Kitabı oku: «Tourismuslehre - Ein Grundriss», sayfa 3
2.2. Tourismus als Wissenschaft
Bei der Diskussion des Tourismus als Wissenschaft stellt sich natürlicherweise zuerst die Frage, ob und inwieweit Tourismus überhaupt eine eigenständige Wissenschaft darstellt. Einzelne Autoren (vgl. Sessa 1985 oder Freyer 1993) postulieren dies implizit.
Eine „Wissenschaft“ stellt jedoch klare Anforderungen. So sollte eine gemeinsam akzeptierte Grundlage in Form von Paradigmen bestehen und es sollte ein spezifisches Methodenset (wie z.B. in der Geografie die Karthografie) zur Verfügung stehen. Dabei kann ein Paradigma als ein relativ breit akzeptiertes Erklärungsmuster mit beispielhaftem bzw. modellhaftem Charakter definiert werden.
Eine präparadigmatische Wissenschaft ist nach Kuhn (1977, 416) durch ständige Debatten über grundlegende Annahmen charakterisiert. Dies trifft typischerweise auch für den Tourismus zu. Alleine schon die oben dargestellt große Auswahl an Definitionen zeigt, dass im Tourismus keine Übereinstimmung auf definitorischer Ebene, geschweige denn auf der Ebene von Modellen und Theorien, gefunden werden konnte.
Eine reife Wissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Wissenschafter bei ihren Publikationen immer auf die Vorerkenntnisse und Arbeiten ihrer eigenen Disziplin berufen (vgl. Kuhn 1977, 319). Ein messbares Kriterium für eine reife Wissenschaft besteht in Form von Kreuzzitationsindices, bei welchen überprüft werden kann, wie oft ein Artikel zitiert wurde. Bei Publikationen im Bereich des Tourismus findet man, sofern es sich nicht um rein deskriptive sondern um explanatorische, modellbildende Arbeiten handelt, meist eine große Zahl der Quellenverweise auf Arbeiten der Disziplin, aus deren Fokus die Analyse vorgenommen wurde. So wird sich eine Arbeit zur Analyse der kulturellen Beeinflussung einer Gemeinde durch den Tourismus meist auf Arbeiten der Soziologie beziehen. Bei Arbeiten zum Kundenverhalten wird auf Publikationen aus dem Bereich „consumer insight“ respektive Marketing bezogen. Mit dem Aufkommen von internationalen wissenschaftlichen Zeitschriften (sogenannten „Scientific Journals“) auch im Tourismus und der Etablierung wissenschaftlicher Fachnetzwerke wie AIEST (Associtation Internationale d’Experts Scientifique) oder TTRA (Travel and Tourism Research|42◄ ►43| Association), steigt jedoch der Anteil der Zitationen innerhalb der Tourismusforscher.
Für die Erforschung des Tourismus bestehen keine spezifischen Methoden. Es wird auf Methoden anderer Kerndisziplinen zurückgegriffen. In diesem Sinne ist Tourismus nicht eine Wissenschaft, sondern ein Forschungsobjekt oder Forschungsgebiet. Dieses kann aus verschiedenen Perspektiven und Disziplinen analysiert werden, wobei in der Tourismusforschung folgende Hauptdisziplinen identifiziert werden: Ökonomie, Soziologie, Psychologie, Geografie und Anthropologie, Management, Politikwissenschaften, Theologie, Geschichte und Umweltwissenschaften (vgl. u.a. Jafari/Ritchie 1981 und Jafari/Aaser 1988). Aufgrund seiner vielfältigen Wechselwirkungen mit allen Umwelten, ist Tourismus ein Paradebeispiel eines interdisziplinären Forschungsgebietes (vgl. auch Müller 1997).
Es finden sich weltweit Forschungsinstitute und Forschungsstellen zum Tourismus aus verschiedensten Disziplinen, beispielsweise im deutschsprachigen Raum,
• aus dem Fokus der Wirtschaftswissenschaften das Institut für Öffentliche Dienstleistungen und Tourismus der Universität St. Gallen oder, mit einer vielleicht eher noch breiteren sozialwissenschaftlicheren Perspektive, das Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus an der Universität Bern;
• aus dem Fokus der Betriebswirtschaftslehre mit Schwergewicht Dienstleistungsmanagement das Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus (Bereich Tourismus und Dienstleistungswirtschaft) der Universität Innsbruck
• aus dem Fokus Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien,
• aus dem Fokus der Geografie das wirtschaftsgeografische Institut an der Universität Zürich,
• aus der Perspektive der Tourismusökonomie die Hochschulgruppe Tourismus der Technischen Universität Dresden.
