Kitabı oku: «Den Schatten umarmen», sayfa 2
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Der Completion Process bringt Ihre Verletzungen aus der Vergangenheit an einen Punkt, an dem sie heilen können. Auch hier verwende ich Wörter sehr behutsam. In diesem Zusammenhang sind »Verletzungen« keine klaffenden Wunden, aus denen Blut strömt, sondern stehen für jeglichen nicht geheilten emotionalen, psychischen oder physischen Kampf, den Sie vielleicht noch austragen.
Sogar das Wort »Heilen« kann missverstanden werden. Meistens impliziert »Heilung« ja, dass etwas so, wie es ist, nicht in Ordnung ist. Doch genau dies ist sozusagen die »Urverletzung«, die wir alle mit uns herumtragen, nämlich, dass etwas aus unserer Vergangenheit nicht in Ordnung sei. Das Schöne am Completion Process ist: Das, was Heilung bringt, ist das präsente Bewusstsein in Form von Aufmerksamkeit, die Sie dieser Verletzung schenken. Sie sind bedingungslos präsent bei dieser Verletzung, wodurch Sie letztendlich Ihr Okay dazu geben und es in Ordnung finden, sich genau so zu fühlen, wie Sie sich fühlen. Im Laufe dieses Prozesses werden Sie mit diesem Konzept noch sehr vertraut werden.
Bei der Arbeit mit dem Completion Process müssen wir unsere Emotionen nicht verändern bzw. um eine Veränderung bitten. Unsere Emotionen verändern sich eben genau deshalb, weil wir das nicht einfordern oder sie dazu zwingen. Wir sind einfach bedingungslos präsent und fokussiert, und damit schenken wir uns bedingungslose Liebe. Dadurch erleben wir eine Transformation in das, was und wer wir wirklich sind. So können wir ganz werden und unsere Integrität wiederherstellen.
Wer sich auf den Completion Process einlässt, lässt sich auf einen Heilprozess ein, in dessen Verlauf die Schichten, welche unser wahres Selbst verbergen, sozusagen abgeschält werden, wodurch der Leidenskreislauf im Leben beendet wird. Das heißt keineswegs, dass wir keine negativen Emotionen mehr verspüren, doch wir leiden unter solchen negativen Emotionen nicht mehr so wie früher.
Wie sich der Completion Process anfühlen kann
Als Heilerin freue ich mich immer sehr über Rückmeldungen von früheren Klienten und Klientinnen. Ich will an dieser Stelle die Geschichte einer Klientin erzählen, damit Sie einen Eindruck davon bekommen, wie sich dieser Prozess anfühlt und was dabei herauskommen kann. Das Trauma dieser Klientin mag ein ganz anderes sein als das Ihre, aber der Prozess funktioniert immer gleich, egal welches Trauma Sie auflösen wollen.
Ich habe diese Klientin (ich will sie Joanna nennen) im Laufe des Prozesses ziemlich gut kennengelernt. Ich kenne ihre Geschichte in- und auswendig, glaube aber, es bringt mehr, sie von Joanna in ihren eigenen Worten erzählen zu lassen. Joanna ist sich völlig da-rüber im Klaren, welche Rolle der Completion Process in ihrem Leben gespielt hat:
»Mit diesem Werkzeug habe ich mein Leben gerettet. Bevor ich darauf stieß, war ich ein Zombie. Mein Leben war voller Schmerzen, ich wollte nicht mehr leben. Tagtäglich litt ich solche Schmerzen, dass ich gar nicht wusste, was Glück oder Freude oder Spaß überhaupt sind. Diese Konzepte waren von meiner Realität so weit weg, dass ich vergessen hatte, dass so etwas überhaupt möglich ist. Mein Leben erschien mir unerträglich. Egal, was ich machte, ich konnte aus meiner Hölle einfach nicht ausbrechen. Meine Vergangenheit war mir immer gegenwärtig und ich konnte dem jahrelangen sexuellen Missbrauch und den Depressionen einfach nicht entkommen.«
Als ich Joanna kennenlernte, fühlte sie sich ihrer Vergangenheit und ihrer Gegenwart machtlos ausgeliefert, was sich praktisch auf alle Aspekte ihres Lebens auswirkte:
»Wegen meiner Depressionen verbrachte ich fast alle Tage im Bett, und wenn nicht, dann wollte ich im Bett liegen. Ich wollte mit der Außenwelt nichts zu tun haben. Wie hätte ich auch mit der Außenwelt klarkommen können, wenn meine Innenwelt die Hölle auf Erden war? Jeden Tag wünschte ich mir, einfach sterben zu können. Entweder etwas musste sich drastisch verändern oder ich würde tatsächlich sterben, davon war ich überzeugt. An diesem Punkt trat der Completion Process in mein Leben.
