Kitabı oku: «Sphärenwechsel – Tagebuch eines inkarnierten Engels», sayfa 5
Auftrag 11: der wortkarge Thoralf
Liebes Tagebuch,
Zu Thoralf wurde ich geschickt, weil er nur auf die Materie fixiert und emotional unterkühlt war. Er sollte lieben lernen und es, das stellte seine eigentliche Hürde da, aussprechen oder zeigen.
Ich traf ihn in einem Studentenclub wieder, und zwar genau am selben Tag wie sieben Jahre zuvor.
Als Katrin und ich so herumstanden und auf Musik zum Tanzen warteten, durchfuhr mich ein siedend heißes Gefühl in meinem Rücken. Ich wusste plötzlich, wer hinter mir stand, ohne dass ich es sah. Und dieser jemand spürte es auch, weil wir uns beide in derselben Sekunde zu einander umdrehten und uns wieder erkannten. Es war Thoralf, mit dem ich im 1. Lehrjahr für 3 Monate zusammen gewesen war. Wir kamen schnell zusammen, und blieben es auch für fast 3 Jahre. Ich arbeitete die Woche über in der Apotheke in der Nähe der Wohnung. Thoralf studierte Bauingenieurwesen an der Uni. Wir sahen uns meistens nur am Wochenende – entweder im Studentenclub oder wir grillten im Garten seiner Eltern, die da meistens mit dabei waren. Mit seinen Eltern verstand ich mich gut, mit seinen Studienfreunden auch. Sie mochten mich sofort und wir erlebten so manchen Spaß miteinander. Wenn Thoralf von seinen Studienkumpels gefragt wurde, was er für eine Verabredung hätte, antwortete er ihnen: „Ich gehe jetzt zu meiner ‚Zarten‘.“ So bekam ich den Spitznamen die ‚Zarte‘. Natürlich wusste er nichts bewusst von meiner zartbesaiteten Natur, aber irgendetwas hatte ihn veranlasst, mich so zu nennen. Vielleicht sah er es manchmal einfach, ohne es aber bewusst zuordnen zu können.
Jedes Jahr fuhren Thoralf und ich mit seinen Studienkollegen in der Walpurgisnacht auf ein und dieselbe Burg. Das ging jedes Mal fast 3 Tage; wir alle feierten dort miteinander; es ging sehr lustig zu mit viel Essen, Alkohol und Späßen. Übernachtet wurde in Zelten in einem Garten unterhalb der Burg. Am 30.04. pilgerten wir alle gemeinsam auf die Burg, vergnügten uns dort bis in die Nacht. Ein Höhepunkt war der Sprung über das Feuer, welches die ganze Nacht brannte. Wenn ein Paar gemeinsam über dieses Feuer sprang, so lautete die Sage, würde ihre Verbindung ein ganzes Leben lang halten. Thoralf und ich sprangen nicht über das Feuer, weil er sich sträubte.
In den Morgenstunden kam unsere ganze Truppe wieder von der Burg herunter, alle ziemlich angetrunken, lachend und scherzend, manch einer schwankte schon sehr, einer rutschte auf einem Bierkasten den Berg hinunter; er fiel mehr, als er rutschte. Unten angelangt, wollten alle in den Garten hinein. Der Schlüssel sollte oben innen am Zaun hängen. Doch da hing kein Schlüssel. So überlegten alle lange, wie sie in den Garten hinein könnten. Es war ein komplett durchgängiger Bretterzaun. Zum Überklettern war er zu hoch, er bot auch keine Trittmöglichkeiten. Hindurch sehen konnte man auch nicht, er war vollkommen dicht. Ich selbst war auch ganz schön vom Alkohol betüdelt, doch als ich so nach unten sah, geschah es: ein blaues Licht am Boden leuchtete plötzlich auf und ich konnte durch den Zaun hindurch sehen.
