Kitabı oku: «Sigurd 3: Im Auftrag des Königs», sayfa 3

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VIER

Graf Gebhart schloss seine Tochter überglücklich in die Arme, als sie zurück auf der Burg angekommen war. Sie ließ sich jedoch sofort entschuldigen und wollte nach ihrem Bräutigam sehen, nachdem sie von seiner Verwundung erfahren hatte.

Gebhardt bat inzwischen Sigurd, ihm zu berichten, was vorgefallen war, und lauschte erstaunt den Erzählungen. Er schwor, sich darum zu kümmern, dass die Inselbewohner von ihrem Götzenkult abließen und die Insel keine Gefahr mehr darstellte.

Als er die drei Freunde für ihre Rettungstat entlohnen wollte, lehnten diese dankend, aber entschlossen ab. Sie seien schließlich hier, um einer Hochzeit beizuwohnen, und das Brautpaar glücklich vereint zu sehen, sei Belohnung genug.

Graf Gebhardt ließ es sich aber nicht nehmen, Sigurd, Bodo und Cassim in der Zeit bis zu Graf Hartmuts Genesung als Gäste auf seiner Burg zu bewirten. Sigurd ließ einen Boten mit einem Brief an seinen Vater schicken, in dem er alles erläuterte, und nahm wie seine Freunde das Angebot des Grafen an.

Wochen später wurde eine prachtvolle Hochzeit gefeiert. Hartmut bat Sigurd, nach all dem, was er für ihn und seine Braut getan hatte, als sein Trauzeuge teilzunehmen. Sigurd war sich der Ehre bewusst und nahm voller Stolz an.

Die anschließende Feier dauerte ganze drei Tage, und schließlich brachen die Freunde auf, um die Heimreise anzutreten. Der Abschied fiel herzlich aus, und Sigurd wusste, neue Freunde gewonnen zu haben.

Als sie auf Burg Eckbertstein ankamen, konnten sie sehen, dass die Arbeiten zwar inzwischen weit fortgeschritten, aber noch lange nicht abgeschlossen waren. Sigurd, Bodo und Cassim nutzten die Zeit, um sich von dem vergangenen Abenteuer zu erholen. Bald jedoch übergab Sigurds Vater ihm einen neuen Auftrag, da er sehen konnte, welche Rastlosigkeit seinen Sohn schon nach einem Tag wieder erfüllte.

Die Freunde brachen am nächsten Morgen auf, um eine Botschaft für einen befreundeten Fürsten zu überbringen. Der Frühling war inzwischen endgültig ausgebrochen, und an den Bäumen zeigte sich das frische Grün junger Blätter. Selbst der Wind hatte die schneidende Kälte des Winters verloren, und so genossen die Freunde den Ritt in den wärmenden Sonnenstrahlen.

Als der Weg vor ihnen eine Biegung machte, sahen sie vor sich in einiger Entfernung einen Handelswagen. Es war ein Gespann mit vier Pferden, das langsam über die staubige Straße ruckelte.

Sigurd kniff die Augen zusammen und versuchte, den Fahrer auf dem Kutschbock zu erkennen.

»Du, Bodo, sag mal, ist das da vorne nicht der Wagen Mertens, des alten Handelsmanns?«

Sein Freund schloss zu ihm auf und spähte nach vorne. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Ja, jetzt sehe ich es auch. Das ist unser alter Freund!«

Merten war ein fahrender Händler, der seit langen Jahren schon auf Burg Eckbertstein ein- und ausging. Er überraschte seine Kunden immer wieder damit, aufgrund seiner guten Beziehungen in aller Herren Länder Köstlichkeiten und Kostbarkeiten besorgen zu können, nach denen andere sich vergebens umsahen. Daher war er auf jeder Burg ein gern gesehener Gast.

Sigurd drückte die Fersen in die Flanke seines Pferdes.

»Los, Freunde«, sagte er zu Bodo und Cassim, »Wir wollen ihm auf seiner Fahrt Gesellschaft leisten. Merten wird sich freuen, uns wiederzusehen.«

Die Freunde beschleunigten ihren Ritt und schlossen rasch zu dem Karren auf. Eine Plane spannte sich über den Wagen und ließ so keinen Blick auf die Ladefläche zu. Ein Lächeln huschte über das bärtige Gesicht, als er sah, wer ihm zuwinkte.