Entsprechend vielfältig wie der disziplinäre Zugang sind die in der Tourismusforschung verwendeten Methoden. Dabei ist oft auch eine Arbeit aus der Perspektive einer Disziplin mit Methoden (auch im Sinne einer Triangulation, d.h. zur Absicherung und Ergänzung der Erkenntnisse) aus einer anderen Disziplin anzutreffen. So werden beispielsweise hochentwickelte Systeme aus dem Gebiet der Karthographie respektive der geographischen Daten Systeme dazu genutzt, die Service-Abläufe in einem Skigebiet zu optimieren.
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Wichtigster Hintergrund für die Erforschung des Tourismus aus unterschiedlichsten disziplinären Perspektiven sind die verschiedenen Wechselwirkungen mit den entsprechenden disziplinären Umfeldern. Beispielsweise befasst sich die Biologie mit den Auswirkungen des Tourismus auf die Flora und Fauna einer Region. Einen Überblick über die Vielfalt der Tourismusforschung liefert folgende Auflistung der Forschungsarbeiten zu den verschiedenen Umfeldbereichen:
Abbildung 15: Liste der Forschungsarbeiten zu Umfeldbereichen
Umfeldbereich | Forschungsarbeiten | |
---|---|---|
Volkswirtschaftslehre | • | Ökonomische Auswirkungen: vgl. Mason (2008); Tyrrell/ Johnston (2006); Wall/ Mathieson (2005); Oh (2005); Scherer/Strauf/Bieger (2002); Ross (1992); Perdue/Long/Allen (1990); Husbands (1989); Liu/Sheldon/Var (1987); Var/Kendall/Tarakcioglu (1985) |
Ökomanagement | • | Ökologische Auswirkungen: vgl. Moisey/McCool (2009); Hunter/Shaw (2007); Pickering/Hill (2007); Hiltunen (2007); Davenport/Davenport (2006); Caneday/Zeiger (1991); Adams (1993); Badger (1992); Warner (1991); Boo (1990); Greiner (1990); Smith (1990) |
Soziologie | • | Soziale Auswirkungen: vgl. Wilson (2008); Butler/Hinch (2007); Ur- tasun/Gutiérrez(2006);Higgins-Desbiolles(2006);Gossling/Hall (2005); Ross (1992); Bystrzanowski (1989); Milman/Pizam (1988); Liu/Sheldon/Var (1987); |
Betriebswirtschaftslehre | • | Lebenszyklusphase einer Destination: vgl. Rodríguez et al. (2007); But ler (2006), Beritelli (1997); Goncalves/Aguas (1997) |
• | Konsumentenverhalten: Castro et al. (2007); Woodside/Dubelaar (2002), Pizam/Mansfeld (1999), Sönmez/Graefe (1998); | |
• | Segmentierung: Bieger/Laesser (2002) |
2.3. Historische Entwicklung des Tourismus
Viele der heute bekannten Motivationsformen des Tourismus wurden schon im Altertum vorweggenommen. So setzte beispielsweise mit Beginn der Olympiaden um 770 v. Ch. ein Sporttourismus zur aktiven oder passiven Teilnahme an Sportveranstaltungen ein. Ebenfalls in der griechischen Epoche entstanden Bildungsreisen, beispielsweise durch den griechischen Geografen und Historiker Herodot (480 – 421 v. Chr.) der als einer der ersten Reisenden |44◄ ►45| und Touristen seines Landes angesehen wird (vgl. Kaspar 1996, 23). Ebenfalls noch in griechischer Zeit bekannt waren Fahrten zu Heilzwecken, bspw. nach Epidaurus mit dem Eskolaptempel, sowie Wallfahrten zu den Göttertempeln wie zum Beispiel zum Orakel von Delphi.
