Kitabı oku: «Sternstunde», sayfa 4

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Mit langsamen Bewegungen führte sie die Flamme zurück an meine Brust, legte ihre Finger an die Lippen und lächelte zufrieden hinter erhobener Hand. Sie freute sich für mich!

„Tu es“, sprach sie nun aufgeregt. „Zeige mir dein Feuer.“

Und das tat ich. Es war so einfach. Ahm Fen schrie, bäumte sich auf wehrte sich gegen das Licht, das sich in meiner Brust ausbreitete.

Denkst du tatsächlich, du kannst gegen mich kämpfen? Mich vernichten? Du hast mich in dein Herz gelassen, deine Seele erflehte meine Hilfe. Stehen die Türen erst offen, wirst du mich nicht mehr los. Ich bin deine Göttin. Wage es nicht!

Mein Feuer hüllte sie ein. Es gab kein Entkommen und Ahm Fen wusste es.

Kind, oh mein Kind. Ihre Stimme nahm den Klang meiner Mutter an. War ich nicht immer für dich da? Was tust du mir nur an? Ich liebe dich. Mein Kind!

„Es reicht!“, ich öffnete den Mund und schwarzer Rauch qualmte empor. „Du gehörst nicht zu mir!“

Mit einem Grollen spuckte ich Feuer gen Nachthimmel und mit dem Strahl würgte ich Ahm Fen aus meinem Herzen, die fluchend dem Feuer zu entkommen versuchte. Ihr Körper war ein einziger unförmiger Schatten, nur die bösartigen Augen stachen aus dem Dunklen hervor.

Ich finde einen anderen Körper, fauchte sie mit verzerrter Stimme. Einen besseren!

„Das wirst du nicht“, sprach die Fremde, die nicht von meiner Seite wich. Mit einer Hand deutete sie auf Ahm Fen. Silberner Nebel strömte aus ihrer Haut und hüllte den bösen Schatten zusammen mit meinem Feuer ein. Das Zusammentreffen von Hitze und Kälte verwandelte sich in einen Wirbelsturm, der auf dem Höhepunkt seiner Geschwindigkeit Ahm Fen zerriss. Sie war fort, ihr Schrei verstummte für immer und ich? Ich war endlich frei.

Glücklich drehte ich mich zu der Fremden um, wollte ihr danken, sie umarmen, sie nicht mehr gehen lassen, aber sie war verschwunden und alles, was von ihr übrig blieb, war der Silber glitzernde Nebel.

„Danke“, flüsterte ich und wusste, dass ich allein war. Ganz allein, denn es gab niemanden mehr, der auf meinem Herzen saß und spottenden Kommentare verlauten ließ. „Warum verschwindet bloß alles Gute aus meinem Leben?“

„Ich muss weiter“, erklang ihre Stimme aus dem Nebel. Nein, es war der Nebel selbst! „Wir werden uns wiedersehen, Udy.“

„Aber wann?“, ich konnte nichts daran ändern. Meine Stimme klang hilflos erbärmlich.

„Eh du dich versiehst. Ich schicke dir eine Erinnerung“, ihr Lachen erklang. Der Nebel wirbelte um mich herum, nahm Abschied, und löste sich dann einfach auf.

Kopfschüttelnd schwamm ich zum Ufer zurück. War das alles wirklich geschehen? Hatte ich es mir nicht eingebildet? Es fühlte sich an wie ein Traum, aber die Stille war so real.

An Land angekommen, wickelte ich mich in Baktas Mantel und sog ihren Duft ein. Hast du das alles gewusst Tantchen? Hast du mich auch in deinen Träumen gesehen?

Dann begann ich zu lachen. Ich lachte so laut und so lange, bis ich vor Erschöpfung einschlief.

Frei...

Am nächsten Morgen erwachte ich mit schlimmen Kopfschmerzen, als hätte ich mit hunderten Bergriesen und Feuerdämonen zur selben Zeit gekämpft. In Baktas Mantel gehüllt lag ich da, wie ich am Abend zuvor eingeschlafen war. Ich erinnerte mich an silbernen Nebel, grüne Augen und Diamanten, die im Mondlicht schimmerten. War es ein Traum oder packte mich nun endgültig der Wahnsinn.

