Kitabı oku: «Im Dialog mit dem Körper», sayfa 3

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Die sechs Schritte im Focusing

1 Zu Beginn des Prozesses schaffen wir Freiraum, um genügend Abstand zu haben, damit etwas Neues passieren kann (vgl. Kapitel 7).

2 Der Felt Sense: Nun lassen wir das Thema auf uns wirken und achten darauf, wie es sich in unserem Körper anfühlt, welche körperlich gefühlte Resonanz es auslöst. Diese Resonanz, z. B. ein mulmiges Gefühl im Bauch, wird Felt Sense genannt. In ihr steckt die ganze Bedeutung, die ein Thema für uns hat. Verweilen wir bei ihr mit absichtsloser Aufmerksamkeit, entfaltet sich von alleine der Sinngehalt des Themas. Es entstehen Bilder, Worte, Gefühle oder Gesten, die unser inneres Erleben ausdrücken und bewusst machen. Passen diese Symbolisierungen des Felt Sense, dann spüren wir, dass durch sie eine Veränderung des Bauchgefühls geschieht: Es wird entweder stärker, nimmt ab oder verwandelt sich in ein anderes Empfinden.Im Deutschen wurde der Begriff Felt Sense (etwa: »gefühlte Bedeutung«) beibehalten, da es sich um ein Kunstwort von Eugene Gendlin handelt, das deutlich mehr bezeichnet, als Sprache aussagen kann, und sich insofern schlecht übersetzen lässt.

3 Wir begrüßen und benennen das, was wir wahrnehmen, und verweilen dann absichtslos dabei. Vielleicht tritt als Felt Sense ein Druck in der Magengegend auf. Diesen »Druck« nennt man einen Griff. Damit haben wir schon etwas vom Felt Sense, aber noch nicht seine ganze Bedeutung.

4 Jetzt vergleichen wir die von selbst auftauchenden Symbole (Worte, Bilder, Gefühle, Körperempfindungen oder Bewegungen) mit dem inneren Erleben. Aus dem Wort »Druck« wird vielleicht eine Steinplatte, die erdrückend wirkt. Im Spüren und Symbolisieren findet der Kernprozess des Focusings statt.

5 Wenn es stockt, können wir Fragen stellen, z. B.: Passt diese Steinplatte zu irgendetwas in meinem Leben? Gibt es etwas, das sich so ­erdrückend anfühlt wie diese Steinplatte? Plötzlich taucht die Erinnerung an eine kranke Schwester auf, auf die wir Rücksicht nehmen mussten. Wir erkennen, dass wir uns innerlich Heilung nicht vollständig erlauben, um die Schwester nicht noch mehr in den Schatten zu stellen. Diese Erkenntnis führt zu einer Erleichterung – dem Felt Shift. Wir atmen auf, die Steinplatte ist kaum noch spürbar. Ein Felt Shift ist ein körperlich gefühltes Aha-Erlebnis. Wenn aus dem Felt Sense eine Symbolisierung aufgetaucht ist, die zu unserem inneren Erleben passt, eine neue Erkenntnis oder Einsicht, atmen wir auf und der Felt Sense verändert sich fühlbar.

6 Zum Schluss schauen wir, was es braucht, um die neue Erkenntnis anzunehmen und vor möglichen kritischen Stimmen zu schützen.

Anwendungsmöglichkeiten von Focusing

Das Focusing ist eine Methode der Therapie und Selbsthilfe, die man

 mit sich alleine durchführen kann. Dies ist die schwierigste Anwendungsform, denn hierbei muss man gleichzeitig focussieren und sich selbst begleiten. Die Gedanken können leicht abschweifen. Deshalb kann es hilfreich sein, sich während des Prozesses Stichworte zu machen.

 zu zweit, als partnerschaftliches Focusing: machen kann. Man schließt sich dabei mit einer Person zusammen, die möglichst ein wenig Focusing gelernt hat oder einfach eine gute Zuhörerin ist und durch ihre Aufmerksamkeit den Prozess begleitet. Dies ist die häufigste Anwendungsform des Focusings.

 als Form der Psychotherapie oder Beratung professionell anwenden kann: Hierzu braucht es eine Therapieausbildung in Focusing. Wie Sie einen geschulten Focusing-Therapeuten oder eine Therapeutin, finden lesen Sie bitte im Anhang des Buches.

 mit vielen anderen Methoden, wie zum Beispiel Homöopathie, Osteopathie, Kunsttherapie oder Alexandertechnik gut verbinden kann.

