Kitabı oku: «Die Sternenschnüffler»

Yazı tipi:

Thomas Manderley

Die Sternenschnüffler

Privatdetektei, Falken-Station, 3476A-23

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

Impressum neobooks

1. Kapitel

„Scheiße! So eine Scheiße!“, schrie Lora durchs Büro. Sie saß vor ihrem Computerterminal und sah mit einer Mischung aus Zweifel und Verzweiflung auf den vor ihr rot aufleuchtenden Screen mit der ihr wohl bekannten Fehlermeldung „Fatal error – System stopped!“. Auch die auf ihren Schreibtisch projizierte Tastatur verschwand auf nimmer Wiedersehen. „Ich glaub‘ das nicht, NEIN!“, schrie Lora weiter.

Sandra, Loras Kollegin, tauchte hinter der Zwischenwand zum benachbarten Arbeitsplatz des Großraumbüros auf und sah mit sensationsgeilen Augen auf Lora nieder: „Was ist los? Ist was passiert? Du schreist ja, als ob man Dich abschlachten würde, oder so was in der Richtung.“

Lora sah nach oben, aber selbst der Anblick des wilden Haarschopfes ihrer Kollegin, der mit seiner scheußlich knallroten Farbe Lora normalerweise zum innerlichen Schmunzeln brachte, verbesserte ihre Laune nicht im Geringsten: „Ich hasse dieses System! ICH HASSE ES! Ich hab‘ schon wieder einen Fehler in der Software! Dieses Scheißding rechnet nur Mist und dann stürzt Alles ab.“ Lora konnte ihre Gesichtsfarbe kaum beibehalten: „Ich habe nur 10 Einheiten in die erste Tabelle und 8,8 in die zweite Tabelle eingetragen - Alles bestens. Kannst Du mir dann sagen, warum ich hier einen Absturz bekomme? Ich hab‘ nichts falsch gema ... Doch, ich hab‘ was falsch gemacht. Ich habe den ganzen Mist nicht gesichert. So eine Scheiße!“ Lora schlug mit der Faust auf den Tisch. Der Knall und das Scheppern des Löffels in der Kaffeetasse auf ihrem Schreibtisch schallten durchs gesamte Büro.

„Ist mir auch schon mal passiert. Aber ich habe nicht so herumgeschrien. Gleich taucht wieder der ‚Motz‘ auf und erklärt Dir, was Produktivität und Kollegialität sind.“ Und damit verschwand Sandra wieder hinter der Trennwand. Nur ihr roter Haarschopf leuchtete von Zeit zu Zeit und auch nur für einen Moment dahinter auf und wackelte hin und her wie in einem Marionetten-Theater.

Jetzt huschte Lora doch ein kurzes Lächeln über die Lippen und zerstreute ein wenig ihre angestaute Wut. Sie atmete kurz durch, um sich wieder zu beruhigen, doch das Ganze war nutzlos, denn da stand auch schon der besagte ‚Motz‘ neben ihr.

„Oh, Herr Jones, guten Tag!“, säuselte Lora und sah langsam an ihrem Chef hinauf: Vom deutlich zu eng gewordenen, braunen Anzug mit der zu kurz gebundenen Krawatte, über den Rest einer Tätowierung, die seitlich an seinem Hals zu erahnen war, bis zu den tiefen Augenringen, die seinem Gesicht diesen müden, ausgelaugten Charakter verliehen. Loras Blick studierte das Gesicht ihres Chefs ausgiebig, wie sie es so oft tat, egal wer da vor ihr stand und selbst in den wirklich unpassendsten Situationen. Lora versuchte dabei, die gesamte Lebensgeschichte einer Person zu lesen, und starrte ihr Gegenüber oft minutenlang an, ohne ein Wort zu sagen.

Doch dieses Mal fand Lora allein zurück in die Realität und plapperte drauf los: „Bitte entschuldigen Sie meine kleine Indiskretion und ... Oh Sie haben eine neue Brille! Steht Ihnen sehr gut. Sie passt gut zu Ihrer Krawatte und ach, Herr Jones, Sie haben da einen Fleck auf dem Hemd. Darf ich Ihnen kurz helfen?“

Lora nahm ein Taschentuch, spuckte darauf und wollte aufstehen, doch ihr Chef legte die Hand auf ihre Schulter und schob sie zurück in Ihren Sessel.

