Kitabı oku: «Werde besser!», sayfa 2

Yazı tipi:

Dennoch gab ich nicht auf. Ich frage Sydney zum dritten Mal, ob sie am Marathon teilnehmen wolle. Dabei betonte ich, dass ich fest daran glaubte, dass sie es schaffen würde. Und diesmal war meine Überzeugung echt! Das übertrug sich auf Sydney. Sie begann, an sich zu glauben. Wir starteten wieder mit dem Training. Doch jetzt konzentrierte ich mich voll und ganz auf meine Tochter. Beispielsweise trug ich die Wasserflaschen für uns beide oder ich lief mit etwas Abstand hinter ihr her, damit sie das Tempo bestimmen konnte. Und dieses Mal gab Sydney nicht auf. Allein das war schon ein großer Erfolg. Allerdings wusste ich, dass noch viel mehr möglich war: Ich war sicher, dass meinen Tochter die innere Stärke hatte, nicht nur an den Start zu gehen, sondern es auch bis ins Ziel zu schaffen.

Der Marathon kam – und ich war felsenfest davon überzeugt, dass Sydney die Ziellinie überqueren würde. Doch ich hatte eine große Sorge. Ich hatte Angst, dass wir das Ziel erst erreichen würden, nachdem die Ballons schon abgenommen worden waren und die Zuschauer bereits wieder nach Hause gegangen waren. In Anbetracht unserer letzten Trainingsläufe nahm ich an, dass wir ungefähr bei fünfeinhalb Stunden landen würden. Wenn wir uns mächtig ins Zeug legten, vielleicht auch bei fünf Stunden und 20 Minuten …

Der Startschuss fiel und wir liefen los. Ich kann mich noch erinnern, dass ich bei der 25-Kilometer-Marke zu Sydney sagte, der Marathon verginge zu schnell. Sie schaute mich an, als ob ich verrückt sei. Wo hat sich schon einmal ein Marathonläufer darüber beschwert, dass das Rennen zu schnell vorbei ist? Aber genau das war mein Gefühl. Es machte mir einfach eine riesengroße Freude, zu sehen, wie Sydney dieses unglaubliche Ziel erreichte. Wir überquerten die Ziellinie, lange bevor die Ballons abgenommen wurden – mit einer Zeit von vier Stunden und 23 Minuten. Wir waren überglücklich. Sydney fühlte sich wie auf dem Gipfel der Welt. Diesen Moment werde ich niemals vergessen. Der Zieleinlauf bei meinem ersten Marathon war eine aufregende Sache. Aber es war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, gemeinsam mit meiner Tochter ihre erste Ziellinie zu überqueren. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, wenn ich Sydney weiterhin durch die falsche Brille gesehen hätte!

Und so bewährte sich die Strategie »Schau durch die richtige Brille« für mich im Zusammenhang mit meiner Tochter:

Sehen: Ich beschloss, in Sydney jemanden zu sehen, der die Stärke und die Fähigkeit hatte, den Marathon bis zum Ende zu laufen.

Denken: Ich veränderte meine Trainingsstrategie dahingehend, dass ich mich voll und ganz auf meine Tochter konzentrierte.

Fühlen: Ich war überzeugt, dass sie es schaffen würde. Und ich wusste, dass sie diese Zuversicht spürte.

Tun: Wir trainierten so, dass wir die Ziellinie am Ende gemeinsam überqueren konnten.

Immer, wenn ich an den Marathon mit meiner Tochter und die erste Strategie aus diesem Buch denke, kommen mir die Worte in den Sinn, die angeblich in den Grabstein eines anglikanischen Bischoffs in der Westminster Abbey gemeißelt sind:

Als ich jung und frei und meine Fantasie grenzenlos war, träumte ich davon, die Welt zu verändern.

Als ich älter und weiser wurde, verstand ich, dass ich die Welt nicht verändern konnte. So engte ich meinen Blick ein wenig ein und beschloss, nur noch mein Land zu verändern.

Aber auch mein Land, so schien mir bald, konnte ich nicht verändern.

Als ich in die Jahre kam, beschloss ich in einem letzten verzweifelten Anlauf, meine Familie und die Menschen in meinen engsten Umkreis zu verändern. Aber, oh weh! Auch das war mir nicht möglich.

