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Kitabı oku: «Schach von Wuthenow», sayfa 7

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Zwölftes Kapitel.
Schach bei Frau von Carayon

Am andern Vormittage saß Frau von Carayon am Bette der Tochter und sagte, während diese zärtlich und mit einem wiedergewonnenen ruhig-glücklichen Ausdruck zu der Mutter aufblickte: »Habe Vertrauen, Kind. Ich kenn ihn so lange Zeit. Er ist schwach und eitel nach Art aller schönen Männer, aber von einem nicht gewöhnlichen Rechtsgefühl und einer untadligen Gesinnung.«

In diesem Augenblicke wurde Rittmeister von Schach gemeldet, und der alte Jannasch setzte hinzu, »daß er ihn in den Salon geführt habe.«

Frau von Carayon nickte zustimmend.

»Ich wußte, das er kommen würde,« sagte Victoire.

»Weil Du's geträumt?«

»Nein, nicht geträumt; ich beobachte nur und rechne. Seit einiger Zeit weiß ich im voraus, an welchem Tag und bei welcher Gelegenheit er erscheinen wird. Er kommt immer, wenn etwas geschehen ist oder eine Neuigkeit vorliegt, über die sich bequem sprechen läßt. Er geht einer intimen Unterhaltung mit mir aus dem Wege. So kam er nach der Aufführung des Stücks, und heute kommt er nach der Aufführung der Schlittenfahrt. Ich bin doch begierig, ob er mit dabei war. War er's, so sag ihm, wie sehr es mich verletzt hat. Oder sag es lieber nicht.«

Frau von Carayon war bewegt. »Ach, meine süße Victoire, Du bist zu gut, viel zu gut. Er verdient es nicht; keiner.« Und sie streichelte die Tochter und ging über den Korridor fort in den Salon, wo Schach ihrer wartete.

Dieser schien weniger befangen als sonst und verbeugte sich ihr die Hand zu küssen, was sie freundlich geschehen ließ. Und doch war ihr Benehmen verändert. Sie wies mit einem Ceremoniell, das ihr sonst fremd war, auf einen der zur Seite stehenden japanischen Stühle, schob sich ein Fußkissen heran, und nahm ihrerseits auf dem Sopha Platz.

»Ich komme, nach dem Befinden der Damen zu fragen und zugleich in Erfahrung zu bringen, ob die gestrige Maskerade Gnade vor Ihren Augen gefunden hat oder nicht.«

»Offen gestanden, nein. Ich, für meine Person, fand es wenig passend, und Victoire fühlte sich beinah widerwärtig davon berührt.«

»Ein Gefühl, das ich theile.«

»So waren Sie nicht mit von der Partie?«

»Sicherlich nicht. Und es überrascht mich, es noch erst versichern zu müssen. Sie kennen ja meine Stellung zu dieser Frage, meine theure Josephine, kennen sie seit jenem Abend, wo wir zuerst über das Stück und seinen Verfasser sprachen. Was ich damals äußerte, gilt ebenso noch heut. Ernste Dinge fordern auch eine ernste Behandlung, und es freut mich aufrichtig, Victoiren auf meiner Seite zu sehen. Ist sie zu Haus?«

»Zu Bett.«

»Ich hoffe nichts Ernstliches.«

»Ja und nein. Die Nachwirkungen eines Brust- und Weinkrampfes, von dem sie gestern Abend befallen wurde.«

»Muthmaßlich infolge dieser Maskeradentollheit. Ich beklag es von ganzem Herzen.«

»Und doch bin ich eben dieser Tollheit zu Danke verpflichtet. In dem Degoût über die Mummerei, deren Zeuge sie sein mußte, löste sich ihr die Zunge; sie brach ihr langes Schweigen, und vertraute mir ein Geheimniß an, ein Geheimniß, das Sie kennen.«

Schach, der sich doppelt schuldig fühlte, war wie mit Blut übergossen.

