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Über Ungleichheit

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Seriler: Big Ideas #16
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Über Ungleichheit
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INHALT

BIG IDEAS

EIN GESPALTENES EUROPA?

IST UNGLEICHHEIT GUT FÜR WACHSTUM?

BRAUCHT IRGENDJEMAND EINE MILLIARDE EURO?

DEMOKRATIE UND EUROPAS ANTWORT AUF DAS PROBLEM DER UNGLEICHHEIT

FUSSNOTEN

BIOGRAFIE

Die Europäische Investitionsbank

Die Europäische Investitionsbank (EIB) ist der größte multilaterale Kreditgeber der Welt. Sie ist die einzige Bank, die den EU-Ländern gehört und deren Interessen vertritt. Die EIB fördert mit ihren Finanzierungen das Wirtschaftswachstum in Europa. Seit sechzig Jahren unterstützt sie Start-ups wie Skype und Großprojekte wie die Öresundbrücke, die Schweden und Dänemark verbindet. Zur in Luxemburg ansässigen EIB-Gruppe gehört auch der Europäische Investitionsfonds (EIF). Der EIF bietet Finanzierungen für kleine und mittlere Unternehmen an.

ÜBER UNGLEICHHEIT
Tessa Bending


Haftungsausschluss: Der nachfolgende Text gibt die Ansicht der Autorinnen und Autoren wieder, die nicht unbedingt der Sichtweise der Europäischen Investitionsbank entspricht.

BIG IDEAS

Hat Europa ein Ungleichheitsproblem? Die Coronapandemie hat jedenfalls viele Menschen in Not gebracht. Der Aufstieg populistischer Bewegungen ist ein weiteres Signal, dass etwas im Argen liegt. Viele in Europa empfinden ihre Wirtschaft nicht mehr als fair. Aber liegt das an zu viel Ungleichheit oder ist es nur eine Frage der Ideologie? Und ist Ungleichheit überhaupt etwas Schlechtes?

Um das zu beantworten, werfen wir einen Blick in die Statistiken. Wir schauen aber auch: Wie ist das in der Praxis, wenn Menschen nur mit Mühe über die Runden kommen? Die Vorstellungen darüber, wie sich Ungleichheit auswirkt und welche Bedeutung sie hat, gehen auseinander – auch das müssen wir berücksichtigen.

Fördert Ungleichheit den Unternehmergeist und damit Innovationen, weil sie zum Kampf um sozialen Aufstieg anstachelt? Oder beeinträchtigt sie Lebenschancen, weil sie sich verfestigt, soziale Mobilität blockiert und dadurch die Innovationskraft hemmt?

Und braucht irgendjemand wirklich eine Milliarde Euro? Wenn wir einen Euro übrighaben, wie schaffen wir damit mehr Glück: Wenn wir ihn den Reichen geben oder den Armen? Eine klassische Frage in der Wirtschaftswissenschaft, die heute oft nicht mehr gestellt wird.

Tessa Bending forscht in der Abteilung Volkswirtschaftliche Analysen der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe, sozialen Entwicklung und Wirkungsmessung. Die Abteilung liefert Analysen zu zentralen Investitionsfragen, die in die internationale wirtschaftspolitische Diskussion einfließen.

Dies ist der sechzehnte Essay aus der Reihe Big Ideas der Europäischen Investitionsbank. Auf Einladung der EIB schreiben internationale Vordenkerinnen, Vordenker und Fachleute über die drängendsten Themen unserer Zeit. Ihre Essays zeigen uns: Wir müssen umdenken, wenn wir die Umwelt schützen, die Chancengleichheit fördern und das Leben der Menschen weltweit verbessern wollen.


MIT DER ERWEITERUNG DER EUROPÄISCHEN UNION NÄHERTEN SICH DIE LEBENSVERHÄLTNISSE AN. DOCH VIELE HABEN DAS GEFÜHL, EUROPA HAT SEINEN KOMPASS VERLOREN.

EIN GESPALTENES EUROPA?

Vielleicht sollten wir zuerst daran denken, worin Europa vergleichsweise stark ist: Europa ist ein großartiger Ort zum Leben und Arbeiten, ein Ort der relativen Freiheit und Toleranz. Es ist einer der besten Orte der Welt, wenn es im Leben nicht gut läuft – wir unseren Job verlieren, erkranken oder pflegebedürftig werden. Europa ist ein Erfolgsmodell, das eine wettbewerbsfähige Marktwirtschaft mit einem starken Sozialstaat verbindet und so eine hohe Lebensqualität sichert. Mit der Erweiterung der Europäischen Union haben sich die Lebensstandards der Länder angenähert. Europa ist nach wie vor eine der egalitärsten Regionen der Welt.

“ Wir verbeißen uns da schnell in Statistiken. Aber Ungleichheit ist nicht leicht zu messen. Die Superreichen bleiben bei den Umfragen meist außen vor, weil es schlicht nur wenige davon gibt.

Und doch haben viele das Gefühl, der Kontinent hat seinen Kompass verloren. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Politik verschoben – von einem weitgehend sozialdemokratischen und keynesianischen Kurs mit einer starken Präsenz des Staates hin zu einem eher neoliberalen Ansatz, in dem er zurücktritt. Die globale Finanzkrise 2008–2009 erschütterte den neoliberalen Konsens, und die Diskussion über die Rolle des Staates entbrannte neu. Vor diesem Hintergrund geht es in der Debatte über Ungleichheit nicht so sehr darum, ob zu viel oder zu wenig da ist; vielmehr ist die Frage, ob die jüngsten Ereignisse und Verschiebungen die Ungleichheit verschärft haben.

Wir verbeißen uns da schnell in Statistiken. Aber Ungleichheit ist nicht leicht zu messen. Die Superreichen bleiben bei den Umfragen meist außen vor, weil es schlicht nur wenige davon gibt. Steuerdaten müssen durch viele Annahmen ergänzt werden. Und verschiedene Messgrößen liefern unterschiedliche Daten. Die noch junge Ungleichheitsforschung befasst sich hauptsächlich mit Fragen des Messens und streitet darüber, wie groß die Ungleichheit tatsächlich ist.


Insgesamt lässt sich sagen: Ja, die Einkommensungleichheit hat zugenommen und ebenso die Vermögensungleichheit. Das begann mit der neoliberalen Ära in den 1980er- und 1990er-Jahren, wenngleich in Europa der Staat weiterhin eine starke Rolle beim Ausgleich von Einkommensunterschieden spielte. Deshalb wuchs die Ungleichheit in Europa weit weniger drastisch als in den Vereinigten Staaten.

Die Einkommen der unteren 80 Prozent der europäischen Bevölkerung sind seit 1980 im Durchschnitt um etwa 40 Prozent gestiegen, während sich die Vorsteuer-Einkommen des oberen 1 Prozent mehr als verdoppelten.[1] Die globale Finanzkrise und ihre Folgen haben in Europa die Ungleichheit nicht maßgeblich vergrößert. Vielmehr drückten sinkende Gewinne vorübergehend die Einkommen im oberen Perzentil. Aber die Krise verschärfte auch die Not und wirtschaftliche Unsicherheit in den unteren Einkommensgruppen. Noch lässt sich nicht sicher sagen, wie sich Covid-19 auswirken wird. Vieles deutet aber darauf hin, dass die Krise Menschen mit schlecht bezahlten, unsicheren Jobs im Dienstleistungssektor wesentlich härter trifft als die meisten anderen.