»Hallo, Merten!«, rief Sigurd, um das Rumpeln des Fahrwerks zu übertönen. »Wie geht es dir? Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.«

»Ho, Sigurd mit seinen Freunden«, begrüßte Merten sie, als er auch Bodo und Cassim erblickte. »Das ist ja eine Überraschung! Wo kommt ihr denn so plötzlich her?«

Sigurd erwiderte etwas, doch das Rattern und Poltern der Räder verschluckte seine Worte, und so zügelte der alte Handelsmann seine Pferde.

Sigurd lenkte sein Pferd nahe an den Kutschbock. »Ich glaube, wir haben den gleichen Weg wie du«, antwortete er. »Da können wir ja gemeinsam reisen.«

»Aber gern!«, sagte Merten und das Lächeln unter seinem weißen Bart wurde breiter. »Bleibt nur bei mir.« Er zog die Zügel straffer, um seinen Pferden den Befehl zu geben, ihren Trab wieder aufzunehmen. »Ha, das wird eine unterhaltsame Fahrt«, fuhr er fort. »Sonst bin ich ja immer so allein …«

Er seufzte bei diesen Worten und lehnte sich auf der Sitzbank zurück.

*

Die Reisenden setzten ihren Weg ohne Zwischenfälle fort und erreichten gegen Abend ein bewaldetes Tal. Knorrige Eichen wuchsen zu beiden Seiten der Straße in die Höhe. Dennoch war der Weg breit genug, um die Sicht auf die umgebende Landschaft freizugeben.

Sigurd erblickte auf einem hoch aufragenden Hügel eine mächtige Festung.

»Was ist denn das für ein Bauwerk dort oben auf dem Fels, Merten?«, fragte er. »Weißt du, wem es gehört?«

Der Handelsmann verlangsamte die Fahrt und strich sich mit einer Hand durch den Bart.

»Das? Das ist ein altes, verfallenes Kastell«, erwiderte er und überlegte. »Ich glaube, es gehört zum Besitz des Grafen Henning von Gerburg.« Er kniff die Augen zusammen und betrachtete sich die Konstruktion. »Dort oben hat sich nichts verändert seit dem vorigen Jahr, als ich zum letzten Mal hier vorbeikam. Es gibt auch keinen Weg mehr dort hinauf. Die Auffahrt ist zugewachsen, und die Treppen zum Kastell sind längst zusammengestürzt.« Er zuckte mit den Schultern. »Weiß Gott, was es mit diesem Kastell für eine Bewandtnis hat.«

Sie setzten die Reise fort, und nur wenige Minuten drauf wies der alte Merten nach vorne. »Siehst du die Burg da auf dem Hügel? Das ist die Gerburg. Dort wohnt Graf Henning mit seiner Tochter Helga.«

Von den hohen Turmspitzen wehten die Banner im frischen Abendwind, und mehrere Fenster waren erleuchtet.

»Ja, Graf Henning«, hörte Sigurd die Stimme des Handelsmannes, »Das ist ein guter Herr! Die Leute hier lieben und verehren ihn.« Er deutete über die Schulter zurück zum Kastell. »Er kümmert sich mehr darum, dass es den Menschen gut geht, und nicht um diese alten Raubnester, die noch überall hier in den Bergen verstreut liegen.«

Bald darauf erreichte die Gruppe ein Stück des Waldes, an dem die Bäume so eng wuchsen, dass der Handelskarren kaum durchkam. Das Geflecht der Äste schloss sich zu einem Blätterdach, durch das kaum Licht fiel. Zudem war die Nacht inzwischen hereingebrochen, und so verschwand auch bald der letzte Rest Tageslicht. Merten entzündete eine Laterne und befestigte sie neben dem Kutschbock, doch sie erhellte kaum mehr als eine Armlänge von ihm entfernt.

Der Weg wurde immer schmaler, und so ritten Sigurd, Bodo und Cassim hinter dem Handelsmann her, wobei sie darauf achten mussten, dass sich ihre Pferde in der zunehmenden Dunkelheit in keiner Wurzel am Boden verfingen.

Gerade als sich der Mond hinter den Baumkronen hervorschob, erreichten sie eine kleine Lichtung, auf der wie aus dem Nichts ein unheimlicher Reiter aus dem Wald auftauchte.


Merten schrie auf. »Seht nur, wie furchtbar! Der Kerl hat gewiss nichts Gutes vor!«

Der fremde Reiter riss ein Langschwert in die Höhe, das im Mondlicht blitzte. Sein Pferd wieherte auf und schnaubte wild.

»Haltet an, alter Mann, wenn Euch Euer Leben lieb ist«, rief er mit einer Stimme aus, die durch ein Tuch vor dem Mund gedämpft wurde, das selbst die Augen verbarg. Er wartete Mertens Antwort nicht ab. Auf einen Wink hin stürmten sechs übel aussehende Banditen auf ihren Pferden aus dem Unterholz auf den Wagen zu.