»Lieber Schach,« fuhr Frau von Carayon fort, während sie jetzt seine Hand nahm und ihn aus ihren klugen Augen freundlich aber fest ansah: »lieber Schach, ich bin nicht albern genug, Ihnen eine Szene zu machen oder gar eine Sittenpredigt zu halten; zu den Dingen, die mir am meisten verhaßt sind, gehört auch Tugendschwätzerei. Ich habe von Jugend auf in der Welt gelebt, kenne die Welt, und habe manches an meinem eignen Herzen erfahren. Und wär ich heuchlerisch genug, es vor mir und andern verbergen zu wollen, wie könnt ich es vor Ihnen

Sie schwieg einen Augenblick, während sie mit ihrem Battisttuch ihre Stirn berührte. Dann nahm sie das Wort wieder auf und setzte hinzu: »Freilich es giebt ihrer, und nun gar unter uns Frauen, die den Spruch von der Linken, die nicht wissen soll was die Rechte thut, dahin deuten, daß das Heute nicht wissen soll, was das Gestern that. Oder wohl gar das Vorgestern! Ich aber gehöre nicht zu diesen Virtuosinnen des Vergessens. Ich leugne nichts, will es nicht, mag es nicht. Und nun verurtheilen Sie mich, wenn Sie können.«

Er war ersichtlich getroffen, als sie so sprach, und seine ganze Haltung zeigte, welche Gewalt sie noch immer über ihn ausübte.

»Lieber Schach,« fuhr sie fort, »Sie sehen, ich gebe mich Ihrem Urtheil preis. Aber wenn ich mich auch bedingungslos einer jeden Vertheidigung oder Anwaltschaft für Josephine von Carayon enthalte, für Josephine (Verzeihung, Sie haben eben selbst den alten Namen wieder heraufbeschworen) so darf ich doch nicht darauf verzichten, der Anwalt der Frau von Carayon zu sein, ihres Hauses und ihres Namens.«

Es schien, daß Schach unterbrechen wollte. Sie ließ es aber nicht zu. »Noch einen Augenblick. Ich werde gleich gesagt haben, was ich zu sagen habe. Victoire hat mich gebeten, über alles zu schweigen, nichts zu verrathen, auch Ihnen nicht, und nichts zu verlangen. Zur Sühne für eine halbe Schuld (und ich rechne hoch, wenn ich von einer halben Schuld spreche) will sie die ganze tragen, auch vor der Welt, und will sich in jenem romantischen Zuge, der ihr eigen ist, aus ihrem Unglück ein Glück erziehen. Sie gefällt sich in dem Hochgefühl des Opfers, in einem süßen Hinsterben für den, den sie liebt, und für das, was sie lieben wird. Aber so schwach ich in meiner Liebe zu Victoire bin, so bin ich doch nicht schwach genug, ihr in dieser Großmuthskomödie zu willen zu sein. Ich gehöre der Gesellschaft an, deren Bedingungen ich erfülle, deren Gesetzen ich mich unterwerfe; daraufhin bin ich erzogen, und ich habe nicht Lust, einer Opfermarotte meiner einzig geliebten Tochter zur Liebe meine gesellschaftliche Stellung mit zum Opfer zu bringen. Mit andern Worten, ich habe nicht Lust ins Kloster zu gehen oder die dem Irdischen entrückte Säulenheilige zu spielen, auch nicht um Victoirens willen. Und so muß ich denn auf Legitimisirung des Geschehenen dringen. Dies, mein Herr Rittmeister, war es, was ich Ihnen zu sagen hatte.«

Schach, der inzwischen Gelegenheit gefunden hatte sich wieder zu sammeln, erwiderte, »daß er wohl wisse, wie jegliches Ding im Leben seine natürliche Konsequenz habe. Und solcher Konsequenz gedenk er sich nicht zu entziehen. Wenn ihm das, was er jetzt wisse, bereits früher bekannt geworden sei, würd er um eben die Schritte, die Frau von Carayon jetzt fordere, seinerseits aus freien Stücken gebeten haben. Er habe den Wunsch gehabt, unverheirathet zu bleiben, und von einer solchen langgehegten Vorstellung Abschied zu nehmen, schaffe momentan eine gewisse Verwirrung. Aber er fühle mit nicht mindrer Gewißheit, daß er sich zu dem Tage zu beglückwünschen habe, der binnen kurzem diesen Wechsel in sein Leben bringen werde. Victoire sei der Mutter Tochter, das sei die beste Gewähr seiner Zukunft, die Verheißung eines wirklichen Glücks.«

All dies wurde sehr artig und verbindlich gesprochen, aber doch zugleich auch mit einer bemerkenswerthen Kühle.