Den Kopf reibend und fluchend sammelte ich meine Kleidung ein. Das Feuer war längst herunter gebrannt, und in der Falle lag kein Hase. Das Frühstück fiel also aus.

Prüfend führte ich meine Hand an die Brust, erfühlte meinen Herzschlag. Er war kaum zu spüren, und unter meiner Berührung bemerkte ich das bekannte und verhasste Reißen in der Mitte meiner Brust. Mein Hals wurde trocken, meine Hände zitterten und sehnsüchtig reckte ich meine Nase in den Wind. Das Fleisch eines Hasen konnte mich bei weitem nicht so sättigen, wie das zäh fließende Blut eines warmen wohligen Körpers, dessen Herz schnell und regelmäßig schlug.

Dann wurde es mir mit einem Schlag bewusst: Ahm Fen hatte mich benutzt UND betrogen! Ich dachte, aufgrund ihrer Leidenschaft verzehrte ich mich nach Blut, aber es war ganz anders. Ich war das Monster, das nur ein weiteres blutdurstiges Monster beherbergte. Ahm Fen erkannte die Gelegenheit, verführte mich. Lenkte gar sie mich zu der Bergriesin? Erst bei diesem Zusammentreffen entflammte das Verlangen! Die Alte grub in meiner Seele und befreite etwas Dunkles und Böses. Ob meine Eltern davon wussten? Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich an all die Momente dachte, in denen ich zu Hause bleiben musste. Kochen, putzen, Tiere versorgen. Öffentliche Versammlungen? Oh nein, mein Kind, sprach da meine Mutter. Ich brauche dich hier zu Hause.

Zu Hause! Verborgen und weg gesperrt! All die Jahre.

„Verdammt seien alle Götter dieser Welt und der Welt der Unsterblichen!“, schrie ich meine Wut hinaus. Gierig sog der Abgrund meine Gefühle auf, zurück blieb nur das dumpfe Gefühl, der größte Narr der Erde zu sein.

„Wusstet ihr, wer ich war?“, der See verschluckte meinen Schrei. Ich erwartete Ahm Fens Antwort, doch es blieb still. Meine Gedanken durchforstend suchte ich die Schwere ihres Schattens – ihre giftigen Spuren, die sie auf meiner Seele hinterließ. Nichts. Ein Blick auf meine Hände sagte mir, dass es sich doch nicht um einen Traum handelte. Meine Finger lagen noch immer auf meiner Brust, und das weiße Licht, das hindurch schimmerte, weckte alle Erinnerung von vergangener Nacht.

Es ist kein Traum, dachte ich verletzt. Es ist alles die bittere Wahrheit und es gibt niemand mehr, der weiß wer oder was ich bin...

Eh du dich versiehst. Ich schicke dir eine Erinnerung.“

Ja, nickte ich stumm, als könnte sie meine Antwort noch vernehmen. Wir werden uns wiedersehen und bis dahin, verliere ich nicht mein Ziel aus den Augen.

Mein Blick schwang gen Süden, und sogleich erhaschte meine Nase den Duft warmen, süßen Blutes. Menschen - verschwitzt, ängstlich und verstört. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Diesen einen Duft unter den zahlreich verschwitzten Körpern erkannte ich wieder. Männlich, vorlaut und vom Wein so besoffen, das er nicht mehr in der Lage war, seinen eigenen Namen zu nennen.

Ich kannte ihn sehr gut: Yeleb.

Meine Nase führte mich in ein weit abgelegenes Dorf, dessen stümperhafte Holzbarrikade nicht einen einzigen Ansturm der finsteren Soldaten standhalten könnte. In der Ferne arbeiteten die Bauern wie gewohnt auf dem Feld, als stünde ihnen kein Angriff bevor. Dumme, unbeschwerte Menschen, dachte ich grummelnd. Die Soldaten werden keinen Stein auf den anderen lassen, keine Frau bliebe unentdeckt und jeder Mann wird unter dem Eisenschwert schreien, wie die Kinder, die sie nicht beschützen konnten.