»Die Schurken wollen ihn niedermachen und die Waren aus Mertens Wagen rauben«, knurrte Sigurd, der im Schatten des Wagens verborgen blieb. Er sah sich zu Bodo um. »Aber das soll ihnen übel bekommen!«

Sein Freund nickte entschlossen.

»Los, Bodo, das Schwert heraus!«, forderte Sigurd ihn auf und zog seine eigene Waffe. »Die Kerle sollen uns kennenlernen.«

Er trieb sein Pferd an und preschte auf den ersten Banditen zu. »Ho, kommt nur heran!«, rief er und schwang sein Schwert durch. Wie ein Wirbelwind fuhren Bodo und er unter die verblüfften Räuber, die Merten allein wähnten. Entsetzte und überraschte Schreie hallten durch die Nacht. Es zeigte sich schnell, dass die Schurken offenbar nur Handelsleute überfielen, die kein großes Waffengeschick besaßen, denn gegen die gekonnt geführten Klingen von Sigurd und Bodo richteten sie wenig aus.

Binnen weniger Augenblicke fielen zwei von ihnen getroffen vom Pferd und blieben stöhnend und wimmernd am Boden liegen.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Räuber gegen die beiden Ritter unterliegen würden, als plötzlich der alte Merten aufschrie. Sigurd hörte es, doch ihm blieb keine Zeit, sich nach ihm umzudrehen. Er musste eine wuchtig geführte Klinge abwehren.

Der alte Mann fasste sich an die Brust und richtete sich im Kutschbock auf. Ein aus dem Dickicht abgeschossener Pfeil hatte seinen Wams durchbohrt. »Diese hinterhältige … Bande«, stöhnte er. »Helft mir, Freunde …«

Mit diesen Worten stolperte er vom Wagen und taumelte zu Boden. Cassim sprang von seinem Pferd und eilte auf den Verwundeten zu.

»Merten, was ist mit dir?«, rief er aus. Auch er hatte nicht gesehen, was geschehen war und schrak zusammen, als er den Pfeil in der Brust erblickte. »Das sieht nicht gut aus«, sagte er und presste die Lippen aufeinander. Ihm war klar, dass er den alten Mann sofort verbinden musste.

Sigurd und Bodo blieb keine andere Wahl, als Cassim bei seiner Hilfe alleine zu lassen. Sie wehrten sich gegen die Räuber, die ihre erste Überraschung überwunden hatten. Doch als auch der dritte von ihnen sterbend am Boden lag, hörten sie erneut die gedämpfte Stimme.

»Zurück, Männer!«, rief der Maskierte. »Es hat keinen Zweck … wir treffen uns in unserem Schlupfwinkel!«

Umgehend ließen die Banditen von ihrer vermeintlich leichten Beute ab, rissen ihre Pferde herum und ritten in die Dunkelheit des Waldes.

»Ah, siehst du«, entfuhr es Bodo. »Diese Räuber geben den Kampf auf. Wir haben gesiegt!«

Sigurd sah den Davoneilenden nach. »Das ist der Rädelsführer! Schnell, Bodo«, stieß er aus, »den kriegen wir noch! Komm!«

Er packte die Zügel fester und wollte losreiten.

»Lass, Sigurd, das ist sinnlos«, beeilte sich sein Freund zu sagen und sah den Schurken nach, die kaum mehr als Schemen in der Nacht waren. »Wir kennen den Wald nicht. Die Bande ist im Vorteil. Wir würden nur in einen Hinterhalt reiten.«

Sigurds Pferd tänzelte auf der Stelle, denn der Junker war noch nicht bereit, von seinem Vorhaben abzulassen. Schließlich entspannte sich sein Körper, und er sah zu seinem Freund hinüber.

»Du hast recht, Bodo«, antwortete er mit verschlossener Miene. »Lassen wir den Schuft laufen.« Er wandte sein Pferd und ritt zum Wagen zurück. Verwundert sah er, wie sich Cassim über den Handelsmann beugte.

»Was ist mit dem alten Merten?«, fragte er.

»Ein Pfeil hat ihn schwer verwundet. Hoffentlich kann er noch gerettet werden!«, schoss es aus Cassim heraus.

Sigurd und Bodo sprangen entsetzt vom Pferd und liefen auf den Verwundeten zu. Sie knieten neben ihm und sahen die Schwere der Verwundung. Für einen Augenblick kam Merten zu sich. Aus flackernden Augen sah er die Männer um sich herum an.

