Kitabı oku: «Mythos, Pathos und Ethos», sayfa 12

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2008 - Das Volk erwacht

Es begann mit einem Paukenschlag, das neue Jahr: Ende Januar hatten sowohl in Hessen als auch in Niedersachsen Landtagswahlen stattgefunden und die hatten zwei sehr unterschiedliche Ergebnisse gebracht. In Niedersachsen konnte Ministerpräsident Tristan Gulf seine schwarz-gelbe Koalition für weitere fünf Jahre fortführen, denn obwohl die Linke ins Parlament eingezogen war, gab es eine "bürgerliche Mehrheit" für CDU und FDP. Was für eine Botschaft an alle Parteien und Menschen in Deutschland! Auch in einem Fünf-Parteien-Parlament waren also Zweier-Koalitionen weiterhin möglich, man brauchte dazu also nicht unbedingt eine Koalition von CDU und SPD. Darüber freute sich Bundeskanzlerin Gerkel ungemein, denn sie selbst strebte ja für die Bundestagswahl 2009 auch so ein schwarz-gelbes Bündnis an und da Gulf im Auftreten und Regierungsstil ihr sehr ähnelte, gab es da durchaus berechtigten Anlaß für Hoffnung. Die SPD hatte ein weiteres desaströses Ergebnis eingefahren gehabt, das zwar auch ihrem unscheinbaren Spitzenkandidaten angelastet wurde, aber wenn man bedachte, daß die SPD in Niedersachsen noch 1998 eine absolute Mehrheit erreicht hatte, dann konnte man schon erkennen, wie extrem tief der Fall jener ehemaligen Regierungspartei gewesen war. Die FDP freute sich auf fünf weitere Jahre an der Regierung, die Linken jubelten über ihre gut sieben Prozent und die Grünen hatten sich bereits damit abgefunden, wieder in der Opposition gelandet zu sein.

So weit, so normal, doch was sich dagegen in Hessen abgespielt hatte, sprengte jegliche Vorstellungskraft. Die CDU hatte 12 Prozentpunkte verloren, die SPD gut siebeneinhalb dazu gewonnen und so lag man am Ende fast gleichauf, jedoch hatte sich die CDU mit 36,8 % ganz knapp vor der SPD mit 36,7 % ins Ziel gerettet gehabt. Das sollte noch eine ganz entscheidende Rolle spielen, denn bekanntlich stellte normalerweise die stärkste Fraktion im Landtag den Ministerpräsidenten und hatte auch den Regierungsauftrag erhalten oder zumindest den Auftrag, als Erster zu sondieren, was denn für Koalitionsoptionen offen stünden. Es reichte weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün, da die Linke mit 5,1 Prozent ebenfalls in den Landtag eingezogen war. Wäre dem nicht so gewesen, dann hätten CDU und FDP eine Koalition bilden können, denn sie lagen vor Rot-Grün. Nun gab es also ein Patt, einziger Ausweg schien eine Große Koalition zu sein, doch die wollten weder die Schwarzen noch die Roten. Eine ausweglose Situation? Womöglich, nichtsdestotrotz freute man sich bei der SPD riesig über die enormen Zugewinne und das katastrophale Abschneiden der CDU. Doch war als Ministerpräsident sehr unbeliebt, bei einer Direktwahl hätte er sogar gegen die SPD-Spitzenkandidatin Ypsiloni verloren. Irgendwie schon eine Ironie der Geschichte: 1999 war Robert Doch als unbekannter Außenseiter in einem stark emotionalisierten Wahlkampf Ministerpräsident geworden, unter anderem auch, weil die FDP seinerzeit mit 5,1 % gerade so in den Landtag gerutscht war. Nun wurde er von einer unbekannten Außenseiterin quasi aus dem Amt gedrängt, zumindest fast. In Hessen würde es also mit der Regierungsbildung vermutlich mal wieder etwas länger dauern.

In Bayern machte man sich so seine Gedanken, schließlich standen dort im September ebenfalls Landtagswahlen an und da die CDU sowohl in Hessen als auch in Niedersachsen deutlich an Wählerstimmen verloren hatte, war davon auszugehen, daß es auch im Freistaat nicht ganz einfach werden würde. Trotz alledem verbreitete Merlin Zuber weiterhin Siegeszuversicht, denn dafür wurde er als CSU-Vorsitzender schließlich gut bezahlt.