So sah ich, dass der Schlüssel unten hinter dem Zaun auf dem Boden lag. Ich merkte mir die Stelle und das blaue Licht verschwand wieder. Anscheinend hatte nur ich es gesehen. Zu den anderen sagte ich, wo der Schlüssel lag. Jemand fasste von unten hinter den Zaun und fand den Schlüssel genau da, so wie ich es beschrieben hatte. Alle schauten mich etwas merkwürdig an, jemand murmelte etwas wie „Hexe“. Doch ich machte dann als Ablenkung einen Scherz daraus, weil es ja die Nacht der Hexen war.
Dann geschah noch eine merkwürdige Begebenheit in der Apotheke, in der ich arbeitete. Es passierte an einem Mittwochnachmittag, dass meine beiden Chefinnen ein ziemlich wichtiges Rezept eines Patienten, das die Apotheke mit teuren Arzneimitteln beliefert hatte, nicht mehr finden konnten. Ich wusste davon nichts, da ich an besagten Mittwoch schon um 13 Uhr Feierabend hatte. Am nächsten Tag bekam ich dann mit, dass meine beiden Cheffinnen fürchterlich aufgebracht waren, weil sie das Rezept nicht mehr fanden. Alle Kolleginnen hatten am Mittwoch schon alles abgesucht doch nichts gefunden. Die beiden Cheffinnen fragten sich immer wieder, wo es sein könnte und versuchten sich zu erinnern und diskutierten daher laut miteinander.
Als ich nun vorn an der Kasse stand und einen Kunden bediente, durchzuckte es mich plötzlich ganz stark, ich fühlte einen freudigen Schreck und hatte gleichzeitig eine Vision. Ich sah und wusste plötzlich, wo das Rezept war. Der Kunde fragte mich gerade in diesem Moment, warum ich eine Minute lang nicht ansprechbar gewesen wäre. Für mich selbst waren es nur wenige Sekunden gewesen, aber es geschieht häufig ein unterschiedlicher Zeitablauf bei solchen Geschehnissen. Hastig entschuldigte ich mich, bediente ihn zu Ende und schaute dann gleich an der Stelle nach, die ich in meiner Vision gesehen hatte. Und tatsächlich, da lag das Rezept. Sofort lief ich zu den Chefinnen in ihr Büro.
„Ich habe das Rezept gefunden.“
„Was, wo?“, riefen beide wie aus einem Mund und sprangen von ihren Plätzen auf. „Wo haben Sie denn gesucht?“
Ich antwortete: „Entschuldigen Sie, aber ich habe gar nicht danach gesucht, ich habe plötzlich gesehen, wo es ist, als ich vorn jemanden bedient habe.“
Die beiden schauten erst sich verdattert an und dann mich. Die ältere von beiden sagte auch so etwas wie, dass ich eine Hexe wäre. Damals wusste eben keiner, dass es noch etwas anderes als Hexen geben konnte und so kurz nach der Wende sowieso nicht. Meine Chefin meinte es eher im Scherz und sie waren ja beide froh, dass das Rezept wieder aufgetaucht war.
Während meiner Beziehung zu Thoralf wünschte ich mir sehr, dass wir zusammen ziehen würden. Doch über so etwas sprach Thoralf nie und ich selbst traute es mir nicht, ihn daraufhin anzusprechen. Wir wohnten beide jeder noch in der elterlichen Wohnung – ich immer noch in der Wohnung meiner Mutter. Und immer noch war die Wohnsituation in W. so, dass ich keine eigene Wohnung bekam.
Es ging oft sehr beengt zu, wenn ich bei Thoralf am Wochenende übernachtete.
Die Woche über wollte er seine Zeit für sich haben und am Sonntagmittag brachte er mich immer nach Hause und so war ich dann allein, bis zum Freitagabend. So ging das Woche für Woche, Monat für Monat. Auch in den Urlaub fuhr er lieber ohne mich. Er hatte wohl Angst, dass ich ihn in seinem Freiheitsdrang einschränken könnte. Die ersten 2 Jahre nahm ich das so hin, mir war die gemeinsame Harmonie wichtiger; außerdem wollte ich nicht als ‚Klammer‘ dastehen. Nach einiger Zeit, wenn er nach unseren Treffen wieder weg war, begann ich bereits auf das nächste Treffen zu warten. Bei mir stellte sich zunehmend Unzufriedenheit und auch Leere ein.