RÖMISCHES REICH
In der römischen Zeit erfuhr das Reisen einen weiteren Auftrieb. Zur Erleichterung des „militärischen Tourismus“ wurde ein weiterer Teil eines kontinentalen Straßennetzes gebaut. Dank den zahlreichen Garnisonsstädten war auch eine relativ gute Sicherheit auf diesen Straßen gewährleistet. Der Handel blühte auf, es entstanden wieder Bildungsreisen quer durch Europa. Zusätzlich entstand ein Vorläufer des heutigen Gesundheitstourismus. Die Römer errichteten an einigen zentralen Orten Badezentren (beispielsweise Baden bei Zürich, St. Moritz, Baden-Baden), die aus näherer oder fernerer Umgebung Touristen anlockten. Es gab bereits auch eine Art Vorläuferform des modernen Zweitwohnungstourismus. Aufgrund der Verhältnisse in der überbevölkerten Stadt Rom und in anderen Städten nahmen breite Kreise der wohlhabenden Bevölkerung im Sommer einen Domizilwechsel an ihre „Sommerfrischen“ in den Hügeln des Appenins oder an die Küsten vor.
MITTELALTER
Im Mittelalter verfiel aufgrund der partikularisierten Herrschaftsverhältnisse das römische Straßennetz. Mit dem Fehlen einer militärischen Präsenz wurde das Reisen zudem unsicherer. Neben Beamten und Studenten reisten deshalb im Mittelalter vor allem Wallfahrer, welche die großen physischen und finanziellen Opfer auf sich nahmen. Entsprechend dominierten bei den Unterkünften auch Hospize und Klöster neben einzelnen, vor allem kleineren Herbergen. Während im Mittelalter große Teile der damaligen Gesellschaft ihre direkte Umgebung zeitlebens nicht verließ, wagten sich erste Händler (vgl. auch die Reisen Vasco da Gamas um 1497) und Entdecker auf Reisen. Handwerker reisten zum Teil, um neue Märkte für ihre Fähigkeiten zu erschließen. Währenddem das Reisen zu den ältesten und allgemeinsten Verhaltensweisen des menschlichen Lebens gehörte und der Mensch eigentlich schon immer reiste, erfüllte es im Altertum und vor allem im Mittelalter selten einen Selbstzweck (vgl. auch Enzensberger 1958, 705ff). Es wurden vor allem „Muss-Reisen“ gemacht.
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AUFKLÄRUNG
Mit der Aufklärung und dem Aufbruch in der Gesellschaft lockerte sich auch die strenge Zweckhaftigkeit des Reisens. So begann ab dem 18. Jahrhundert ein intensiver Bildungstourismus, insbesondere junger Adeliger. Ihr Interesse richtete sich oft auf die Natur und das einfache Leben. Nachhaltig dürfte sich der Ruf Jean-Jacques Rousseaus nach Rückkehr zur Natur in seinem Werk „Nouvelle Héloïse“ (1756) ausgewirkt haben. Auch andere Dichter und Schriftsteller wie Byron, Ruskin und Goethe warben und lobpreisten fremde Länder, deren Natur und Lebensformen. Die Zahl der Herbergen erhöhte und die Qualität der Straßen verbesserte sich. Mit den inzwischen stabilen Nationalstaaten war auch Ruhe, Ordnung und militärische Sicherheit wieder hergestellt worden.
INDUSTRIALISIERUNG
Mit der Industrialisierung wurde der Tourismus immer mehr zu einem Standardprodukt. Ab Beginn des 19. Jahrhunderts erleichterten Massentransportmittel wie moderne Passstrassen, ab den 20er Jahren des vorletzten Jahrhunderts die Dampfschifffahrt sowie ab Mitte des 19. Jahrhunderts das Aufkommen der Eisenbahnen das Reisen massiv. Auch in der Beherbergung wurde in Form von Grandhotels eine „industrialisierte“ Form gefunden, welche die Unterbringung der inzwischen größeren Touristenzahlen erlaubte. Triebkraft der Nachfrage war zum ersten Mal auch das durch die Industrialisierung zum Wohlstand gekommene Bürgertum. Die Industrialisierung wurde vor allem in Mitteleuropa durch einen Spezialeffekt überlagert. Die sogenannte „Belle Epoque“ war geprägt durch Langzeit-Aufenthalter in Form des Adels. Dieser hatte die Mittel, wurde aber durch das erstarkte Bürgertum immer mehr in seinen Funktionen beschnitten. In dieser Zeit entstanden Palast-Hotels an den schönsten Lagen Europas, am Meer oder in der Schweiz an Seen und auf einigermaßen leicht erreichbaren Berggipfeln. Im Gegensatz zu den teilweise bescheidenen Hotels der Industrialisierung wie beispielsweise der 1812 eröffnete Gasthof Rigi Klösterle oder das 1832 als erstes Hotel im Berneroberland auf dem Faulhorn auf 2600 Meter erbaute Hotel, waren diese Palast-Hotels mit jeglichem Komfort ausgestattet. Architektur und Dekor wurden den Heimunterkünften der Hauptkundengruppe, des Adels, nachgebildet. Die Hotels selbst respektive ihre Gesellschaftsräume waren Bühnen für den Auftritt der Noblesse der Zeit. Da die Schweiz von den beiden Weltkriegen nicht versehrt wurde, bestehen noch viele Zeugnisse der Belle Epoque. Beispiele dafür sind das Hotel Schweizerhof in Luzern oder das Hotel Giesbach am Brienzersee. Diese Hotels wurden mit großem Aufwand renoviert |46◄ ►47| und werden heute als moderne Hotels im Vier- und Fünf-Stern-Bereich weitergeführt.