Die vorgeschlagenen Körperdialoge können Sie also entweder allein durchführen oder mithilfe eines (Focusing-) Partners oder eines gelernten Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin. Je nachdem, wie gut Sie sich selbst oder wie gut Ihr Partner bzw. Ihre Therapeutin zuhören und begleiten können, wird Ihr Prozess an Tiefe gewinnen. Für den Kernprozess »Focusing über ein Symptom« in Kapitel 8 empfehle ich auf alle Fälle, sich kompetent begleiten zu lassen. Dieser Prozess ist in der Regel zu komplex, um ihn allein durchzuführen.

Da das Focusing ein natürlicher Prozess ist, können Sie die Körper­dialoge oder Elemente aus den Körperdialogen auch mit anderen Methoden, die Sie bereits kennen, verbinden. Voraussetzung ist, dass Sie die Haltung der inneren Achtsamkeit und Absichtslosigkeit dabei nicht verlassen und dass Sie aus dem eigenen Felt Sense heraus handeln, wie ich es in Kapitel 10 näher erläutert habe.

Unser Körper: Maschine oder wissender Organismus?

»Ich habe Körperingenieurs-Wissenschaft studiert«, seufzt unser Nachbar, ein junger, engagierter, vom Medizinbetrieb jedoch desillusionierter Psychiater und lässt die Schultern hängen. Das Modell des Körpers als einer Maschine beeinflusst immer noch unser vorherrschendes Medizinsystem. Der Philosoph René Descartes (1556 -1650) schrieb in seiner Abhandlung über den Menschen, der Mensch gleiche einer Maschine, sein Herz zum Beispiel wie ein Ofen funktioniere. Dieses Maschinenparadigma durchdringt unser medizinisches Verständnis vom Körper, Krankheit und Heilung erstaunlicherweise bis heute. Es hat in der westlichen Medizin ein enormes Detailwissen hervorgebracht sowie eine Akut-Medizin, die teilweise hervorragende Heilungserfolge vorweisen kann, von denen wir alle profitieren. Eine Schattenseite dieses Körperverständnisses ist aber, dass das große Detailwissen nicht wieder zu einem ganzheitlichen Bild zusammengefügt wird. Der Mensch wird häufig nicht in seiner körperlich, geistigen und sozialen Gesamtheit gesehen, er steht paradoxerweise auch gar nicht immer im Mittelpunkt der Behandlung.

Bei einem solchen Körperverständnis findet außerdem die wichtigste Heilkraft, die wir haben, die Kraft zur Selbstheilung und das innere Wissen um Heilung, zu wenig Beachtung. Eine Maschine kann sich nicht selbst heilen, sie muss von außen geheilt bzw. repariert werden. Obwohl dieses reduzierte Körperverständnis einerseits durch das Fachgebiet der Psychosomatik und andererseits durch die Erkenntnisse der Neurowissenschaften auch wissenschaftlich als überholt gilt, sind immer noch weite Teile unseres Medizinbetriebs davon durchdrungen. Aus meiner Sicht liegt dies auch daran, dass die Pharmaindustrie, die Hersteller medizinischer Geräte und viele Klinikbetreiber an dem vorherrschenden Körpermodell und der daraus resultierenden Medizin großen Profit ziehen und ihre wirtschaftlichen Interessen machtvoll in der Gesundheitspolitik geltend machen.