Ich kann mich noch sehr gut an diese Zeit erinnern. Ich wusste bereits, dass irgendetwas da draußen war, irgendetwas größeres, mächtigeres, etwas, was mir und den Menschen helfen konnte, aber ich wusste nicht was das war. Ich fühlte aber, dass es immer näher und näher zu mir kam, Stück für Stück.
Oft schaute ich stundenlang aus dem Fenster, der Musikkanal lief fast ununterbrochen, und ich wartete; ich wartete auf das Wochenende, ich wartete auf den Feierabend, ich wartete auf meinen Urlaub, ich wartete darauf, dass die Zeit verging. An neue Informationen, die mich wirklich interessierten, kam ich nicht, es gab noch kein Internet und auch nur sehr wenig neu hinzukommende Literatur. Außerdem wusste ich nicht genau, wonach ich konkret suchen sollte. Oft schaute ich einfach nur aus dem Fenster, stundenlang. Wechselte das Zimmer, schaute wieder aus dem Fenster und fühlte mich wie ein Tiger im Käfig, der hin und her rannte. Thoralf bekam mein Interesse für mystische Dinge mit, lehnte sie jedoch ab, weil er es für Humbug hielt. Insgeheim lächelte er über mich, wenn ich Tarotkarten legte oder in meine Kristallkugel blickte.
Im dritten Jahr meiner Beziehung mit Thoralf, als wir wieder am 30.04. auf der Burg waren, sprangen er und ich das erste Mal (und auch das Letzte) über das Feuer. Wir nahmen Anlauf, fassten uns an den Händen und sprangen los. Doch auf der anderen Seite am Rand des Feuers lagen leere Bierflaschen. Ich kam mit meinem linken Fuß auf einer Flasche auf, knickte mit dem Fußgelenk um und fiel hin. Vor Schmerzen wurde mir speiübel, ich konnte nicht mehr alleine aufstehen und laufen ging erst recht nicht. Thoralf lief sofort nach unten, um sein Auto zu holen und zwei seiner Studienfreunde trugen mich aus dem Trubel auf die Seite an einen ruhigeren Ort. Am nächsten Morgen war mein Fußknöchel rotblau angeschwollen und fühlte sich zehn Kilo schwerer an. Thoralf brachte mich im Laufe des Tages in ein Krankenhaus zum Notdienst. Es stellte sich heraus, dass ich mir einen dreifachen Bänderriss zugezogen hatte. In mir fühlte ich, dass mein missglückter Sprung ein Vorzeichen war, irgendetwas war zwischen mir und Thoralf zerrissen. Ich spürte, dass das Ende unserer Beziehung nahte. Doch zunächst behielt ich meine Vorahnung für mich.
In diesem Jahr fuhr ich das erste Mal alleine in den Urlaub, ohne Thoralf etwas davon zu erzählen. Als er aus seinem Urlaub zurückkehrte, war ich nicht mehr anzutreffen. Ich schrieb ihm dann eine Urlaubskarte aus Spanien. Thoralf staunte nicht schlecht. Die erste Frage seinerseits an mich lautete, wie viele Liebhaber ich in Spanien gehabt hätte. Das war das Einzige, was ihn interessierte. Das ernüchterte mich sehr, die rosarote Brille fiel und ich begann mich von ihm zu distanzieren.
