Kitabı oku: «Maybelline»

Yazı tipi:


DARK PLACES

Taylor Brown

Maybelline

Aus dem Amerikanischen von Susanna Mende

Herausgegeben von Jürgen Ruckh


Originaltitel: GODS OF HOWL MOUNTAIN

© 2018 by Taylor Brown

Published by arrangement with St. Martin's Press. All rights reserved.

Deutsche Erstausgabe, 1. Auflage 2021

Aus dem Amerikanischen von Susanna Mende

Gedichtübersetzung aus dem Koreanischen von Sabrina Stemmeler

Mit einem Nachwort von Kirsten Reimers

© 2021 Polar Verlag e.K., Stuttgart

www.polar-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) oder unter Verwendung elektronischer Systeme ohne schriftliche Genehmigung des Verlags verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Andrea Kalbe, Andreas März

Umschlaggestaltung: Britta Kuhlmann

Coverfoto: © Adga/Adobe Stock

Autorenfoto: © Taylor Brown

Satz/Layout: Martina Stolzmann

ISBN 978-3-948392-18-5

eISBN 978-3-948392-19-2

Für Jason Frye – Freund, Mentor und Sohn der Appalachen

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

I. Erntemond

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

II. Halbmond, abnehmend

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

III. Abnehmender Sichelmond

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

IV. Neumond

Kapitel 19

V. Zunehmender Sichelmond

Kapitel 20

Kapitel 21

VI. Zunehmender Halbmond

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

VII. Jägermond

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Danksagung

»Moonshine in North Carolina«

Aus der langen Novembernacht schneide ich ein Stück,

Eingerollt lege ich es unter die Decke, die warm und

süßlich duftet wie die Frühlingsbrise,

Und kommt die Nacht, in der mein Geliebter mich

aufsucht, so entrolle ich es Stück für Stück.

Hwang Jin-I oder Myeng-wol (»Leuchtender Mond«)

Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da

glauben, sind die: In meinem Namen werden sie Teufel

austreiben, mit neuen Zungen reden; und so sie etwas

Tödliches trinken, wird’s ihnen nicht schaden …

Markus 16: 17-18

1
Howl Mountain, North Carolina Herbst 1952

Der Wagen setzte sich im Morgengrauen in Bewegung. Die Scheinwerfer warfen ihr Licht auf die alten Serpentinen, welche die Berghänge durchzogen, während Donner und ein Echo des Donners zwischen den Bergkämmen hindurch hallte und ringsherum grollte. Die Straße führte im Zickzack vom Hochland ins Dunkel der Täler hinunter, vorbei an mit Dynamit gesprengten Bergkuppen und bisweilen den blassen Sehnen der alten Forststraßen folgend, die diese Erhebungen vor einem halben Jahrhundert durchzogen hatten. Er fuhr stetig gen Osten, wobei der Wagen brummend endlose Meilen durch die dunkler werdende Landschaft mit ihren Gebirgsausläufern zurücklegte und eine fast unsichtbare Staubwolke hinter sich herzog, die sich auf Briefkästen und Rinder und bereits geerntete Tabakfelder legte. Die Straße führte immer weiter hinab, überließ sich der Geschwindigkeit des Wagens und der Hitze des Motors, während Sterne über der Umgebung kreisten.

