ich angehörte, war die 61st Illinois Infantry. Es verließ sein erstes Ausbildungslager (nahe einem kleinen Provinzstädtchen im südlichen Illinois) gegen Ende des Monats Februar im Jahre 1862. Wir wurden in die Benton-Kaserne bei St. Louis verlegt, wo wir bis zum 25. März gedrillt wurden (sooft das Wetter es gestattete). An diesem Tag wurden wir an die Front geschickt. Das Wetter war bewölkt, regnerisch und düster und wir marschierten durch die Straßen von St. Louis zum Kai, wo wir an Bord des Transportschiffes gingen, das uns an unseren Bestimmungsort bringen sollte. Die Stadt lag unter jener Dunstglocke aus Kohlestaub, für die St. Louis bekannt ist. Sie hing niedrig und schwer über uns und reizte uns alle zum husten. Ich glaube, der Colonel führte uns durch eine Seitenstraße. Sie war schmal und schmutzig und beiderseits von hohen Gebäuden gesäumt. Die Offiziere nahmen den Bürgersteig in Beschlag, während das Regiment neben ihnen her schweigend auf der Straße marschierte und sich dabei durch den widerlichen, zähen Schlamm mühte. Ein Umstand unseres Marsches durch St. Louis, der uns in besonderem Maße auffiel, war der völlige Mangel an Interesse seitens der Einwohner. Durch die Illustrationen in den Büchern, die ich zuhause gelesen hatte, war ich zu der Überzeugung gelangt, dass Soldaten auf ihrem Wege an die Front stets von hübschen Damen, die von den Balkons mit blütenweißen Taschentüchern winkten und Herren, die auf den Bürgersteigen jubelnd ihre Hüte schwenkten, verabschiedet wurden.

Möglicherweise gab es Regimenter, denen dieses Glück zuteilwurde, aber unseres war keines von ihnen. Gelegentlich steckte ein fetter, bullig aussehender Bursche von augenscheinlich deutscher Abstammung seinen Pfeife rauchenden Kopf aus einem Fenster oder einer Tür, betrachtete uns für einige Sekunden und verschwand wieder. Es wurden weder Taschentücher noch Hüte geschwenkt und wir hörten auch keine Jubelrufe. Ich war damals überzeugt, dass die Unionsanhänger wohl alle bereits an der Front seien oder der Colonel uns durch ein Rebellenviertel der Stadt führte.

Wir marschierten zum Kai und bestiegen dort den großen Seitenraddampfer "Empress". Am folgenden Abend legte das Schiff ab, drehte seinen Bug in die Strömung und dampfte ab in Richtung "Kriegsschauplatz". Am 31. März erreichten wir Pittsburg Landing, das, wie der Name bereits andeutet, lediglich eine Anlegestelle für Flussdampfer war. Es liegt etwa 30 Kilometer nordöstlich von Corinth am Westufer des Tennessee River in einem dicht bewaldeten Landstrich. Zu jener Zeit befand sich dort keine Siedlung, sondern lediglich jenes Blockhaus auf dem Hügel, das wohl kein Überlebender der Schlacht von Shiloh je vergessen wird. Jene Uferseite des Tennessee River, auf der sich Pittsburg Landing befindet, ist steil, felsig und ragt bis zu 30 Meter über den Wasserspiegel des Flusses auf. Die Shiloh-Kirche, die der Schlacht ihren Namen verlieh, war ein methodistisches Gotteshaus. Es war eine kleine, aus behauenen Holzstämmen errichtete Hütte mit einem Schindeldach, die etwa drei Kilometer von der Anlegestelle entfernt an der Hauptstraße nach Corinth lag. Unmittelbar nach unserer Ankunft wurden wir in die Division von General B. M. Prentiss eingegliedert und marschierten sogleich zu unserem Lagerplatz. Etwa einen dreiviertel Kilometer von der Anlegestelle entfernt gabelte sich die Straße: Nach rechts verlief an der Shiloh-Kirche vorbei die Hauptstraße nach Corinth, während der andere Weg nach links weiterführte. Nach einigen Kilometern vereinigten sich die beiden Straßen wieder. General Prentiss' Division lagerte im rechten Winkel zur linken der beiden und unser Regiment schlug seine Zelte beinahe an der äußersten Linken von Prentiss' Linien auf. Wenn ich mich recht entsinne, lagerte eine Brigade aus Shermans Division unter General Stuart etwa anderthalb Kilometer zu unserer Linken am Lick Creek, wo die Hamburg & Purdy Straße den Bach überquert. [Anm. d. Übers.: David Stuart hatte, wie zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit der Brigadekommandeure in General Grants Army of the Tennessee, den Rang eines Colonels inne. Er erlitt am ersten Tag der Schlacht eine schwere Verwundung an der Schulter.] In der Lücke zwischen der linken Flanke von Prentiss und dem Lager von Stuart befanden sich keine Truppen. Dies weiß ich gewiss, da ich in den wenigen Tagen zwischen unserer Ankunft und der Schlacht in den Wäldern zu unserer Linken (zwischen uns und Stuart) umherstreifte und nach Indianer-Knoblauch und Sanikel suchte.

Das Lager unseres Regiments lag etwa drei Kilometer von der Anlegestelle entfernt. Unsere Zelte standen inmitten des Waldes und vor dem Lager befand sich ein kleines Feld von etwa acht Hektar. Wir waren in westliche Richtung, oder möglicherweise auch nach Südwesten, ausgerichtet.

Niemals werde ich vergessen, wie froh ich war, endlich von diesem alten Dampfer herunterzukommen, mit beiden Füßen wieder auf festem Boden zu stehen und mein Zelt unter den Bäumen aufzuschlagen. Meine Kompanie hatte die Reise von St. Louis nach Pittsburg Landing auf dem Oberdeck des Dampfschiffes verbracht und unsere Wegzehrung hatte aus Hartkeksen und rohem, fettigem Fleisch bestanden, das wir mit Flusswasser hinunterspülten. Wir verfügten über keine Kochstelle und kannten den Trick noch nicht, das überschüssige heiße Wasser aus den Heizkesseln aufzufangen und damit Kaffee zuzubereiten. Nun da wir uns jedoch an Land befanden und Feuerholz in Hülle und Fülle verfügbar war, besserte sich unser Speiseplan wieder. Ich werde wohl niemals wieder Fleisch essen, das so gut schmeckt wie der damalige gebratene Schweinebauch mit "Flapjacks" und reichlich gutem, starkem Kaffee. Wir hatten den regulären Drillbetrieb noch nicht aufgenommen, der Wachtdienst war nicht anstrengend und generell wurde alles nicht so genau genommen. Dazu kam noch das angenehme Klima. Wir hatten gerade den wolkenverhangenen, frostigen Norden hinter uns gelassen, wo es kalt und trostlos war, während die Luft hier so mild und warm war wie der späte Mai in Illinois. Das grüne Gras schoss aus der Erde, die Veilchen blühten, die Bäume schlugen aus und die Wälder wimmelten von gefiederten Sangeskünstlern. Es gab da einen Rotkardinal, der sich jeden Morgen bei Sonnenaufgang auf der großen Schwarzeiche bei unserer Kompaniestraße niederließ und etwa eine Stunde lang sein lebhaftes, lärmendes Liedchen übte, welches, so deutlich wie nur irgendein menschliches Kommando, auszurufen schien: "Heda, Jungs! Aufstehen, Jungs! Aufstehen!" Unter uns ging das Gerücht um, er sei ein unionstreuer Rotkardinal, der sich dem Regiment angeschlossen habe, um uns den morgendlichen Weckruf zu trällern.

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