Die Linken freuten sich über ihre "Westausdehnung", endlich hatte man es auch in Flächenländern ins Parlament geschafft und in Hessen war man sogar zum Zünglein an der Waage geworden, ohne das scheinbar gar nichts mehr ging. Jedoch hatte Frau Ypsiloni vor der Wahl sowohl eine Koalition mit, als auch eine Tolerierung durch die Linke ausgeschlossen gehabt, weshalb es eigentlich keine Tür zu einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit gab, die offen stand. Froh waren letztlich fast alle nur darüber, daß die Regierung Doch im Grunde abgewählt worden war und daß er es geschafft hatte, von der Alleinregierung in der Opposition zu landen, was ja durchaus eine beachtliche Leistung für einen amtierenden Regierungschef darstellte. Ein weiteres Mal hatte die Linke Schwarz-Gelb verhindert, schön langsam sollten das auch die Rot-Grünen zu schätzen wissen.

Bert Kuck unterhielt sich mit Außenminister Meinsteier über die Wahlergebnisse: "In Niedersachsen war eh klar, daß wir dort keine Chance haben, aber Hessen ist herrlich und traurig zugleich. Diese paar tausend Stimmen, die uns fehlen, dann wären wir Erster und könnten notfalls auch eine Große Koalition machen. So aber geht das leider gar nicht", stellte Bert fest. "Allerdings. Eine ziemlich merkwürdige Situation da in Wiesbaden. Aber es hilft alles nichts. Für Rot-Grün reicht es nicht und Spielchen mit der Linken können wir uns auf gar keinen Fall erlauben, schon allein im Hinblick auf die Bundestagswahl wäre das eine Katastrophe", bemerkte Franz-Dieter. "Das ist wohl wahr. Irgendwie ist die Angela aber auch selber schuld, denn wenn sie eine Zusammenarbeit mit den Linken nicht von vornherein kategorisch ausgeschlossen hätte, dann gäbe es für sie jetzt ein wichtiges Problem weniger." "Stimmt. Andererseits mußte sie das tun, ansonsten hätte sie ein viel schlechteres Ergebnis erzielt. Nur blöd, daß Schwarz-Gelb vor Rot-Grün liegt, wir also im Endeffekt froh darüber sein müssen, daß die Linken doch noch in den Landtag gekommen sind." "Oh ja, das macht die ganze Sache noch absurder. Wie dem auch sei, nach der Wahl ist vor der Wahl, bleibt nur zu hoffen, daß wir in Hamburg nicht bald dasselbe Problem haben werden." "Also ich glaube nicht, daß es die FDP dort in den Senat schaffen wird." "Das macht die Sache weder besser noch einfacher. Wenn es für Rot-Grün wieder nicht reicht, außer mit Hilfe der Linken, dann haben wir dort den selben Scheiß in Grün." "Nur mit dem Unterschied, daß dann der von Zeust dort mit den Grünen koalieren wird." "Auch wieder wahr. Na ja, alles in allem müssen wir uns langfristig was einfallen lassen, denn wenn die Linken von nun an in jeden Landtag einziehen, dann wird eine rot-grüne Regierungsmehrheit fast unmöglich." "Ja, irgendwie schon eine ziemlich beschissene Situation, das Ganze." "Wenn wenigstens die FDP so vernünftig wäre, eine Ampelkoalition mit uns und den Grünen einzugehen, dann gäbe es ja noch Hoffnung, aber diese verbohrten Neoliberalen wollen alle nur mit der CDU ins Bett." "Ja, auf die FDP sollte man sich lieber nicht verlassen, sonst ist man am Ende ganz einsam und verlassen."

Auch der Februar des Jahres 2008 bot einmal mehr interessanteste politische Unterhaltung. Zu Beginn jenes Monats stand mal wieder der alljährliche Politische Aschermittwoch in Bayern auf dem Programm; eine Veranstaltung, die sich insbesondere unter CSU-Anhängern immer allergrößter Beliebtheit erfreut hatte. Doch Egmont Sträubers denkwürdige Auftritte waren nun Geschichte, die "glodernde Lut" war ausgetreten worden und so quälten sich Gunnar Blackschein und Merlin Zuber durch ihre Reden. Die Begeisterung darob hielt sich in engen Grenzen, die Zuhörer redeten nach einer Weile viel lieber miteinander als den kleinen Großkopferten auf der Bühne zuzuhören, manche von ihnen spielten sogar Karten. Nun ja, was sollte man dazu sagen? Selbstverständlich waren nicht alle CSU-Anhänger begeistert vom neuen Führungsduo der Partei, vor allem die Oberbayern schauten sehr skeptisch auf den Franken und den Niederbayern an der Spitze, aber Passau lag bekanntlich in Niederbayern und dort hatte wenigstens Merlin Zuber ein echtes Heimspiel zu absolvieren. Nichtsdestotrotz gelang es den Rednern nicht, ihre Zuhörer zum Jubeln zu bringen, aber vielleicht lag das auch daran, daß es in Berlin nach wie vor eine Große Koalition gab, die man nicht angreifen und beschimpfen konnte, da man ja selbst ein Teil davon war.

