Kitabı oku: «Sternstunde», sayfa 3

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„Meinst du, du bist die Einzige, die etwas oder jemanden verloren hat?“, er schwitzte und sein Geruch bereitete mir Übelkeit. Es war an der Zeit zu gehen, solange Ahm Fen nicht die Überhand ergriff und der Spinne ein Dessert zubereitete. Ich blickte über seine Schulter hinweg und sah, wie sie sich an den Leichen zu schaffen machte. Ein Gefühl verriet mir, dass die Spinne jedes Wort verfolgte.

„Wage es nicht mir zu folgen“, drohend senkte ich meine Stimme. „Begegnen wir uns wieder, dann werde ich dich töten. Du bist mein Feind und ich bin deiner.“

Wütend trat ich dem Pferd in die Seite. Das arme Tier wusste nicht, wie ihm geschah und galoppierte schnaubend davon.

„Ich bin Yeleb“, schrie der Soldat mir ein letztes Mal hinterher.

„So ein Dummkopf“, murmelte ich.

Ein elender Dummkopf mit dem Namen Yeleb.

In meinem Traum wanderte ich durch dichten Nebel, vernahm das Geräusch von rollenden Blitzen und tosendem Donner. Von Angst getrieben lief ich blind weiter, bis der Nebel sich mit einem ohrenbetäubenden Peitschen lichtete.

Ich befand mich inmitten einer Bergkette, umzingelt von Stein, Donner und Poltern. Schützend hielt ich meine Hände an die Ohren, blickte im Schmutz kniend nach oben. Die Berge reichten bis zum Himmel hinauf, und ich fühlte mich so klein und verloren wie noch nie zuvor in meinem Leben.

Plötzlich bewegte sich die Erde, nein, es waren die Berge! Es knirschte und polterte, als sie sich in Bewegung setzten, und ich erkannte, dass es die Berge waren, die donnerten und polterten – nicht der Himmel. Sie redeten miteinander.

Bergriesen! Meine Tante behielt recht. Ich hatte sie gefunden, lief nun mit ihnen zusammen zu den ewigen Gefilden. Welche Freude! Welcher Segen! Endlich befand ich mich in Sicherheit.

Dann entdeckte ich sie. Ihre langen, leuchtend roten Haare wehten im Wind wie loderndes Feuer, und ihre Gestalt wirkte inmitten der Riesen so klein, wie ich mich fühlte.

Bakta lief nur eine Armlänge vor mir – gekleidet in Gold und kostbarster Seide. Ich rief ihren Namen, folgte ihren Spuren im Gras. Doch sie vernahm weder meine Stimme, noch drehte sie sich nach mir um und je schneller ich rannte, desto mehr entfernte ich mich von meiner Tante und den Riesen.

Zunächst schrie ich voller Verzweiflung Baktas Namen, dann verfluchte und beleidigte ich die Riesen in höchsten Tönen in der Hoffnung, sie kehrten um. Doch alle Rufe und Flüche blieben ungehört, und ich erkannte, dass sie ohne mich in die ewigen Gefilde zogen. Ich gehörte nicht mehr zu ihrem Volk. Sie wandten sich von mir ab.

Meine Stirn brannte so heiß wie die Tränen auf meinen Gesicht. Ein letztes Mal schrie ich Baktas Namen und beobachtete ihre Gestalt, wie sie im Nebel verschwand.

Das Geräusch von aufeinander schlagenden Steinen riss mich aus meinem Traum. Halb im Traum und halb in der Wirklichkeit wischte ich mir den Schweiß von der Stirn.

Ein Traum, flüsterte Ahm Fen. Vor dir liegt ein ganz anderer Weg. Wir erschaffen uns unsere eigene ewige Gefilde, mein Kind. Wir werden die Herrscher sein. Was kümmern uns Mythen und Legenden, wenn wir die Welt in den Händen halten können?

Ahm Fen sprach von immerzu von Blut und Macht. Sie sprach für uns beide, versprach den Himmel auf Erden und fragte nicht mit einer Silbe, ob ich den Weg mit ihr gehen wollte.

Ich weiß es nicht, gestand ich mir heimlich ein. Denn die Wahrheit war ganz einfach: Ahm Fen ängstigte mich. Wie weit würde sie mit mir gehen?