Das unbeschwerte Lachen und Treiben der Dorfbewohner verstummte augenblicklich, als sie mich am Dorfbrunnen entdeckten. Ihre Blicke verfolgten jeden meiner Schritte. Verständlich, denn in meiner schmutzigen und blutigen Kleidung bot ich einen schaurigen Anblick. Meine roten, verfilzten Haare verliehen mir das Aussehen einer Wilden, und mein finsterer Blick versteinerte ihre Bewegungen. Am Dolch haftete noch Blut, von dem ich nicht mehr bestimmen konnte, von wem es stammte. Auf meinem Weg hierher hatte ich schon so viele getötet.

Aus der Menge trat eine junge Frau, mit hübschen braunen Locken und einem Gesicht, auf dem die Unerfahrenheit geschrieben stand. Der Sand dämpfte ihre Schritte, und dennoch war es das einzige grelle Geräusch, das die Stille durchbrach.

„Komm mit mir“, sprach die Frau mit hoher Stimme, reichte mir ihre kleine Menschenhand.

Ihr Blut erinnerte mich an eine Wiese im Frühling. Grün und saftig wuchs das Gras unter den ersten Sonnenstrahlen heran, und die ersten Blumen erwachten aus ihrem Winterschlaf. Der Wind trug ihren süßen Duft über das Land, und alles erleuchtete in einem neuen Licht.

Je länger ich sie betrachtete und den wundervoll leichten Geruch ihres Blutes einsog, desto schneller alterte die Frau vor meinen Augen. Nur widerwillig löste ich den Blick von dem Menschlein und blinzelte den roten Schleier fort, der meine Sinne benebelte.

Nicht sie, rief ich mich zur Vernunft. Das brennende Verlangen schmerzte in meiner Brust, doch wegen ihres Bluts hatte ich den Umweg nicht auf mich genommen.

Warum nicht? fragte ich mich auf der anderen Seite. Die Soldaten des finsteren Königs waren bereits auf dem Weg, und wenn sie eintrafen, würde dieses Dorf bis in den Himmel hinauf brennen. Ich wusste, dass mein Feind ein gutes Feuer schätzte, und nichts brannte so gut wie die Eroberung. Die Menschen werden unter den Schwertern des Königs fallen. Welche Verschwendung wäre ihr Tod für mich?

„Mein Name ist Dora“, fuhr sie fort, während ich meine Entscheidung von allen Seiten betrachtete.

„Dora“, wiederholte ich leise. Ein kleiner Name für ein winziges Menschlein.

„Mir gehört die Schänke, gleich dort vorne.“ Mit ihrem Arm deutete sie an der glotzenden Menschenmenge vorbei auf ein kleines Haus. „Ich biete dir Kleidung und Essen.“

Die Augen der Menschen glühten auf meinem Rücken, als ich der Frau stumm zu ihrer Schänke folgte. Noch immer wägte ich ab, von ihrem Blut zu kosten. Dora öffnete die Tür. So unauffällig das Haus von außen wirkte, umso gemütlicher war es im Inneren eingerichtet. Auf den Stühlen lagen Felle, Kerzen aus Bienenwachs standen auf den Tischen und verströmten einen angenehm lieblichen Duft. Die Wände hatte Dora mit Ebenholz verkleidet, am Ende des Raumes entdeckte ich neben dem Schanktisch einen Kamin.

In meinem Dorf hatten wir sehr einfach gelebt. Aus diesem Grund verachteten uns die Menschen. Wir lebten von dem, was die Natur uns bot, schneiderten unsere Kleidung aus der Haut und den Fellen der Tiere, und unsere Hütten bestanden aus Lehm und Holz. Statt auf Stühlen saßen wir auf dem Erdboden, und eben dieser war unser Tisch. Ich spürte einen leichten Stich in meiner Brust, der nicht von Ahm Fens Fluch her rührte. Möglicherweise handelte es sich um Heimweh.

„Bitte setz´ dich.“ Dora rückte einen Stuhl zurecht, auf den ich mich zögernd niederließ.

„Ich habe keine Münzen“, antwortete ich. An meinem Akzent musste Dora erkennen, woher ich stammte. „Ich kann dich nicht entlohnen.“

Einen Augenblick musterte sie mich schweigend.