Zur Unterhaltung des Adels und auch des Wohlstands-Bürgertums wurde einiges unternommen, da die Aufenthaltszeit dieser Gäste oft auch mehrere Monate betrug. So sprechen Zeugnisse beispielsweise davon, dass im Hotel Maloja im Engadin regelmäßige venezianische Nächte durchgeführt wurden, für die jeweils der Hauptspeisesaal geflutet wurde (vgl. Bener/Schmid 1983). Natursehenswürdigkeiten wie Wasserfälle wurden bengalisch illuminiert. Die Gäste aßen auf Booten und wurden ebenfalls von auf Booten vorbeifahrenden Kellnern bedient. Je nach Jahreszeit hielt sich diese internationale Schicht aus „heimatlosem“ Adel und neureichem Bürgertum jeweils für längere Zeit an der französischen oder italienischen Riviera (im Winter), in den Thermalbädern und Großhotels der Alpenrandseen (im Sommer) und auf ausgedehnten Bildungsreisen nach Nordafrika, Ägypten oder Griechenland auf.
Mit den Veränderungen in Gesellschaft und Umwelt in Form von sozialen Unterschieden, Armut, größeren Städten oder Umweltzerstörung durch Industriegebiete, verklärte sich das Freizeitbewusstsein. Die geistigen Wurzeln des Tourismus- und Freizeitbildes liegen in der englischen und deutschen Romantik. Idealbild im Sinne einer Imagination war das Bild einer zivilisationsfernen Natur, zeitliche Bilder der Geschichte, die zu Denkmälern oder Folklore erstarrt sind. Solche Leitbilder des Tourismus sind heute noch für verschiedene Tourismusformen wirksam (vgl. auch Enzenberger 1964).
Organisatorisch „industrialisiert“ wurde der Tourismus mit der Erfindung der Pauschalreisen. So entstanden in Deutschland die ersten Reisebüros ab 1886, in England gründete Thomas Cook bereits 1841 sein erstes Reisebüro.
TOURISMUS WÄHREND UND NACH DEM 1. WELTKRIEG
Während dem ersten Weltkrieg kam der internationale Tourismus praktisch vollständig zum Erliegen. Zahlreiche Infrastrukturen, z. B. Luftseilbahnen oder Hotels, erlitten Konkurs und wurden definitiv aufgegeben. Einzig in der Schweiz erhielt sich eine Art Langzeitaufenthalts-Tourismus in Form heimatloser Adeliger und internierter Offiziere.
In der Zwischenkriegszeit verstärkte sich durch die Umverteilung des Einkommens die breite Mittelschicht. Diese Bevölkerungsschichten unternahmen jedoch oft nur kürzere Reisen. Damit ging es Jahre, bis die großen Zentren in den Alpen wieder auf die Logiernächtezahl der Vorkriegszeit kamen. So wurde beispielsweise die im Rekordjahr 1910 erreichte Zahl der Hotellogiernächte erst wieder 1957 überschritten. In den Zwischenkriegsjahren entstand gleichzeitig auch ein neues Tourismusphänomen, der aktive Sporttourismus. Im |47◄ ►48| Sommer stand Golf, Tennis und auch Wassersport im Vordergrund. Nachdem 1863 der alpine Wintersporttourismus durch eine Wette von einem Hotelier in St. Moritz lanciert wurde, entwickelte sich aus dem ursprünglichen Schlittel-und Eislauftourismus immer mehr der Skitourismus. Für diesen entstanden in den Zwischenkriegsjahren die ersten Infrastrukturen, beispielsweise die 1932/33 erbaute Parsenn-Bahn in Davos.