Als ich damit anfing, wurde klar, dass ich einen langen Weg vor mir hatte. Ich war nicht wirklich in meinem Körper, hatte keine Erinnerungen und musste deshalb mit winzigen Schritten beginnen und mich in meinen Körper zurückatmen. Aber das war in Ordnung, denn es fühlte sich besser an als vorher, so viel besser, dass der Completion Process für mich zur neuen Zufluchtstechnik wurde, die ich immer dann anwendete, wenn ich das Gefühl hatte, ich würde mit dem Leben nicht fertig werden. Dieser Prozess ist nicht einfach; man muss alles erneut durchleben, was man im Laufe seines ganzen Lebens vermieden hat, aber das ist es wirklich wert. Ich habe mit diesem Prozess einige meiner schrecklichsten Erinnerungen verarbeitet.«
Inzwischen hat Joanna den Mut, anderen Menschen ihre ganze Geschichte zu erzählen, weil sie das Gefühl hat, diese Wahrheit könne anderen helfen, die mit eigenen sehr dunklen und furchtbaren Situationen zu kämpfen haben.
»Einmal musste ich nach einem Auslöser den Completion Process anwenden«, berichtet sie. »Eine Vergewaltigungsszene nach der anderen kam hoch. Ich wollte unbedingt davonlaufen, aber ich blieb dabei und durchlief den Prozess bis zum Ende. Dabei fand ich heraus: Auch wenn jede einzelne Szene sehr schmerzhaft war, ich konnte sie durchleben. Nach dieser unglaublichen und intensiven Erfahrung erkannte ich, dass ich mein Leben jetzt wirklich leben konnte und dass Erfahrungen nicht immer voller Dunkelheit sein müssen.«
Was war passiert? Sobald Joannas Vergangenheit sie nicht mehr im Griff hatte, war es nicht mehr ihr Schicksal, Tag für Tag erneut den Schmerz zu durchleben. Voller Selbstvertrauen sagt sie abschließend:
»Ich habe das Gefühl, jetzt ein Mensch zu sein und nicht nur eine menschliche Hülle. Ich habe so viele fantastische Momente erlebt, weil ich dank dieses Prozesses meine Vergangenheit dort lassen konnte, wo sie hingehört: in der Vergangenheit. Dieser Prozess war für mich das Licht am Ende des Tunnels, er hat mir Hoffnung gegeben in einer, wie ich meinte, hoffnungslosen Situation und mich dem Leben zurückgegeben.«
Passt dieser Prozess zu Ihnen?
Wie Joanna sind auch Sie in diesem Buch auf den Completion Process gestoßen. Und das heißt, Sie oder jemand, den Sie kennen und lieben, spricht auf diesen Prozess an, denn sonst hätte Ihnen das Universum dieses Buch nicht in die Hand gedrückt. Jetzt ist es für Sie an der Zeit zu lernen, ganz präsent bei sich zu sein, und herauszufinden, ob Sie bereit sind, »zurückzugehen« und sich um sich selbst zu kümmern.
Was kommt in diesem Moment in Ihnen hoch? Ihr Körper braucht Sie. Ihr Geist braucht Sie. Ihre Gefühle brauchen Sie. Ihre schmerzlichen Wahrnehmungen brauchen Sie. Das verletzte innere Kind braucht Sie. Ihr Leiden braucht Sie. Jetzt ist es so weit: Jetzt müssen Sie wirklich für all diese Teile da sein, die schon so lange nach Ihnen rufen.