Erneut weckte das Geräusch von aufeinander schlagenden Steinen mein Interesse, und ich pirschte mich trotz der Warnungen meiner Göttin mit einer Waffe in der Hand durch Dreck und Sträucher. Geräuschlos schob ich Äste beiseite, erhaschte einen freien Blick auf eine Lichtung. In der Ferne entdeckte ich ein altes Weib, das mit Feuersteinen ein Feuer entfachte. Die Flammen schossen in den Himmel und mein Gefühl sagte mir, dass es sich um kein natürliches Feuer handelte. Wer war diese alte Frau, die mit einfachen Steinen solch ein Inferno entfachen konnte?

Alte Vettel!, zischte Ahm Fen mit einer Wut, die ich mir nicht erklären konnte. Meine Hände zitterten unter ihrem unerklärlichen Hass.

Weiter, mein Kind. Was interessiert uns ein altes Weib.

So gerne ich meiner Göttin auch gehorchen wollte, so sehr zog es mich zu der alten Frau. Ohne auf meine Deckung zu achten, trat ich hinter den Büschen hervor, und schritt so selbstsicher, wie mein Körper es erlaubte, der Fremden entgegen.

Aus der Ferne schätzte ich ihre Statur falsch ein. Vor mir ragte eine Riesin empor, so groß und mächtig wie ein Felsbrocken und ebenso stark mit dem Erdboden verbunden. Ihre Haut glich weißem, kantigen Stein, ihre Augen glänzten so schwarz und tief wie die Nacht und das graue Haar floss wie Wasser an ihrem Körper hinab in das Erdreich.

Ein einziger Blick aus ihren schwarzen Augen verbannte Ahm Fen in den hintersten Winkel meiner Seele und offenbarte das schwache Mädchen, welches ich in Wirklichkeit war. Ohne den lähmenden Schatten meiner Göttin fanden alle Gefühle, die ich seit Anbeginn meiner Reise in mir trug, den Weg zu mir empor, und ich brach unter ihrer Last zusammen. Die Alte murmelte unverständliche Worte. Ich brach zusammen, unfähig, mich gegen ihren Zauber zu wehren. Ich fühlte mich verloren.

Ihre Worte rissen ein Loch in meine Seele. Sie erschuf einen Abgrund, der alle meine Gefühle verschlang und ein Feuer in meiner Brust entfachte. Es fraß zunächst meine Freude, die Liebe zu meiner Familie und meinem Volk, dann meine Zuneigung und mein Mitgefühl. Und als von den wunderbaren Empfindungen keine mehr übrig blieben, verschlang es gierig meine Trauer. All die geweinten und nicht geweinten Tränen, den Kummer, meine Verzweiflung und am Ende meinen Zorn, der mein Handeln und Denken bestimmte. Je mehr der Abgrund von meinen Gefühlen fraß, desto größer und bodenloser wurde er. Es schrie danach, gefüllt zu werden. Doch was verlangte es? Die Gier hatte doch bereits alles an sich gerissen, was meine Seele bot.

Du musst den Abgrund füllen, wisperte Ahm Fen, die hinter der Dunkelheit meiner Seele hervor kroch.

„Füllen?“, fragte ich betäubt. „Mit was?“

Ein Lachen streifte meine Gedanken.

Mit Blut, mein Kind, antwortete sie höchst erfreut. Mit Blut.

Anklagend hob ich meinen Blick. Das alte Weib hatte mich verflucht, ohne dass ich auch nur ein Wort an sie gerichtete hatte. Der Dolch brannte in meiner Hand, und auch wenn die Riesin mich mit nur einem Schlag in den Erdboden rammen konnte, so verlangte der Abgrund in meiner Brust ihr Blut. Er schrie so laut danach, dass ich mich vor Verlangen krümmte.

„Du kannst dich nicht dagegen wehren“, sprach die Alte unerwartet sanft. „Ich habe dein Rufen vernommen Udelka Häuptlingstochter. Als niemand dich hörte, bin ich deinem Licht gefolgt. Doch nun, da wir uns Auge in Auge gegenüber stehen, erkenne ich nur noch ein schwaches Flackern.“

Ihr Mund bewegte sich, doch vernahm ich kaum ihre Worte. Auf meiner Zunge schmeckte ich ihr uraltes Blut, das so köstlich in ihren Venen rauschte. Wie das Feuer zu ihren Füßen, so stark brannte es in ihrem Körper und ich wusste, dass es mich mit den schönsten Empfindungen erfüllen würde.

Blut, Blut, Blut. Nur diese eine Melodie bestimmte meine Gedanken.

„Bist du eine Bergriesin?“, fragte ich und mein eigenes Blut rauschte in den Ohren. „Bist du mir gefolgt? Was willst du von mir?“

Keine Fragen. Nimm es dir, stimmte meine Göttin in das Lied mit ein. Es gehört dir. Das alte Weib hat den Abgrund in deiner Brust erschaffen. Sie bietet dir ihr Blut an. Nimm es dir! So warm, so kraftvoll, so befriedigend!