„Na gut, machen wir das später. Wie geht es Ihrer Frau? Hat sie noch den Laden auf der Falkenstation?“

Aber so sehr sich Lora auch bemühte: Ihre Versuche, eine Konversation zu beginnen, verpufften wirkungslos, denn Herr Jones sah nur starr und wortlos auf sie herab. Also wechselte Lora ihre Taktik: Sie wandte sich wieder ihrem Terminal zu, senkte ihren Blick auf den Tisch hinab und sagte mit leiser Stimme: „Tut mir leid, kommt nicht wieder vor!“

Lora schielte, so gut es ging, mit ihren Augen zur Seite in der Hoffnung, dass ihr Chef wieder in den unendlichen Weiten des Großraumbüros verschwunden wäre, doch der stand nach wie vor an Ort und Stelle und nuschelte boshaft: „Zum Geschäftsführer, sofort! Ich werde Sie begleiten, wenn Sie nichts dagegen haben.“ Lora stand auf, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, und machte sich auf den Weg.

„Und Sie arbeiten besser weiter, oder wollen Sie, dass ich Ihnen eine Stunde ‚blöd glotzen‘ vom Gehalt abziehe?“, herrschte Herr Jones in Richtung des benachbarten Arbeitsplatzes, wo Sandra wieder hinter der Zwischenwand aufgetaucht war.

Lora ging mit möglichst leisen, unauffälligen Schritten und starr auf den Boden gerichtetem Blick den Gang zum Büro des Geschäftsführers hinunter. Sie bemerkte das Tuscheln und die Blicke ihrer Kollegen, doch sie wagte es nicht, aufzusehen. Stattdessen hangelte sie sich mit ihrem Blick am antiquierten Zick-Zack-Muster des Büroteppichs entlang, aber dies schien endlos zu sein. Als sie sich dann der Bürotür näherte, stiegen ihr Blutdruck und ihr Puls so rasend an, dass ihre Hände zu zittern begannen, auch wenn Lora versuchte, es irgendwie zu unterdrücken.

Kurz vor der Tür hielt sie inne und trotz allen Bemühens, sich zu beherrschen, begann sich ihre Haut langsam gelb zu verfärben. Lora atmete tief ein und aus, während sie sich eintausend und eine Methode überlegte, wie sie sich unauffällig aus dieser Situation befreien könnte: Feueralarm, wild um sich schlagen, einfach wegrennen, aber Herr Jones, der ihr dicht gefolgt war, schob sich einfach an Lora vorbei und öffnete, ohne zu zögern die Tür.

Der Geschäftsführer saß hinter seinem Terminal und tippte im Zwei-Finger-Adler-Such-System auf der vor ihn projizierten Tastatur herum. Die Luft in dem kleinen Büro war zum Schneiden dick und im Aschenbecher auf dem chaotisch organisierten Schreibtisch lagen etwa zwei Dutzend Zigarilloreste, die einen unangenehm stechenden Geruch verbreiteten. Loras Blicke wanderten neugierig, aber unauffällig im Büro umher: Vom Bücherregal, dass unter der Last von Ordnern, Papierstapeln und Staub fast zusammenbrach, hinüber zum fleckigen Kaffeeautomaten, der genau hinter dem großen Schreibtisch stand, und weiter zum Fenster, in dem eine gottgestrafte Pflanze ihr tristes Dasein fristete. Lora fühlte einen bitteren Geschmack auf der Zunge und konnte zunächst nicht ausmachen, ob dies das Resultat des Rauchs oder des Anblicks dieses ungepflegten, hageren Menschen dort hinter seinem klebrigen Schreibtisch war.

Herr Jones hustete kurz in seine Hand und hatte Erfolg: Der Geschäftsführer blickte auf und sah Lora mit weit geöffneten Augen an. Nach einer kleinen Weile, in der er nicht die geringste Bewegung ausgeführt hatte, sagte er: „Ach ja Frau ... Nyrasis, ist das richtig? Sie arbeiten noch nicht so lange hier. Zwei Wochen? Ist das richtig?“, und ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: „Nun ja, wie soll ich sagen? Vier schwere Systemfehler in zwei Wochen, keine Aussicht auf Integration ins Team, lautes Fluchen im Büro, schwere Beschädigung des Getränkeautomaten in der Cafeteria ... den Rest kennen Sie ja, können wir uns also sparen!“ Er zündete sich einen neuen Zigarillo an und bereits der erste, hastige Zug ließ Lora innerlich zusammenzucken.