„Damit habe ich auch nicht gerechnet, Fremde“, sprach sie schließlich lächelnd. „Ich begnüge mich mit deiner Gesellschaft.“

Dora drehte sich um und eilte zum Schanktisch. Wenig später kehrte sie mit einem Getränk zurück, das sie Gerstensaft nannte. Es schmeckte scheußlich. Sie brachte mir ebenfalls Obst und Brot, welches ich aus Höflichkeit verspeiste. Die Speisen schmeckten nach Asche und Staub, und das Rauschen ihres Blutes öffnete den verhassten Riss in der Brust Stück für Stück, bis meine Kehle vor Verlangen brannte.

„Es wäre besser gewesen, du hättest mich den Dorfbewohnern überlassen.“

„Glaube mir, einen Moment länger und sie hätten dich in der Luft zerrissen. In meiner Schänke bist du vorerst sicher.“

Dora konnte natürlich nicht wissen, dass es mein Wunsch gewesen war, angegriffen zu werden. Leichter konnte ich nicht an das Blut der Menschen gelangen, ohne mich in der Nacht mit Albträumen zu plagen.

„Es kommen meist nur Ehemänner hierher, weil sie wissen, dass ich sie nicht an ihre Frauen verpfeife“, lachend schlug sie auf den Tisch. „Du bist nicht sehr gesprächig, oder?“

Ich hob entschuldigend die Schultern und trank von dem Bier, in der Hoffnung, das Brennen in meiner Kehle zu mildern. Vergebens.

„Die Dörfler trauen mir nicht. Ich sehe Dinge, verstehst du? Nein, wie könntest du. Ich verstehe es ja selbst nicht. Sie fürchten sich vor meinen Träumen – Visionen, die mir von einem Augenblick zum nächsten erscheinen. Letzte Nacht da...“

„Hör zu, Menschlein“, unterbrach ich Dora barsch. Wo war ich bloß hinein geraten? Sah ich wie jemand aus, dem man sein Herz ausschüttete? „Gib mir die Kleidung, die du mir versprochen hast und ein Bett. Ich will schlafen. Sobald die Sonne untergegangen ist, breche ich auf. Ich brauche Ruhe, und keine Geschichten.“

Etwas in ihrem Blick zerbrach, und Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln, die sie mit schneller Hand trocknete. Dora konnte wissen, welchen ungehobelten Klotz sie sich ins Haus schaffte. Sie hatte Visionen, Träume und lud eine Mörderin in ihr Heim ein? Was für eine dumme Gans.

Auf der anderen Seite war sie nett zu mir. Ich wollte ihr kein Leid zufügen, sondern musste aus ihrer Gegenwart verschwinden, wenn sie nicht unter meinen Händen sterben wollte. Ihr Blut war einfach zu köstlich, und jeder weitere Moment mit ihr trieb mich an den Rand des Wahnsinns.

„Folge mir“, sprach sie nun leise. Wir standen auf und ich folgte ihr die Stufen zum Dachgeschoss empor.

Wir betraten ein Zimmer mit einem sauberen Bett in der Mitte des Raumes, einem kleinen Waschtisch mit frischem Wasser und sogar Kleidung, die auf dem Nachttisch bereit lag, als hätte Dora auf mein Erscheinen gewartet.

Wissend traf mich ihr Blick, als ich ihr dankbar zunickte. Ohne ein weiteres Wort schloss ich die Tür, und erst als ich ihre Schritte verstummen hörte, trat ich an das Fenster und blickte zum Dorfplatz hinunter.

Als wäre nichts geschehen, gingen die Menschen ihrer Arbeit nach. Meine Nase verfolgte die Spur, die sie hierher geführt hatte und wurde kurze Zeit später fündig. Yeleb trat hinter den Hütten hervor, wurde sogleich von mehreren Menschen bestürmt. Dreckig und schwitzend wehrte er ihre Rufe ab. Eine Greisin mit weißem Haar warf sich vor ihm auf den Boden, schrie und streckte die Hände betend zum Himmel.

Die Götter verfolgen ihre eigenen Pläne, alte Menschenfrau, dachte ich kopfschüttelnd.

„Mein Sohn“, vernahm ich ihre Schreie. „Wo ist mein Sohn?“

Nun stimmten alle Dorfbewohner in den traurigen Gesang der Greisin ein – weinten, schrien und beteten zu ihren Göttern, die auf die Menschen hinab blickten und lachten.