Sie haben gelitten, weil Sie nicht von Mitgefühl und Verständnis berührt wurden. Sie haben gelitten, weil Sie nicht von bedingungsloser Liebe berührt wurden, und zwar, weil Sie sich selbst die Botschaft überbracht haben, dass Sie nur dann im Hier und Jetzt bei sich sein wollen, wenn Ihr Leben wirklich gut läuft und Sie positive Emotionen verspüren.
Damit sind Sie zu einem sogenannten »Schönwetterfreund« Ihrer selbst geworden. Und was noch wichtiger ist: Sie haben Bedingungen aufgestellt, um sich selbst lieben zu können, und das ist die tiefste Form des Verrats und stellt eine weitere Verletzung dar, die wir alle in uns tragen. Jetzt haben Sie die Chance, diese Wunden zu heilen und sich mit sich selbst zu versöhnen.
Der unterbewusste Geist
Jeder Mensch auf der Erde, egal wie gut seine Kindheit auch gewesen sein mag, hat Traumatisches und deshalb auch mehr oder weniger viel posttraumatischen Stress erlebt. Menschen mit einer sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörung leiden dabei unter so viel Stress, dass sie funktional gestört sind. Doch im Prinzip trifft das auf alle Menschen zu. Um zu begreifen, wie das passiert, müssen wir den menschlichen Geist verstehen lernen.
Auf der physischen Ebene wurde der Mensch mit einem unterbewussten und einem bewussten Geist erschaffen.
Das Unterbewusstsein ist der Teil des Geistes, welcher alle autonomen Aspekte des Lebens steuert, also beispielsweise den Herzschlag. Das Unterbewusstsein kontrolliert alles, worum sich der bewusste Geist nicht kümmert. Wenn wir daran denken müssten, unsere Herzen weiterschlagen zu lassen, Nahrung zu verdauen und unsere Glaubensüberzeugungen zu hinterfragen, könnten wir uns nicht fokussieren.
Fokussieren befähigt uns zum kreativen Tun, zum Lernen und zu unserer Weiterentwicklung. Das ist die Stärke des bewussten Geistes.
Das Unterbewusstsein dagegen kümmert sich um Überzeugungen, um frühere Erfahrungen, Erinnerungen und die Fähigkeiten, die wir bereits erlernt haben. Das Unterbewusstsein übernimmt die Kontrolle über alles, was wir erlernen, damit der Mensch sich auf andere wichtige Dinge im Leben fokussieren kann. Wird ein Gedanke nur oft genug gedacht, dann wird er vom Unterbewusstsein übernommen und wird zu etwas Automatischem.
Um das zu verstehen, können wir uns einmal eine Olympia-Schwimmerin vorstellen. Als diese Schwimmerin das Schwimmen lernte, konnte sie beim Schwimmen an nichts anderes denken als an das Schwimmen, musste sich vorsätzlich und aufmerksam auf jeden Schwimmzug konzentrieren. Doch nach einer Weile konnte sie die Schwimmzüge automatisch ausführen, und jetzt nimmt sie an den Olympischen Spielen teil und ist im Rückenschwimmen so gut, dass sie gar nicht mehr darüber nachdenken muss, wie das denn nun geht. Sie schwimmt und plant gleichzeitig das Abendessen.
Doch eben dieser Vorzeigesportlerin fällt es vielleicht ziemlich schwer, einem Anfänger das Rückenschwimmen beizubringen, weil sie es vor so langer Zeit gelernt hat. Ihr Unterbewusstsein hat schon vor vielen Jahren die Ausführung übernommen, und deshalb ist sie sich nicht mehr bewusst, wie dieser Rückenschwimmzug geht. Das Unterbewusstsein ist also die lebendige, atmende Version eines Autopiloten.
Im Rahmen des Completion Process müssen wir eine sehr wichtige Wahrheit über das Unterbewusstsein verstehen: Das Unterbewusstsein kontrolliert alles, was sich störend auf den bewussten Geist auswirkt. Das Unterbewusstsein ist damit in der Lage, uns am Leben zu erhalten oder unser Leben zu zerstören. Es ist der Grund dafür, dass wir nicht erst groß darüber nachdenken müssen, einem auf uns zurasenden Zug aus dem Weg zu springen.