Dies empfand Frau von Carayon in einer ihr nicht nur schmerzlichen, sondern sie geradezu verletzenden Weise; das, was sie gehört hatte, war weder die Sprache der Liebe noch der Schuld, und als Schach schwieg, erwiderte sie spitz: »Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Worte, Herr von Schach, ganz besonders auch für das, was sich darin an meine Person richtete. Daß Ihr ›ja‹ rückhaltloser und ungesuchter hätte klingen können, empfinden Sie wohl am eignen Herzen. Aber gleichviel, mir genügt das ›Ja‹. Denn wonach dürst ich denn am Ende? Nach einer Trauung im Dom und einer Galahochzeit. Ich will mich einmal wieder in gelbem Atlas sehn, der mir kleidet, und haben wir dann erst unsren Fackeltanz getanzt und Victoirens Strumpfband zerschnitten – denn ein wenig prinzeßlich werden wir's doch wohl halten müssen, schon um Tante Margueritens willen – nun so geb ich Ihnen carte blanche, Sie sind dann wieder frei, frei wie der Vogel in der Luft, in Thun und Lassen, in Haß und Liebe, denn es ist dann einfach geschehen, was geschehen mußte

Schach schwieg.

»Ich nehme vorläufig ein stilles Verlöbniß an. Ueber alles andre werden wir uns leicht verständigen. Wenn es sein muß, schriftlich. Aber die Kranke wartet jetzt auf mich, und so verzeihen Sie.«

Frau von Carayon erhob sich und gleich danach verabschiedete sich Schach in aller Förmlichkeit, ohne daß weiter ein Wort zwischen ihnen gesprochen worden wäre.

Dreizehntes Kapitel.
»Le choix du Schach.«

In beinah offner Gegnerschaft hatte man sich getrennt. Aber es ging alles besser, als nach dieser gereizten Unterhaltung erwartet werden konnte, wozu sehr wesentlich ein Brief beitrug, den Schach andern Tags an Frau von Carayon schrieb. Er bekannte sich darin in allem Freimuth schuldig, schützte, wie schon während des Gesprächs selbst, Ueberraschung und Verwirrung vor, und traf in allen diesen Erklärungen einen wärmeren Ton, eine herzlichere Sprache. Ja, sein Rechtsgefühl, dem er ein Genüge thun wollte, ließ ihn vielleicht mehr sagen, als zu sagen gut und klug war. Er sprach von seiner Liebe zu Victoiren und vermied absichtlich oder zufällig all jene Versicherungen von Respekt und Werthschätzung, die so bitter wehe thun, wo das einfache Geständniß einer herzlichen Neigung gefordert wird. Victoire sog jedes Wort ein, und als die Mama schließlich den Brief aus der Hand legte, sah diese letztre nicht ohne Bewegung, wie zwei Minuten Glück ausgereicht hatten, ihrem armen Kinde die Hoffnung, und mit dieser Hoffnung auch die verlorene Frische zurückzugeben. Die Kranke strahlte, fühlte sich wie genesen, und Frau von Carayon sagte: »wie hübsch Du bist, Victoire.«

Schach empfing am selben Tage noch ein Antwortsbillet, das ihm unumwunden die herzliche Freude seiner alten Freundin ausdrückte. Manches Bittre, was sie gesagt habe, mög er vergessen; sie habe sich, lebhaft wie sie sei, hinreißen lassen. Im Uebrigen sei noch nichts Ernstliches und Erhebliches versäumt, und wenn, dem Sprichworte nach, aus Freude Leid erblühe, so kehre sich's auch wohl um. Sie sehe wieder hell in die Zukunft und hoffe wieder. Was sie persönlich zum Opfer bringe, bringe sie gern, wenn dies Opfer die Bedingung für das Glück ihrer Tochter sei.