»Bringt mich auf die Gerburg … zum Grafen Henning«, brachte er mit krächzender Stimme hervor. »Er kennt mich … dort bin ich sicher …« Mit diesen Worten stöhnte er auf und sackte zurück.

Die Freunde befürchteten das Schlimmste, doch als sie den Herzschlag erspüren konnten, atmeten sie auf. Dennoch durften sie keine Zeit verlieren.

»Ja, Merten, das tun wir«, murmelte Sigurd. »Los, Cassim, du steigst auf den Bock und lenkst den Wagen. Bodo und ich werden ihn auf der Ladefläche so weich es geht betten, damit sich die Wunde nicht weiter öffnet.«

Nur kurze Zeit darauf rollte der Wagen mit dem Schwerverwundeten auf die nahe Burg zu. Zum Glück verdeckten keine Wolken den Vollmond, so konnte die Gruppe im bleichen Licht den Weg vor sich deutlich ausmachen.

FÜNF

Über den steilen Aufstieg erreichte der Wagen das hochgezogene Burgtor. Sigurd erhob sich auf seinem Pferd und legte eine Hand an den Mund.

»Lasst uns ein!«, schallte seine Stimme durch die Nacht. »Wir bringen Merten, den alten Händler. Er braucht dringend Hilfe!«

Eine Wache fragte von einer Zinne, wer um diese Zeit noch Einlass begehrte. Sigurd nannte seinen Namen, und nur wenige Augenblicke später senkte sich die Zugbrücke rasselnd herab.

Bewaffnete Wachleute eilten auf die Gruppe zu. Sigurd wies sie mit wenigen Worten an, dass Mertens Wunde unverzüglich versorgt werden müsse, und die Männer trugen den alten Handelsmann so vorsichtig sie konnten in eine Wachkammer.

Über eine Treppe aus dem Haupthaus kam ihnen ein Mann mit wallendem blonden Haar in edlen Gewändern entgegen. Graf Henning war über die Ankunft der Fremden benachrichtigt worden und eilte in den Burghof. Fackeln wurden erleuchtet, und auch hinter mehreren Fenstern flammten Lichter auf.

Sigurd stellte sich und seine Freunde dem Grafen vor.

Graf Henning erkannte, dass er an der edlen Abstammung der Ritter nicht zu zweifeln brauchte. »Sagt, was ist geschehen?«, forderte er Sigurd auf. »Wo kommt Ihr her?«

»Wir trafen Merten, den alten Handelsmann, und begleiteten ihn«, erklärte Sigurd. »Im Wald fiel uns mit einem Mal eine Schar Räuber an, die von einem maskierten Reiter angeführt wurden. Es gelang uns, sie in die Flucht zu schlagen – aber Merten wurde von einem Pfeil getroffen.«

Der Blick des Grafen verfinsterte sich.

»Zum Teufel!«, entfuhr es ihm. »Schon wieder ein Überfall in meinem Land! Seit einem halben Jahr macht der Maskierte mit seinen Spießgesellen die Gegend unsicher, mordet und plündert die durchfahrenden Kaufleute.« Er schüttelte den Kopf. »Trotz aller Mühe ist er uns immer wieder entwischt … es ist wie verhext!«

Er straffte seinen Körper und machte eine einladende Geste. »Aber steigt vom Pferd und tretet ein. Seid meine Gäste! Ihr müsst gewiss hungrig und müde sein.« Er legte Cassim eine Hand auf die Schulter. Der Junge strahlte bei der Aussicht auf ein warmes und weiches Bett übers ganze Gesicht.

»Da habt Ihr recht, Graf Henning«, stimmte Sigurd zu. »Wir nehmen Eure Einladung gerne an.«

Der Graf winkte einen Bediensteten zu sich heran und erklärte ihm, ein Zimmer für die Ankömmlinge vorzubereiten und in seinen eigenen Räumen Speis und Trank aufzutischen.

Der Diener eilte davon, und der Graf führte seine Gäste ins Haupthaus. Nachdem sie die Gemächer des Grafen erreicht hatten, mussten sie nicht lange warten, bis mehrere Küchengehilfen mit Tellern voller Wildbret und Brot herbeikamen und Krüge mit Wein und Milch abstellten. Die drei Freunde griffen nach dem langen und anstrengenden Tag herzhaft zu und ließen sich das Essen munden.

