Kitabı oku: «Thomas von Kempen», sayfa 2

Yazı tipi:

„Das Heilbringende und Vorbildhafte des Lebens Jesu soll den Menschen zur Demut, zur Liebe, zu Leid und Kreuz und Leidensnachfolge aufrufen, um ihn auf den Weg des Heils zu führen. Thomas von Kempen hat mit seiner Imitatio Christi den Geist der Mystik weltweit bekannt gemacht und durch die Jahrhunderte lebendig gehalten.“17

DIE NACHFOLGE CHRISTI IN VIER BÜCHERN

Die Schrift setzt sich aus vier Büchern zusammen. Weil sie als Spruchsammlungen nicht streng strukturiert sind, war es seit den Tagen ihrer Niederschrift nicht schwer, die einzelnen Buchteile in unterschiedlicher Reihenfolge oder auch nur teilweise zu vervielfältigen. Wie ersichtlich, handelt es sich um eine Blütenlese von Weisheitsworten. Eine als „Rapiarium“18 bezeichnete Anthologie hatte die Aufgabe, die Leserschaft mit richtungweisenden Leitworten zu versorgen, seien es solche aus der Heiligen Schrift oder seien die Zitate anderen kirchlichen oder sonstigen literarischen Quellen entnommen. Groß ist daher der Anteil an biblischen Texten. Andere wichtige Quellen stellen Wortlaute des Zisterziensers Bernhard von Clairvaux dar. Als einflussreich erwies sich der Dominikaner und spätere Kartäuser Ludolf von Sachsen (gestorben 1378). Durch Geert Groote fand seine Vita Jesu Christi Eingang in die Devotio moderna, wo sie geradezu zur Standardlektüre erhoben wurde. Dieser Vita war ihrerseits eine weitreichende Wirkung beschieden.19 Sie gehörte z.B. zum Lesestoff, der Ignatius von Loyola auf seinem Krankenlager zur Verfügung stand und der ihn für die Meditationsanweisungen in seinem Exerzitienbuch inspirierte.

Das erste Buch der Nachfolge Christi bietet Ratschläge und Ermahnungen (admonitiones), wie sie Menschen innerhalb wie außerhalb eines Klosters zur spirituellen Lebensgestaltung mit Blick auf die Nachfolge Jesu Christi nützlich sein können. Und wenn die in Bruder- und Schwesternhäusern Lebenden, abgesehen von den Augustiner Chorherren der Windesheimer Kongregation, sich keiner strikten Ordensregel unterwarfen, so stellen Kloster und Zelle zumindest ein Gleichnis für die eigene Innerlichkeit dar. Prinzipiell geht es darum, sich in das Leben des Herrn zu versenken und als Vorbild für das eigene geistliche Unterwegssein zu betrachten. Wenn beispielsweise der Rat gegeben wird, das Herz möge sich von allen Äußerlichkeiten um des Ewigen willen abwenden, so ergibt sich aus heutiger Sicht daraus eine überaus befremdliche weltdistanzierte Einstellung. Sie beherrscht ohnehin die Spiritualität der Devotio moderna im Allgemeinen und des Nachfolge-Buches im Besonderen. Diese Einseitigkeit soll jedenfalls nicht verschwiegen werden.

Derselben Haltung entspricht die in diesen Kreisen zu beobachtende Skepsis gegenüber allzu abgehobenen Spekulationen, wie sie aus der zeitgenössischen Philosophie und der scholastischen Theologie bekannt geworden sind. Daher konnte es nur verpönt sein, wenn ein Priester und Theologe sich etwas auf seinen geistlichen Status zugute tut, es jedoch an einer ernsthaften spirituellen Gesinnung und Ethik mangeln lässt. Umso mehr wird die zeitbedingte praktizierbare Frömmigkeit geschätzt, um den in Kirche und Gesellschaft sich abzeichnenden Niedergangserscheinungen durch eine umso strengere Askese entgegenzutreten. Alle Übung dient dem Ziel einer nüchternen Selbsterkenntnis und als Demut deklarierten kritischen Selbsteinschätzung. So gesehen sind es die Ideale des mönchischen Lebens, wie sie nach der Überzeugung der Devoten das Leben eines jeden Christen bestimmen sollten. Mit anderen Worten:

„Eine große Hilfe zu einem wahrhaft mönchischen Leben ist das Vorbild der heiligen Väter und systematische Übungen (exercitia). Am fruchtbarsten ist indes die Einsamkeit und Stille der Zelle, so kann man Gott am besten dienen. ‚In der Zelle wirst du finden, was du draußen oft verlierst. Dauernd in der Zelle zu sein, macht sie köstlich ... In Schweigsamkeit und Stille gedeiht die andächtige Seele und lernt die Geheimnisse der Schrift.‘ “20

Mehr noch: Im 20. Kapitel gibt Thomas den Rat, Jesus als den Geliebten der Menschenseele einzuladen und die Türe der Zelle zu verschließen. Mit keinem als mit diesem Gast werde der Meditierende den ersehnten inneren Frieden empfangen.