„Sie sind begraben“, antwortete er nun mit letzter Kraft. „Ich habe sie alle begraben!“

Yeleb beugte sich zu der alten Frau hinunter, die ihn mit den Fäusten auf die Brust schlug, bis er seine Arme öffnete, um ihr Trost zu spenden.

Aus den Augenwinkeln beobachtete ich Dora, die wegen dem Lärm vor die Türe ihrer Schänke trat, und nachdenklich zu mir hinauf blickte.

Ich kehrte ihr den Rücken zu und erholte mich ein paar Stunden in einem Bett, das auf seltsamen Stelzen gebaut wurde.

Nachdem die Sonne untergegangen war, verließ ich mit neuer Kleidung das Zimmer und trat die Stufen hinunter, die geräuschvoll unter meinen Schritten knarrten. Vor der Eingangstür traf ich auf Dora. Ihre roten Augen verrieten, dass sie geweint hatte, und ihre Hände hielt sie zitternd hinter ihrem Rücken versteckt.

„Sie werden kommen, nicht wahr?“, fragte sie. Ich wusste, worum es sich handelte.

„Ja“, antwortete ich knapp. Der Schmerz in ihren Augen durchbohrte mich und traf mein Herz. Was hätte ich vor wenigen Tagen dafür gegeben, zu wissen, welcher Feuersturm uns erwartete? Warum sollte ich die Menschen warnen? Nahmen sie an meinem Schicksal teil? Was kümmern sie mich?

Zum Teufel, wem machte ich etwas vor? Zu dem Zeitpunkt, als Dora mich in ihr Haus einlud, waren mir die Menschen nicht mehr egal.

Dora trat auf mich zu. Das Verlangen wurde in ihrer Nähe immer unerträglicher.

„Warum?“ Tränen rollten über ihr gerötetes Gesicht.

Gab es auf die Frage „Warum“ eine Erklärung?

„In Zeiten des Krieges kennt der finstere König weder Verbündete, noch Feinde“, meine Hand berührte tröstend ihre Schulter. Dora griff dankbar nach meiner Berührung, die ich sofort zurück zog. „In der Luft hängt der Atem der Drachen. Sie werden bald erscheinen, und euer Dorf mit ihrem Höllenfeuer niederbrennen.“

„Ich wusste es.“ Bestürzt hielt sich Dora beide Hände vor den Mund. „In einer Vision habe ich es deutlich gesehen. Rauch, Feuer und Blut... Die Drachen kreischten am schwarzen Himmel, und ich habe das Gesicht eines Mannes gesehen. So finster und kalt. In seinen Augen erblickte ich den Tod. Er war der Tod.“ Ihr kleiner Körper erzitterte. „Dann, umgeben vom schwarzen Rauch und Feuer, erblickte ich rotes Haar und eine Narbe, die im Schein des Drachenatems leuchtete. Ich habe dich gesehen, Fremde. Ich wusste, du wirst uns vor dem finsteren König retten.“

„Es reicht, Dora!“, brüllte ich, und schlug Dora härter ins Gesicht, als ich es beabsichtigte. Stumpf stürzte die Menschenfrau zu Boden. In meiner Hand lag zitternd der Dolch, und als ich mich zu ihr herab beugte, erblickte Dora in meinen Augen die Bestie, die ich nicht mehr vor ihr verbergen konnte.

„Ich kämpfe nur für mich! Meine Taten retten niemanden.“

Schwer atmend steckte ich den Dolch in den Schaft. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte Dora meine Bewegungen, und in ihrem verheulten Blick konnte ich nun erkennen, warum ich es nicht über mein Herz brachte, sie auszuschlürfen wie eine reife Frucht. Die Erinnerung streifte mich wie ein Blatt im Wind. Vor mir hockte das kleine Mädchen, das ich einst gewesen war. Wir wurden zur Belustigung der Götter erschaffen, um unser Leben in einem ewig währenden Kampf zu bestreiten und um statt von Liebe, von Furcht und Beleidigungen umgeben zu sein. Weil wir immer anders sein würden als alle anderen unseres Schlages.