„Ich denke wir können Sie hier leider nicht mehr weiter beschäftigen.“ Dann sah er wieder hinunter auf seine Tastatur und fuhr in beiläufigem Ton fort: „Holen Sie sich bitte in der Personalabteilung Ihre Papiere. Auf Wiedersehen und viel Erfolg an anderer Stelle!“

Herr Jones griff Loras Arm und zog sie in Richtung Tür, doch Lora wehrte sich und löste mit einem energischen Schwung den Griff ihres Chefs. Ihre Miene verfinsterte sich und ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Dann ging sie geradewegs und zu Allem entschlossen auf den großen Schreibtisch zu, stützte sich mit beiden Armen darauf und schrie dem Geschäftsführer, dem fast der Zigarillo aus dem Mund fiel, mitten ins Gesicht: „Sie feuern mich? Sie lebende Nikotinkippe? Putzen Sie erst einmal ihr verdrecktes Büro! Ihre Firma ist doch marode von unten bis oben. Das ganze Haus ist so alt, dass es fast auseinanderfällt. Überall sind Risse in den Wänden und die Milben im Teppich haben inzwischen eine eigene Zivilisation aufgebaut. Nichts funktioniert richtig: Ihr blödes Computersystem stürzt ständig ab, die Hälfte der Leute hier hat nicht den Hauch einer Ahnung, was sie hier tut, nicht mal der Getränkeautomat, den sie wahrscheinlich von einem Museum geschenkt bekommen haben, funktioniert richtig. Die Angestellten lachen sich doch tot über Sie und Ihren übergewichtigen Laufburschen hier!“

Herr Jones hatte längst wieder Loras Arm gepackt und versuchte sie wegzuzerren, aber der Geschäftsführer stoppte ihn: „Lassen Sie nur, Jones, lassen Sie sie!“ Er blickte mit einem breiten Grinsen in Loras verärgertes Gesicht. „Ist das jetzt einer dieser berühmten Wutausbrüche Ihrer Spezies? Sehen Sie nur, Jones, sie wird blau! Es stimmt, Iriduaner werden blau, wenn sie sich aufregen. Wie toll, dass ich das mal miterleben darf.“

„Ich werde gleich noch viel blauer! Ist es vielleicht das? Feuern Sie mich, weil ich keiner von Ihren supertollen Menschen bin? Ihr Scheißplanet hat doch bisher nur Mist hervorgebracht! Welche Kreatur hat mich geritten in einer Menschenfirma anzufangen?“ Lora schrie inzwischen so laut, dass selbst ihre eigenen Ohren schmerzten. Herr Jones und der Geschäftsführer sahen sich das Ganze mit breitem Lächeln im Gesicht an.

„Auf Eurer so ‚wahnsinnigtollendassichfastverrücktwerde‘ Erde gibt es doch nur aufgeblasene, hässliche und verblödete Idioten, die einen Planeten, auf dem es nur regnet und der im Müll versinkt, SUPER finden.“ Lora hielt einen Moment inne und rang nach Atem, während sich ihre Hautfarbe bereits in ein kräftig leuchtendes Königsblau verwandelt hatte.

Der Geschäftsführer zog bedächtig an seinem Zigarillo und fragte dann schmunzelnd und mit ruhigem Ton: „Gibt es auch etwas, was Sie an dieser Firma oder vielleicht an unserem Heimatplaneten mögen?“

Lora beruhigte sich langsam wieder: „Ja, gibt es tatsächlich: Ich mag Ihre Kakerlaken. Die schmecken einfach geil, aber in dieser Firma ist selbst die Kantine zum Kotzen. Warum gibt es hier keine Kakerlaken? Die einzige echte Erdendelikatesse und hier gibt es sie nicht, unglaublich! Wahrscheinlich wieder so eine blöde Sparmaßnahme!“

„Meine gute Frau Nyrasis.“, entgegnete Herr Jones: „Waren Sie eigentlich schon einmal auf der Erde?“

„Nein, wieso?“, fragte Lora mit zitternder Stimme und ihre blaue Farbe verblasste in Rekordgeschwindigkeit.