Zudem wurde ich immer öfter krank, ich bekam Blasenentzündungen und zwar jedes Mal, nach dem ich mit Thoralf zusammen gewesen war. Ich nahm viele Antibiotika ein, bis diese nicht mehr wirkten. Nach der 12. Blasenentzündung wusste der Urologe nicht mehr weiter. Er meinte zu mir: “Sie müssen irgendetwas in Ihrem Leben ändern, wenn Sie die ständigen Blasenentzündungen loswerden wollen.“ Zudem entwickelte ich Essstörungen, mal aß ich zuviel und nahm zu, mal aß ich zuwenig, nahm wieder ab und fühlte mich dann zu schwach. Doch immer mehr lebte ich mein Leben, machte meinen Führerschein, kaufte mir ein Auto und fuhr nach der Arbeit viel umher. Sehr oft traf Thoralf mich nun nicht mehr zu Hause an. Jetzt hatte ich den Spieß umgedreht. So ging das eine ganze Zeit weiter, doch ich wusste, dass ich mich nur im Kreis drehte und dass es nicht mehr lange so weiter gehen konnte mit uns.
Das war der Punkt, an dem ich von diesem Auftrag entbunden wurde.
Viele Jahre später erzählte mir eine Studienkollegin von Thoralf, dass er mal gesagt hätte: „Ich habe nie wieder eine Frau so geliebt wie ‚meine Zarte‘.
Als wir uns vor einigen Jahren ein letztes Mal trafen, sagte er zu mir: „Du lebst in der geistigen und ich in der materiellen Welt, das passt einfach nicht zusammen.“ Sprachlos schaute ich ihn an. Demnach musste es für ihn eine geistige Welt geben, was er vorher vehement bestritten hatte. Ein Teil des Auftrages war also erfüllt worden.
Die Suche beginnt
Immer wenn sich in meinem Leben eine Situation so sehr zugespitzt hatte, bis ich nicht mehr weiter wusste, passierte entweder etwas Gravierendes (so wie ich es mit Matthias erlebt hatte) oder es tauchte plötzlich jemand auf, der neue Impulse brachte und somit die Situation veränderte.
Und das war Richard.
Richard brachte mich durch einen Besuch in München auf die Idee, in diese Stadt zu ziehen. Das wuchs in mir so stark an, dass ich fieberhaft in den nächsten Wochen nach PTA-Stellen in M. schaute und Bewerbungen abschickte. Im November fuhr ich wieder nach M. zu Bewerbungsgesprächen. Ich hatte ziemlich schnell Erfolg und unterschrieb gleich einen Arbeitsvertrag. Richard kümmerte sich mit um eine Wohnung für mich.
Sein Chef bei der Versicherung war ein guter Freund von meinem zukünftigen Chef und er arrangierte es, dass ich schon einige Tage vor Mietbeginn einziehen konnte. Ich war wahnsinnig aufgeregt auf das, was mich erwartete, auf das Neue, auf dieses Ungewisse und mich konnte niemand mehr davon abbringen. Nächtelang schlief ich nicht und mich durchströmte so ein kraftvolles Gefühl, es brauste ein Sturm durch meinen Körper, durch alle Zellen, genauso wie es bei meinem Schulabschluss gewesen war. Dieses Gefühl war wie eine Art Wegweiser, ein Peilsender, ein Wissen mit dem ich präzise wusste, was ich wollte, wo es hinführte und wie ich es umsetzen konnte. Im Prinzip folgte ich nur diesem Gefühl, diesem inneren Ruf, ohne es sehr mit meinem Verstand zu hinterfragen.
Erst jetzt erzählte ich es Thoralf und meinen Eltern, als alles arrangiert war, weil ich ahnte, dass alle mich davon abhalten wollten. Bei meinen Eltern verhielt es sich genauso, wie ich es voraus gesehen hatte. Thoralf hingegen sagte gar nichts dazu, er schaute mich nur irgendwie merkwürdig an. Immer wenn es darauf ankam, konnte er seine Gefühle nicht ausdrücken; er war wie blockiert.