Die psychosomatische Medizin vertritt seit Jahrzehnten ein ganzheitlicheres Verständnis des Körpers, des Menschen und seiner Erkrankungen. Sie hat auch die subjektive Seite einer Erkrankung, die Gegenstand dieses Buches ist, in die Medizin eingeführt. Sie steht für eine patientenorientierte, integrierte Medizin, bei der der Mensch und nicht die Krankheit im Mittelpunkt steht. Ihr Ziel, eine solche Medizin flächendeckend zu etablieren, ist bislang nur in Ansätzen gelungen. Wichtig ist, dass man heutzutage mit dem Begriff »psychosomatisch« nicht mehr meint, eine Krankheit sei seelisch bedingt. Dies würde dem alten Leib-Seele-Dualismus und einem einfachen Ursache- Wirkungsdenken entsprechen. Stattdessen geht man bei der Krankheitsentstehung von einem hochkomplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren aus.

Das ganzheitliche Verständnis der psychosomatischen Medizin wird nun von den Erkenntnissen der modernen Neuro- Wissenschaften bestätigt. Diese zeigen, dass Körper und Geist nicht zweierlei, sondern eins sind, verschiedene Seiten der gleichen Medaille. Durch bildgebende Verfahren, die uns seit den 90er Jahren erlauben, einen Blick in unser inneres Gehirn zu werfen, wissen wir, dass Gedanken Einfluss auf das Gehirn und den Körper haben. Mentale Aktivitäten wie zum Beispiel Kopfrechnen, Meditation oder Imaginationen korrelieren unmittelbar mit materieller, neuronaler Aktivität im Gehirn. Was durch unseren Geist strömt, verändert auch die »Hardware« unseres Gehirns. Wenn zum Beispiel Probanden eine Fingerübung auf einer Klaviatur einüben, dann vergrößern sich die für diese Finger zuständigen Areale im Gehirn. Dies geschieht erstaunlicher Weise auch dann, wenn die Fingerübungen nur in der Vorstellung durchgeführt werden! (Rüegg 2010) Auch Fühlen und Denken sind untrennbar miteinander verbunden. Ein Lächeln, das wir bewusst entstehen lassen, führt zu einer freundlicheren inneren Stimmung und freundlicheren Gedanken. Eine bestimmte Art zu atmen beruhigt unseren Gemütszustand. Wir können also allein durch Vorstellungsbilder Körperfunktionen positiv beeinflussen. Hinzu kommt, dass wir in einer sich ständig wechselseitig prägenden Interaktion mit unserer Umwelt stehen.

Es liegt nahe, dass wir Körper, Geist und letztlich auch Umwelt nicht mehr getrennt voneinander denken und behandeln, sondern als Einheit. ein Paradigma vom Körper, das ihn in seiner Gesamtheit betrachtet als einen wissenden, lebendigen, beseelten und mit seiner Umwelt zutiefst verbundenen Organismus wird von Eugene Gendlin skizziert:

Im Focusing betrachten wir den Körper nicht von außen, sondern beziehen uns auf den »von innen gefühlten« Körper. Es ist ein großer Unterschied, ob ich jetzt gerade meinen Bauch von außen betrachte oder die Augen schließe und ihn von innen wahrnehme. Spüre ich den Bauch von innen, dann nehme ich auch die Situation wahr, in der ich mich gerade befinde. Es fühlt sich von innen her anders an, wenn ich am Strand sitze und aufs Meer schaue oder wenn ich mich in einer konfliktreichen Sitzung mit Kollegen befinde. Wir beziehen uns also auf den von innen gefühlten Körper, der die Situation wahrnimmt, in der er sich befindet, und auf den lebendigen Körper.