Schach, als er das Billet gelesen, wog es hin und her, und war ersichtlich von einer gemischten Empfindung. Er hatte sich, als er in seinem Briefe von Victoire sprach, einem ihr nicht leicht von irgendwem zu versagenden, freundlich-herzlichen Gefühl überlassen, und diesem Gefühle (dessen entsann er sich) einen besonders lebhaften Ausdruck gegeben. Aber das, woran ihn das Billet seiner Freundin jetzt aufs neue gemahnte, das war mehr, das hieß einfach Hochzeit, Ehe, Worte, deren bloßer Klang ihn von alter Zeit her erschreckte. Hochzeit! Und Hochzeit mit wem? Mit einer Schönheit, die, wie der Prinz sich auszudrücken beliebt hatte, »durch ein Fegefeuer gegangen war.« »Aber,« so fuhr er in seinem Selbstgespräche fort, »ich stehe nicht auf dem Standpunkte des Prinzen, ich schwärme nicht für ›Läuterungsprozesse‹, hinsichtlich deren nicht feststeht, ob der Verlust nicht größer ist als der Gewinn, und wenn ich mich auch persönlich zu diesem Standpunkte bekehren könnte, so bekehr ich doch nicht die Welt … Ich bin rettungslos dem Spott und Witz der Kameraden verfallen, und das Ridikül einer allerglücklichsten ›Land-Ehe‹, die wie das Veilchen im Verborgenen blüht, liegt in einem wahren Musterexemplare vor mir. Ich sehe genau, wie's kommt: ich quittire den Dienst, übernehme wieder Wuthenow, ackre, meliorire, ziehe Raps oder Rübsen, und befleißige mich einer allerehelichsten Treue. Welch Leben, welche Zukunft! An einem Sonntage Predigt, am andern Evangelium oder Epistel, und dazwischen Whist en trois, immer mit demselben Pastor. Und dann kommt einmal ein Prinz in die nächste Stadt, vielleicht Prinz Louis in Person, und wechselt die Pferde, während ich erschienen bin um am Thor oder am Gasthof ihm aufzuwarten. Und er mustert mich und meinen altmodischen Rock und frägt mich: ›wie mir's gehe?‹ Und dabei drückt jede seiner Mienen aus: ›O Gott, was doch drei Jahr aus einem Menschen machen können.‹ Drei Jahr … Und vielleicht werden es dreißig.«

Er war in seinem Zimmer auf und abgegangen, und blieb vor einer Spiegelkonsole stehen, auf der der Brief lag, den er während des Sprechens bei Seite gelegt hatte. Zwei, drei mal hob er ihn auf und ließ ihn wieder fallen. »Mein Schicksal. Ja, ›der Moment entscheidet.‹ Ich entsinne mich noch, so schrieb sie damals. Wußte sie, was kommen würde? Wollte sie's? O pfui, Schach, verunglimpfe nicht das süße Geschöpf. Alle Schuld liegt bei Dir. Deine Schuld ist Dein Schicksal. Und ich will sie tragen.«

Er klingelte, gab dem Diener einige Weisungen, und ging zu den Carayons.

Es war, als ob er sich durch das Selbstgespräch, das er geführt, von dem Drucke, der auf ihm lastete, frei gemacht habe. Seine Sprache der alten Freundin gegenüber war jetzt natürlich, beinah herzlich, und ohne daß auch nur eine kleinste Wolke das wiederhergestellte Vertrauen der Frau von Carayon getrübt hätte, besprachen beide was zu thun sei. Schach zeigte sich einverstanden mit allem: in einer Woche Verlobung, und nach drei Wochen die Hochzeit. Unmittelbar nach der Hochzeit aber sollte das junge Paar eine Reise nach Italien antreten, und nicht vor Ablauf eines Jahres in die Heimath zurückkehren, Schach nach der Hauptstadt, Victoire nach Wuthenow, dem alten Familiengute, das ihr, von einem früheren Besuche her, (als Schachs Mutter noch lebte) in dankbarer und freundlicher Erinnerung war. Und war auch das Gut inzwischen in Pacht gegeben, so war doch noch das Schloß da, stand frei zur Verfügung, und konnte jeden Augenblick bezogen werden.

Nach Festsetzungen wie diesen, trennte man sich. Ein Sonnenschein lag über dem Hause Carayon, und Victoire vergaß aller Betrübniß die vorausgegangen war.

Auch Schach legte sich's zurecht. Italien wiederzusehen, war ihm seit seinem ersten, erst um wenige Jahre zurückliegenden Aufenthalte daselbst, ein brennender Wunsch geblieben; der erfüllte sich nun, und kehrten sie dann zurück, so ließ sich ohne Schwierigkeit auch aus der geplanten doppelten Wirthschaftsführung allerlei Nutzen und Vortheil ziehen. Victoire hing an Landleben und Stille. Von Zeit zu Zeit nahm er dann Urlaub und fuhr oder ritt hinüber. Und dann gingen sie durch die Felder und plauderten. O, sie plauderte ja so gut, und war einfach und espritvoll zugleich. Und nach abermals einem Jahr, oder einem zweiten und dritten, je nun, da hatte sich's verblutet, da war es todt und vergessen. Die Welt vergißt so leicht, und die Gesellschaft noch leichter. Und dann hielt man seinen Einzug in das Eckhaus am Wilhelmsplatz und freute sich beiderseits der Rückkehr in Verhältnisse, die doch schließlich nicht blos seine, sondern auch ihre Heimath bedeuteten. Alles war überstanden und das Lebensschiff an der Klippe des Lächerlichen nicht gescheitert.