TOURISMUS WÄHREND UND NACH DEM 2. WELTKRIEG
In praktisch allen Ländern kam während dem zweiten Weltkrieg, mit Ausnahme des „Militärtourismus“ und eines geringen Handelstourismus, das Reisen praktisch vollständig zum Erliegen. In der vom Krieg verschonten Schweiz entwickelten sich jedoch neue Formen des Tourismus in Form des Ausflugstourismus. Mit zum Teil verbilligten Tickets wurden der Bevölkerung, die nun im Vergleich zum ersten Weltkrieg über den Erwerbsersatz trotz Militärdienstpflicht der Männer durch ein bescheidenes Einkommen verfügte, Reiseangebote unterbreitet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich der in der Vorkriegszeit entstandene Sporttourismus weiter. Im alpinen Raum wurde der Wintersport zu einem eigentlichen Motor der Entwicklung neuer Regionen und Orte. Im internationalen Tourismus führte der Ausbau des Flugverkehrs, vor allem auch des Charter-Luftverkehrs, zur Entwicklung des Badetourismus und zu ersten Ansätzen eines internationalen Sightseeing-Tourismus. Die traditionellen Tourismusländer im Einzugsgebiet der westlichen Industriestaaten erlebten in dieser Zeit eine eigentliche Boomphase, die durch die Elemente Motorisierung, Verstädterung (und damit verbunden mit Flucht aus dem eigenen Wohnumfeld) und Zunahme des Wohlstandes (vgl. auch Beratende Kommission für Fremdenverkehr 1979 und Krippendorf 1984) geprägt war.
GLOBALISIERUNG UND TOURISMUS
Ab ca. 1980 entwickelte sich die vorderhand letzte Phase des internationalen Tourismus, die Globalisierung. Treiber der Entwicklung waren auf der Angebotsseite der Ausbau des internationalen Flugverkehrs. Nicht zuletzt dank dem Aufkommen zweistrahliger Großraum-Langstrecken-Jets seit Beginn der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts verbilligte sich der Flugverkehr massiv. Während in den Nachkriegsjahren im Ferntourismus der Charter-Flugverkehr dominierte, können jetzt Touristen von immer günstigeren Apex- und Superapex-Tarifen (APEX als Abkürzung für Advanced Purchased Excursion Fare) der Linienfluggesellschaften als Individualtouristen profitieren. Internationale Hotelketten sorgen weltweit für berechenbare Qualitäten im Unterkunftsbereich.|48◄ ►49| Flüge und Hotels können dank internationaler Reservationssysteme (GDS - Global Distribution Systems) maßgeschneidert und individuell gebucht werden. Neue Destinationsformen wie Themenparks, Kreuzfahrtschiffe oder einheitlich geführte Resorts, z.B. nordamerikanische Skiorte oder asiatische Badeferieninseln, sorgen für eine durchgehende Dienstleistungsqualität aus einer Hand. Der interkontinentale Sightseeing-Tourismus, der Kulturtourismus aber auch der Kurzerlebnistourismus mit seinen Risikosportarten nahmen zu.
Enzensberger charakterisiert den Fortschritt des Tourismus mit den drei Kategorien Normierung, Montage und Serienfertigung. Mit dem im Jahre 1836 von John Murray veröffentlichten ersten „red book“ entstand das erste Reisebuch, das die Grundelemente jeder Reise, die „Site“ normiert und ihrem Wert nach in eine, zwei oder drei Sterne unterteilt (vgl. Enzensberger 1964, 13). Die Bilder, die mit der Reise verkauft werden, sind „montierte“ Bilder. Sehenswürdigkeiten werden eingepackt in Bilder der Ferne, der Romantik, Natur und Geschichte. Reiseplakate, Reiseprospekte werden entsprechend vielfach mit konstruierten oder gestellten Bildern geschmückt. Die normierte und mutierte Welt wird schließlich serienmäßig durch moderne Reisemittler an Gruppen oder modulartig an Individuen verkauft. Diese Charakterisierung der Entwicklung des Tourismus dürfte auch im Zeitalter der Globalisierung noch relevant sein.
Die laufende Veränderung der Bedürfnisse und Treiber der Nachfrage führte die einzelnen Tourismusorte zu einem Zwang, sich immer wieder zu restrukturieren und neu auszurichten. Das Beispiel von St. Moritz zeigt schön den Übergang von einem traditionellen Badeort über ein Hauptort der Belle Epoque zu einem Sommersportort bis zum modernen Wintersportort und internationalen Rundreiseziel.