Aber auch die Starkbierprobe auf dem Nockherberg kam in jenem Jahr 2008 ziemlich schläfrig daher. Das Singspiel konnte weder die Kritiker noch die Fans überzeugen, der neue Redner wurde zwar ob seiner schauspielerischen Fähigkeiten gelobt, allerdings ging es bei dem ja eigentlich mehr um den Text, welcher wiederum die Freibiergemeinde auch nicht von den Bänken riß. Alles in allem eine etwas maue Veranstaltung, aber was hatte man auch Anderes zu erwarten, wenn in Berlin die beiden großen Parteien miteinander regierten und die bayerische Regierungspartei aus dem Duo Infernale noch ein Trio machte?

Nichtsdestotrotz blickten die politisch Interessierten gegen Ende des Monats gespannt nach Hamburg, denn dort hatte der Erste Bürgermeister der Hansestadt (Uli von Zeust von der CDU) eine absolute Mehrheit zu verteidigen. Alle Beobachter gingen davon aus, daß ihm jenes Kunststück nicht gelingen würde, weshalb er sich die Liberalen als Lieblingskoalitionspartner auserkoren hatte. Die FDP jedoch scheiterte denkbar knapp an der Fünf-Prozent-Hürde, dabei hatte sie von Zeust 2001 nur durch ihre 5,1 % Wählerstimmen eine Koalition mit der CDU und der Still-Partei und damit seine Nominierung zum Ersten Bürgermeister von Hamburg möglich gemacht.

Nun waren aber anstellte der Freien Demokraten neben der CDU nur die SPD, die Grünen und die Linken in den Hamburger Senat gerutscht, weshalb der Uli über seinen schwarzen Schatten springen und mit einer "linken" Partei koalieren mußte. Obwohl in Berlin eine Große Koalition an der Macht war, sprachen sich doch viele Unionsgranden für ein Bündnis mit den Grünen aus. Schließlich wollte man sich auf jene Art und Weise ein wenig an der SPD dafür rächen, daß die sich ein kleines Stück für Bündnisse mit den Linken geöffnet hatte.

Genau das war der Grund, warum der Spitzenkandidat der Hamburger SPD, Marco Maumann, auch stinksauer auf Parteichef Bert Kuck war. Der hatte nämlich wenige Tage vor der Wahl in Hamburg die Zügel Richtung Linkspartei gelockert und damit nach Überzeugung der Hamburger SPD dafür gesorgt, daß etliche der eigenen Anhänger ihre Partei deswegen nicht gewählt hatten.

Die Grünen bereiteten sich mental und medial bereits auf eine mögliche Koalition mit "Kohle von Zeust", wie sie ihn im Wahlkampf noch kritisch tituliert hatten, vor und die Linke freute sich über einen weiteren Sprung in ein westdeutsches Parlament.

Derweil tat die hessische SPD so, als würde sie alles versuchen, um eine Ampelkoalition mit der FDP zustande zu bringen, doch da jene jegliche Avancen von vornherein abgeschmettert hatte, war allen klar, daß es sich dabei nur um ein Pseudomanöver ohne Risiko handelte, da alle wußten, daß es in Hessen kein rot-gelb- grünes Bündnis geben würde. Eine schwarz-gelb-grüne Koalition hingegen konnten sich die Vertreter der hessischen FDP durchaus vorstellen, doch darauf hatten die Grünen wiederum keinen Bock. Um nicht ebenfalls als Blockierer dazustehen, zeigten sie sich zwar gesprächsbereit, forderten jedoch sogleich, bei so einem Bündnis dürfe Robert Doch nicht an der Spitze stehen, von daher war das Ganze auch keine Lösung. Es durfte also munter weiter spekuliert werden.