„Was soll ich denn nur tun?“ Ihre Unterlippe zitterte, und ihre Hilflosigkeit stand wie ein Schild zwischen uns.

Ich schnaubte. „Packe das Nötigste, und renne so schnell dich deine Füße tragen können.“

Entschlossen öffnete ich die Tür, achtete nicht weiter auf ihre Tränen, die mein Herz so sehr berührten. Der Abgrund verlangte nach Blut und Dora sollte nicht zu meinen Opfern zählen.

Dank der Dämmerung befanden sich die meisten Dorfbewohner in ihren Hütten. Meine Brust schmerzte mittlerweile so sehr und in meiner Kehle brannte ein Feuer, dass ich sofort Yeleb finden musste, bevor ich den schnellen Weg wählte und Dora tötete.

Der Wahnsinn ließ mir am Ende meiner Kräfte keine andere Wahl.

Sein Geruch war überall, aber am stärksten vernahm ich ihn nicht weit von Dora entfernt, in einer weiteren Schänke. Im Schatten verborgen wartete ich auf Yeleb wie eine Spinne auf ihre Beute, geduldig und immer hungrig.

Eine Stunde später stolperte der Soldat die Stufen der Schänke hinunter, lachte betrunken und stürzte erneut in den Sand.

Blitzschnell trat ich aus den Schatten heraus, packte ihn an dem Kragen seines Hemdes und zog ihn in einen Gang zwischen zwei Hütten. Ächzend richtete ich ihn auf, und setzte mich ihm schweigend gegenüber. Er roch nach dem scheußlich schmeckenden Gerstensaft, aber ich blendete den Geruch aus und konzentrierte mich auf den süßen Duft seines Blutes, das warm in seinen Adern floss und für mich die schönste Melodie sang.

Leise murmelnd und nicht Herr seiner Sinne, wischte er sich den Dreck aus den Augen, blinzelte in die Dunkelheit und sackte schließlich seufzend zusammen, als er mich erkannte.

„Bei allen Göttern.“ Seine Augen drehten sich bei dem Versuch, einen klaren Gedanken zu fassen. „Träume ich?“

„Nein“, flüsterte ich mit rauer Stimme. Meine Hand lag ruhig auf dem Dolch.

„Was willst du noch von mir?“ Seine Stimme lallte, und er schwankte verdächtig von einer Seite zur anderen. „Mein Leben?“

Langsam löste ich den Mantel von meinen Schultern und ließ ihn auf die Erde fallen. Verwirrt, aber auch gleichzeitig erfreut, beobachtete Yeleb, wie ich ein Kleidungsstück nach dem anderen auszog und am Ende nackt vor ihm stand. Das einzige was ich nicht ablegte, war der Gürtel mit dem Dolch daran.

Vom Gerstensaft berauscht zeigte Yeleb keine Furcht, als ich mit dem Dolch die Knöpfe seines Hemdes abschnitt. Mit tiefen Schnaufen ergab er sich seiner Erregung, ließ mich gewähren.

Das Metall wanderte von seinem Hals hinab zu seinem Bauch, wo ich den Knopf der Hose abschnitt. Mit einer einzigen Handbewegung riss ich ihm auch den letzten Stoff vom Leib.

Mein Kopf senkte sich auf seine Brust, und ich atmete den Geruch seines Blutes ein. Mit der Messerspitze schnitt ich in seine Haut - genau an der Stelle, an der sein Herz schlug. Ein leises Stöhnen entfuhr ihm, als meine Zunge sein Blut auffing und über seine Wunde leckte. Das Feuer bäumte sich auf, verwandelte sich in Lust. In Gedanken hörte ich die Flüche meines Vaters und die warnenden Worte meiner Mutter. Es war mir egal. Alles was ich in diesem Moment begehrte war, mich dem prickelnden Gefühl hinzugeben.

Wir verschenkten keine weiteren Worte. Mit dem Dolch in der Hand, setzte ich mich auf seinen Schoß, und wir liebten uns kurz, aber heftig.

„Yeleb.“

Der Soldat vernahm seinen Namen aus meinem Mund, beendete stöhnend unser Liebesspiel.

Sein Kopf schaukelte befriedigt auf seiner Brust, als ich mich von ihm löste und mich sogleich ankleidete.