Im Dezember 1995 zog ich also um, in eine Wohnung, die ich mir vorher nicht einmal angesehen hatte. Nach 400 Kilometern Fahrt mit einem Transporter, kamen ich und mein Vater abends in M. an, wo uns Richard schon in der Wohnung erwartete. Dass so etwas überhaupt als Wohnung vermietbar war, verstand ich im Nachhinein überhaupt nicht. Ich war wirklich schockiert, als ich dieses Wohnklo mit Kochdusche, mit nur einem einzigen Fenster im Wohnzimmer, betrat. Drehte ich mich einmal um, stand ich schon wieder draußen im Flur. Und dafür 600,- DM im Monat? In W. hatte ich bei weniger Mietkosten 3 Zimmer zur Auswahl gehabt. Ja, das war der Kapitalismus. So hatte ich mir meine erste eigene Wohnung nicht vorgestellt. Ich empfand es ziemlich ernüchternd und ahnte, dass diese Wohnung völlig überteuert vermietet wurde. Und dann noch die Kaution und so. Ja, jetzt gab es kein Zurück mehr, jetzt fing es in M. erst mal an.
In M. arbeitete ich 40 Stunden in der Woche in einer Apotheke. Schon bald merkte ich, dass hier die Dinge anders liefen als in W. Privatgespräche waren z. B. nicht erwünscht; diese kamen mit den anderen Kollegen nur zustande, wenn der Chefapotheker abwesend war. Schon nach einigen Wochen freute ich mich bereits auf diese Zeiten der Abwesenheit. Mit Richard traf ich mich meistens am Wochenende und ein bis zweimal abends unter der Woche. Er zeigte mir viele Sehenswürdigkeiten von M. und die vielen Facetten dieser Großstadt: Reize über Reize, Möglichkeiten über Möglichkeiten ...
Richard und ich gingen einige Male in eine Diskothek zum Tanzen. Doch jedes Mal, wenn er dann mit mir schlafen wollte, sträubte sich etwas in mir und ich redete mich mit irgendeinem Grund heraus. Nach vier Wochen eröffnete mir Richard, dass er sich nicht mehr mit mir treffen würde. Mich traf das wie ein Hammerschlag. Das hatte ich nie und nimmer erwartet. Doch Richard sagte mir, dass er es so rein freundschaftlich nicht mehr aushalten würde, weil er sich in mich verliebt hätte. Und so brach Richard die Treffen mit mir von heute auf morgen ab. Plötzlich stand ich ganz alleine da, in einer riesigen Stadt und kannte niemanden! Ouhh ... was für ein Graus. Von diesem Moment an wurde ich von einer starken inneren Unruhe von einem Ort zum anderen getrieben. Ich wollte alles ausprobieren, doch allein war das eher schwierig.
Ich hatte oft das Gefühl, etwas zu verpassen, besonders dann, wenn ich am Wochenende in meiner winzigen Wohnung saß. Und so durchstreifte ich immer und immer wieder die Innenstadt, die großen Parks, die Kaufhäuser, Museen und Buchläden. Doch zufrieden fühlte ich mich nicht. Ich sehnte mich nach einer Freundin oder einem Freundeskreis, mit denen ich etwas unternehmen konnte, zu dem ich dazugehörte. In M. war man nur „in“, wenn man entweder mit mehreren Leuten umherzog oder mit irgendetwas beschäftigt war. Sobald man als Frau allein nur so herumstand, hatte man sofort alleinstehende Männer im Schlepptau. Bald schon merkte ich, dass es schwer war, jemanden kennen zu lernen. Die meisten Cliquen waren eingeschworen und ließen keine neuen Leute herein. Dazu kam noch, dass die Versicherung meines Autos so viel Geld verschluckte, dass das Monatsgehalt oft schon am 20. Tag des Monats aufgebraucht war. Ja und mit keinem Geld lässt sich nicht viel machen. So fühlte ich mich einsamer und ruheloser als in W. Dazu stellte sich wieder die Langeweile ein, trotz des ständigen Umherstreifens, die ich schon in W. und als Kind so oft gespürt hatte.