Es klopfte an der Tür, und zwei junge Frauen betraten den Raum. Sie waren beide von ausnehmender Schönheit, doch während das Gesicht des blonden Mädchens sie freundlich ansah, zeigte sich im Gesicht des schwarzhaarigen Mädchens ein wilder Zug, der durch das Funkeln in den dunklen Augen unterstrichen wurde.

»Ah, da kommen meine beiden Mädchen«, begrüßte Graf Henning sie. »Ich will sie gleich mit Euch bekannt machen.«

Er erhob sich und ging auf das Mädchen mit den blonden Haaren zu. »Dies ist Helga von Gerburg, meine Tochter«, stellte er sie vor. Sigurd und Bodo erhoben und verbeugten sich, und sie neigte leicht ihren Kopf. Cassim wollte es seinen Freunden gleichtun, doch er wusste nicht, wohin so schnell mit dem großen Krug voller Milch und dem Stück Braten in seiner Hand.

»Und hier meine Nichte Ishild«, stelle Graf Henning das schwarzhaarige Mädchen vor. »Ihre Eltern starben unverhofft vor einem Jahr, seither lebt sie bei uns auf Gerburg.«

Sigurd und Bodo erwiesen auch ihr die Ehre und nannten ihre Namen.

Ishilds Lippen zuckten einen unmerklichen Augenblick lang. »Ich freue mich, solch berühmte Helden kennenzulernen«, sagte sie. »Wir haben schon viel von Euch und Euren Abenteuern gehört!«

Der Graf bat die beiden Mädchen, an der gedeckten Tafel Platz zu nehmen und ließ sich einen Becher Wein einschenken.

Sigurd wirkte nachdenklich. »Es ist mir unerklärlich, Graf Henning, dass Ihr die Räuberbande noch nicht fangen konntet«, sprach er seinen Gedanken aus.

Der Graf stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab und schürzte die Lippen. »Das ist ja eben das Rätselhafte«, musste er zugeben. »Trotz aller Mühen konnten wir sie noch nie überlisten … nach jedem Raubzug verschwinden sie spurlos!«

»Das wäre doch etwas für Euch«, warf Ishild ein und sah Sigurd mit einem herausfordernden Blick an. »Ihr seid doch klug und geschickt, wie man sagt. – Da ist es gewiss ein Leichtes für Euch, das Raubgesindel zu erwischen!«

Sigurd sah sie forschend an, und sie hielt seinem Blick stand.

»Warum nicht?«, antwortete er schließlich und richtete sich an seine Freunde. »Versuchen können wir’s. Was meint ihr?«

Cassim machte eine zuversichtliche Miene.

»Aber sicher«, stimmte Bodo zu. »Wir sind schon mit ganz anderen Leuten fertig geworden als mit solch hinterlistigen Schurken!«

Sigurd wandte sich seinem Gastgeber zu. »Graf Henning, wenn Ihr uns gestattet, noch einige Zeit hierzubleiben, wollen wir uns bemühen, Euer Land von dem maskierten Reiter zu befreien.«

Graf Henning sah ihn zuerst zweifelnd und ungläubig an, doch dann setzte er eine entschlossene Miene auf. »Junker Sigurd, das soll ein Wort sein!«, antwortete er und streckte die Hand aus, in die Sigurd einschlug.

»Es wäre großartig, wenn Ihr die Banditen unschädlich machen könntet«, sagte der Graf und erwiderte den festen Händedruck. »Bleibt bei uns, solange Ihr Lust habt und seid meine Gäste!«

*

Am nächsten Morgen machten Sigurd und Bodo mit den beiden Mädchen einen Erkundungsritt durch die Gegend. Zu jeder anderen Zeit wäre dies in solch hübscher Begleitung ein heiterer Ausflug gewesen, doch Sigurds Gedanken richteten sich einzig und allein darauf, einen Hinweis auf den Verbleib der Räuber zu finden.

Noch bevor sie aufgebrochen waren, hatte sich Sigurd nach dem Befinden des alten Merten erkundigt. Doch der Leibarzt hatte ihn nicht vorgelassen. Tiefe Ränder zeichneten seine Augen und machten deutlich, dass er die Nacht hindurch den Verwundeten versorgt hatte. Die Wunde sei so schwer, dass er selbst nicht sagen könne, ob der Handelsmann durchkäme.

Und alleine das spornte Sigurd an, alles zu tun, was in seiner Macht stand, um die Räuberbande zu zerschlagen.

Der Graf hatte darauf bestanden, die Mädchen mitzunehmen, damit ein Beobachter sich nichts beim Anblick der Gruppe dachte. Eine Einheit bewaffneter Reiter hätte jeden Banditen unwillkürlich gewarnt.