Blackschein und Zuber dagegen redeten über ihre CSU und die bevorstehenden Kommunalwahlen. "Also Merlin, beim Politischen Aschermittwoch haben wir Beide uns ja ned gerade mit Ruhm bekleckert, aber wenigstens ham uns die Leute ned ausgepfiffen", faßte Blackschein zusammen. "Also mich haben sie bejubelt", behauptete Zuber. "Da muß ich irgendwas verpaßt ham. Jedenfalls müssen wir schauen, daß wir bei den Kommunalwahlen nicht allzu viele Prozente verlieren, sonst wird es bei der Landtagswahl im September richtig eng." "Ach was! Ein anständiger Bayer wählt CSU." "Den Spruch muß ich mir merken, Merlin, der ist echt gut. Vielleicht brauch ich den später noch mal." "Wenn das so ist, dann kann ich Dir gleich noch mehr Sprüche von mir anbieten: Freiheit oder Sozialismus, die PDS-Kommunisten haben im bayerischen Landtag nichts verloren, man kann auch mit zwei Maß Bier aufm Oktoberfest noch Auto fahren, die CSU ist die einzige, wahre Bayernpartei, alle anderen Parteien eint nur der Haß auf die CSU. Ich hab dann auch noch einen tollen Spruch über die bayerische Opposition, aber den möchte ich selber loswerden, so gut ist der." "Das freut mich. Na ja, ein paar von Deinen Vorschlägen waren durchaus brauchbar, da werde ich mich später noch dran bedienen, wenn mir selber nix Gscheites mehr einfällt. Aber daß uns die Leute so wenig zuhören in Passau, das hätt ich ned erwartet." "Ach Gunnar, mach Dir nix draus. Beim Sträuber ham sie auch nur gelauscht, weil sie vor dem Angst hatten. Unser Professor Toberreuter jedenfalls hat uns Beiden für unsere Rede jeweils eine Zwei bis Drei gegeben und hinzugefügt, daß er dem Sträuber für seine Rede im Jahr vorher die gleiche Note gegeben hätte. Von daher sind wir schon mal wesentlich besser als unser Ruf." "Hoffentlich. Ansonsten schaut es für den September richtig duster aus." "Sei doch nicht so pessimistisch, Gunnar! Wir Beide sind doch gerade mal ein paar Monate im Amt und wir haben noch viele schöne Jahre an der Spitze unserer Partei vor uns." "Da bin ich aber beruhigt, daß Du so fest davon überzeugt bist, das stimmt mich hoffnungsfroh. Schließlich bist Du mit Deiner Bayern LB derjenige, dem es grad am meisten neiregnet." "Und wenn schon? Erstens sind die Wähler vergeßlich, zweitens wählen sie uns sowieso, weil die Sozis bekanntlich nicht mit Geld umgehen können und drittens: Wen interessieren schon die paar Milliarden Miese bei der Bayerischen Landesbank? Was kann ich dafür, daß sich da die Herren Banker kräftig verspekuliert haben?" "Keine Ahnung, an Dir und der CSU bleibt es jedenfalls hängen. Außerdem hat ja der Sträuber damals den Kauf von dieser Hypo Alpe Adria vorangetrieben." "Siehst Du, der Sträuber! Wir können da überhaupt nichts dafür." "Na hoffentlich sehen das unsere Wähler genauso wie Du."

Kommunalwahlen waren schon immer eine ganz spezielle Angelegenheit und natürlich erst recht in Bayern, denn dort durfte man bei jenen kumulieren und panaschieren. Das bedeutete, daß man seine Stimmen auf alle möglichen Parteien verteilen und bestimmte Kandidatinnen sowie Kandidaten mit zwei oder drei Stimmen hervorheben konnte. Das führte natürlich dazu, daß das Auszählen immer sehr lange dauerte, doch eine Sache ließ sich aus dem Ergebnis recht schnell ablesen: Die CSU und die SPD hatten Einbußen hinnehmen müssen, bayernweit betrachtet. In den großen Städten wie München und Nürnberg war die CSU sehr schwach und die SPD dagegen sehr stark gewesen, auf dem Land war es genau umgekehrt; dort spielten auch noch die Freien Wähler eine hervorzuhebende Rolle. Die Grünen hatten quasi überall dazu gewonnen, die FDP und die Linke konnten sich ebenfalls steigern, sogar die Bayernpartei feierte ihre Wiederauferstehung. Die ÖDP dagegen schwebte im siebten bayerischen Himmel, denn erstmals in ihrer Parteigeschichte gab es einen Bürgermeister aus ihren Reihen.