Im zweiten Buch kommt die mystische Note der Christus-Nachfolge in der Weise zur Geltung, dass der Kompilator der Schrift darauf bedacht ist, dem inneren Meister eine ihm angemessene Wohnung, das heißt eine entsprechende geistigseelische Beheimatung zu schaffen. Deshalb das Insistieren auf Reinheit und Einfalt des Herzens, auf die Schärfung des Gewissens und die Herstellung eines inneren Friedens. Auch hier wird Jesus als Freund und Geliebter geachtet, der in der Herzenstiefe wohnen möge. Mit Recht wird das 12. und letzte Kapitel dieses zweiten Buches als Höhepunkt bezeichnet, geht es doch um den „Königsweg des Kreuzes“. Daher der Hinweis: „Wandle, wo du willst, suche, was du willst, du wirst keinen Weg höher hinauf, noch einen sichereren nach unten finden als den Weg des heiligen Kreuzes!“

Das dritte Buch bietet mancherlei Anklänge an das in den beiden vorausgegangenen Buchteilen Gesagte. Der Schreiber will seinen Lesern in der Weise einen inneren Zuspruch vermitteln, dass er die Bereitschaft zu einem inneren Hören zu wecken versucht. Er tut es in Anlehnung an Psalm 84: „Ich will hören, was Gott der Herr in mir spricht.“ Dies lässt sich als eine Einladung zur Kontemplation verstehen, in der der Übende jene Stille herstellt, die nötig ist, damit das wortlose Wort vernommen werden kann. Von daher ergibt sich auch eine dialogische Struktur, nach der der innere Christus zur menschlichen Seele spricht. Und deren Antwort kann nur ein beseligendes Hören und Schweigen sein.

Gipfelt das zweite Buch in dem erwähnten Kapitel vom „Königsweg des Kreuzes“, so zeigt das vierte Buch, worin aufs Ganze gesehen das Ziel des Christus-Wegs besteht. Und dieses Ziel wird Mal um Mal in der Feier der Eucharistie, beim heiligen Abendmahl, symbolisch erreicht. Denn der sakramentale Akt der Verbindung mit Christus in der Kommunion mittels Brot und Wein ist zugleich und hauptsächlich ein mystisches Geschehen. Damit setzt Thomas von Kempen in der Nachfolge Christi ein bedeutsames Zeichen. Haben sich zahlreiche Kapitel dieser Schrift in der Hauptsache mit dem Exerzitiencharakter dieses Erbauungsbuches beschäftigt, haben sie Anleitungen und Vorschläge für das Vorankommen auf dem Weg vermittelt, so hebt das abschließende Buch hervor, wohin die Devotio moderna als individuell gestalteter Seelenweg führen will, nämlich zur Gemeinschaft mit dem Christus selbst. So liest man auf den letzten Seiten der Imitatio:

„Jeder Andächtige kann alle Tage und zu jeder Stunde zur geistlichen Kommunion Christi heilsam und ohne Hinderung hinzutreten. Denn jedes Mal kommuniziert er in mystischer Weise und wird unsichtbar gestärkt, wenn er das Mysterium von Christi Menschwerdung und seine Passion andächtig betrachtet und in Liebe zu ihm entbrennt.“