Aber auch bei anderen Gelegenheiten übernimmt das Unterbewusstsein die Kontrolle, um unser Überleben zu sichern. Dieser Mechanismus ist zwar kurzfristig von Vorteil, langfristig kann er uns jedoch sehr viel Schaden zufügen. Zum Beispiel in Form unseres Glaubenssystems.
Wenn Ihre Eltern sich beispielsweise scheiden ließen, als Sie noch klein waren, beschließen Sie womöglich, jemanden zu lieben sei gefährlich, weil Sie diesen Menschen sowieso wieder verlieren werden. Und wenn der damit verbundene Schmerz Ihr Leben stark beeinträchtigt hat, übernimmt unter Umständen das Unterbewusstsein diese Glaubensüberzeugung. Dann sind Sie sich Ihres ursprünglichen Gedankens bzw. Ihrer ursprünglichen Überzeugungen nicht mehr bewusst, sondern stellen einfach nur noch fest, dass Sie immer dann, wenn Sie mit einem Menschen zu große Nähe erleben, sich zurückziehen und die Beziehung beenden.
Als erwachsener Mensch sind Ihnen nur die Symptome bewusst; doch die Grundursache dieser Symptome ist tief im Unterbewusstsein vergraben. Auf diese Weise übernimmt Ihr Unterbewusstsein Ihre Gedanken und Emotionen und im Extremfall sogar ganze Erinnerungen, die für Ihren bewussten Geist eine Bedrohung darstellen.
Wie Erinnerungen unterdrückt werden
Unterdrückte bzw. verdrängte Erinnerungen werden im Bereich der Psychologie kontrovers diskutiert. Erinnerungen werden verdrängt, wenn eine Situation mit viel Trauma oder Stress assoziiert wird; die Erinnerung an die gesamte Situation wird unbewusst blockiert, sodass die Person sich überhaupt nicht mehr daran erinnert. Die Erinnerung wirkt sich zwar auf bewusster Ebene auf die betreffende Person aus, aber sie kann sich diese bestimmte Erinnerung nicht ins Gedächtnis rufen.
Manche Psychologen halten nichts vom Konzept der verdrängten Erinnerungen, andere wiederum – und ich gehöre dazu - stehen voll und ganz dahinter. Unterdrückte Erinnerungen sind etwas sehr Reales, und ich glaube, so gut wie jeder Mensch hat das schon erlebt. Die Frage ist demnach nicht, ob jemand eine Erinnerung unterdrückt oder nicht, sondern vielmehr, wie sehr sie unterdrückt wird.
Um verdrängte Erinnerungen besser verstehen zu können, müssen wir die Wirkungsweise von Traumata verstehen. Ein Trauma ist lediglich eine Verfassung, in der wir emotional und psychisch aufgrund einer bestimmten Erfahrung unter Stress stehen, und nicht unbedingt eine Tragödie. In einem modernen Krankenhaus geboren zu werden ist beispielsweise ein traumatisches Erlebnis. Für ein Baby ist es traumatisch, von der Muttermilch entwöhnt zu werden. Für ein dreijähriges Kind ist es traumatisch, im Supermarkt die Mutter nicht mehr zu finden. Angesichts dieser breit gefächerten Trauma-Definition können selbst die besten Eltern der Welt ihr Kind nicht völlig ohne Trauma aufziehen. Dabei müssen wir uns auch klarmachen: Ein scheinbar nur kleines, unbedeutendes Trauma wie eine Enttäuschung in der Kindheit fühlt sich keineswegs klein an, wenn man es erlebt.
Wenn jemand, egal wie alt er oder sie ist, ein traumatisches emotionales Erlebnis hat, dann hat diese Person keinerlei Möglichkeit, dieses Ereignis in ihr bewusstes Leben zu integrieren. Um emotional zu überleben, wird die Erinnerung dann oft komplett unterdrückt; sie wird vom Selbst dissoziiert und fragmentiert abgespeichert.