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2.4. Forschungsfall: Tourismus-Satellitenkonto – Impact Messung am Beispiel Österreich (E. Smeral)1
2.4.1. TSA – Einführender Überblick
Die Bedeutung des Tourismussektors als wirtschaftliches und soziales Phänomen ist in den vergangenen Jahrzehnten beträchtlich gewachsen. In Bezug auf die Einschätzung der Grössenordnung lagen jedoch im Hinblick auf die monetär-wirtschaftliche Komponente nur unzureichende Informationen vor, da sich die Statistik zum überwiegenden Teil nur auf wenige quantitative Indikatoren wie Ankünfte, Übernachtungen, Anzahl der Reisen oder Daten aus der Leistungsbilanz (Tourismusexporte und -importe) konzentrierte. Weiter waren die tourismusrelevanten Informationen nur innerhalb bestimmter makroökonomischer Aggregate (z.B. privater und öffentlicher Konsum) aufzufinden. Dementsprechend erhielt die Öffentlichkeit nur ein unzulängliches Bild von der Bedeutung des Tourismus und dessen Einfluss auf die Gesamtwirtschaft.
2.4.2. Konzept
Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Größe des Tourismussektors liegen primär darin, dass im System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) die einzelnen Wirtschaftszweige auf Basis ihrer Erzeugung (ihres Outputs) und nicht auf Basis der Nachfrage erfasst werden, während gerade die Tourismuswirtschaft durch ihre Konsumenten – die Touristen – zum Zeitpunkt des Konsums definiert wird.
Gemäß des TSA-Konzeptes erfolgt eine grundlegende Aufgliederung in eine „tourismusspezifische“, „tourismusverwandte” und „nicht tourismusspezifische“ Produktion, die entsprechend „tourismusspezifische“, „tourismusverwandte“ und „nicht tourismusspezifische“ Güter und Dienstleistungen herstellt. Folglich umfasst der Tourismuskonsum „tourismusspezifische“ (d.h. Unterkünfte, Reisebüros, Seilbahnen) sowie „tourismusverwandte“ (Gaststätten) und „nicht tourismusspezifische“ (z.B. Einzelhandel) Güter und Dienst-leistungen.|50◄ ►51| Letztere sind solche, welche vorwiegend an Nichttouristen geliefert werden.
Das TSA stellt den Versuch dar, den Tourismus als ökonomisches Phänomen in Verbindung mit der VGR und anderen Wirtschaftsstatistiken zu erfassen und zu analysieren. Dabei dient die VGR als Rahmen und Integrationsraster. Trotzdem ist das TSA mehr als nur ein VGR-Subsystem, vor allem, weil je nach Bedarf zusätzliche wichtige Informationen eingebaut werden können.
Das System basiert auf dem Inlands-Konzept, dessen Abgrenzungen im Einzelnen zu definieren sind. Dazu eignet sich im Besonderen das Wohnsitzkonzept und dessen Anwendung auf die Teilnehmer am Tourismusmarkt, nämlich die Anbieter (Produzenten) und die Verbraucher (Nachfrager/Touristen).
2.4.3. Ökonomische Implikationen des Tourismus-Satellitenkontos
Grundsätzlich bezieht sich das TSA-Konzept in seinem Kernbereich auf die „Tourismusindustrien“ (i.e.S.). Das sind vor allem die Bereiche des Beherbergungs-, Restaurant-, Reisebüro- sowie des Kultur-, Unterhaltungs- und Reiseversicherungswesens. Es soll versucht werden, Tourismus als ökonomisches Phänomen eingehender zu erfassen und in Verbindung mit der VGR und anderen Wirtschaftsstatistiken zu analysieren. Obwohl im Allgemeinen immer über die „Tourismusindustrie“ gesprochen wird, ist dieser Ausdruck doch problematisch, denn Tourismus ist keine Industrie im herkömmlichen Sinn, wo die einzelnen Bereiche ein gemeinsames Produkt oder eine Dienstleistung herstellen bzw. die gleiche Produktionsfunktion haben.