Nach 3 Monaten räumte die Bank, die mein Konto verwaltete, einen Dispokredit ein. Da wurde es etwas besser mit dem Geld. Doch der Dispokredit war bald voll ausgeschöpft. In M. war vieles um einiges teurer als es in W. gewesen war. Um meine Einsamkeit und die Langeweile zu überbrücken, meldete ich mich bei einem Englischkurs an. Dieser erwies sich bald als „Flop“, da die Lehrerin alles Mögliche erzählte außer englisch. Das einzige positive an dem Kurs war, dass ich ein tschechisches Mädchen kennen lernte. Swenja begegnete mir sehr offen und herzlich; ich spürte sofort eine angenehme Anziehung zu ihr. Und so trafen wir uns öfters und unternahmen auch einiges miteinander. Bei Swenja verhielt es sich ähnlich mit den Finanzen. Sie arbeitete als Au-Pair Mädchen bei einem Ärzteehepaar. Auch sie hatte im Monat nur einige hundert D-Mark zur Verfügung und es reichte oft nicht bis zum Monatsende. So konnten wir beide manchmal ‚nur‘ spazieren gehen und nichts kaufen oder irgendeine andere Aktivität unternehmen. Bei mir stellte sich langsam Frust ein, weil ich ja voll arbeitete, aber nichts übrig blieb.
Nach einigen Monaten hatte ich einen Lieblingsplatz in der Innenstadt gefunden. Sehr oft setzte ich mich in den größten Buchladen am Marienplatz und durchstöberte Bücher über Bücher. Da ich schon immer sehr schnell las, las ich einige Bücher schon im Buchladen durch. Das erste, was mich sofort in seinen Bann zog, war ein Buch mit dem Thema ‚Hexenverbrennung‘ im Zusammenhang mit der Inquisition. Ich wurde von diesem Thema magisch angezogen, ja regelrecht hypnotisiert. Während ich dieses Buch las, regte sich in mir eine Stimme, die sagte: „Ich habe schon einmal gelebt und ich bin als Hexe verbrannt worden.“ Je mehr ich darüber las, umso sicherer wurde diese Gewissheit in mir, dass ich in einem früheren Leben für mein Wissen sterben musste.
Ein weiteres Buch, welches mich sofort faszinierte, war ‚Sophies Welt‘, welches 1991 erschienen war. Je mehr ich in dieses Buch eintauchte, fragte auch ich mich:
„Wer bin ich wirklich?“
„Woher komme ich?“
„Warum bin ich hier?“
War auch ich nur eine Figur, ein Teil in einer Geschichte, die sich irgendjemand ausgedacht hatte und die Fäden in seiner Hand hielt? Solche Fragen kreisten unaufhörlich in meinem Kopf herum. In mir formte sich eine leise Erkenntnis, dass ich hier war, um etwas Einzigartiges für diese Welt zu schaffen und zu hinterlassen, eine Botschaft zu überbringen, etwas, was die Menschen wirklich weiter bringen würde, etwas, womit sie sich weiterentwickeln konnten, etwas, an was sie sich immer wieder erinnern konnten. Doch war dafür meine Tätigkeit als PTA überhaupt geeignet? Wer war ich denn eigentlich als PTA? „Nun ja“, dachte ich, „damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt, bezahle meine Miete, mein Auto, meinen Urlaub ... und weiter? Was war da noch? Nichts ...?“
Oder ich fragte mich, wie mein Leben wohl aussehen würde, wäre ich mit Thoralf, Mattias oder Richard zusammen geblieben. Irgendwie wurde mir dabei klar, dass dieses klassische Bild einer Ehe und dann Kinder, jedes Jahr der Urlaub, das ganze Leben die gleiche Arbeit und dann die Rente, für mich nicht in Frage kam. Ich wusste, dass für mich etwas anderes vorgesehen war. Das erkannte ich einfach daran, weil ich mich so oft fremd unter den Menschen fühlte und mich solche „Allerweltsthemen“ zu Tode langweilten und ich so eine Art besondere Aufgabe in mir spürte, aber noch nicht konkret wusste, was das war. Jetzt wurde mir auch klar, dass es mit Thoralf auf Dauer nicht funktioniert hätte, obwohl ich es mir sogar eine ganze Weile gewünscht hatte. Doch gerade mit ihm und unserer wortkargen Kommunikation hätte sich unsere Beziehung zusammen in einer Wohnung ultraschnell erschöpft.