Was verstehe ich unter fragmentiert? Eine Erinnerung geht mit Sinnesempfindungen einher, beispielsweise einem Geräusch, Geschmack, Geruch, Bild oder einer Emotion. Wenn eine Situation besonders traumatisch ist, werden die damit zusammenhängenden Sinneseindrücke oft separat abgespeichert. Der Geist verdrängt zum Beispiel die damit assoziierten Bilder stärker als die Emotionen. Deshalb werden verdrängte Erinnerungen oft in Fragmenten zurück ins Gedächtnis geholt, und deshalb ist dieses Zurückholen oft eine sehr verwirrende Angelegenheit.
Ein Beispiel: Eine Person, die als Kind sexuell missbraucht wurde, kann sich womöglich nicht an das tatsächliche Geschehen erinnern. Aber weil der Geist den mit der Erinnerung verbundenen Geruch oder den emotionalen Aspekt nicht so sehr verdrängt hat wie die damit assoziierten Bilder, kann ein Geruch für die betreffende Person (die inzwischen erwachsen ist) als Auslöser dienen. Sie geht vielleicht ganz arglos im Supermarkt einen Gang entlang und ist sich keines Missbrauchs in der Vergangenheit bewusst, und auf einmal riecht sie genau das Eau de Cologne, welches der Peiniger ihrer Kindheit benutzt hat, und sie empfindet plötzlich Übelkeit oder erlebt sogar einen Angstanfall.
Der Geruch des Eau de Cologne bringt den Schrecken (den emotionalen Aspekt) der Erinnerung zurück, aber weil der Person nicht die gesamte Erinnerung bewusst ist, erkennt sie den Auslöser nicht. Die Übelkeit bzw. Panikattacke scheint aus heiterem Himmel zu kommen, und da diese Reaktion scheinbar völlig zusammenhanglos auftritt, meint sie womöglich, sie würde verrückt werden.
Der Geist profitiert von einer solchen Dissoziation, wenn er ein Trauma erlebt. Ich möchte dieses Konzept erklären, denn es ist für das Verständnis des Completion Process wichtig. Eine Dissoziation ist eine psychische Verfassung, in der sich die Person von einer Erfahrung abspaltet; sie ist sozusagen ein Abwehr- bzw. Bewältigungsmechanismus, mit dessen Hilfe wir unangenehme Erfahrungen vermeiden können. Dissoziationen können schwach oder stark ausgeprägt sein.
Dissoziation kann sich, ähnlich wie ein Trauma, auf einer Skala abspielen. Die mildeste Form, am einen Ende der Skala, könnte sich einfach in Tagträumen zeigen, anstatt sich auf das zu konzentrieren, was man gerade macht oder erlebt. Oder es kommt zu Empfindungslosigkeit. In ihrer schlimmeren Form am anderen Ende des Dissoziationsspektrums ist die betroffene Person womöglich komplett von der Realität losgelöst und verliert zeitweise ihr Identitätsgefühl oder erschafft sich neue Identitäten. Das passiert manchmal, wenn jemand rituellen Missbrauch, sexuellen Missbrauch oder Kriegsgräuel erlebt hat.
Gehen wir von einem solchen Dissoziationsspektrum aus, verstehen wir auch, dass der eine seine Wutgefühle ablehnt, jemand anderes sich dagegen völlig von seiner Identität abtrennt, um einem schlimmen Ereignis zu entrinnen. Jede Art von Dissoziation erzeugt eine Spaltung in der Person, zwischen dem bewussten Selbst und dem unterbewussten Selbst. Treten solche Dissoziationen häufig auf, gibt es in uns viele abgespaltene Teile.
Durch das dissoziative Abspalten einer Erfahrung wird sie aus der bewussten Wahrnehmung herausgehalten, damit man die schmerzlichen oder unangenehmen Gefühle, die damit verbunden sind, nicht ertragen muss. Für den Geist ist das nützlich, weil seine Priorität das Überleben ist – nicht nur das physische Überleben, sondern auch das psychisch-mentale und emotionale Überleben. Ein kleines Kind, welches von einer Person abhängig ist, durch die es missbraucht wird, hat keine andere Wahl, als seine Bindung an diese Person beizubehalten.
Die kognitive Dissonanz, die mit dem »Zusammenleben mit dem Monster« assoziiert wird, kann so stark werden, dass man in der Atmosphäre solch großen Schreckens gar nicht mehr leben könnte. Durch die Unterdrückung der Erinnerung an den Missbrauch wird die Bindung an den Erwachsenen, der den Missbrauch begeht, aufrechterhalten und damit das Überleben gesichert.