ZUR WIRKUNGSGESCHICHTE

Der fleißigen Feder des Thomas von Kempen verdanken wir, wie bereits erwähnt, zahlreiche Schriften, vor allem aber Kopien. Diese Art der frühen Literaturverbreitung wurde für ihn, den geradezu buchstäblich seiner Klosterzelle verschriebenen Augustiner Chorherrn, zum Lebensinhalt. Die bedeutsamste von ihm zusammengetragene und redigierte ist unbestritten De imitatione Christi. Das ausgehende Mittelalter ist ohne dieses Hauptwerk der Devotio moderna gar nicht zu denken. Darüber hinaus ist das Buch als ganzes oder auch durch einzelne Teile zu einem Elementarbuch sowohl der volkstümlichen wie der in den Orden gepflegten Frömmigkeit geworden. Das gilt bereits für die Exercitia spiritualia des Ignatius von Loyola. „Der Protestantismus hat die Imitatio (meist mit Ausnahme des vierten Buches) ebenfalls hoch geschätzt... In pietistischen Lektüreempfehlungen werden aus dem Spätmittelalter gerne Johannes Tauler, die Theologia deutsch und Thomas von Kempen nebeneinandergestellt. Selbst dort, wo man aus Misstrauen gegen ‚katholische‘ Mystik die beiden erstgenannten ausscheidet, wird die Imitatio weiterhin empfohlen.“21 Ferner sind die Protestanten Johann Arndt und Peter Poiret, Gottfried Arnold und Gerhard Tersteegen zu nennen. Dass sich darüber hinaus so eigengeprägte Männer wie Dietrich Bonhoeffer – neben ihm der ebenfalls von den Nazis ermordete Jesuit Alfred Delp – und Dag Hammarskjöld die Nachfolge zu eigen gemacht haben, wurde bereits eingangs berichtet. Selbst in Rudolf Steiners anthroposophischem Schulungsbuch Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? wird neben dem Johannesevangelium und der Bhagavadgita die Schrift des Thomas von Kempen als bedeutsame Begleitlektüre der meditativen Übungen zu einem spirituellen Leben empfohlen.22

Das Werk des Kempeners und seiner geistesverwandten Freunde trägt wohl die der mittelalterlichen Frömmigkeitstradition verpflichteten Deutungen des Jesus-Lebens. Sie ist auch nicht frei von Einseitigkeiten und Akzentsetzungen, deren Anerkennung einem heutigen Leser schwer fallen. Doch – lutherisch gesprochen – in der „Freiheit des Christenmenschen“ lassen sich in mancher Hinsicht auch unzeitgemäß scheinende spirituelle Schriften als Übungsbücher akzeptieren. Mit anderen Worten: Was uns aus vergangenen Lebens- und Glaubenswelten überkommen ist, fordert uns zu einer Über-Setzung auf. Und es bedarf keines besonderen Hinweises, dass es sich dabei nicht allein um sprachliche oder gedankliche Verdeutlichung handelt. Wie aber kam es zu dem außerordentlichen Erfolg des Nachfolge-Buches? Der Mystik-Historiker Kurt Ruh verweist auf den geistlichen Gehalt und sagt von der Imitatio:

„Sie enthält genau das, wessen die fromme christliche Leserschaft beider Konfessionen zu ihrer Erbauung und zu ihrem Seelenheil bedurfte: die persönliche Christus-Liebe und -Nachfolge, die Meditation über Leben, Leiden und Sterben des Herrn, die Gewissenserforschung, die Weltverachtung, die Ablehnung theologisch-philosophischer Gelehrsamkeit, die ‚pietistische‘ Ausrichtung als solche mit ihrem nicht als Widerspruch empfundenen Sündenbewusstsein und ihrer Erwähltheitsgewissheit. Dazu kommt in den Übersetzungen die schlichte, auf Laienkreise hin ausgerichtete Sprache.“23

ZUR VORLIEGENDEN AUSGABE

Der Auswahl aus den vier Büchern der Thomas von Kempen zugeschriebenen Nachfolge Christi ist die lateinische Fassung De imitatione Christi. Libri quatuor, Ratisbona-Regensburg 1957 zugrunde gelegt. Zum Vergleich wird herangezogen: Gerrit Grote, Die Nachfolge Christi oder das Buch vom innern Trost, Olten-Freiburg 1947 und Geert Groote, Thomas von Kempen und die Devotio moderna, hg. von Hans Norbert Janowski, Olten-Freiburg 1978. Die Zitate aus dem Briefwechsel des Thomas von Kempen finden sich in: Wilhelm Oehl (Hg.), Deutsche Mystikerbriefe des Mittelalters 1100 – 1550 (1931), Darmstadt 1972.

1 Josef Sudbrack, Existentielles Christentum, in: Geist und Leben 35 (1964), 38 ff.

2 Eberhard Bethge, Dietrich Bonhoeffer. Eine Biographie, München 1967, 515 ff. – Gerhard Krause, Bonhoeffer, Dietrich, in: Theologische Realenzyklopädie (TRE) Bd. 7, 55 ff.