„Menschen mögen gar keine Kakerlaken. Das ist nur das ‚angepasste‘ Essen in sogenannten Erden-Restaurants, die es wahrscheinlich auch auf Ihrem Planeten zuhauf gibt und die versuchen, ihre Ungezieferprobleme mit Hilfe der Speisekarte zu lösen. Und die Sache mit dem ganzen Müll auf der Erde: Nun ja, das ist ein dummes Gerücht, das wahrscheinlich auch von Ihrer abgedrehten Spezies in die Galaxie gesetzt wurde. Und jetzt hauen Sie endlich ab, Sie sind gefeuert!“, und mit diesen Worten schien die Angelegenheit für Herrn Jones und auch für den Geschäftsführer erledigt zu sein, denn dieser sah wieder nach unten auf die Tastatur und suchte weiter nach dem nächsten Buchstaben.

Lora wollte noch etwas erwidern, aber verkniff sich jeden weiteren Kommentar. Sie drehte sich auf der Stelle um und ging schnell und ohne Gruß aus dem Büro. Die Tür ließ sie offenstehen und lief weiter, nicht zur Personalabteilung, um ihre Papiere zu holen, sondern geradewegs die Treppe hinunter zum Ausgang. Ohne zu bremsen ging sie durch die große, gläserne Drehtür im Foyer, die sich hinter ihr noch lange mit hohem Tempo weiterdrehte.

Erst auf dem Vorplatz des riesigen Bürogebäudes stoppte sie und stand für einen Moment regungslos da, während die Leute eilig, in Gedanken versunken und ohne Lora zu beachten, an ihr vorbei strömten. Loras Gedanken drehten sich im Kreis herum, steuerten ihren Blick über die gegenüberliegende graue Häuserfassade, ließen Szenen der vergangenen Wochen aufblitzen: Die Ankunft in New Auckland, der erste Arbeitstag, das schlechte Essen in der Cafeteria, die kaputte Dusche im Hotel, der Cocktail mit den Kollegen in der Bar an der Ecke, der Geschäftsführer in seinem verrauchten Büro: Alles vermischte sich zu einer unkontrollierbaren Bilderflut. Aber Lora versuchte, sich zusammenzunehmen. Sie sah sich kurz um und ging zu einer Bank neben einem der beiden großen Springbrunnen auf dem Vorplatz, setzte sich und starrte einfach nur vor sich hin.

Am Rand des Springbrunnens kämpften drei kleine Vögel um ein paar Brotkrümel. Als diese ins Wasser fielen, war der Futterstreit zu Ende und die drei Vögelchen sahen den davonschwimmenden Brotkrumen hinterher. Loras Blick glitt mit ihnen über die Wasseroberfläche, bis er an der Fontaine in der Mitte des Brunnens hängen blieb und entlang des hervorschießenden Wasserstrahls nach oben gelenkt wurde. Der Himmel war wolkenverhangen wie jeden Tag. Die Transportgleiter zogen entlang der übereinander angeordneten Luftstraßen ihre Bahnen und glichen Raubvögeln, die kreuz und quer über die künstliche, effizienzoptimierte, Industriestadt zogen und nach Beute Ausschau hielten. Alles funktionierte wie immer.

Nach ein paar Minuten füllte sich Loras Kopf wieder mit Gedanken. Sie führten sie zurück nach Hause, nach Iridua. Lora dachte daran, wie sie am rotsandigen Strand lag, während sie ihren zwei Heimatsternen zusah, wie diese am Horizont ins glitzernde Meer eintauchten. Die Luft roch nach Salz und Sand und das Rauschen des Meeres ließ die Zeit stillstehen. Wärme umhüllte ihren Körper, ja sie konnte sogar den feuchten Sand auf ihrer Haut spüren. Das funkelnde Licht tanzte in ihren Pupillen, während der leichte Wind, der vom Meer herein blies, ihren Körper mit einem kurzen kühlen Schauer streichelte.

Doch die gedankliche Reise zu ihrem Heimatplaneten fand ein jähes Ende: „Bitte eine Spende für einen Mittellosen!“, schrie ihr ein Mann fast direkt ins linke Ohr. Lora zuckte zusammen und sah den Mann mit weit aufgerissenen Augen an. Hunger und Krankheit hatten über die Jahre hinweg tiefe Narben auf sein Gesicht gezeichnet, eingerahmt vom ungepflegten, weißen Bart und den ebenso weißen, buschigen Augenbrauen. Er stand leicht nach vorn gebückt auf seinen Stock gestützt vor Lora: „Scannen Sie eine Spende für einen Mittellosen, fünfzig oder sechzig Unicents reichen schon, bitte!“, sagte der Mann mit einem freundlichen, schon fast jugendlich wirkenden Lächeln und hielt ihr einen Scanner unter die Nase.