Meine Hand mit dem Dolch bewegte sich nach vorn. Wie in einem Traum schritt ich endlos langsam auf die Riesin zu.

„Dir gefolgt?“, ihre Stimme klang verwundert und wenig beeindruckt von dem winzigen Messer in meiner Hand. „Ich sitze schon immer hier. Das ist meine Heimat. Ich komme aus den Bergen und eine Riesin bin ich auch. Macht mich das zu einer Bergriesin? Und was bist du? Oh, ich sehe es. Du weißt es selbst noch nicht.“

Ihr Lachen klang rau, und die Frage was und nicht wer machte mich wütend.

„Du hast mich verflucht“, sprach ich und vernahm kaum meine eigenen Worte.

„Den Fluch hast du selbst herauf beschworen, als du Ahm Fen Zutritt in dein Herz gewährtest. So nennt sie sich doch, nicht wahr?“

„Sie ist meine Göttin. Wir leben nach Ahm Fens Gesetzen! Wie könnte sie mich verfluchen?“

„Aber, aber, kleines Wesen. Götter brauchen Menschen, aber Menschen brauchen keine Götter. Namen sind eine mächtige Waffe“, erklärte sie in Rätseln. „Ich sehe sie genau, deine Göttin oder wie auch immer du den Schmutz benennst, der deine Seele befleckt. Ihr Schatten bedeckt dein Licht. Ich öffnete nur eine Tür, hindurch gehen musst du allein. Traust du dich, Häuptlingstochter? Magst du sehen, wer du in Wirklichkeit bist? Ich sage dir: Erkenne dich selbst, Udelka. Lass nicht geschehen, dass Ahm Fen über dein Leben bestimmt.“

Ihre knochige, steinige Hand berührte meine Stirn. Die Berührungen der Riesin kratzten hinunter bis zu meinem Hals.

„Trenne dich von Ahm Fen“, flüsterte sie in mein Ohr. „Finde einen Ausweg.“

„Einen Ausweg?“, fragte ich spöttisch. „Alles was ich mir wünschte, war ein Ort, an dem ich in Frieden leben kann. Ein Ort ohne den finsteren König, ohne Krieg und ohne Verwüstung. Meine Göttin erschuf aus einem kleinen, schwachen Mädchen eine Kriegerin mit einem Ziel vor Augen. Was siehst du, altes Weib, wenn du in meine Augen blickst? Ich bin ein Monster, eiskalt und mit dem Verlangen nach deinem Blut.“

Du sprichst meiner wahrhaftig würdig!, stolz breitete Ahm Fen sich in meiner Brust aus. Die Zeit ist gekommen, das alte Weib zu vergessen. Hörst du ihr Blut rauschen? Es ist nur für dich bestimmt. Es gibt niemanden, der sich mit dir messen kann. Mit mir an deiner Seite bist du unbesiegbar – unsterblich.

Die Riesin neigte nachdenklich den Kopf zur Seite, als könnte sie Ahm Fen ebenfalls vernehmen.

„Du irrst sich, Udelka. Du bist kein Monster.“ Ihre Augen glühten wie die Kohlen im Feuer. „Ahm Fen missbraucht deinen Körper, um sich ihrer eigenen Leidenschaft ganz hinzugeben. Ohne Blut wird sie vergehen, und du versprichst ihr mit deinem Körper ein Dasein, von dem sie niemals zu hoffen gewagt hat. Ahm Fen nennt es Unsterblichkeit, nicht wahr? Denke nach. Möglicherweise bietet sie dir etwas an, das du längst besitzt.“

Mein Atem raste. In meinen Gedanken vernahm ich die Riesin, Ahm Fen und die Melodie des Blutes. Ich schüttelte meinen Kopf - schlug mir gegen die Ohren, aber am Ende überrollten mich das Verlangen und der Durst nach Blut.

Mit einem Sprung gelangte ich an die Brust der Riesin, und stach gezielt in ihr Herz. Ihre Haut war weich und sanft, nicht so steinig und hart, wie ich erwartet hatte. Das alte Weib wehrte sich nicht. Oder vermochte sie sich nicht zu wehren? Mein Blick haftete an ihren zahlreichen Wunden, die ich ihr zufügte, und Ahm Fen und ich lachten, als wir das flüssige Gold sahen, das aus der Riesin wie ein Bächlein sprudelte. Es war warm, köstlich. Während ich mich in ihrem Blut wälzte wie ein Schwein, verspürte ich solch eine Glückseligkeit wie noch nie in meinem Leben.