Alles, was lebt, trachtet danach, weiter zu leben. Es impliziert sein Weiterleben und bewegt sich in eine das Leben fortsetzende Richtung, so Gendlin. In der körperlich gefühlten Resonanz auf eine Situation ist nicht nur die gegenwärtige Situation, sondern auch all unser Erfahrungswissen als »Bauchgefühl« wahrnehmbar. Bleiben wir nun mit absichtsloser Aufmerksamkeit bei unserem Bauchgefühl zum Beispiel über die konfliktreiche Sitzung, in der wir uns gerade befinden, und finden wir Symbolisierungen(zum Beispiel Worte oder Bilder) dafür, dann ist es nicht statisch, sondern lebendig, und hat die Fähigkeit, den nächsten richtigen Schritt des Weiterlebens anzudeuten. In unserer körperlich gefühlten Resonanz auf eine Situation spüren wir einen vorwärts gerichteten Drang als Tendenz in eine bestimmte Richtung. »Ein lebendiger Körper lebt von sich selbst aus und macht aus sich selbst heraus seinen nächsten Lebensprozess-Schritt. Das ist der nächste Schritt im Focusing. Dieser nächste Schritt wird vom Organismus selbst projektiert, selbst entworfen«, so der Philosoph Gendlin (Gendlin 2007).

Es ist wahrscheinlich neu und ungewohnt, den Körper zu betrachten als etwas, das mehr weiß als unser Verstand. In meinem Körper trage ich das Wissen darüber, was mir guttut, mich heilt. Der Körper trägt in sich die ganze Komplexität der Situation, zum Beispiel einer Erkrankung, und er kann uns den nächsten stimmigen Schritt besser zeigen als nur der Kopf allein. Betrachten wir mit diesem Verständnis unseres Körpers als einem wissenden Körper nun seine Fähigkeit zur Selbstheilung.

Kapitel 3
Placebo-Effekt, Selbstheilungskräfte und die Macht der inneren Bilder

Ein Placebo ist ein Scheinmedikament, häufig eine Zuckerpille, von dem PatientInnen aber glauben, es handele sich um ein echtes pharmakologisches Mittel. Studien zeigen, dass durch die Gabe von Placebos unter anderem Blutdruck und Cholesterinwerte sinken, die Magensäure reduziert wird und sich die Aktivität weißer Blutkörperchen verbessert. Mit einer Scheinakupunktur kann man die Häufigkeit von Hitzewallungen halbieren und nach der Einnahme von angeblichen »Fruchtbarkeitsmedikamenten« werden 40 % der wegen Unfruchtbarkeit behandelten Patientinnen schwanger! (Rankin 2014)

Placebo-Effekt nennt man die Tatsache, dass allein die Vorstellung, eine Therapie, ein Medikament oder eine andere Behandlung sei wirksam, auch tatsächlich die Körperchemie verändert. Umgekehrt spricht man bei der negativen Vorstellung, nämlich dass die Behandlung schadet, von einem Nocebo-Effekt, lateinisch: Ich werde schaden.

Im Herbst 2012 wurde ein 26-jähriger junger Mann von seiner Freundin in die Notaufnahme der Universitätsklinik Hamburg eingeliefert. Er zitterte am ganzen Leib, schwitzte stark, und sein Blutdruck war auf 80/40 abgesackt. Die Freundin berichtete, dass er mithilfe von 29 Anti-­Depressiva-Tabletten versucht habe, seinem Leben ein Ende zu setzen. Bei näherer Nachforschung stellte sich heraus, dass der junge Mann an einer Medikamenten-Studie teilnahm, bei der Anti-Depressiva erforscht wurden. Er befand sich jedoch ohne zu wissen in der Kontrollgruppe, also in der Gruppe von Patienten, die lediglich Placebos bekamen. Mit anderen Worten: Der Patient hatte versucht, sich mithilfe von Zuckerpillen das Leben zu nehmen–und zeigte tatsächlich alle Erscheinungen einer Medikamentenvergiftung (Ärztezeitung, 19. 10. 2012)!