Nach der Wahl ging es natürlich darum, die Deutungshoheit zu gewinnen. Selbstverständlich pickten sich die Vertreter aller Parteien bevorzugt jene Ergebnisse heraus, die ihnen besonders zusagten, die Pleiten und Blamagen dagegen ließen sie lieber außen vor. Merlin Zuber freute sich darüber, daß die CSU wieder die stärkste kommunale Kraft in Bayern geworden war, doch das war ungefähr so, wie wenn sich der FC Bayern daran delektierte, daß er im DFB-Pokal daheim gegen einen Zweitligisten gewonnen hatte. Überall dort, wo die CSU innerparteilich zerstritten war, hatten die Wählerinnen und Wähler sie abgestraft, das war eine weitere Erkenntnis des Wahltags gewesen. Deswegen verordnete der CSU-Parteichef seinen Parteifreunden ein Maximum an Geschlossenheit, was nichts weiter hieß, als daß sie ruhig sein und ihre Konflikte unter den Teppich kehren sollten. In der SPD hofften die Optimisten darauf, daß es für die CSU bei der Landtagswahl im September nicht mehr für die absolute Mehrheit reichen würde, doch in einer Umfrage hatte die große bayerische Volkspartei immerhin noch 51 Prozent der Wählerstimmen erreicht, von daher gab es für die Schwarzen dahingehend noch nichts zu befürchten.

Nichtsdestotrotz machte man sich sogleich fieberhaft an die Fehleranalyse und fand dabei Folgendes heraus: Die Mischung aus Transrapid, Rauchverbot und schlechter Bildungspolitik hatte dazu geführt, daß die CSU in den Gemeinden und Städten nicht mehr ganz so stark war wie sechs Jahre zuvor. Es galt also für die Partei, verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen und dafür hatten die Betroffenen immerhin noch ein halbes Jahr lang Zeit.

Etliche Landratskandidaten der CSU hatten es nur in die Stichwahl geschafft, es gab Überraschungserfolge wie in Augsburg, aber auch bittere Ergebnisse wie in Regensburg. Zusammenfassend ließ sich feststellen, daß die CSU zwar nicht toll, aber auch nicht fürchterlich schlecht abgeschnitten hatte, es bestand also durchaus noch Hoffnung auf einen Erfolg bei der Landtagswahl im Herbst.

In München und Nürnberg dagegen waren die Christsozialen böse unter die Räder gekommen. Kein Wunder, daß sich deren Oberbürgermeister, Ode und Baly, sehr darüber freuten. "Herzlichen Glückwunsch, Christoph! Da hast Du ja ein phantastisches Ergebnis erreicht", fand Baly. "Vielen Dank, Udo! Du hast Dich aber auch großartig geschlagen", lobte Ode. "Das schon, aber unser Parteifreund Jung hat alle in Bayern ganz alt aussehen lassen. Der hat doch sage und schreibe 80 Prozent der Stimmen abgeschöpft und das, obwohl etliche Gegenkandidaten gegen ihn angetreten waren." "Donnerwetter, dieses Fürth scheint es wirklich in sich zu haben. Erst die Mauli und jetzt auch noch das. Ja, wenn die Leute überall so wählen würden wie bei uns in den Städten, dann würde die SPD garantiert den Ministerpräsidenten stellen." "Auf jeden Fall. Du, weil wir gerade dabei sind: Du darfst doch 2014 ohnehin nicht mehr als OB-Kandidat antreten." "Das ist leider wahr, weil die Schwarzen da so ein Gesetz durchgeboxt haben, das auch unter dem Namen "Lex Ode" bekannt geworden ist." "Das weiß ich doch auch. Jedenfalls hab ich mir gedacht, wenn Du eh nicht mehr OB von München werden kannst, dann könntest Du doch als Spitzenkandidat der bayerischen SPD bei der Landtagswahl 2013 antreten." "Mein lieber Udo, bis dahin wird noch viel schmutziges Wasser die Isar hinunterfließen. Jetzt warten wir doch lieber erst einmal die Landtagswahl im September ab und dann werden wir zunächst sehen, wie tief die CSU fällt und ob sie sich wieder auffangen kann. Ich weiß zwar auch nicht, was im Jahr 2012 sein wird, außer daß irgendwelche Propheten für den 20. oder 21.12.2012 den Weltuntergang ankündigen, aber momentan kann und will ich mir das, was Du mir gerade vorgeschlagen hast, nicht einmal in meinen schrecklichsten Alpträumen vorstellen." "Ich weiß ja auch, daß unsere bayerische SPD nicht gerade ein heißer Feger ist, aber erst einmal werden die Schwarzen ihren ganz persönlichen Weltuntergang im Herbst erleben." "Ja, davon bin ich ebenfalls felsenfest überzeugt und darauf freue ich mich jetzt schon. Denn selbst wenn sie 50 Prozent der Wählerstimmen erreichen sollten, was ich nicht glaube, aber trotzdem wäre das eine gigantische Niederlage." "Allerdings. Ich beneide Dich übrigens ein bißchen darum, daß Du weiterhin schön mit Rot-Grün regieren kannst, während wir hier in Nürnberg nach wie vor die CSU mit im Boot sitzen haben." "Herzliches Beileid! Also mit dem Öder möchte ich nicht zusammen paddeln müssen." "Das ist ja der Witz bei der ganzen Sache: Der will nicht mehr mit uns rudern, aber der Blackschein schon." "Was es nicht alles gibt. Na ja, da der Blackschein momentan der Chef im Ring ist, steht ohnehin fest, wohin die Reise geht." "Glaubst Du, daß der das mit dem Transrapid durchziehen wird?" "Auf gar keinen Fall. Der wartet nur noch darauf, daß die Hersteller ihm sagen, daß es viel teurer wird und dann steigt er aus." "Gut so. Jetzt aber mal ganz ehrlich und nur unter uns: Kannst Du Dir allen Ernstes vorstellen, daß unser Hans Magnet im September Bayerischer Ministerpräsident wird?" "Wünschen würde ich es ihm durchaus, aber ich bin Realist genug zu wissen, daß das höchst unwahrscheinlich ist." "Da sind wir uns also auch einig."