Der Abgrund schloss sich in meiner Brust, und ich hielt das endlose Hochgefühl mit Freude umschlossen. Mein Lachen hallte über die Lichtung, schreckte Vögel auf und vertrieb alle Lebewesen aus meiner Umgebung.

Dann, mit einem Schrei, riss eine unnatürliche Kraft meine Brust auseinander und der Abgrund verschlang gierig meine Glückseligkeit.

Ich wollte weinen, doch es gab keine Tränen mehr, die ich hätte vergießen können.

Kein Grund zur Trauer. Ahm Fen hatte das Lachen noch nicht verloren. Wir werden immer wieder Befriedigung finden, mein Kind. Immer dann, wenn uns das Verlangen packt, nehmen wir uns einfach, was wir brauchen. Niemand kann uns aufhalten.

„Es wird niemals enden?“

Mit Schrecken blickte ich an mir herab. Von Kopf bis zum Fuß war ich mit Blut besudelt. Es war nicht länger flüssiges, befriedigendes Gold, nein, es war das, was es eben war. Blut. Rotes, dickflüssiges Blut. Was hatte Ahm Fen mir nur angetan? Nein, was hatte ich mir angetan?

Zu meinen Füßen lag die alte Riesin. Ihre Augen glühten noch immer, und ihr Blick schien mir sagen zu wollen: „Erkenne selbst, wer du wirklich bist. Überlebe, Udelka.“

Dies waren auch die Worte meiner Tante gewesen. Sollte es mein Schicksal sein, als Monster mordend und nach Blut lechzend die Ewigkeit zu beschreiten? Ohne jemanden, der mich aufhalten konnte?

Lass dein altes Leben genau an diesem Ort. Du bist nicht länger die Tochter von irgendjemand. Es gibt kein Volk, das auf dich wartet. Es gibt nur dich, mich und die Welt, die vor uns liegt.

„Ich hasse dich“, flüsterte ich und spürte Ahm Fens böses Grinsen.

Die Riesin sagte, ich wäre kein Monster. Wie sehr sie sich täuschte, denn sie folgte meinem Licht, um von mir getötet zu werden. Nicht nur das. Ich trank ihr Blut, oh liebe Mutter, und es war das Köstlichste, das meine Zunge je zu schmecken bekam. Die Riesin sagte auch, sie öffnete für mich eine Tür. Eine Tür, durch die ich gegangen bin. Was hat es aus mir gemacht? Etwas unvorstellbares Böses.

Wohin sollte all das noch führen?

Der nächste Morgen legte sich wie ein würgendes Leichentuch auf die Erde.

An diesem Tag sah ich Welt durch die Augen meiner Göttin, fühlte mich leer und kalt. Ich betrachtete, wie meine Umgebung starb und gleichzeitig neu erblühte. Das Leben hatte an Bedeutung verloren. Ich gehörte nicht länger zu den Lebenden, aber auch nicht zu den Toten.

Mit welchem Zauber hatte die Alte mich belegt, und was stellte Ahm Fen mit meinem Körper an? War ich nur Zuschauer bei diesem elenden Stück?

Du gehörst zu mir, säuselte Ahm Fen mit lieblicher Stimme.

Seufzend verschränkte ich die Arme vor meiner Brust und betrachtete, wie die ersten Sonnenstrahlen den Tag begrüßten.

„Nicht, wenn ich es verhindern kann. Ich hasse dich.“

Ahm Fens Lachen erfüllte meine Gedanken. Mittlerweile war es das grässlichste Geräusch in meinen Ohren.

Ach, mein Kind, antwortete sie fast mütterlich. Du weißt doch nicht, was Hass ist – wahrhaftiger und reiner Hass.

Sie hatte recht, denn ich wusste gar nichts mehr.

„Mich beschleicht das Gefühl, dass ich nun Dankbarkeit zeigen sollte“, murmelte ich leise. „Wie du aber am besten weißt, Göttin des Blutes, ist auch Dankbarkeit eine Empfindung, die ich nicht mehr kenne.“ Über Hügel und Wiesen führte mich mein Weg, begleitet von düsteren Gedanken und einer Göttin im Geiste, bei dem jedes gesprochene Wort wie Gift wirkte.