Die langen Kurven entfalteten sich vor der Fahrzeugfront. Die Obst- und Gemüsestände, Werbetafeln und Scheunen am Straßenrand waren groß genug, um die Wagen von Männern mit Dienstmarke zu verbergen. Die Straße führte eine Anhöhe hinauf, und das Gelände lag beinahe nackt vor dem weiten blauen Himmel. Die spärlichen Lichter der Fabrikstadt, errichtet auf dem Plateau des Piedmont, brannten in der Ferne. Die Stadt Gumtree. Bald summte die Straße, war asphaltiert und führte durch große Laubwaldbestände. Die Textilfabriken erhoben sich lang und riesengroß auf dem steilen Felsen über der Stadt, während schwarzer Rauch aus den vielen Schornsteinen aufstieg wie bei Ozeandampfern auf einem Meer aus Erdmasse. Sämtliche Fenster waren erleuchtet, als würden sich die Leute drinnen auf einer Party oder einem Ball vergnügen. Die Männer und Frauen kamen aus den Bergen, um stundenlang in der Hitze dieser von Flusen erfüllten Räume zu schuften, wo sie Socken und Strümpfe fertigten. Die zweite Schicht endete um zehn. Dann kamen die Arbeiter wie Gespenster hustend und weiß bestäubt aus den Ziegelbauten, bereit für einen Schluck Whiskey.

Der Wagen überquerte den Damm und fuhr in die Stadt hinein. Das Tal war zur Stromerzeugung vor zwei Jahrzehnten geflutet worden; aus dem Damm entlud sich eine Reihe flacher weißer Wasserfälle im Mondlicht. Der Wagen umrundete den Hauptplatz, wobei der starke Motor die Ladenfronten erschütterte wie menschengemachter Donner. Da waren der Lebensmittelladen, die Apotheke und das Billigwarenhaus. Der Juwelier, der Schuster und das Eisenwarengeschäft. Läden, in denen die Fabrikarbeiter auf Pump kauften und das Geld von ihrem Lohn abgezogen wurde. Der Wagen fuhr weiter, und die Arbeiterviertel ballten sich vor seiner Motorhaube, flache, kleine, sich im Besitz der Fabrik befindliche Häuser, dicht an dicht mit ihren quadratischen, kurz geschorenen Rasen. Häuser, die so klein waren, dass man eine Schrotflinte abfeuern und sämtliche Räume damit treffen konnte. Manche hatten es getan. Der Wagen fuhr zwischen ihnen hindurch bis zur Stadtgrenze, wo die Straße langsam in Richtung See abfiel.

End-of-the-Road hieß sie. Das letzte Überbleibsel der Ortschaft, bevor sie vom Wasser verschlungen wurde. In den Auwäldern standen Kneipen und Bordelle, Häuser für alles, was der Körper brauchte. Schatten zuckten über ihre Fenster, die in einem kränklichen Gelb schimmerten. Ein Ort für einen Drink und einen Streit, ein fremdes Bett, fremde Sterne, die über fremde Himmel flogen, wenn man einen Blick riskierte. Dahinter versank die Straße in der Tiefe. Dort unten befand sich das alte Tal, wo einst Menschen gelebt hatten, lange bevor die energiehungrigen Fabriken kamen. Angeblich gab es dort unten Hütten mit offenen Türen für die Fische, ihre Kiefernholzböden ertränkt und kalt. Es gab Bäume, verkümmert und leblos, die sich in der Tiefe wiegten wie von Zeitlupenwind bewegt. Die Knochen von Landbewohnern lagen dort unten, Wesen, die vor der kommenden Flut nicht gewarnt worden waren. Das Klopfen von Äxten und Hämmern der Maschinen erzeugte keinen grollenden Donner oder düsteren Himmel. Noch nicht. Als das Wasser kam, waren angeblich ein paar übellaunige alte Tabakpflücker auf ihrem Land geblieben, um die Regierung zu ärgern, aber die meisten bezweifelten das. Was nicht schwerfiel, so flach und ruhig war der See, dessen Geheimnisse niemals an die Oberfläche dringen würden.

Die erste Lieferung an diesem Abend ging an einen heruntergekommenen Bungalow mit vergitterten Fenstern und geriffelten Seitenwänden, als wäre jemand mit einem Spachtelmesser zugange gewesen. Im Dach war eine Delle, in der Regenwasser schwamm. Der Rasen war von Reifenspuren rötlich aufgewühlt. Zerbeulte Autos standen kreuz und quer. Gestalten mit hängenden Schultern, die von Mehl bedeckt zu sein schienen, standen vor dem Küchenfenster an. Münzen glänzten in ihren Händen.