„Und nun?“, fragte er leise. „Folgt jetzt wie versprochen mein Ende?“

Seine trüben Augen waren auf mich gerichtet. Der Geschmack seines Blutes lag noch auf meiner Zunge, und es gab nur eine Antwort auf seine Frage.

„Ja.“ Das Metall glänzte in meiner Hand. „Ich will dein Blut an meiner Klinge.“

Er lachte leise, als handelte es sich um einen Witz.

„Dann war unser Liebesspiel eine Entschuldigung?“

Langsam beugte ich mich zu ihm hinunter. Der Stahl in meiner Hand fühlte sich großartig an, kein Mann dieser Erde konnte mir dieses Gefühl geben.

„Nein, es war ein Tausch.“

Kopfschüttelnd verbarg er sein Gesicht in seinen Händen.

„Du bist ein anständiger Mann, Yeleb“, versuchte ich zu erklären. „Allerdings schuldest du mir dein Leben. Ich hatte es dir gesagt. Beim nächsten Treffen töte ich dich.“

Lachend schlug Yeleb auf sein Knie und starrte zu mir herauf, als wartete er auf das Ende eines Scherzes. Nur langsam begriff der Soldat, dass der Tod nur noch einen Schnitt entfernt vor ihn stand.

„Du bist wahnsinnig. Du bist eindeutig wahnsinnig!“

Ja, wahnsinnig vor Durst.

Mit Bedacht setzte ich den Dolch an seine Kehle, schnitt in seine Haut und beobachtete wie die ersten Tropfen roten Blutes an dem Stahl hinunter rannen. Yeleb begann zu schwitzen und zu wimmern, aber das Rauschen seines Blutes übertönte diese Geräusche. Befriedigung umschloss mein Herz, und Wärme durchströmte meinen Bauch. Ich wollte mehr, viel mehr. Der Abgrund in meiner Brust klaffte weit auf, bereit, das flüssige Gold zu empfangen.

„Nein, bitte... Bitte nicht...“, keuchte Yeleb.

Er würde sein Leben aushauchen und dachte an all die Wünsche und Träume, die er noch erreichen wollte. Warum hatte er sich bloß betrunken, statt in den Armen seiner Frau zu liegen? Er dachte wohl so etwas wie: Das Leben war schön. Warum musste es jetzt enden, und warum musste ausgerechnet er sein Leben lassen? Hatte er nicht bereits genug erlitten? Der Krieg formte seinen Körper und seine Seele. Er wollte es nicht mehr. Er wollte nicht mehr kämpfen – er wünschte doch nur zu leben. Mit einer Frau, mit Kindern und einem Haus, das er mit eigenen Händen und Schweiß erbauen wollte.

Mein Blick folgte seinem zum Himmel und ich vernahm beim Anblick der Sterne flüsternd die Worte: „Bewahre dein Licht. Es unterscheidet dich von den Monstern, auf die du treffen wirst.“

Von allen Monstern war ich das blutrünstigste. Auch wenn ich mein Licht nicht verloren hatte, so würde ich doch immer nur das eine begehren und dafür töten. Wie konnte ich mich von den Bestien unterscheiden?

„Es ist das Verlangen, dem ich nicht standhalten kann. Dein Blut ist so köstlich, Yeleb. Es singt und wird auf meiner Zunge tanzen. Es schmeckt wie ein lieblicher Wein, von dem man niemals genug trinken kann. Dein Blut ist berauschend, stark und erfüllt mich so sehr. So entsetzlich das Brennen und das Verlangen sind, so unglaublich befriedigend und ausfüllend ist das Töten. Du bist nur einer von vielen Menschen, Yeleb.“

Die Menschen würden immer auf mein Mitleid hoffen, wenn ich ihnen zu sprechen erlaubte.

Der Soldat öffnete den Mund, um Flüche und Schreie auszustoßen, doch ich war es leid. Mit einer Handbewegung durchtrennte ich seine Kehle und genoss sein warmes Blut auf meinem kalten Gesicht.

Eine Woge tiefster Befriedigung erfasste mich, riss mich in roten Fluten fort an einen Ort, an dem ich nur Freude, Glück, und Freiheit verspürte. Der Höhenflug endete viel zu schnell und der Anblick von Yelebs Leiche rief Schuld in mir hervor.