Möglicherweise war es Ahm Fen, die mich auf diese Weise bestrafte, da ich ihr die Aufmerksamkeit verweigerte, die sie verlangte. Ahm Fen dürstete es nach Blut, und auch ich empfand dieses Verlangen, doch ich versuchte, dem zu widerstehen. Da keine Menschen in der Nähe weilten, ertrug ich den Durst mit eiserner Willensstärke. Meine Kehle brannte und die Melodie des Blutes begann, leise zu spielen, dennoch widerstand ich dem Drang, auf die Jagd zu gehen. Stolz erfüllte mich so lange, bis der Abgrund in meiner Brust auch dieses Gefühl verschlang.

Hin und wieder sah ich mich nach der Spinne um. Seit dem Vorfall im Lager der Soldaten war sie verschwunden. Hatte sie sich satt gefressen und ging ihrer Wege? Seltsam, ich empfand etwas für das Tier und der Gedanke versetzte mir einen leichten Stich. Sie rettete mein Leben und ich nannte sie Freundin. Auch wenn ich sie nicht entdeckte, war mir aber sicher, dass dunkle Augenpaare mich beobachteten.

Auf einem Hügel blieb ich stehen, sah von dort aus schwarzen Rauch in den Himmel empor steigen. Im Geiste erkannte ich die Drachen des finsteren Königs, und ritt näher heran. Neben meinem unvollständigen Leben war doch eines ganz gewiss: der finstere König musste sterben.

Mit einem Finger auf der Karte, las ich mir den Namen des Dorfes laut vor, das zwei Tagesritte von meiner Heimat entfernt lag. Eine Gemeinschaft mit der wir in Frieden lebten und regen Handel betrieben. Bis heute. Mein Vater pflegte seine Freundschaft zu Tantro, dem Häuptling des Dorfes. Ob seiner Familie dasselbe Schicksal ereilte? Mit einem unguten Gefühl ritt ich den Rauchwolken entgegen, in Hoffnung eine Seele lebendig zu finden.

Bereits an den Toren zum Dorf erblickte ich das Ausmaß der Verwüstung: Blutende, zerstückelte und geschändete Körper führten mich zum Herz der Zerstörung. Beim Anblick des Grauens merkte ich, wie trocken meine Kehle wurde, doch nicht vor Durst, sondern vor Entsetzen. Zu meinem Glück währte auch dieses Gefühl nicht lange.

Die gesamte Familie des Stammeshäuptlings Tantro hingen ausgeweidet und entehrt am Baum des Lebens, den jedes Dorf zur Gründung eines Stammes pflanzte. Mit nur einem Blick erkannte ich, wie alt der Baum war, denn er zerfiel nicht vor meinen Augen wie so vieles andere, das meinen Weg kreuzte. Es war, als stünde er bereits immer an diesem Platz.

Die Äste neigten sich mit dem Wind zur Seite, und ich vernahm sein trauriges Lied in der gespenstischen Stille der Zerstörung.

„Finsterer König“, wisperte ich kaum hörbar. Die Augen der Toten blickten auf mich herab und ich las den Vorwurf aus ihnen: Du kommst zu spät. Ihre Leiber schaukelten leicht mit der Brise des Windes, ich spürte die Kälte an meinen Knochen kratzen, und bei dem Geräusch des knarrenden Seils, drehte sich mir der Magen um.

Ich ertrug die Totenstille nicht länger, und auch nicht das drückende Gefühl auf meinem Herzen. Es war an der Zeit zu jagen. Ich wollte dem Verlangen nachgeben. Die Glückseligkeit war so nah, da stimmte ich meiner Göttin zu. Und ich war bereit, sie mir auf der Stelle zu verschaffen.

Während ich diesen Entschluss fasste, fand ein weiteres, düsteres Wesen den Weg ins Dorf – angelockt von dem Feuer der Drachen und dem Blut der Menschen. Es witterte mich, wie nur eine Bestie eine andere erkennen kann.

„Ich sehe, die Ewigkeit hat bereits jetzt ihren Reiz verloren.“ Bei diesen Worten brannte meine Seele im Feuer seiner Hände. Mit Vorsicht wand ich mich dem Wesen zu, und sah dieselbe stumme Leere in seinen Augen, die auch ich in mir trug.

„Wie bedauernswert.“

„Es ist nicht die Ewigkeit, die ihren Reiz verloren hat“, entgegnete ich mit fester Stimme. Wenn ich sogar die Kraft aufbrachte, eine Bergriesin zu töten, so konnte ich es mit einem Feuerdämon ebenfalls aufnehmen. „Es ist der Tod. Eines wird aber niemals seinen Reiz verlieren...“

„...Blut“, beendete der Dämon den Satz, roch leise stöhnend an meinem Haar. „Deine letzte Speise war ein ganz besonderer Leckerbissen. Köstlich. Und ich sehe, du bist in bester Gesellschaft. Ahm Fen hat sich an deine Seele geheftet.“

Die Göttin regte sich in meiner Brust, aber ich konnte nicht bestimmen, ob sie sich auf dieses Wiedersehen freute. Ich stand den Dämonen so nah, dass sein Geruch nach verbrannter Kohle mich benebelte und die Hitze seiner Haut mir Tränen in die Augen trieb.