Fünfundzwanzig Cent pro Shot.

Mit großen Augen beobachteten sie, wie der Wagen – ein Ford Coupé – an ihnen vorbei zur Rückseite des Hauses rumpelte. Er hielt, und der Fahrer stieg aus, sein Gesicht unter einer alten schwarzen Melone versteckt. Er klopfte an die Tür und hörte, wie sie mit mehrfachem Klacken entriegelt wurde.

Die Tür ging auf. Ein weißer Mann in einer fleckigen Schürze kam heraus. Dick. Sein Gesicht und seine Haare hatten einen ungesunden Glanz. Die Treppe zitterte unter ihm, als er herabstieg.

»Ich dachte schon, Sie kommen nicht«, sagte er. »Steuerfahnder?«

»Heute Abend nicht«, erwiderte Rory.

Der Mann zuckte mit den Achseln und reichte ihm ein Bündel Geldscheine. Rory öffnete den Kofferraum.

Mit jedem Halt kam der See näher, und die Straße glitt auf die völlige Dunkelheit hinter den Bäumen zu. Mit jedem Halt wurden die Kunden betrunkener und schäbiger. Ein paar, die die Straße so weit heruntergefahren waren, kamen nicht mehr zurück.

2

Granny May hielt ein Streichholz an das Ende ihrer Maiskolbenpfeife. Ihre Wangen wurden hohl, und ihr Brustkorb schwoll vom Rauch an. Sie machte einen doppelten Zug und hielt die Luft an, was ihr ein Kitzeln in der Brust verursachte. Es gab kein scharfes Stechen wie bei Tabak. Sie wippte nach hinten, senkte den Unterkiefer und entließ eine blaue Rauchwolke in die Morgendämmerung. Die Welt lag nass und dunkel vor ihr und trug letzte Flecken der Nacht. Vor ihr lagen die Berge, gezackt wie verfallene Mauerzinnen, und die taufeuchte Wiese ihres Grundstücks.

Sie blinzelte an ihrer Nase entlang und betrachtete den Baum auf dem Hof. Dieser Baum, der einzige, der die Baumkrankheit überlebt hatte, war das Herzstück von allem, was sie von ihrer Veranda aus betrachtete. Die anderen Kastanien hatten einst den Berg bevölkert, die Rinde ihres Stamms vom Alter zerfurcht wie die Stränge gigantischer Stahlkabel. Ihre Blätter mit den Sägezahnrändern waren golden um diese Jahreszeit, wenn die herabgefallenen Früchte die Tiere nährten und ihrem Fleisch einen süßlichen Geschmack verliehen. Diese Armee aus Laubbäumen war gefallen, war Opfer von tiefschwarzem Baumkrebs geworden, der sie ausgezehrt hatte und umstürzen ließ. Irgendein exotischer Pilz war durch Verletzungen in ihrer Rinde gedrungen, das Werk von Geweihen, Krallen oder Taschenmessern. Dieser Baum mit seiner hohen Krone stand einsam auf der Wiese im nahenden Morgenlicht.

Ein Geisterbaum.

Bunte Glasflaschen, zu viele, um sie zu zählen, hingen an Schnüren von den Ästen. Das Böse, das von weit entfernten Hügeln, aus lichtlosen Bergtälern und trockenen Brunnen herbeigeschlichen war – die Flaschen hatten diese Geister eingefangen. Ließen sie nicht mehr heraus. Hielten sie vom Haus und den Träumen und dem Herzen ihres Enkels fern. Wenn der Wind über die Wiese fegte, hörte man sie stöhnen, gefangen in ihren Flaschen. Die Geister waren böse, aber sie waren nicht sehr schlau.