„Tut mir leid!“, entgegnete Lora: „Ich bin gerade gefeuert worden.“

„Aber wer feuert denn ein so hübsches Lächeln wie Ihres? Und noch dazu ein iriduaisches!“, wunderte sich der Mann, zog den Scanner zurück und setzte sich neben Lora. „Bei welcher Firma waren Sie denn?“

„Gleich da hinten, bei ‚Webber-Cole-Digitals’.“

„Ach!“, sagte der Mann laut und beugte sich mit einem Lachen nach hinten: „Na da dürfen Sie doch gar nicht erst anfangen, in diesen typischen Menschenfirmen. Das sind Halsabschneider und teuflische Kreaturen!“

Lora sah ihn fragend an: „Aber Sie sind doch selbst ein Mensch, oder?“

„Ja sicher, deswegen weiß ich das ja!“, entgegnete der Mann und setzte sein Lächeln wieder auf: „Ärgern Sie sich nicht zu sehr, junge Dame, es könnte schlimmer sein! Sie sind jetzt frei! Sie können gehen, wohin Sie wollen, können arbeiten was Sie wollen, die Galaxie wartet nur auf Sie! Außerdem könnte es in Ihrem Fall sein, dass sie sich wirklich blau ärgern.“ Er lachte über seinen eigenen Witz laut auf. Lora guckte nicht mehr ganz so freundlich.

„Nehmen Sie es mir nicht übel, junge Dame, ich liebe solche Scherze! Ich wünsche Ihnen was. Auf Wiedersehen!“

Er drehte sich um und wollte weiterziehen, aber Lora hielt ihn auf: „Warten Sie! Geben Sie mir Ihren Scanner!“ Der Mann drehte sich um und reichte ihr mit einem breiten Grinsen im Gesicht den Scanner hin. Lora sah in die Öffnung für den Augenscan und tippte fünf Unidollars in die Tastatur.

„Haben Sie vielen Dank!“, sagte der Mann und lachte über sein ganzes, schmutziges Gesicht: „Sie werden Ihren Weg schon gehen.“, fügte er hinzu, drehte sich um und ging weiter zum nächsten Passanten.

„Ich habe zu danken.“, rief ihm Lora hinterher. Dann wandte sie ihren Blick wieder dem Brunnen zu, in dem noch immer die Brotkrumen schwammen. „Ach, Scheiß doch drauf!“, sagte sie laut zu sich selbst, stand auf und ging hinunter zur großen Hauptstraße.

Lora lief mit festen Schritten vorwärts und wurde immer schneller und schneller, ja sie rannte fast und bald schon verlor die grau klobige Fassade von Webber-Cole-Digitals all ihre Bedrohlichkeit und verschwamm in der bedeutungslosen Masse der Bürogebäude, die sich rund um den Platz drängten.

Loras Schwung fand allerdings ein jähes Ende, als sie zum Eingang ins unterirdische Straßentunnelnetz kam: Die U-Bahn war, wie fast jeden Tag, heillos verstopft. Die Masse der Wartenden quoll hinauf bis zur Eingangstreppe und so unternahm Lora nicht einmal den Versuch, sich bis zum Bahnsteig vorzudrängeln. Sie bog lieber sofort nach rechts zum Taxistand ab und setzte sich ins erstbeste Fahrzeug.

„Hey, Hey, nicht so schnell!“, rief der Taxifahrer und sah in den Rückspiegel. „Wow, eine Iriduanerin! Wie geil! Was machst Du hier auf diesem trostlosen Felsbrocken und dazu noch in dieser Dreckstadt, so weit weg von zu Hause?“ Lora sah von ihrem Sitz aus nach vorn in den Rückspiegel und betrachtete die rot leuchtenden Augen des Fahrers.

„Du bist doch auch weit weg von zu Hause, oder nicht? Du bist doch Rawadianer, oder irre ich mich?“, entgegnete Lora.