Armer Schach! Es war anders in den Sternen geschrieben.

Die Woche, die bis zur Verlobungsanzeige vergehen sollte, war noch nicht um, als ihm ein Brief mit voller Titelaufschrift und einem großen rothen Siegel ins Haus geschickt wurde. Den ersten Augenblick hielt er's für ein amtliches Schreiben (vielleicht eine Bestallung) und zögerte mit dem Oeffnen, um die Vorfreude der Erwartung nicht abzukürzen. Aber woher kam es? von wem? Er prüfte neugierig das Siegel und erkannte nun leicht, daß es überhaupt kein Siegel, sondern ein Gemmenabdruck sei. Sonderbar. Und nun erbrach er's und ein Bild fiel ihm entgegen, eine radirte Skizze mit der Unterschrift: Le choix du Schach. Er wiederholte sich das Wort, ohne sich in ihm oder dem Bilde selbst zurecht finden zu können und empfand nur ganz allgemein und aufs Unbestimmte hin etwas von Angriff und Gefahr. Und wirklich, als er sich orientirt hatte, sah er, daß sein erstes Gefühl ein richtiges gewesen war. Unter einem Thronhimmel saß der persische Schach, erkennbar an seiner hohen Lammfellmütze, während an der untersten Thronstufe zwei weibliche Gestalten standen und des Augenblicks harrten, wo der von seiner Höhe her kalt und vornehm Dreinschauende seine Wahl zwischen ihnen getroffen haben würde. Der persische Schach aber war einfach unser Schach und zwar in allerfrappantester Porträtähnlichkeit, während die beiden ihn fragend anblickenden, und um vieles flüchtiger skizzirten Frauenköpfe, wenigstens ähnlich genug waren, um Frau von Carayon und Victoire mit aller Leichtigkeit erkennen zu lassen. Also nicht mehr und nicht weniger als eine Karrikatur. Sein Verhältniß zu den Carayons hatte sich in der Stadt herumgesprochen und einer seiner Neider und Gegner, deren er nur zu viel hatte, hatte die Gelegenheit ergriffen, seinem boshaften Gelüst ein Genüge zu thun.

Schach zitterte vor Scham und Zorn, alles Blut stieg ihm zu Kopf, und es war ihm, als würd er vom Schlage getroffen.

Einem natürlichen Verlangen nach Luft und Bewegung folgend, oder vielleicht auch von der Ahnung erfüllt, daß der letzte Pfeil noch nicht abgeschossen sei, nahm er Hut und Degen, um einen Spaziergang zu machen. Begegnungen und Geplauder sollten ihn zerstreuen, ihm seine Ruhe wiedergeben. Was war es denn schließlich? Ein kleinlicher Akt der Rache.

Die Frische draußen that ihm wohl; er athmete freier und hatte seine gute Laune fast schon wiedergewonnen, als er vom Wilhelmsplatz her die Linden einbiegend, auf die schattigere Seite der Straße hinüberging, um hier ein paar Bekannte, die des Wegs kamen, anzusprechen. Sie vermieden aber ein Gespräch und wurden sichtlich verlegen. Auch Zieten kam, grüßte nonchalant und wenn nicht alles täuschte sogar mit hämischer Miene. Schach sah ihm nach, und sann und überlegte noch, was die Suffisance des einen und die verlegenen Gesichter der andern bedeutet haben mochten, als er, einige Hundert Schritte weiter aufwärts, einer ungewöhnlich großen Menschenmenge gewahr wurde, die vor einem kleinen Bilderladen stand. Einige lachten, andre schwatzten, alle jedoch schienen zu fragen »was es eigentlich sei?« Schach ging im Bogen um die Zuschauermenge herum, warf einen Blick über ihre Köpfe weg, und wußte genug. An dem Mittelfenster hing dieselbe Karrikatur, und der absichtlich niedrig normirte Preis war mit Rothstift groß darunter geschrieben.

Also eine Verschwörung.

Schach hatte nicht die Kraft mehr seinen Spaziergang fortzusetzen, und kehrte in seine Wohnung zurück.