Der erste Wagen kam kurz nach Sonnenaufgang die Auffahrt heraufgeholpert. Es war ein schickes grünes Coupé, ein tief liegender Hudson, der in der Morgendämmerung tuckerte und die Gestalt von etwas hatte, das sich im Rudel bewegte. Ein Mädchen stieg auf der Beifahrerseite aus. Sie hatte einen schweren Schal um die Schultern drapiert, als trüge sie eine Last. Der Junge, der den Wagen fuhr, saß zusammengekauert hinter dem Steuer und machte ein finsteres Gesicht. Er schaltete den Motor nicht aus. Das Mädchen stellte sich an den Fuß der Treppe.

»Morgen, Ma’am. Sind Sie Maybelline Docherty? Granny May?«

»Die bin ich. Was kann ich für dich tun?«

Das Mädchen blickte zurück zu dem Wagen, der qualmend auf dem Hof stand.

»Das ist Cooley Muldoon«, sagte sie. »Er ist mit einem Mädchen drüben in Linville verlobt. Wir, wir hatt’n heute Nacht ’nen Unfall.«

Granny blickte mit zusammengekniffenen Augen auf den tuckernden Wagen. Die erwachte Sonne schimmerte auf dem Glas und zitterte auf der Motorhaube. Nicht ein Kratzer im Lack.

Das Mädchen hob die Hände.

»Auf dem … Rücksitz«, sagte sie.

»Aha«, bemerkte Granny.

»Die Leute sagen, Sie machen Mondtee.«

»Setz dich einen Moment, mein Kind. Ich lass gerade welchen ziehen. Als hätte ich’s gewusst, dass du kommst.«

Das Mädchen setzte sich in den anderen Schaukelstuhl, und Granny schlurfte leise hinein, als wollte sie das leere Haus nicht wecken. Die Kanne stand auf dem Holzofen, und Dampf stieg kräuselnd auf. Darin befand sich eine Mischung aus Poleiminze, Gänsefingerkraut und anderen Kräutern, ein Gebräu, dessen Rezept von Waldhexen stammte. Wenn die Mischung nicht stimmte, konnte sie tödlich sein. Sie nahm einen der Becher, die auf dem Regal standen. Sie hatte sich das Mädchen genau angesehen, um die richtige Menge einzuschenken.

Granny paffte ihre Pfeife, während das Mädchen den Tee trank. Der Junge saß noch immer hinter dem Steuer und setzte zwischendurch einen Flachmann an die Lippen.

»Hatte er keinen Gummi?«

Das Mädchen hielt den Becher mit beiden Händen, und der Dampf stieg ihr in das gesenkte Gesicht.

»Er will keinen benutzen«, sagte sie. »Er meint, das ist, als würde man ein Beefsteak mit ’ner Socke über der Zunge essen.«

»Stimmt das?«

»Ja. Er meint, er will lieber überall auf den Hügeln uneheliche Kinder haben, als sich unter einer Lümmeltüte zu verstecken.«

Granny konnte spüren, wie der alte Zorn aufwallte. Sie dachte an ihre eigene Tochter, damals, in längst vergangener Zeit. Dachte an den vaterlosen Enkel, den sie unter ihrem Dach beherbergte, der unruhig unter seinem Gewirr aus Decken schlief, als würde ihn das im Krieg verlorene Bein im Schlaf treten und stoßen. Sie steckte den Pfeifenstiel zwischen ihre Zähne und zog fest daran.

»Vielleicht solltest du dann nicht mit ihm mitfahren.«

Das Mädchen blickte auf.

»Das ist Cooley Muldoon, von den Linville-Muldoons. Sie lassen mehr Whiskey von den Hügeln runterfließen als Gott Bäche. Wenn er was von einem will, sagt man nicht Nein.«

»Mehr Whiskey als Eustace Uptrees Truppe?«

Das Mädchen hielt mit der Tasse auf halbem Weg zum Mund inne. Sie sah sich um und schien zu bemerken, wo sie sich befand. Auf wessen Berg. Ihre Augen wurden groß.