Im Laufe des Completion Process kommen Ihnen vielleicht viele vergessene Erinnerungen hoch, ebenso wie weitere Einzelheiten zu Erinnerungen, die Ihnen bereits bewusst sind. Sie erkennen, wie traumatisch bestimmte Erfahrungen aus der Vergangenheit waren und wie sehr Sie in Ihrem derzeitigen Leben davon geprägt sind.
Das zurückgewiesene Selbst geht nicht einfach weg
Wir werden in Ganzheit geboren, aber diese Ganzheit ist sehr kurzlebig, weil wir von Beziehungen abhängig sind. Werden wir in Familienbeziehungen hineingeboren, von denen wir abhängig sind und die uns in eine nicht besonders weit entwickelte Gesellschaft sozialisieren, kann das problematisch sein, weil wir dann lernen, dass manche unserer persönlichen Aspekte akzeptabel sind und andere nicht. Was akzeptabel bzw. inakzeptabel ist, hängt von der Betrachtungsweise der Familie ab, in die wir hineingeboren werden.
Die Aspekte, die als inakzeptabel betrachtet werden (sowohl positive wie negative), werden von unseren Familienangehörigen abgelehnt, die akzeptablen werden begrüßt. Weil wir in einer abhängigen Beziehung stehen, tun wir um des Überlebens willen alles, um diejenigen unserer persönlichen Aspekte, die missbilligt werden, zurückzuweisen (und damit zu unterdrücken) und diejenigen, die gebilligt werden, überzubetonen.
Der Selbsterhaltungstrieb der Dissoziation ist tatsächlich unser erster Akt der Selbstablehnung. Stellen Sie sich zum Beispiel ein Kind vor, welches in eine Familie hineingeboren wird, in der Wut als emotionaler Ausdruck nicht akzeptiert wird. Wird das Kind wütend, muss es sich schämen, und deshalb unterdrückt und leugnet es seine Wut, um in der Familie überleben zu können. Mit der Zeit wandert die Wut ins Unterbewusstsein.
Als Erwachsener bzw. Erwachsene ist sich diese Person ihrer inneren Wut höchstwahrscheinlich überhaupt nicht bewusst. Sie will und kann sich nicht klar erkennen, weil sie diesen Aspekt ihrer selbst zurückgewiesen hat. Sagen ihr dann die Leute, sie wirke wütend, kann sie damit überhaupt nichts anfangen und hält sich wahrscheinlich nur für locker und unkompliziert.
Wir wissen also: Wenn wir etwas ablehnen (und damit unterdrücken), verschwindet es keineswegs, sondern entschwindet nur unserer bewussten Wahrnehmung. Um die verdrängte Erinnerung anzuerkennen, bringen Sie genau die Angst vor Zurückweisung hoch, die Sie, als Sie noch klein waren, unterdrückt haben, und haben womöglich das Gefühl, Sie würden sterben. Kein Wunder also, dass vollständige Selbstbewusstheit und Selbsterkenntnis so schwer zu erreichen ist.
Wir sind alle sozialisiert worden und haben daher alle diesen Prozess der Abspaltung durchlaufen. Wir werden erwachsen und nehmen manche Teile an und lehnen andere Teile ab. Aus dieser Selbstablehnung wird Selbsthass geboren. Die Leere, die wir fühlen, ist auf diese abgelehnten (und damit unterdrückten) Anteile unserer selbst zurückzuführen. Unsere Seele will nur eins: Uns wieder ganz machen.
Auf unserem Weg durchs Leben werden uns alle Chancen geboten, wieder ganz zu werden. Aber um zur Ganzheit zurückzukehren, müssen wir diejenigen unserer Aspekte erkennen und akzeptieren, die auf diesem Weg abgelehnt und unterdrückt wurden. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie unglaublich schmerzlich das ist. Selbsterkenntnis fällt Menschen, die Schmerzen vermeiden, nicht von alleine in den Schoß, denn um sich diese verloren gegangenen Aspekte bewusst zu machen, müssen wir damit aufhören, der inneren Leere entkommen zu wollen.