»Wenn wir nur ungefähr eine Ahnung hätten, wo die ihr Versteck haben«, riss ihn Helgas glockenhelle Stimme aus seinen Gedanken. Sie wies mit einer umfassenden Geste auf den Wald und die Hügel, nachdem sie bereits eine Weile unterwegs waren. »Dann säßen die Burschen längst hinter Schloss und Riegel. Mein Vater hat mit seinen Männern schon jeden Zoll Boden durchsucht – alles ohne Erfolg!«

»Aber irgendwo müssen die Räuber die Waren verbergen, die sie den Kaufleuten abnehmen«, überlegte Sigurd und warf einen Blick in die Landschaft. »Auf unserer Herfahrt sah ich ein altes Bauwerk oben auf einem Fels unweit von der Burg entfernt. Vielleicht ist das der gesuchte Ort?«

Ishild lachte auf. »Ihr meint das alte Kastell?« Sie schüttelte den Kopf, und das schwarze Haar umwehte ihr Gesicht. »Nein, das ist ausgeschlossen. Dort kann kein Mensch mehr hinauf. Eine hölzerne Treppe war der einzige Zugang über den steilen Hügel, und sie ist schon seit vielen Jahren zerstört und verfallen.«

Sie lenkte ihr Pferd in die Richtung. »Kommt nur nach, ich will es Euch zeigen«, sagte sie zu Sigurd mit einem kecken Ausdruck im Gesicht.

Ishild erwies sich trotz des Damensattels als geübte Reiterin, die ihr Pferd in einem Galopp antrieb. Helga hatte sichtlich Mühe, ihnen zu folgen. Zum Glück hatten sie ihr Ziel schon nach kurzer Zeit erreicht. Während Ishild kein Zeichen von Anstrengung zeigte, musste Helga durch den schnellen Ritt erst nach Luft schöpfen.

Mitten aus dem Wald erhob sich der hohe Felsen, auf dem die halb zerfallene Ruine in den Himmel ragte.

»Da, schaut dort hinauf«, wandte sich Ishild zu Sigurd und Bodo um. »Ihr seht selbst, dass es unmöglich ist, zu dem alten Kastell zu gelangen. Jeder, der es wagen würde, einen Weg hinauf zu suchen, würde bald zerschmettert unten am Abgrund liegen!«

Sigurd blieb nichts anderes übrig, als zum selben Schluss zu kommen. Die Klippen des Felsens fielen zu allen Seiten steil ab. Und von der Treppe, die nach oben führte und einst auch Reitern einen sicheren Halt geboten haben mochte, waren kaum mehr als einzelne längst zerfallene Bretter und Holzbalken zu erkennen.

»Komm«, sagte er zu Bodo. »Ishild hat recht. Das kann niemals der Schlupfwinkel sein.«

Sein Freund brummte nur unwillig.

»Es ist schade«, sprach Sigurd mehr zu sich selbst. »Noch haben wir keine Spur gefunden. Aber ich bin mir sicher, es wird uns noch glücken!« Er richtete sich an Bodo und die beiden Mädchen. »Lasst uns nach Gerburg zurückkehren. Für heute dürfte es keinen Sinn mehr machen, die Gegend noch weiter zu erkunden.«

*

In der folgenden Nacht versammelten sich die Banditen in ihrem Versteck. Es waren gut zwei Dutzend Männer, die mit angespannten Mienen die Ankunft ihres Anführers, den noch keiner von ihnen ohne Maske gesehen hatte, erwarteten.

Es waren raue Gesellen, von denen viele von Kämpfen und alten Narben gezeichnet waren. Männer, die von ihren Leben nicht mehr viel erwarteten und anderen keine Gnade gewährten. Manche von ihnen trugen schartige Rüstungen, zerbeulte Helme oder Harnische – die meisten waren jedoch in Gewänder aus teuren Tüchern gekleidet, die sie von den Kaufleuten erbeutet hatten und die in keiner Weise zu ihrem ungeschlachten Benehmen passten.

Die ersten von ihnen fingen an zu murren, da sie so lange warten mussten, als ihr Anführer auch schon das steinerne Gewölbe betrat. Wie immer trug die schlanke Gestalt, die mit ihren katzengleichen Bewegungen einen deutlichen Kontrast zu den grobschlächtigen Männern bildete, ein Gewand und einen Umhang aus roter Wolle. Der Kopf wurde bedeckt vom einem Barett mit ausladender Feder. Vom Antlitz war auch dieses Mal nicht mehr zu erkennen als die funkelnden Augen hinter den Schlitzen des Tuchs, das das gesamte Gesicht verhüllte.