»Nein, Ma’am. So viel wohl nicht.«

Der Junge schob den Ellbogen aus dem Wagen, gefolgt von seinem Kopf.

»He«, sagte er. »Wie lange dauert das noch? Ich hab nicht den lieben langen Tag Zeit, euch beim Quasseln zuzuschauen.«

Granny nahm die Pfeife aus dem Mund.

»Es wird den Rest deines Lebens dauern, wenn du einer alten Frau nicht’n bisschen Respekt entgegenbringst.«

Cooley stieg aus dem Wagen und schlug die Tür zu. Er war dünn und drahtig, die Ärmel seines Flanellhemds hatte er über weißen langen Ärmeln aufgerollt, und seine Hosenträgerschlaufen hingen herab wie ein Paar schlaffe Flügel. Ein langes Messer mit einem Hirschhorngriff steckte in einer Lederscheide an seinem Gürtel.

»Hör’n Sie mal«, sagte er, »ich hab nicht zwanzig Dollar springen lassen, um mir das Gemecker von ’ner alten Hure anzuhören.«

Er zeigte vom Hof aus auf sie, nur einen Steinwurf entfernt, aber sie konnte beinahe spüren, wie sich sein Finger prüfend in ihr Herz bohrte. Sie blickte über ihn hinweg zu den Flaschen im Baum. Der Wind bewegte sie sanft an ihren Zweigen, hundert winzige Münder, die ihren Unmut flüsterten.

»Vorsicht«, sagte sie. »Ruf dir lieber ins Gedächtnis, wo du bist.«

»Ich weiß genau, wo ich bin.«

Er überquerte den Hof, den Arm ausgestreckt, um das Mädchen von der Veranda zu zerren, aber er blieb an der Treppe stehen, als wäre plötzlich die Kette zu Ende. Es war ein Dröhnen, das ihn gestoppt hatte und klang, als käme es vom Berg selbst. Ein Beben. Ein einziger Motor im County machte ein solches Geräusch.

Maybelline.

Das Coupé bog in die Auffahrt ein, ein schwarzer 1940er Ford, der wie eine Kanonenkugel aussah. Er bahnte sich einen Weg durch die Spurrillen, wobei der große Krankenwagenmotor die Erde festklopfte. Quietschend blieb der Wagen stehen und stotterte im Leerlauf, so wenig Gas nicht gewohnt. Der Fahrer würgte den Motor ab, und der Wagenschlag wurde knarrend geöffnet. Heraus stieg Granny Mays Enkel in seiner alten Bomberjacke, die Stirn unter einer schwarzen Melone versteckt, die seinem Großvater gehört hatte. Er war klein, aber kräftig, mit breitem Kiefer und dem Unterbiss einer Bulldogge. Jene Sorte Kiefer, die, sobald sie sich in etwas verbissen hatte, nicht mehr losließ.

»Rory Docherty«, sagte Cooley. »Hab gehört, du bist zurück aus Übersee. Oder wenigstens ein Teil von dir.«

Rory humpelte zur Vorderseite seines Wagens, wobei er sein Holzbein nachzog. Er sagte nichts. Cooley spuckte ins Gras.

»Hätte nicht gedacht, dass du noch fährst.«

Rory zog ein Päckchen Lucky Strike aus seiner Brusttasche und zündete sich eine zwischen seinen hohlen Händen an. Das Zippo-Feuerzeug des 5th Marine Regiment in seiner Hand schnappte zu.

»Ist kein Problem«, sagte er, »weil es mein Kupplungsfuß ist.«

Cooley leckte sich die Lippen und blickte auf Rorys linken Stiefel.

»Dieser Rennfahrer, Red Byron, ist jetzt ein Krüppel. Hat ihn anscheinend nicht davon abgehalten, weiter Rennen zu fahren. Er hat das Bein ja noch.«

Rory stieß den Rauch durch die Nase aus, einen sich kräuselnden blauen Schnurrbart.