In einer Studie wurde PatientInnen Zuckerwasser verabreicht mit dem Hinweis, es handele sich um ein Brechmittel. 80 Prozent übergaben sich dennoch! Bernie Siegel zitiert in Prognose Hoffnung eine weitere Studie, bei der man KrebspatientInnen statt einer Chemotherapie eine Kochsalzlösung verabreichte. 30 Prozent der Versuchsteilnehmenden fielen daraufhin die Haare aus! (Rankin 2014)

Interessanterweise existiert der Placebo-Effekt sogar in der Chirurgie. Der Orthopäde Bruce Moseley teilte 180 PatientInnen mit Arthrose im Knie in drei Gruppen ein. Eine Gruppe erhielt nur einen oberflächlichen Einschnitt, bei der zweiten Gruppe wurde ins Gelenk eingedrungen und es wurde ausgewaschen, die dritte Gruppe erhielt die volle Operation inklusive Knorpelentfernung. Die PatientInnen und die nachuntersuchenden ÄrztInnen wussten nicht, welcher Gruppe sie jeweils zugehörten. Nach zwei Jahren stellte sich heraus, dass sich die PatientInnen in allen drei Gruppen im gleichen Maße besser fühlten. Das zeigt, dass allein die Vorstellung, operiert worden zu sein, bereits dazu führt, dass man sich besser fühlt und dass sie offenbar genauso wirksam ist wie die komplette Arthrose-Operation selbst (Moseley 2002).

Lissa Rankin zitiert den interessanten Fall einer Psychiatriepatientin mit multipler Persönlichkeit. Der eine Teil der Patientin war keine Diabetikerin und hatte ganz normale Blutzuckerwerte. Wenn sie aber in den anderen Teil ihrer Persönlichkeit schlüpfte, glaubte sie, Diabetikerin zu sein, und ihre Blutzuckerwerte schossen derartig in die Höhe, dass sie nach medizinischen Kriterien tatsächlich Diabetikerin war. Die Werte normalisierten sich wieder, wenn sie in den anderen Teil ihrer Persönlichkeit zurückkehrte (Rankin 2014).

Wie kann das sein? Wieso bekommt jemand Diabetes, nur weil sie glaubt, Diabetikerin zu sein? Wieso fallen Menschen nach der Einnahme einer Kochsalzlösung die Haare aus? Und wieso wirken Zuckerpillen gegen Schmerzen fast so gut wie Morphium?

Der Nocebo-Effekt wird von WissenschaftlerInnen damit begründet, dass eine Negativbotschaft Stressalarm, eine Erhöhung des Cortisolspiegels und damit eine Angst- und Fluchtreaktion auslöst. Umgedreht führt der Glaube an die Wirksamkeit eines Medikaments oder einer Therapie zu einer vermehrten Ausschüttung von Endorphinen und Dopaminen, die wiederum aufsteigende Schmerzreize hemmen. Indem wir uns entspannen, die Angst loslassen und die Besserung unserer Symptome antizipieren, nehmen wir ganz direkt Einfluss auf die Vorgänge in unserem Körper. Neben der Erwartungshaltung spielt aber auch ein Konditionierungseffekt eine Rolle. Wenn – laut Studien – eine Person regelmäßig ein Medikament einnimmt, von dem sie weiß, dass es wirksam ist, und das dann aber bei jeder zweiten oder dritten Dosis durch ein Placebo ersetzt wird, lässt die Wirkung des Medikaments keineswegs nach (Walach 2017).

Harald Walach kommt in seinem Buch Weg mit den Pillen nach der Auswertung vieler Studienergebnisse zu dem Ergebnis, der Placebo-Effekt sei der eigentliche Riese, auf dem der Zwerg der pharmakologischen oder chirurgischen Behandlung reite und nicht umgekehrt. Natürlich gibt es auch Fälle, in denen es nicht so ist, in denen die materielle Ebene der Behandlung Vorrang hat vor der des Glaubens und der Vorstellungskraft, wenn zum Beispiel einem Patienten, der im Koma liegt, blutdrucksenkende Mittel gegeben werden und diese wirksam sind. Dennoch illustriert das Bild des Riesen sehr gut, wie sehr wir bisher den Placebo-Effekt, also die Kraft unserer Vorstellung, unterschätzt haben. Walach schlägt vor, diesen Effekt, der mit der Kraft von Zuversicht, Hoffnung, Entspannung und Angstreduktion einhergeht, zukünftig als den Effekt der Selbstheilungskräfte zu bezeichnen. Dadurch wird die in jedem von uns existierende Heilkraft nicht zu einem unerwünschten Nebeneffekt medizinischer Forschung abgewertet, sondern als etwas für den Gesundungsprozess Wesentliches herausgestellt.