Der Anführer blieb auf einem Treppenabsatz stehen und richtete sich an die Menge.

»So, sind alle versammelt?«, fragte die dumpf klingende Stimme. Die Männer unterbrachen ihre Gespräche und wandten sich der Gestalt zu. »Gut, dann hört mir zu.«

Der Anführer warf einen Blick in die Menge. »Gestern Nacht haben wir eine empfindliche Schlappe erlitten! Drei unserer besten Männer sind tot.«

Gemurmel brach unter den Männern aus, das mit einer unwirschen Handbewegung unterbrochen wurde.

»Das haben wir diesem Sigurd und seinem Freund Bodo zu verdanken, von denen ihr alle schon gehört haben dürftet. Diese Burschen haben sich vorgenommen, uns den Garaus zu machen. Wir müssen vorsichtig sein!«

»Zum Teufel, was redest du da?«, brauste Gero, einer der Kommandanten, auf. »Mit den beiden Prahlhänsen können wir es wohl noch aufnehmen. – Zur Hölle wollen wir sie schicken!«

Mehrere Männer stimmten ihm zu.

»Halt den Mund!«, fuhr ihn der Anführer mit einem unmissverständlichen Tonfall an. »Das weiß ich selbst. Es ist klar, dass wir unsere Männer rächen und die beiden erledigen werden. Aber das muss geschickt angegangen werden.«

Er warf einen Blick in die Runde. Mehreren Banditen war anzusehen, dass sie damit nicht einverstanden waren.

»Ich übernehme das selbst«, machte der Anführer klar. »Zudem wir noch Zeit haben. Noch haben sie unser Versteck nicht entdeckt.«

Er winkte seine Kommandanten zu sich, die die einzelnen Gruppen der Banditen befehligten. »Für heute bleibt alles, wie es geplant war. Holt eure Pferde! In einer halben Stunde erwarte ich die Wagenkolonne, die wir überfallen wollen. Vorwärts, Leute!«

Die Räuber warfen sich einen schnellen Blick zu. Es war einzig dieses Wissen um reiche Beute, das sie diesem Anführer folgen ließ, der keinem von ihnen an körperlicher Kraft gewachsen gewesen wäre.

Doch bis jetzt hatten sie keinen Grund gehabt, sich zu beschweren. Seitdem er sie um sich geschart hatte, konnten sie einen Reichtum genießen, von dem sie zuvor nur zu träumen gewagt hätten …

*

Zur späten Stunde lag die Gerburg in tiefer Ruhe. Der Vollmond stand bereits hoch am Himmel, als die Burgwache durch laute Hilferufe alarmiert wurde. Während sich das Burgtor herabsenkte, warteten mehrere Wachleute mit Lanzen auf den fremden Ankömmling, der nun über die heruntergelassene Brücke in die Burg hetzte.

»Was schreist du? Was ist geschehen?«, hielt ihn einer der Wachen auf.

»Der Handelszug meines Herrn wurde überfallen«, stammelte der Mann, dessen Kleidung mitgenommen aussah. Die Haare hingen ihm wirr in die Stirn. »Die Banditen rauben und morden. Ich konnte noch fliehen. – Schnell, helft uns!«

Tränen liefen dem Mann über die Wangen. Die Wache nickte nur kurz und schickte dann einen Mann, um den Grafen zu wecken. Es vergingen nur wenige Minuten, bis ein Dutzend Reiter, darunter auch Sigurd und Bodo, in vollem Galopp die Rampe herabritten.

»Vorwärts!«, rief Sigurd, der vom Grafen gebeten worden war, die Reiter anzuführen. »Vielleicht können wir sie diesmal erwischen!«

Die Gruppe preschte den Abhang hinab und ließ sich von dem Mann den Weg in den Wald weisen. Jeder von ihnen blickte sich nach allen Seiten um. Die Reiter hielten ihre Lanzen stoßbereit, denn sie mussten auch einen Hinterhalt befürchten.

Doch wie es schien, hatte der Mann die Wahrheit gesprochen. Sie erreichten einen verlassen am Wegrand stehenden Wagenzug. Einer der Karren lag mit gebrochener Achse halb gegen einen Baum gelehnt.

Im Schatten der Bäume halb verborgen, bot sich den Wachen jedoch ein grausiger Anblick. Mehrere Männer lagen in verkrümmter Haltung regungslos am Boden.