Du wolltest keine Menschen töten, nur Monster, und nun sieh dir an, was du gemacht hast.

Die Anschuldigungen klangen wie von Ahm Fen gesprochen, aber es war meine eigene Stimme, die von oben herab schimpfte.

Es wird niemals enden. Ich kann nicht, kann nicht, kann nicht...

Blut verschmiert stahl ich ein Pferd und verließ im schnellen Galopp das Dorf. Dora wusste um die Gefahr. Sie würde die Dörfler warnen und mit viel Glück, retteten sie sich ins nächste Dorf. Wie viel Zeit blieb den Menschen? Nicht genug, fluchte ich, als ich die ersten Schreie der Drachen vernahm.

„Ein paar werden es schaffen“, murmelte ich und versuchte das schlechte Gewissen weg zu reden. Ohne Erfolg.

Mit meinen eigenen Dämonen im Rücken ritt ich im Schutze der Dunkelheit den kreischenden Drachen davon, hielt erst inne, als mich ihr Schatten nicht mehr verfolgte.

Unter den Sternen errichtete ich mein Lager, ruhte am Feuer und starrte bewegungslos in die Flammen. Wie sollte ich nur jemals wieder Schlaf finden? Die Gesichter meiner Blutopfer verfolgten mich, und es würden nicht die einzigen bleiben. Ich besaß nicht die Kraft, dem Verlangen zu widerstehen.

Mein Körper gehörte wieder mir allein. Keine Gedanken, die die meine störten und keine Stimme, die meine Taten lenkte. Ahm Fen war fort, und dennoch war ich ein bluttrinkendes Monster. Ich bin kein Mensch und kein Riese. Was war bloß?

Hinter meinem Rücken vernahm ich plötzlich ein Geräusch, und griff kampfbereit nach meinem Dolch. Es waren keine Menschen in der Nähe, denn nur der Geruch von Erde, Feuer und Holz lag in der Luft. Das nächste Dorf war meilenweit entfernt. Ich schritt zu der Stelle, an der ich das Rascheln vernahm, doch ich fand keine Spuren eines Lebewesens. Nun waren es schon Hirngespinste, die mir zusätzlich den Schlaf raubten.

Nachdenklich kehrte ich zu meinem Lager zurück und fragte mich, was mich als nächstes erwartete.

Die Ruhe hielt nur eine Weile an, denn im nächsten Moment huschte ein schwarzer Schatten an mir vorbei und blieb tänzelnd im Schein des Feuers vor mir stehen.

Ein Lächeln zierte meine Lippen, als ich den Eindringling erkannte.

„Ahm Fen ist fort und deine Aufgabe ist erfüllt.“

Sechs glänzende Augen betrachteten mich abschätzend, und insgeheim freute ich mich über unser Wiedersehen. Die Spinne gab mir ein unerklärliches Gefühl der Sicherheit. Ohne ihre Hilfe hätte ich im Lager der Soldaten nichts ausrichten können.

Die Spinne tänzelte weiterhin auf einer Stelle, ließ mich keinen Augenblick aus den Augen. Ich fürchtete mich nicht vor ihr, und ich konnte in ihren schwarzen Augen erkennen, dass auch sie mich nicht fürchtete.

„Du spürst dasselbe Verlangen, nicht wahr?“ Ich hob meinen Blick von den Flammen und sah, dass die Spinne unbemerkt mein Bein hinauf geklettert war, mich erwartungsvoll musterte. Unter ihrem schwarzen Haar glänzten ihre todbringenden Klauen.

„Willst du mich begleiten?“

Wir verstanden uns wortlos. Wer sollte mich auch sonst begleiten, wenn nicht ein weiteres Monster?

In Windeseile spannte die Spinne ein Netz zwischen zwei Bäumen, verharrte dort wartend auf frische Beute. Sie begnügte sich vorerst mit Insekten und anderen Spinnenarten, bis wir auf eine weitere Bestie treffen würden.

Nach langer Zeit fand ich den ersten erholsamen Schlaf und träumte von einem fernen Land bestehend aus weiten Sandteppichen, glühend heißer Sonne und dem Wunsch nach Freiheit.

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