„In meinem Dorf nennen wir dich Feo Kun“, stellte ich fest. Meine Hand lag tanzend auf dem Dolch. Meine Mutter erzählte mir abends Schauergeschichten über einen Dämon, der kleine Kinder aus den Betten stahl, wenn sie unerlaubt mit Feuer gespielt hatten.

„Das ist einer meiner Namen. Mein Ruf eilt mir also voraus. Was geschieht nun? Begehrst du mein Blut?“ Lachend warf er seinen Kopf nach hinten.

„Ja.“ In seinen Augen sah ich dasselbe Verlangen. Es gab aber noch etwas, das er mehr begehrte als alles andere.

Seine Finger berührten meinen Hals, hinterließen eine Spur aus Feuer auf meiner Haut. Als seine Hand die Stelle berührte, an der mein Herz schlug, glühten seine Augen wie brennende Kohlen.

„Blut kann sehr erfüllend sein, wenn man auf ein ehrbares Opfer trifft. Doch hast du eine Vorstellung davon, wie befriedigend eine Seele sein kann? Nehmen wir an, du wärst in der Lage, beides an dich zu reißen. Du trinkst das Blut deiner Opfer, während du mit Genuss eine Seele aus dem Körper saugst. Glaube mir, so nah wirst du den Sternen niemals kommen können. Es ist eine Offenbarung – der Sinn der Ewigkeit.“

Feo Kun bereitete mir ein weiteres Angebot. Ich verschwendete nicht einen Gedanken daran, es anzunehmen. Ein lästig gewordener Gast in meinen Gedanken reichte völlig aus.

„Nette Worte“, antwortete ich und hielt den Dolch an seine Kehle. Die Melodie erklang erneut, und sie spielte ein Lied über Feuer und Blut. Feo Kun fletschte die Zähne und gab ein wohliges Knurren von sich. Er hatte keine Angst vor mir. Das sollte ich ändern.

„Es gibt mehrere Gründe, warum ich dein Angebot ausschlagen muss. Zunächst teile ich meinen Körper bereits mit einer Göttin, und die Vorstellung, meine Gedanken auch mit dir teilen zu müssen ist geradezu unvorstellbar. Hinzu kommt, dass ich mir eher einen Arm abschneide, als dich näher wie eine Messerlänge heranzulassen.“

Sein Lachen klang wie das Knacken einer Feuerstelle.

„Zu guter Letzt: Alles, was ich begehre, ist Blut. Doch auch hier bin ich wählerisch. Es ist nicht das Blut der Menschen, das ich verlange. Es ist das Blut von Monstern, und deines wird auf meiner Zunge tanzen. Es wird mich in den Himmel heben und hinab in die Hölle schicken. Dein Blut wird mich sehr befriedigen. Mein Interesse gilt nicht deiner verdorbenen Seele. Sofern du überhaupt eine besitzt.“

Kaum war das letzte Wort gesprochen, packte Feo Kun blitzschnell meine Handgelenke, drückte so fest zu, dass der Dolch aus meiner Hand glitt und klirrend zu Boden fiel.

„Du kannst mich nicht töten“, zischte der Dämon, und sein Haar schoss in Flammen von seinem Kopf. „Wer bist du schon, dass du es wagst, dich gegen mich zu stellen? Ich bin ein Dämon, mächtig und alt. Ich fraß bereits Seelen, als es euch mindere Kreaturen noch nicht gab. Also, was willst du tun, Mädchen?“

„Ich brauche keine Waffe, um mich an deinem Blut zu laben, Feo Kun.“

Meine Worte verwirrten ihn, und ich benötigte nur diesen einen Augenblick der Starre, um zu bekommen, was mein war. Kraftvoll schlug ich meine Zähne in seinen Hals, riss Haut, Muskeln und Sehen auseinander. Schreiend hielt sich der Feuerdämon die blutende Wunde, aus der meine Belohnung sprudelte. Aus seinen weit aufgerissenen Augen wich die Arroganz. Ahm Fen kicherte über das Erstaunen, das aufflackerte. In der nächsten Sekunde lag der Dolch wie ein alter Freund in meiner Hand, beendete mit mir gemeinsam das begonnene Werk.