„Nein, Du irrst Dich nicht!“, sagte der Fahrer und drehte sich zu Lora um, die sich zufrieden das Gesicht ihres Chauffeurs mit der typischen großen, spitzen Nase, dem grünlichen Kinnbart und den roten Augen ansah: „Wo geht’s denn hin? Zu Dir oder zu mir?“

„Bitte? Ich glaube ich steige besser wieder aus!“

„Na mal nicht so schnell. Wo darf ich Dich denn hinbringen?“

„Du erzählst mir was von 'schnell'? Ich glaub es ja nicht!“ Lora suchte einen Moment nach den richtigen Worten. „Zum nächsten Raumhafen bitte!“

„Na dann mal los!“, sagte der Fahrer und gab Gas. Er beschleunigte durch den Zufahrtstunnel, der abwärts zum Straßennetz führte und reihte sich mit einem fast halsbrecherischen Manöver in den fließenden Verkehr ein. Als dann der Steuerungscomputer grünes Licht gab, schaltete er auf Autopilot und wandte sich wieder Lora zu: „Also was tust Du hier auf Gesius? Du arbeitest doch nicht etwa in einer dieser Menschenfirmen, oder?“

Lora blickte überrascht zu ihm auf, antwortete ihm jedoch nicht. Stattdessen fragte sie ihn: „Hast Du ein Videoterminal mit Bezahlfunktion?“

„Ja sicher, es ist direkt vor Dir in der Sitzlehne. Brauchst es nur runterzuklappen. Ich höre auch bestimmt nicht zu“ fügte er mit einem Lachen hinzu.

„Stimmt!“, sagte Lora trocken und betätigte den Knopf, der die Trennscheibe zwischen Fahrgastraum und Fahrer nach oben fuhr. Dann klappte Sie das Terminal aus.

„Guten Tag, was darf ich für Sie tun?“, erklang die Stimme des Computers. „Das Hotel ‚New Soho‘ bitte!“, befahl Lora und alsbald meldete sich die Rezeption des Hotels.

„Hallo, mein Name ist Lora Nyrasis. Ich wohne zurzeit bei Ihnen. Ich möchte bezahlen und auschecken.“

„Kein Problem Frau Nyrasis, die Rechnung beträgt 645 Unidollars. Bitte aktivieren Sie den Bezahl-Scanner.“

Lora bezahlte.

„Danke, Frau Nyrasis, wohin dürfen wir Ihr Gepäck senden?“

„Zur Falkenstation bitte! Vielen Dank.“

„Wir danken!“

Kaum war das Gespräch beendet, fuhr der Fahrer die Trennscheibe herunter: „Endschuldige, ich habe mitgehört!“

Lora saß nur stumm da und verfärbte sich leicht bläulich.

„Du sagtest Falkenstation?“

„Du wolltest doch nicht mithören! Du kannst also Gedanken lesen, WOW! Na klar sagte ich Falkenstation!“ Lora konnte einen gewissen Ärger in ihrer Stimme nicht vermeiden.

Der Fahrer sah in seinen Rückspiegel: „Na, sehe ich da ein paar blaue Farbtupfer?“, sagte er, drehte sich zu Lora um und grinste.

„Du sollst fahren und Dich nicht über mich lustig machen!“, entgegnete Lora barsch.

„Ich sag‘ ja gar nichts! Ich habe nur nicht jeden Tag eine Iriduanerin zu Gast. Da frage ich halt ein Wenig mehr. Außerdem fahren wir in die falsche Richtung!“

„Wieso?“, fragte Lora und konnte deutlich spüren, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte.

Der Fahrer jedoch blieb ruhig und erklärte: „Na ja, zur Falkenstation kommst Du nur vom Raumhafen zwei oder drei aus, aber nicht vom Raumhafen eins. Also müssen wir in die entgegengesetzte Richtung.“

„Na dann wende!“, sagte Lora mit Nachdruck. „Diese blöden Nummernsysteme: Raumhafen zwei - Raumhafen eins - Raumhafen drei: Da wird man ja komplett wahnsinnig. Wenn Menschen was verwalten ...“ Der Fahrer lachte kurz auf. Dann schaltete er den Autopiloten aus und nahm den nächsten Ausfahrtstunnel, ohne seine Geschwindigkeit zu reduzieren. Lora kannte die rasante Fahrweise der Taxifahrer, aber dies überstieg ihre Erwartungen: Sie wurde nach links geschleudert und konnte sich nur mit Mühe auf ihrem Platz halten: „Bist Du irre? Fahr gefälligst anständig! Ich will nicht in irgendeinem gottverlassenen Straßentunnel auf Gesius sterben!“, schrie sie und jetzt verfärbte sich ihre Haut kräftig blau.