3 Gerhard Wehr, „Nirgends, Geliebte, wird Welt sein als innen“. Mystik im 20. Jahrhundert, Gütersloh 2011, 72 ff; 152. ff.

4 A. Schulz, Nachfolge, in: Heinrich Fries (Hg.), Handbuch theologischer Grundbegriffe, München 1970, Bd. 3, 215.

5 Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, in: Bonhoeffer-Auswahl, Bd. 3, Gütersloh 1977, 105.

6 Robert Stupperich, Brüder vom gemeinsamen Leben, in: TRE, Bd. 3, 220 ff.

7 Gerhard Wehr, Mechthild von Magdeburg – „Das fließende Licht der Gottheit“, Wiesbaden 2010.

8 Émile Brouette, Devotio moderna I, in: TRE, Bd. 8, 605 f.

9 Bernhard Fraling, Der Mensch vor dem Geheimnis. Untersuchungen zur geistlichen Lehre des Jan van Ruusbroec, Würzburg 1967, 239 f.

10 Jan van Ruusbroec, Die Zierde der geistlichen Hochzeit. Übers. Marijke Schaad-Visser, Einsiedeln 1987.

11 Rudolf van Dijk, Groote, Gerhard, in: Peter Dinzelbacher (Hg.), Wörterbuch der Mystik, Stuttgart 1989, 207 f.

12 Martin Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (1520) (= WA 6,381 – 469).

13 Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, 78.

14 AaO., 79.

15 Reinhold Makrosch, Devotio moderna II, in: TRE, Bd. 8, 609 – 616.

16 Ulrich Köpf, Thomas von Kempen, in: TRE, Bd. 33, 480.

17 Johanna Lanczkowski, Thomas von Kempen, in: Peter Dinzelbacher (Hg.), Wörterbuch der Mystik, aaO., 496.

18 „Rapiarium ist ein geistliches Notizbuch, in dem zur persönlichen Erbauung Exzerpte, Lesefrüchte, Zitate usw. aufgezeichnet sind.“ (Rudolf van Dijk, Rapiarium, in: Dinzelbacher [Hg.], Wörterbuch der Mystik, aaO., 434). Solche Leit- und Losungsworte entsprachen der in der Devotio moderna heimisch gewordenen, individuell gestalteten Spiritualität.

19 Ludolf von Sachsen, Das Leben Jesu Christi, Einsiedeln 1994. – Iris Geyer, Ludolf von Sachsen, in: TRE, Bd. 21, 479 ff.

20 Kurt Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik. Band IV: Die niederländische Mystik des 14. bis 16. Jahrhunderts, München 1999, 191.

21 Ulrich Köpf, Thomas von Kempen, in: TRE, Bd. 33, 483.

22 Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (1904), Dornach 1975, 100.

23 Kurt Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, Band IV, aaO., 194.

II. NACHFOLGE CHRISTI
AUS DEM ERSTEN BUCH – GEISTLICHE LEBENSREGELN
Christus nachfolgen (Kapitel 1)

Wie bereits erwähnt, pflegte man in den Kommunitäten der „Devotio moderna“ Sammlungen von geistlichen Lebensregeln (admonitiones ad vitam spiritualem utiles) anzulegen, um von solchen Worten den Alltag bestimmen zu lassen. Das erste Buch der Imitatio intoniert bereits das Thema der ganzen Schrift.

1. „Wer mir nachfolgt“, spricht der Herr, „wandelt nicht in der Finsternis.“ [Joh 8,12]

Das sind die Worte Christi, mit denen wir aufgefordert werden, seinem Leben und Wandel zu folgen, wenn wir wahrhaftig erleuchtet und von aller Herzensblindheit befreit werden wollen.

2. Unser höchstes Bemühen bestehe also darin, betrachtend in das Leben Christi einzudringen (meditari). Christi Weisung (doctrina) überragt alle Lehren der Heiligen. Und wer Gottes Geist hat, wird dort das verborgene Manna finden [das Brot des Lebens, nach Offb 2,17].

3. Aber es kommt vor, dass viele trotz wiederholten Hörens des Evangeliums wenig Verlangen verspüren, weil sie Gottes Geist nicht in sich tragen. Wer aber Christi Worte in ihrer Fülle und Weisheit verstehen will, der muss danach streben, sein Leben Christus nachzubilden (conformare).