Feo Kuns Körper fiel zu Boden und ich trank gierig aus seiner blutenden Wunde. Ich genoss meinen Sieg, schmierte mir sein Blut auf das Gesicht, Arme und Beine. Es brannte auf meiner Haut als stünde ich in Flammen, aber es machte mir nichts aus. Ich liebte das Gefühl sogar und kostete es aus.

Du hast es dir verdient, triumphierte Ahm Fen, und lachte mit mir.

„Es ist mein Sieg“, knurrte ich wütend über ihre falsche Freundlichkeit. Sie hörte mit dem Lachen nicht auf, genoss das Blut so sehr wie ich, aber das musste aufhören und zwar sofort. Es war mein Verdienst, nicht ihrer! Aus meiner Kehle drang ein tierähnliches Fauchen, Hitze überschwemmte meinen Körper und mit schmerzhaften Krämpfen in meinen Muskeln, wallte ein Feuer in meiner Brust hoch, das Ahm Fen in die hinterste Ecke meiner Gedanken verbannte.

Götter brauchen Menschen, aber Menschen brauchen keine Götter, so sagte es die Alte.

Ahm Fen war auf meinen plötzlichen Angriff nicht vorbereitet, genauso wenig wie ich selbst.

Wer war ich? Was war ich?

Es wurde Abend und ich entdeckte auf meiner Reise einen See, und nutzte die Gelegenheit, das Blut Feo Kuns von meinem Körper zu waschen. Zunächst suchte ich mir einen passenden Rastplatz und stellte eine einfache Falle auf, um für mein Abendessen zu sorgen. Ahm Fen betrachtete mürrisch mein Werk und hoffte, dass es keinen Hasen zum Essen geben würde. Sie bevorzugte Blut, aber für mich musste es auch noch etwas anderes geben. So wünschte ich es mir zumindest.

Der Frühling nahte. Ich erkannte es nicht nur an den Pfützen des geschmolzenen Schnees, ich spürte es auch in meinem Knochen und in der Luft lag ein blumiger Duft, der die Kälte vertrieb.

Das Wasser war eisig. Ich sprang kopfüber hinein und vor meinem Mund bildeten sich kleine Rauchwolken. Die Kälte schadete mir nicht und ich genoss mein Bad in vollen Zügen. Seit der Bergriesin veränderte sich mein Körper. Welche unheimliche Tür meiner Seele hatte sie geöffnet? Was geschah mit mir? Eine Sache machte sie mir ganz deutlich: Ahm Fen musste verschwinden und mittlerweile war es mir ganz recht. Die Reise lehrte mich Ahm Fens Rücksichtslosigkeit und ich gestand mir ein: Ahm Fen liebte nur sich selbst und benutzte mich als Trichter für ihre Leidenschaft.

Auf den Rücken liegend öffnete ich die Augen und blickte in einen sternenklaren Himmel. Der Wintermond starrte bleich auf mich herab und mit ihm, schlichen sich Träume in meine Gedanken. Geheime Wünsche, die ich dem See anvertraute. Wie schön wäre es, ein Stern am Himmel zu sein? Die Stille, die Einsamkeit und nur die Anwesenheit von anderen Sternen, die liebten, wer sie waren. Es musste ein wahrer Segen sein.

Du hast mich, flüsterte eine leise Stimme und wagte sich in einen Schritt in den Vordergrund. Seit dem Feuer kehrte Ahm Fen mir beleidigt den Rücken zu.

Eine Reise mit mir ist jedes Opfer wert.

Knurrend schüttelte ich meinen Kopf. Wie konnte ihre Stimme mir in den wenigen Tagen so lästig werden?

„Eine Reise mit dir ist der Gang durch das Feuer. Es ist ein Albtraum.“

Ahm Fen hatte mit ihren giftigen Worten mein Bad verdorben, und ich begann zurück zum Ufer zu schwimmen.

Das Ufer lag noch weit entfernt, da sah ich den Nebel, der über das Wasser kroch. Mein Körper zitterte, doch nicht vor Kälte. Ich spürte sofort, dass der glitzernde Nebel kein natürlicher Nebel war, und dass der nächste Kampf mich erwartete. Der Nebel umschloss mich in einem Ring, ich sah nichts außer silbernem Dunst.

„Wer zur Hölle wagt es, mich herauszufordern?!“, brüllte ich und schlug auf das Wasser. „Meine Waffen liegen an Land, du feiges Schwein!“

„Waffen sind nutzlos“, antwortete eine Stimme.