Der Begriff „Satellit“ beschreibt das TSA als eine Erweiterung des Input-Output-Grundgerüstes im System der VGR. Im Zusammenhang mit dem Tourismus-Satellitenkonto kann man sich die Input-Output-Struktur als eine Abfolge von Tabellen vorstellen, in denen in den Spalten bzw. in den Zeilen die einzelnen Wirtschaftszweige und die Waren aufgelistet sind. Jede Zelle dieser Tabellen gibt somit Auskunft über den Wert der in einer bestimmten Branche produzierten Ware für jeweils ein Jahr. Ein anderes Tabellenblatt zeigt den Wert jeder von den einzelnen Branchen konsumierten Ware und eine weitere Tabelle fasst die Endnachfrage der Konsumenten, der öffentlichen Hand und der ausländischen Gäste sowie die Investitionen durch die privaten und öffentlichen Haushalte zusammen. Das TSA lässt sich als eine Teilmenge dieser Tabellenblätter verstehen.
Das Hauptproblem bei den „tourismusspezifischen” Branchen liegt vor allem darin, dass der Konsum touristischer Waren nicht immer eindeutig gemessen werden kann. So werden z.B. Speisen im Restaurant auch von Nichttouristen konsumiert und andererseits nicht touristische Waren wie Bekleidung oder |51◄ ►52| Lebensmittel auch von Touristen gekauft. Das bedeutet, es können nicht einfach „tourismusspezifische“ Branchen identifiziert und deren Output-Daten aggregiert werden. Um Aussagen über die Tourismusaktivitäten eines Landes zu machen, muss vielmehr der Output einer touristischen Ware mit jenem Anteil gewichtet werden, der dem Verhältnis der touristischen Ausgaben zu den Gesamtausgaben für das entsprechende Gut entspricht. Im Prinzip hat jedes Produkt ein touristisches Gewicht: Hotelzimmer erreichen z.B. knapp 100% ihres Ouputs, andere Produkte wiederum haben weniger oder fast gar keine touristische Bedeutung.
2.4.4. Definition der Tourismusnachfrage
Massgebend für die Bestimmung der Tourismusnachfrage sind:
• Besucher,
• hauptsächlicher Reisezweck,
• gewohnte bzw. ungewohnte Umgebung und
• touristischer Konsum.
2.4.4.1. Besucher
Ein Besucher wird definiert als „jede Person, die für die Dauer von nicht mehr als zwölf Monaten ihre gewohnte Umgebung verlässt, und deren hauptsächlicher Reisezweck ein anderer ist als die Ausübung einer Tätigkeit, die von dem besuchten Land aus entlohnt wird“.
Dabei müssen zunächst zwei grundlegende Kategorien von Besuchern unterschieden werden:
• Internationale Besucher, die in dem Land der Reisedestination nicht ihren ordentlichen Wohnsitz haben; dazu zählen auch Staatsbürger, die ihren Wohnsitz ständig im Ausland haben;
• Inländische Besucher, deren ordentlicher Wohnsitz sich im Reisezielland befindet, wobei es sich um Staatsbürger oder Ausländer handeln kann.
Ein Besucher kann entweder ein Tagesbesucher oder ein Tourist sein, das ist ein Besucher mit mindestens einer Übernachtung. Ferner kann eine Reise zu Geschäftszwecken oder aus anderen (persönlichen) Gründen stattfinden (wie Besuch des Zweitwohnsitzes oder von Verwandten und Bekannten). Bestimmte Formen der Reise sind jedoch ausgenommen, nämlich jene von Grenzgängern (z.B. Pendler), vorübergehend Zugezogenen, Einwanderern |52◄ ►53| (z.B. Gastarbeiter), Flüchtlingen, Diplomaten (z.B. Konsularvertreter) und Militärpersonen im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit.
Im Allgemeinen ist die im TSA verwendete Definition von Besuchern und Touristen sehr breit und beinhaltet damit alle Personen, die einen Ort besuchen oder bereisen, an dem sie keiner bezahlten Tätigkeit nachgehen. Folglich könnte ein Geschäftsreisender entweder Tourist oder Nichttourist sein, je nachdem, an welchem Ort sich seine bezugsauszahlende Stelle befindet und in welcher Art und Weise er seine Aktivitäten unternimmt. Im TSA-Konzept wird damit die gewohnte Umgebung als jener Raum angesehen, in dem jemand lebt bzw. arbeitet und den er damit relativ häufig frequentiert, und/oder der in der Nähe des ordentlichen Wohnsitzes liegt.