4. Was nützt es dir, Hohes über die göttliche Dreieinigkeit zu disputieren, wenn dir die Demut fehlt und wenn du der Dreieinigkeit missfällst? In der Tat, hohe Worte machen weder heilig noch gerecht. Aber ein tugendhaftes Leben bewirkt die Liebe Gottes.

5. Ich will lieber einsichtige Reue fühlen als deren Definition bestimmen können.

6. Wüsstest du die ganze Bibel auswendig, dazu die Weisheiten aller Philosophen, was nützte dir das alles, wenn dir Gottes Liebe und Zuwendung (gratia) fehlte? O Nichtigkeit (vanitas) der Nichtigkeiten, denn alles ist nichtig [Koh 1,8]; ausgenommen, Gott lieben und allein ihm dienen.

7. Das ist die höchste Weisheit: durch Geringachtung (contemptus) des Weltlichen das Himmelreich zu erstreben. Minderwertig (vanitas) ist es daher, vergängliche Reichtümer zu ergattern und ihnen zu vertrauen ... Nichtig ist es, nach Ehren zu geizen und sich nach dem Hohen auszustrecken. Nichtig ist es, ein langes Leben zu wünschen und sich wenig um ein gutes Leben zu kümmern. Nichtig ist es, allein auf das jetzige Leben zu setzen und an das künftige nicht zu denken. Nichtig ist es, das Vergehende, Flüchtige zu lieben und nicht dorthin sehnsuchtsvoll zu eilen, wo eine immerwährende Freude andauert.

8. Denke oft an das Sprichwort, dass das Auge vom Sehen und das Ohr vom Hören nicht satt wird. Sei daher bestrebt, dass sich dein Herz von der Liebe zu den sichtbaren Dingen entfernt und sich dem Unsichtbaren zuwendet.

Erkenne dich selbst (Kapitel 2)

Als Kompilator der „Nachfolge Christi“ bezieht sich Thomas von Kempen zwar durchwegs auf das biblische Wort, das er bei seiner Leserschaft als bekannt voraussetzen kann. Aber darüber hinaus spielt er als Beleg für seine literarische Bildung wiederholt auf Aussprüche aus der philosophischen oder der Vätertradition an.

1. Natürlicherweise verlangt jeder Mensch nach Wissen. Aber was ist schon bloßes Wissen ohne Gottesfurcht? Da ist es besser, ein biederer (humilis) Bauer zu sein, der Gott dient, als ein hochmütiger Philosoph, der zwar den Lauf des Himmels kennt, aber darüber sich selbst vernachlässigt.

2. Wer sich selbst gründlich erkennt, nimmt sich selbst nicht so wichtig; auch geht er dem menschlichen Lob aus dem Weg.

3. Lass die übergroße Wissbegier auf sich beruhen, denn darin liegen große Zerstreuung und Täuschung. Wissbegierige wollen gern gesehen, gehört und weise genannt werden. Vieles gibt es, dessen Kenntnis der Seele wenig oder zu Garnichts dient. Sehr unklug ist, wer nach anderen Dingen trachtet als nach denen, die seinem Heil dienen. Viele Worte sättigen die Seele nicht. Aber ein gutes Leben erfrischt das Gemüt (mens). Und ein gutes Gewissen stärkt das Gottvertrauen (confidentia). Je mehr du weißt, desto kritischer wirst du beurteilt werden, wenn du nicht heiliger gelebt hast. Daher brüste dich nicht mit irgendeinem Können oder Wissen, sondern wenn dir Wissen verliehen ist, so nimm zu in der Furcht Gottes.

4. Wenn du viel weißt, so erscheint es wenig gegenüber dem, was du nicht weißt. Sei nicht hochmütig (altum sapere), sondern stehe lieber zu deinem Nichtwissen. Warum willst du dich über andere stellen, die gelehrter und in der geistigreligiösen Tradition (lex) erfahrener sind?

5. Willst du etwas Brauchbares wissen und lernen, so sei es dir lieber, nicht erkannt und für nichts geachtet zu werden.24

Das ist die höchste und wertvollste (verissima) Lektion, das heißt: sich selbst recht erkennen und gleichzeitig sich selbst gering schätzen ...