"Hessen ist fertig!" riefen die politischen Beobachter Anfang März lautstark ins Land und alle horchten auf. Angela Ypsiloni war es nicht gelungen, alle Abgeordneten der eigenen Fraktion hinter sich zu scharen. Deswegen stellte sie öffentlich klar, daß sie sich am 5.April nicht zur Wahl stellen würde. Klar, nun hätte man sagen können, was hat die Frau denn, auch wenn die Barbara Fetzger sich enthält, dann würde sie immer noch mit 56 zu 53 gewinnen, aber das war ihr wahrscheinlich zu riskant. "Tricksiloni", wie sie mittlerweile von den Medien und vom politischen Gegner des öfteren genannt worden war, wollte dann doch nicht so enden wie Heike Bisonis in Schleswig-Holstein, sie traute ihrer Fraktion nicht wirklich über den Weg.

Das bedeutete also, daß Robert Doch weiterhin als geschäftsführender Ministerpräsident im Amt blieb, doch das war für ihn auch nicht sonderlich erfreulich, denn da es ja im hessischen Landtag mittlerweile eine linke Mehrheit gab, konnte die etliche Punkte, in denen sie sich einig war, beschließen und Doch mußte jene dann mit seiner Regierung umsetzen. Also im Grunde eine unerfreuliche Angelegenheit für alle beteiligten Seiten, weshalb Rohland mal wieder an die Grünen appellierte, es sich doch noch mal zu überlegen und mit seiner CDU und der FDP gemeinsam eine "Jamaika-Koalition" zu bilden. Aber da war nichts zu machen, die Grünen weigerten sich auch weiterhin standhaft.

Ganz anders dagegen die Grünen in Hamburg. Die koalierten dort munter mit der CDU, es gab ab Mitte April also das erste schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene. Wie frisch Verliebte traten die neuen Partner in der Öffentlichkeit auf, jenem Anfang wohnte tatsächlich ein Zauber inne, auch wenn sich SPD und FDP, die düpierten üblichen Koalitionspartner, angewidert abwendeten. Uli von Zeust würde also, nachdem er mit der Still-Partei und der FDP koaliert hatte, sowie eine CDU-Alleinregierung angeführt hatte, mit den Grünen ins Koalitionsbett steigen. Beide Seiten hatten sich um jenes Bündnis außerordentlich bemüht gehabt und nun präsentierten sie stolz die Ergebnisse ihrer Verhandlungen. Handelte es sich dabei etwa gar um den Beginn einer neuen Ära, oder lediglich um einen verzweifelten Versuch, aus den alten politischen Beziehungsmustern auszubrechen? Man brauchte sich auch weiterhin nichts vorzumachen: Genauso wie die FDP immer der allererste Ansprechpartner der CDU bleiben würde, so zog es nach wie vor die SPD und die Grünen zunächst jedes Mal in Richtung Koalition. Interessant war das Ganze selbstverständlich auch für die Bundespolitik, doch dort standen CDU und Grüne noch sehr weit auseinander, von daher war die Wahrscheinlichkeit, 2009 eine schwarz-grüne Bundesregierung zu erleben, mehr als gering.