»Ah, zum Teufel!«, stieß Sigurd aus. »Die sind längst auf und davon. Keiner von dieser verdammten Bande ist mehr zu sehen.«

Kaum dass sie ihre Pferde zum Halten gebracht hatten, sprangen die Reiter aus dem Sattel und liefen auf die zurückgelassenen Opfer zu. Schnell wurde klar, dass die Räuber mit ihnen kurzen Prozess gemacht hatten. Erschüttert mussten die Reiter erkennen, dass jede Hilfe zu spät kam.

»Der alte Fuhrmann hier lebt noch«, schrie Bodo. »Vielleicht kann er uns sagen, wohin sich die Schufte gewandt haben.«

Sigurd eilte zu seinem Freund und ging neben ihm in die Knie. Der alte Mann stöhnte und bewegte sich nur schwach. Er war von schweren Wunden gezeichnet.

»Was ist geschehen?«, fragte Sigurd ihn. »Kannst du sprechen? Dann sag uns …«

»Lasst mich, mit mir ist’s aus …«, unterbrach ihn der Fuhrmann. »Diese Hunde haben mich zu Tode verwundet. – Aber hört mir zu …« Er hob den Kopf und blickte den Junker aus fiebrig glänzenden Augen an. »… ich weiß, wer der Maskierte ist!« Er lachte auf, nur um gleich darauf von einem schweren Hustenanfall übermannt zu werden.

Sigurd wagte nichts zu sagen.

»Im Kampf habe ich ihm die Maske abgerissen«, erklärte der Alte mit einem schiefen Grinsen. »Da erkannte ich ihn, bevor er mir den Dolch in die Brust stieß.« Er hob eine Hand beschwörend an. »Es ist …«

Der Fuhrmann riss die Augen auf und stieß einen markerschütternden Schrei aus, dann sackte er leblos in sich zusammen.

»Was war das?«, rief Bodo.

»Ein Pfeil!«, erwiderte Sigurd, der fassungslos auf den Schaft starrte, der nur knapp neben seinem Knie tief in die Brust des Mannes gedrungen war. »Er traf ihn direkt ins Herz!«

Er verlor keinen Augenblick, sprang auf und riss sein Schwert heraus.

»Dort aus dem Busch muss der Pfeil abgeschossen worden sein!« Sigurd rannte auf die Stelle zu. »Komm, Bodo, der hinterhältige Mörder kann noch nicht weit sein!«

Sein Freund folgte ihm mit gezücktem Schwert und Dolch, aber schnell stellte sich heraus, dass die Suche vergebens war. Wer immer den Schuss abgegeben hatte, war längst verschwunden.

Sigurd stieß den Atem aus. »Es hat keinen Zweck«, musste er eingestehen. »Der Kerl ist uns entwischt … Die Dunkelheit im Wald hat ihm geholfen.«

Ihnen blieb nichts anderes übrig, als zur Burg zurückzukehren. Die niedergemetzelten Fuhrleute würden sie bei Anbruch des nächsten Tages bergen und bestatten lassen. Sigurd ließ sich zum Grafen bringen, der ihre Rückkehr voller Anspannung erwartet hatte. Er erzählte ihm, was vorgefallen war.

»… der Bandit muss mit dem Teufel im Bunde stehen!«, schloss der Junker seinen Bericht. »Er ist wieder mit der ganzen Beute entwischt. Es ist zum Verzweifeln!« Niedergeschlagen schüttelte er den Kopf.

Der Graf strich sich übers Kinn. »Nun, an Euch hat es nicht gelegen«, versuchte er Sigurd aufzumuntern. »Ihr habt getan, was Ihr konntet! Ihr seht nun selbst, warum es uns in all den Monaten nicht gelungen ist. Aber nun müsst Ihr unbedingt ruhen. Die halbe Nacht ist schon vorbei.«

Sigurd fühlte, wie ihn die Müdigkeit übermannte, und er verabschiedete sich zusammen mit Bodo vom Grafen. Er schwor sich, am nächsten Tag keinen Augenblick zu verlieren, um den Maskierten endlich zur Strecke zu bringen.

*

Doch auch diesen trieben die Gedanken an das Geschehene um.

Der maskierte Anführer der Räuberbande schlich durch den Wald, immer wieder hastige Blicke über die Schulter werfend. Nachdem er endlich überzeugt war, dass ihm niemand folgte, lenkte er seine Schritte auf ein ganz bestimmtes Ziel hin. In der rechten Hand hielt er den Bogen, mit dem er den Fuhrmann niedergestreckt hatte, bevor dieser ihn verraten konnte.

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