Von der Wahrheit (Kapitel 3)

1. Glücklich, wen die Wahrheit durch sich selbst belehrt, und zwar nicht durch irgendwelche Gestalten und vergängliche Stimmen, sondern wie sie sich selbst darstellt. Unsere Fähigkeiten täuschen uns oft und reichen nicht tief genug. Was nützt bloße Sophisterei (cavillatio) über okkulte und verborgene Dinge, über die wir am Tag des Gerichts nicht beurteilt werden? Große Torheit ist es, das Nützliche und Notwendige zu versäumen und lediglich dem Neugier Erregenden und dem Verderben Bringenden nachzujagen! Augen haben wir, aber wir sehen nicht! Warum sind wir so versessen auf die Bezeichnungen von Gattungen und Arten? – Wenn das ewige Wort zu dir spricht, ergeben sich viele Anschauungen und Meinungen. Denn alles entstammt dem einen Wort [Joh 1,3]. Das ist der Anfang (principium), der zu uns spricht. Ohne ihn versteht man nichts oder beurteilt man falsch. Nur wer ein festes Herz (cor stabilis) und Gottes Frieden hat, dem sind alle Dinge eines. O Gott, der du die Wahrheit bist, vereinige mich mit dir in der ewigen Liebe!

2. Des vielen Lesens und Hörens bin ich oft überdrüssig. Aber in Dir [Wahrheit], Gott und Wort des Vaters, liegt das Ganze. Es verlangt mich, dies [Dich] zu haben. So mögen vor deinem Anblick alle Lehrer schweigen; und verstummen mögen alle Kreaturen. Allein Du sprich zu mir! Je mehr ein Mensch innerlich eins geworden ist, desto Höheres und Größeres erfasst er durch Dich ohne Mühe, weil er von oben her das Licht der Erkenntnis (lumen intelligentiae) empfängt ...

3. Ein guter und gottergebener Mensch (devotus homo) erwirkt (disponit) die äußeren Werke zuvor in seinem Innern. Nicht von abwegigen Neigungen (desideria vitiosae inclinationis) lässt er sich antreiben, sondern von der rechten Vernunft lässt er sich leiten. – Ein großer Kampf ist’s, sich selbst zu besiegen.

4. Demütige Selbsterkenntnis (humilis tui cognitio) ist ein sichererer Weg zu Gott als eine wissenschaftliche Forschungsweise. Das Wissen und die Kenntnis einer Sache sind [für sich genommen] nicht sträflich, sondern in Ordnung und von Gott gewollt. Aber ein gutes Gewissen und ein gutes Leben haben stets noch größeren Wert. Weil aber manchen das Wissen[wollen] wichtiger ist als eine gute Lebensführung, gehen sie oft in die Irre und erhalten keine oder nur mäßige Frucht.

5. Ach, wenn sie nur so viel Mühe darauf verwendeten, um ihre Mängel auszurotten, wie sie sich auf das rationale Problematisieren konzentrieren, so geschähen nicht so viel Skandalöses, nicht so viel Verärgerung darüber im Volk und nicht so viele Auflösungserscheinungen in den Klöstern!

6. Am Tag des Jüngsten Gerichts werden wir nicht gefragt werden, was wir gelesen, sondern was wir getan haben; nicht um schöne Redensarten wird es gehen, sondern gelebte Frömmigkeit ist gefragt.

7. Nun sag mir: Wo sind eigentlich alle jene Herren und Lehrmeister (magistri), die du gut kanntest, solange sie noch lebten und ihre Wissenschaften noch florierten? Schon verfügen andere über ihre Sachen ... In ihrem Leben schienen sie etwas zu sein, doch heute schweigt man von ihnen. O wie rasch vergeht der Ruhm der Welt! (O quam cito transit gloria mundi!) Ja, wenn ihr Leben mit ihrer Wissenschaft übereingestimmt (concordasset) hätte, dann hätten sie durchaus gut studiert und recht gelesen. Aber wie viele gehen durch wertloses Wissen (vana scientia) in dieser Welt zugrunde; es sind Menschen, die nicht um den Dienst Gottes Sorge tragen. Lieber wollen sie groß sein als demütig. Deshalb entwertet sich ihr ganzes Denken.

8. Wahrhaft groß ist, wer große Liebe übt. Und wahrhaft groß ist, wer [seiner eigenen Einschätzung nach] in sich klein ist; [das heißt] wer es als höchste Ehre ansieht, nichts zu gelten. Wahrhaft klug ist, wem das Irdische wie Kot [stercora; Phil 3,8] erscheint, um letztlich Christus zu gewinnen. Und wahrhaft gelehrt ist, wer den Willen Gottes tut und darüber seinen eigenen Willen aufgibt.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺331,34
Yaş sınırı:
0+
Hacim:
121 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9783843802024
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:

Bu kitabı okuyanlar şunları da okudu