Das Wahlrecht hatte den bundesdeutschen Verfassungsrichtern schon so manches Kopfzerbrechen bereitet gehabt, doch 2005 war das Faß dann endgültig übergelaufen. In Dresden hatte seinerzeit ja eine Nachwahl stattfinden müssen und bei der hatte die sächsische CDU darauf zu achten gehabt, nicht mehr als 41226 Zweitstimmen zu bekommen, da sie sonst eines ihrer vier Überhangmandate verloren hätte. Wenn es noch eines letzten überzeugenden Beweises der Fragwürdigkeit und teilweisen Unsinnigkeit des deutschen Wahlrechts bedurft hätte, dann wäre es eben jene Tatsache gewesen. Die Überhangmandate waren neben dem eben beschriebenen "negativen Stimmgewicht" den Richtern ein weiterer Dorn im Auge und so erklärte das BVG das deutsche Wahlrecht endlich für verfassungswidrig. Allerdings ließ es den Politikern immerhin drei Jahre Zeit, jene Mißstände abzustellen, so daß bei der Bundestagswahl 2009 noch alles beim Alten bleiben würde, was einige Leute überhaupt nicht gut fanden.

Dabei gab es etliche Zeitgenossen, die durchaus gute Vorschläge gemacht hatten, wie man ein gerechteres Wahlrecht gestalten könnte. Von Ausgleichsmandaten war da die Rede, oder daß man weniger Listenplätze abbekommen würde, wenn man viele Überhangmandate gewonnen hatte, lauter solche Sachen hat. Dabei wäre gerade 2008 die Chance noch groß gewesen, ein neues Wahlrecht auf breiter Basis zu beschließen, denn Union und SPD saßen gemeinsam in der Bundesregierung. Wenn man sich damit jedoch Zeit ließ, dann stand zu befürchten, daß eine schwächere Regierung gegen eine stärkere Opposition ein Wahlrecht würde einführen wollen, das den eigenen Parteien mehr nützte und den gegnerischen eher schadete. Na ja, wer nicht wollte, der hatte schon, selber schuld, zuviel Geduld.

In der SPD hatte man große Angst davor, daß Angela Ypsiloni immer noch nichts aus ihrem Scheitern im Frühjahr gelernt hatte und es noch einmal versuchen würde, mit Hilfe der Linken zur hessischen Ministerpräsidentin gewählt zu werden. Weder Bert Kuck noch die bekennenden Linken in der SPD hielten das für eine gute Idee, andererseits konnten sie die Angela auch nicht wirklich davon abhalten. "Man rennt nicht zweimal gegen die gleiche Wand", lautete eines jener Bonmots, das man anbrachte, doch die Yps dachte sich dazu wahrscheinlich nur: "Stimmt, wenn schon, dann mindestens dreimal, das wäre doch gelacht, wenn ich das nicht hinbekomme."

CSU-Parteitag in der zweiten Juli-Hälfte: Zu sehen und zu erleben war ein dynamisches Duo voller Tatendrang, vom Tandem war nicht mehr so oft die Rede, große Wahlkampfbusse wurden präsentiert, doch grundsätzlich wollte die Christlich Soziale Union auf ihrem Parteitag in Nürnberg eher Bescheidenheit demonstrieren. Es gab nach wie vor viele Leute in der Partei, die Egmont Sträuber nachtrauerten, aber auch etliche, die genau das nicht taten und trotzdem nicht recht glücklich mit ihrem neuen Spitzenduo wirkten. Eine gefährliche mittelmäßige Stimmung hatte sich in der CSU breitgemacht, für eine manisch-depressive Partei wie sie durchaus irritierend. Man wurde nicht so recht warm mit den beiden Kurzen, sie standen halt doch eher für die Landespolitik und ihr Horizont schien auch nicht viel weiter zu reichen. Deshalb wurde die deutsche Bundeskanzlerin Andrea Gerkel umso lauter bejubelt, denn nun sahen die CSU-Mitglieder noch deutlicher, wer und was ihnen fehlte: Eine bundesweit anerkannte Führungspersönlichkeit nämlich. Ja, es war schon bitter für die Partei, auf Normalmaß zurechtgestutzt zu werden, denn eigentlich hielt sich die CSU selbst für die Größte, die war sie aber nur in Bayern, da sie ja bekanntlich nirgendwo sonst antrat, sie wußte schon warum.