Der Nebel raubte mir die Sinne. Ich konnte nicht bestimmen, ob die Stimme von nah oder fern sprach. So wie der Nebel war sie überall. Der Dunst legte sich auf meine Haut, und ich tauchte unter Wasser. Ahm Fen hatte sich bereits in meinen Geist geschlichen. Ich ließ es nicht zu, dass ein Gespenst Besitz von meinem Körper ergriff. Gegen meinen Willen wagte es niemand mehr, mich zu berühren.

Nach Luft schnappend tauchte ich wieder auf, hoffte unter dem Nebel hindurch geschwommen zu sein. Ich strich die nassen Strähnen meines roten Haares aus den Augen, und als ich die Augen öffnete, stand sie direkt vor mir. Ihre Kraft überrollte mich wie ein Donnerschlag, schnürte mir die Kehle zu. Mit ihrem Erscheinen verschwand der Nebel, sie schwamm ebenso nackt und unbewaffnet im Wasser wie ich.

Immerhin, murmelte ich in Gedanken. Wollte sie kämpfen oder mich anstarren? Unruhig wand ich mich unter ihrem Blick, der über mein Gesicht strich und mir eine Gänsehaut bereitete. Auch meine Göttin regte sich in meiner Brust, zischend und übel gelaunt.

Die Fremde sah aus wie ein Mensch, auch wenn ihre Kraft mir etwas gänzlich anderes deutete. Ihr langes, silbernes Haar schwamm auf der Wasseroberfläche, es funkelte im Mondlicht wie ein Meer aus Diamanten. Das Lächeln in ihren grünen Augen war freundlich, aber ich traute ihr keinen Fingerbreit. Eine Nackte, die aus dem Nichts erschien? Das konnte nichts Gutes bedeuten. Ich drückte meine Feindlichkeit mit einem Knurren aus.

„Es wird keinen Kampf geben.“

Die Fremde antwortete auf eine Frage, die ich mir gerade selbst gestellt hatte: Wie könnte ich sie am klügsten angreifen? Schätze deine Feine ein und handle schnell. Das waren einst die Worte meines Vaters. Mit guten Ratschlägen sparte er nie, gab mir aber nie Schwert in die Hand. Insgeheim war ich erleichtert. Ich wollte nicht gegen die Fremde kämpfen.

Mich in den höchsten Tönen verspottend, fuhr meine Göttin ihre blutdurstigen Fänge aus. Sie tastete lüstern nach dem Blut der Fremden. Das Verlangen zerriss meine Brust und der Abgrund öffnete sich. Mit großen Augen starrte ich auf die Fremde, die nicht sehen konnte was mit mir geschah, oder etwa doch? Die Worte: Ich will dein Blut nicht, halte mich auf! lagen auf meinen Lippen, aber vor Verlangen quälten sich gurgelnde Laute aus meinen Mund. Die Frau schwamm näher an mich heran. Nein, dachte ich würgend, aber da war es zu spät. Meine Hände packten ihren Haarschopf, ihr Kopf wirbelte nach hinten und meine Zähne lagen knirschend an ihrem Hals. Mit der Zunge leckte ich über ihre glatte Haut, schmeckte Blütenstaub und Honig, während ihre Hände sanft auf meinen Schultern ruhten. Sie sprach zu mir - ohne Zauber: „Beende es. Hier und jetzt.“

Ich wusste genau, was zu tun war.

Nein!, schrie Ahm Fen, als meine Zähne sich vom Hals der Fremden lösten, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen. Der Bann war gebrochen und ich entschied mich für das Richtige. Mein Mund klappt zu. Ahm Fen konnte sich zum Teufel scheren.

Wie gewöhnlich suchte Ahm Fen ein Versteck in meiner Seele, aber es gab keine Ecke mehr, in der sie Schutz suchen konnte. Das Feuer wallte in meiner Brust auf und erhellte jeden Winkel. Ahm Fen fluchte, spuckte, bettelte, aber ich gewährte ihr keinen Unterschlupf mehr.

Warme Finger legten sich auf meinen Brustkorb und ich spürte, wie die Fremde etwas aus mir heraus zog. Sie hielt eine kleine Flamme in den Händen und als ich sie so betrachtete wusste ich, dass sie zu mir gehörte. Ahm Fen schrie noch lauter und winselte um Gehör. Sie war mir egal. Alles was zählte war dieses Licht.

„Gehört es mir?“, flehend bat ich um Bestätigung.

„Natürlich, wem soll es sonst gehören? Du bist das Licht, Udy und wenn du dich erkennst, dann wirst du hell am Himmel erstrahlen. Das Licht unterscheidet dich von allen Monstern, auf die du treffen wirst.“

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