Der Fahrer ging nicht im Geringsten auf Loras Kommentare ein: „Falkenstation, he? Orbitale Raumstation zur Abfertigung interstellarer Langstreckenflüge - willst zurück nach Hause, oder?“

Die Stimme des Fahrers beruhigte Lora wieder etwas: „Ja! Hier bin ich fertig!“

„Richtig so!“, sagte der Fahrer: „Hau bloß ab hier! Jeder Planet ist besser als dieser. Und ich nehme an, jeder Job ist besser als Dein letzter, nicht wahr?“

„Stimmt! Aber Du? Du wohnst und arbeitest auch hier. Warum gehst Du nicht weg, wenn Du das alles hier so scheiße findest?“.

Der Fahrer blickte wieder nach vorn und schien für eine kleine Weile nach den richtigen Worten zu suchen, bevor er mit ernster Stimme fortfuhr: „Na ja, kein Geld. Also fahr ich Taxi und wenn ich den Zaster zusammen habe, kaufe ich einen Raumtransporter, interstellar versteht sich! Und dann: Adios Gesius!“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „... aber das dauert wohl noch etwas.“

„Ja, aber wie bist Du eigentlich hierhergekommen?“, fragte Lora weiter.

„Zuhause war irgendwie alles große Kacke: Familie ging mir auf die Mütze, einen Job hatte ich auch nicht und Rawadian ist der stink-langweiligste Planet des Universums. Na ja, und hier suchten sie gute Ingenieure. Also hab’ ich meine Zelte abgebrochen und kam her.“

„Und dann? Du bist Ingenieur und fährst Taxi. Da muss wohl etwas passiert sein.“, bohrte Lora weiter, obwohl sie merkte, dass sie einen wunden Punkt beim Fahrer getroffen hatte.

„Na ja, dann kam der Krieg. Ich wurde gefeuert und keine andere Firma hat dann noch einen Rawadianer eingestellt. Ich brauchte aber abends ein Schnitzel auf dem Teller. Also hab’ mit meinem letzten Geld dies Taxi hier gekauft, um irgendwie ein paar Kröten zu verdienen.“

„Und seither fährst Du wie ein Wahnsinniger durch die Straßentunnel?“

„Was bleibt mir Anderes übrig und Du kannst Dir vorstellen, dass es zurzeit nicht einfach ist als Rawadianer hier auf Gesius.“

Lora fragte nicht weiter.

Der Fahrer nahm wiederum einen Ausfahrtstunnel: „Da sind wir: Raumhafen zwei! Das macht zweiunddreißig fünfzig.“ und während Lora bezahlte, fügte er hinzu: „Viel Glück da draußen! Vielleicht komme ich bald nach. Wer weiß?“

Lora sah ihm tief in die leuchtend roten Augen. Der Fahrer hatte seinen Frohsinn wiedergefunden, jedoch konnte Lora deutlich die Sehnsucht und die hinter dem Lachen versteckte Traurigkeit erkennen und es rührte sie fast zu Tränen. Aber sie beherrschte sich: „Ja klar, Du kommst nach. Verlass Dich drauf!“

Sie stieg aus dem Taxi und ging zum Eingang des Raumhafens. Als sie sich noch einmal umsah, war das Taxi bereits verschwunden. Nachdenklich betrachtete sie den leeren Taxihaltepunkt: „Ein seltsamer Kerl!“, dachte sie. Doch dann wurde ihr bewusst, dass er vielleicht Recht damit hatte, dass jeder Planet besser sei als dieser. Vielleicht hätte sie niemals hierherkommen sollen. Aber sie dachte auch daran, dass sie vielleicht ein Hoffnungsschimmer für ihn gewesen war, ein Lichtblitz in der manchmal so grausamen Wirklichkeit dieser Stadt und dann hätte doch alles einen Sinn gehabt. Und dann war da noch dieses seltsame, unerklärliche Gefühl, dass dieses Treffen mit ihm nicht rein zufällig gewesen war.

Lora atmete tief durch, drehte sich um, ging in die Abflughalle hinein und machte sich auf den Weg zum Transporter, der sie zur Falkenstation bringen sollte. Als sie dann hinter ihr das Geräusch der sich schließenden Eingangstüren vernahm, sagte sie laut zu sich selbst: „Adios Gesius!“, und schmunzelte innerlich, als sie an einem Werbeplakat für eine Taxi-Firma vorbeiging.

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ISBN:
9783753183664
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