Deshalb starrte die "schwarze Bestie" immer ängstlicher auf den 28.09.2008, an dem die Landtagswahl in Bayern stattfinden sollte und das nicht ohne Grund. Zwar war man den Transrapid ziemlich bequem losgeworden, aber im bayerischen Volk war nach wie vor deutlicher Unmut vernehmbar, man gehorchte der Partei nicht mehr so bereitwillig wie früher, was war da nur los?

Egmont Sträuber hatte sich mal wieder mit Torsten Feehoffer bei sich zu Hause in Golfradshausen getroffen, um die Lage zu sondieren. "Du mußt im Wahlkampf vollen Einsatz zeigen, Torsten, damit nachher niemand behaupten kann, Du hättest Dich nicht angestrengt und damit die zwei Kurzen voll auflaufen lassen", erläuterte Egmont. "Da hast Du Recht. Und Du darfst aber auch nichts Schlechtes über sie sagen." "Das wird mir schwerfallen, aber ich werde es versuchen. Hauptsache, ich muß sie nicht loben, diese Dilettanten!" "Na ja, hin und wieder vielleicht schon ein winzig kleines bißchen." "Also gut, aber nur, wenn es sich wirklich nicht vermeiden läßt. Du aber mußt die Meßlatte so hoch legen, daß sie nicht drüber kommen." "Und wo genau wäre das Deiner Meinung nach?" "Na ja, 60 Prozent schaffen die Deppen auf gar keinen Fall, 55 traue ich denen auch nicht zu, aber mehr als 50 könnten sie schon erreichen, wenn sie Glück haben. Und das darf und kann nicht sein, daß die Stümper, wenn sie über zehn Prozentpunkte verlieren, dann weiterhin im Amt bleiben." "Das stimmt natürlich. Also wäre es wohl am besten, wenn ich die Latte auf 52 Prozent lege, dann können sie ruhig 50 oder 51 schaffen, das hilft ihnen dann auch nichts." "Genau, das macht Sinn. Ja und wenn der Wahltag dann rum ist, müssen wir sofort handeln und die Macht wieder nach Oberbayern holen. Man hat ja schon bei den Kommunalwahlen ganz deutlich gesehen, wie schädlich es für die CSU insgesamt ist, wenn aus ihrer Herzkammer Oberbayern fast keine Spitzenleute kommen." "Allerdings. Gut, Egmont, damit wäre das auch geklärt. Ich bin ja bloß gespannt, ob die Gerkel bei der Pendlerpauschale noch nachgibt, um dem Zuber einen kleinen Erfolg zu gönnen." "Ach was, die Gerkel weiß doch ganz genau, daß sie den Bayern überhaupt nichts schuldig ist. Mit mir spielte die CSU in der Champions League; zugegeben, manchmal auch nur in der Bundesliga, aber Blackschein und Zuber, das ist allerhöchstens Bayernliga, wenn überhaupt." "Egmont, Du solltest nicht so viel die Süddeutsche lesen, das tut Dir nicht gut." "Doch Torsten, denn die ist genauso gegen Blackschein und Zuber wie wir." "Ach so."

Anfang August wurden dann mal wieder ein paar Meinungsumfragen veröffentlicht, in denen die CSU auf 50, beziehungsweise 48 Prozent der Wählerstimmen kam. Alles noch im grünen Bereich, das Wichtigste war und blieb die absolute Mehrheit der Sitze im Maximilianeum, aber natürlich legten die Granden der Partei schon Wert darauf, daß die 5 vorne stand, denn es ging ja bei jeder Landtagswahl in Bayern auch um den Mythos CSU, den eigenen Nimbus der Unbesiegbarkeit, deshalb wollte man schon auch die absolute Mehrheit der Wählerstimmen im Land erreichen. Letzten Endes würde es wohl darauf ankommen, wie viele kleine Parteien die Fünf-Prozent-Hürde übersprangen. Zu jener Zeit waren das in den Umfragen die Grünen, die Freien Wähler sowie die FDP, nur die Linke kam auf nicht ausreichende vier Prozent. Es würde also definitiv spannend werden, doch da erst mal die Sommerferien in Bayern anstanden, wurden solche Umfragen zwar zur Kenntnis genommen, aber bei Weitem nicht überbewertet.

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