2.4.4.2. Hauptsächlicher Reisezweck
Beim Hauptreisezweck von Tagesbesuchern und Touristen kann nach folgenden Kategorien unterschieden werden:
• Freizeit-, Erholungs- und Urlaubsreisen,
• Verwandten- und Bekanntenbesuche,
• Dienst- und Geschäftsreisen,
• Kuraufenthalte,
• Religiös motivierte Reisen/Wallfahrten,
• Sonstige.
2.4.4.3. Gewohnte und ungewohnte Umgebung
Die gewohnte Umgebung bezieht sich auf die geografischen Grenzen, innerhalb derer sich jemand im täglichen Leben bewegt, und setzt sich aus der direkten Umgebung seines Zuhauses, des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte sowie anderen häufig frequentierten Orten zusammen.
Der Begriff „gewohnte Umgebung“ umfasst zwei Dimensionen:
Häufigkeit – Orte, die von einer Person häufig (regelmäßig) besucht werden, sind als ein Teil ihrer gewohnten Umgebung anzusehen, auch wenn sie in erheblicher Entfernung vom Wohnort liegen.
Entfernung – Orte in der Umgebung des Wohnortes einer Person sind Teil ihrer gewohnten Umgebung, auch wenn diese nur selten besucht werden.
Nationale Statistik-Organisationen grenzen den Begriff der gewohnten Umgebung pragmatisch durch Kriterien wie Reisedistanz und Besuchshäufigkeit oder formal nach Gegend oder Verwaltungsgebiet ab.
Der TSA-Philosophie zufolge ist es entscheidend, ob das Reiseziel einer Person („des Besuchers“) außerhalb ihrer gewohnten Umgebung liegt; in diesem |53◄ ►54| Fall zählt diese nicht zu den „einheimischen Konsumenten“. Aus ökonomischer Sicht werden durch den Aufenthalt eines Besuchers/Touristen zusätzliche Ausgaben und somit Wertschöpfung – über jene der einheimischen Konsumenten hinaus – generiert. Dieser von den Besuchern ausgelöste monetäre Effekt kann mit Hilfe des TSA gemessen werden. Die Begriffe „gewohnte“ und „ungewohnte Umgebung“ sind in einem räumlichen Kontext zu verstehen und finden im Rahmen des Tourismus-Satellitenkontos Berücksichtigung.
2.4.4.4. Touristischer Konsum
Für die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus spielen die Ausgaben eine zentrale Rolle. Von UNWTO und OECD wird folgende Definition verwendet: „Ausgaben, die von oder für einen Besucher vor, während und nach einer Reise außerhalb der gewohnten Umgebung getätigt werden und mit dieser in Zusammenhang stehen“.
Außer den üblichen Ausgaben für Transport, Verpflegung oder Unterkunft während oder im Zuge der Vorbereitungen einer Reise beinhalten diese Aufwendungen gleichzeitig auch Kosten, die dem Reisezweck dienen und schon einige Zeit vor der Reise angefallen sein können (z.B. für Koffer oder Film). Andererseits sind Ausgaben von Geschäftsreisenden für Investitionen nicht den touristischen Aufwendungen zurechenbar, selbst wenn dies der Anlass für die Reise ist. Wird die Reise jedoch von einem Nichttouristen finanziert (Eltern bezahlen z.B. dem Freund den Besuch ihres im Ausland lebenden Kindes), gehört dies zu den touristischen Aufwendungen, da die Ausgaben für den Besucher erfolgten.
Entsprechend den Akteuren bzw. den Trägern des touristischen Konsums ergeben sich folgende Komponenten:
• Ausgaben inländischer Haushalte (oder an deren Stelle) für Erholungs-und Urlaubszwecke sowie im Zuge des Besuches von Zweitwohnsitzen und von Verwandten und Bekannten;
• Ausgaben von privaten oder öffentlichen Produzenten (via Geschäfts-und Dienstreisen im Zuge von Reisen im Auftrag ihrer privaten oder öffentlichen Arbeitgeber oder im Rahmen ihrer eigenen Tätigkeit) sowie
• Ausgaben von Ausländern im Inland.
Der im TSA aufscheinende Tourismuskonsum von Geschäftsreisenden beinhaltet nur die vom Unternehmen bezahlten Aufwendungen wie Transport, Unterkunft usw.; ein Theaterbesuch am Abend oder die Verlängerung des Aufenthaltes sind vom Geschäftsreisenden selbst zu finanzieren und daher Teil der privaten (touristischen) Endnachfrage.