Um Mittag empfing Sander ein Billet von Bülow: »Lieber Sander. Eben erhalte ich eine Karrikatur, die man auf Schach und die Carayonschen Damen gemacht hat. Im Zweifel darüber, ob Sie dieselbe schon kennen, schließ ich sie diesen Zeilen bei. Bitte, suchen Sie dem Ursprunge nachzugehn. Sie wissen ja alles, und hören das Berliner Gras wachsen. Ich meinerseits bin empört. Nicht Schachs halber, der diesen ›Schach von Persien‹ einigermaßen verdient (denn er ist wirklich so was), aber der Carayons halber. Die liebenswürdige Victoire! So blosgestellt zu werden. Alles Schlechte nehmen wir uns von den Franzosen an, und an ihrem Guten, wohin auch die Gentilezza gehört, gehen wir vorüber. Ihr B.«

Sander warf nur einen flüchtigen Blick auf das Bild, das er kannte, setzte sich an sein Pult und antwortete: »Mon Général! Ich brauche dem Ursprunge nicht nachzugehen, er ist mir nachgegangen. Vor etwa vier, fünf Tagen erschien ein Herr in meinen Kontor und befragte mich, ob ich mich dazu verstehen würde, den Vertrieb einiger Zeichnungen in die Hand zu nehmen. Als ich sah, um was es sich handelte, lehnte ich ab. Es waren drei Blätter, darunter auch le choix du Schach. Der bei mir erschienene Herr gerirte sich als ein Fremder, aber er sprach, alles gekünstelten Radebrechens unerachtet, das Deutsche so gut, daß ich seine Fremdheit für eine bloße Maske halten mußte. Personen aus dem Prinz R.schen Kreise, nehmen Anstoß an seinem Gelieble mit der Prinzessin, und stecken vermuthlich dahinter. Irr ich aber in dieser Annahme, so wird mit einer Art von Sicherheit auf Kameraden seines Regiments zu schließen sein. Er ist nichts weniger als beliebt, wer den Aparten spielt, ist es nie. Die Sache möchte hingehn, wenn nicht, wie Sie sehr richtig hervorheben, die Carayons mit hineingezogen wären. Um ihretwillen beklag ich den Streich, dessen Gehässigkeit sich in diesem einem Bilde schwerlich erschöpft haben wird. Auch die beiden andern, deren ich Eingangs erwähnte, werden muthmaßlich folgen. Alles in diesem anonymen Angriff ist klug berechnet, und klug berechnet ist auch der Einfall, das Gift nicht gleich auf einmal zu geben. Es wird seine Wirkung nicht verfehlen, und nur auf das ›wie‹ haben wir zu warten. Tout à vous. S.«

In der That, die Besorgniß, die Sander in diesen Zeilen an Bülow ausgesprochen hatte, sollte sich nur als zu gerechtfertigt erweisen. Intermittirend wie das Fieber, erschienen in zweitägigen Pausen auch die beiden andern Blätter, und wurden, wie das erste, von jedem Vorübergehenden gekauft oder wenigstens begafft und besprochen. Die Frage Schach-Carayon war über Nacht zu einer cause celèbre geworden, trotzdem das neubegierige Publikum nur die Hälfte wußte. Schach, so hieß es, habe sich von der schönen Mutter ab- und der unschönen Tochter zugewandt. Ueber das Motiv erging man sich in allerlei Muthmaßungen, ohne dabei das Richtige zu treffen.

Schach empfing auch die beiden andern Blätter unter Kouvert. Das Siegel blieb dasselbe. Blatt 2 hieß »la gazza ladra« oder die »diebische Schach-Elster,« und stellte eine Elster dar, die, zwei Ringe von ungleichem Werthe musternd, den unscheinbareren aus der Schmuckschale nimmt.

Am weitaus verletzendsten aber berührte das den Salon der Frau von Carayon als Szenerie nehmende dritte Blatt. Auf dem Tische stand ein Schachbrett, dessen Figuren, wie nach einem verloren gegangenen Spiel und wie um die Niederlage zu besiegeln, umgeworfen waren. Daneben saß Victoire, gut getroffen, und ihr zu Füßen kniete Schach, wieder in der persischen Mütze des ersten Bildes. Aber diesmal bezipfelt und eingedrückt. Und darunter stand: »Schach – matt.«

Der Zweck dieser wiederholten Angriffe wurde nur zu gut erreicht. Schach ließ sich krank melden, sah niemand und bat um Urlaub, der ihm auch umgehend von seinem Chef, dem Obersten von Schwerin, gewährt wurde.

So kam es, daß er am selben Tag, an dem, nach gegenseitigem Abkommen, seine Verlobung mit Victoire veröffentlicht werden sollte, Berlin verließ. Er ging auf sein Gut, ohne sich von den Carayons (deren Haus er all die Zeit über nicht betreten hatte) verabschiedet zu haben.

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12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
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