»Gibt’s hier irgendein Problem?«

»Wir sind für’n Schluck Tee von deiner Granny hier«, sagte Cooley. »Ella hier hat gestern Abend eine Ladung abgekriegt.«

»Na so was«, sagte Rory.

Cooley zog grinsend seine Reithosen vorn hoch.

»Ja, Sir. Wir brauchten bloß ein Kräutermittel dagegen.«

Das Mädchen trank hastig den Tee aus und erhob sich.

»Ich bin so weit«, sagte sie. »Wir sollten fahren. Daddy steht bald auf. Er darf nicht wissen, dass ich nicht zu Hause war.«

»Nein«, sagte Cooley mit anzüglichem Grinsen Richtung Rory. »Das darf er nicht wissen.«

Sie kam von der Veranda herunter und ging zum Wagen, während Cooley sich nicht rührte. Schließlich kehrte er mit federndem Gang zum Wagen zurück, das dämliche Grinsen noch immer im Gesicht. Er stieg in den grünen Hudson und steckte den Kopf durch das Fenster.

»Hab gehört, Docherty, man hat dir ’ne Medaille dafür verliehen, dass du dich hast in die Luft sprengen lassen.«

Rorys Wangen verdunkelten sich, während er an der Zigarette zog. Die Asche glomm auf.

»Stimmt«, sagte er.

»Ganz schön großzügig, wenn du mich fragst.«

»Stimmt.«

»Dort drüben irgendwelche Schlitzaugen gekillt?«

Wieder kam der Rauch aus Rorys Nasenlöchern, als würde in seinen Eingeweiden ein Feuer brennen.

»Wird Zeit, dass du von meinem Grundstück verschwindest, Kleiner. Und zwar auf der Stelle.«

Cooley legte den Rückwärtsgang ein, wobei er Rory ansah. »Pass auf, wie du mit mir redest«, sagte er. »Bis zu Eustace oben auf dem Berg ist es weit.«

Rory humpelte zu dem Wagen hin. Er legte eine Hand auf das Dach und beugte sich mit der brennenden Zigarette zwischen den Fingern nach vorn.

»Sachte«, sagte er mit leiser Stimme. »Es heißt, er hat Ohren in den Bäumen.«

Rory nickte zu dem Geisterbaum hin. Wie er erwartet hatte, wanderte Cooleys Blick an den Zweigen hinauf, und Rory schnippte dem Jungen seine Zigarette in den Schoß. Cooley schrie auf und schlug nach dem Funkenregen, während sich ein Haufen glühender Fliegen auf seinen Schritt stürzte. Das Mädchen auf dem Beifahrersitz hielt sich die Hand vor den Mund und versuchte, nicht zu lachen. Cooley wischte die glühende Asche zu Boden und trat sie aus. Als er aufblickte, war sein Gesicht wutverzerrt.

»Zum Teufel mit dir, Docherty. Das wird dir noch leidtun.«

»Es gibt vieles, was mir leidtut«, sagte Rory. »Das hier bestimmt nicht.«

Er drehte sich um und ging zum Haus. Der Hudson wendete und wirbelte Erde auf, als er schlingernd die Auffahrt hinunterfuhr.

Granny sah ihrem Jungen dabei zu, wie er mühsam die Treppe erklomm.

»Du sollst keinen Rauch in eine Schlangenhöhle blasen, Junge.«

»Das war nicht seine Höhle, sondern unsere.« Er machte Anstalten hineinzugehen.

»Rory.« Er blieb stehen. »Hast du nicht was vergessen?«

Er beugte sich hinunter und küsste sie auf die Wange.

»Auf dem Ofen stehen Catheads«, sagte sie. »Soße dazu ist im Topf.«

»Danke.«

Sie hörte ihn hineingehen, wobei die Hütte unter seinen Schritten bebte. Sie hörte, wie die Sprungfedern protestierten, als er sich auf sein Bett fallen ließ und sein Frühstück kalt wurde.

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