Das Wort »Medikament« stammt aus dem Lateinischen medica mente, was so viel bedeutet wie: »Heile durch den Geist«. Mit der Vorstellung, dass ein bestimmtes Medikament, eine Operation oder andere Therapie wirksam sei, entwickeln wir ein inneres Bild von Heilung. Wir fühlen uns entspannter und hoffnungsvoller als zuvor. Alle dies hat tatsächlich messbaren Einfluss auf unseren Körper. Deshalb ist es so wichtig, dass wir herausfinden, an welche Behandlung wir wirklich glauben, und diese dann auch durchführen. Nur wenn uns eine Therapie auch innerlich überzeugt, kann sie ihre volle Wirkung entfalten.

Schon Paracelsus hielt vor 500 Jahren die Imagination für die eigentliche Kraft im Heilungsprozess. Er führte aus, wir besäßen als Menschen eine sichtbare Werkstatt, unseren Körper, und eine unsichtbare, die Vorstellungskraft. Diese sei die Sonne in der Seele des Menschen. Er fügte weiter hinzu, dass der Arzt oder die Ärztin in uns selbst vorhanden sei! (Faulstich 2010)

Der Hirnforscher Gerald Hüther spricht ebenfalls von der Macht der inneren Bildern, die unsere Wahrnehmung von der Welt bestimmen und ordnen. Es sind diese im Gehirn gespeicherten Muster, die wir benutzen, um uns in der Welt zu orientieren. Offenbar entscheiden diese Bilder auch darüber, wie und wofür wir unser Gehirn benutzen. Joachim Faulstich stellt in seinem Buch Das Geheimnis der Heilung die These auf, dass unsere inneren Bilder die eigentlichen Steuerinstanzen sind, die Intelligenz, die das psychosomatische Netzwerk aus der Tiefe im Gleichgewicht hält (Faulstich 2010).

Bei einer ganzheitlichen Krankheitsbehandlung geht es dementsprechend nicht nur um die Bekämpfung von Symptomen, sondern um eine grundsätzliche Neuorientierung: eine Veränderung unheilsamer, häufig unbewusster Vorstellungen und Überzeugungen in Richtung heilender und wohltuender innerer Bilder.

Mithilfe der achtsamen Körperdialoge wird es uns möglich, unsere verborgenen, krankmachenden Bilder aufzuspüren. Einmal ins Licht des Bewusstseins geführt und körperlich gefühlt, findet unser Organismus dann häufig von selbst neue, heilende Bilder, die wiederum zu einer Neuorganisation des psychosomatischen Netzwerks führen. Am Ende eines Körperdialoges fühlen wir uns deshalb in aller Regel entspannter, wohliger und mehr in Einklang mit uns selbst. Wir haben neue Bilder und Einsichten gefunden, die uns stärken, heilen oder zumindest die Kraft geben, mit der Symptomatik oder der Erkrankung besser umzugehen.

WissenschaftlerInnen haben die seltenen Spontan-Heilungen von KrebspatientInnen untersucht, das sind Fälle, in denen Menschen entgegen aller Erwartung und ohne jede Behandlung wieder gesund wurden. Eine Gemeinsamkeit war, dass alle PatientInnen ihren ganz individuellen Weg gingen (Faulstich 2010). Wenn wir dies auf unseren Genesungsprozess übertragen, macht es zutiefst Sinn, dass wir unsere ganz persönlichen Bilder kennenlernen und neue, maßgeschneiderte Bilder für das finden, was Heilung für uns bedeutet. Sie werden in den Beispielen dieses Buches etliche solcher individuellen Heilungsbilder finden.