Und jetzt, wo ich auf dem Sterbebett liege, wird mir schlagartig klar: Hätte ich nur mich selbst zuerst verändert, so hätte ich mit meinem Beispiel meine Familie verändert. Mit ihrer Inspiration und Ermutigung wäre ich in der Lage gewesen, mein Land zu verändern. Und, wer weiß, vielleicht hätte ich sogar die Welt verändert!

Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir durch die sichtverzerrende Brille schauen, die wir allzu oft aufhaben. Die gute Nachricht lautet: Wir haben die Wahl, diese Brille gegen eine bessere einzutauschen. Und das gilt natürlich auch für meinen Kollegen Jon.


»Ich brauche jemanden wie dich, der mit ihr redet«, erwiderte Jon. »Ich bin nicht der Menschen-Typ.«

Und da war es: Die so sehr verbreitete Vorstellung, dass wir nun einmal sind, wie wir sind, und uns nicht ändern können. Mir war klar, dass Jon in mein Büro kam, um mich als Verbündeten zu gewinnen, der ein ernstes Wörtchen mit Isabel reden sollte. Aber ich spürte, dass sich dahinter noch etwas wesentlich Wichtigeres verbarg. Also fragte ich ihn: »Jon, sag mir, warum glaubst du das?«

»Warum ich was glaube?«

»Dass du nicht der Menschen-Typ bist.«

Ich konnte an seinem Gesichtsausdruck erkennen, dass das nicht die Antwort war, die er erwartet hatte. Er räusperte sich, bevor er fortfuhr. »Na ja, du weißt schon …«

Ich ließ nicht locker: »Was genau weiß ich?«

Jon seufzte: »Sieh mal, ich bin jemand, dem Ergebnisse wichtig sind.« Das war eine Litanei, die ich schon unzählige Male von ihm gehört hatte. »Ich will vorwärtskommen und Ziele erreichen. Damit schrecke ich manche Leute ab. Ich habe einfach kein Talent für Soft Skills und das Zwischenmenschliche.«

»Sag mal: Wie lange bist du jetzt schon verheiratet?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort sehr genau kannte.

»19 Jahre.«

Ich wusste, dass Jon ein wunderbarer Ehemann und Vater war. Deshalb nahm ich ihm seine Selbsteinschätzung nicht ab und sagte: »Das klingt, als ob dir die zwischenmenschlichen Dinge doch nicht so fremd wären.«

Jon wollte schon widersprechen. Aber dann hielt er inne. Ich denke, er kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich nicht einfach die Segel streichen würde. Also hob er die Hände und ließ sich tief in den Sessel sinken. »Okay. Gut. Ich ergebe mich!«

»Sagen wir also, dass du in Wahrheit sehr wohl der Menschen-Typ bist«, fuhr ich fort. »Wie würdest du dann die Situation mit Isabel regeln?«

»Also, vermutlich sollte ich nicht mit dir, sondern mit ihr reden.«

Ich nickte. »Mir gefällt das mit dem Reden, weil es hier um gegenseitigen Respekt und gemeinsame Ziele geht. Ich stelle mir vor, dass ihr beide, Isabel und du, dasselbe wollt. Mein Vorschlag lautet, dass du dich von der Vorstellung verabschiedest, du wärst kein Menschen-Typ, und stattdessen ein konstruktives Gespräch mit deiner Kollegin führst. Vielleicht solltest du auch dein Bild von Isabel überdenken.«

»Wie meinst du das?«

»Nun, es fällt mir schwer zu glauben, dass Isabel die Einhaltung des Termins nicht genauso wichtig ist wie dir.«

Jon überlegte einen Augenblick. »Ja, das werde ich bedenken. Du könntest recht haben.«

Als Jon aufstand, konnte er sich das Grinsen kaum verkneifen: »Dir macht das mit den ›Menschen‹ wirklich Spaß, oder?«


Übung zur 1. Strategie
Schauen Sie durch die richtige Brille

Nehmen Sie sich etwas Zeit. Bewerten Sie die Brille, die Sie momentan aufhaben. Entscheiden Sie dann, ob Sie Ihre Brille möglicherweise gegen eine andere austauschen sollten, die Ihnen ein besseres Bild liefert. Die folgende Übung hilft Ihnen herauszufinden, ob Sie die richtige Brille tragen:

1.Überlegen Sie, welche Ihrer Beziehungen sich problematisch oder schwierig anfühlt.

2.Erstellen Sie wie im Beispiel unten eine Liste mit Gründen, warum diese Beziehung nicht so funktioniert, wie sie sollte.

3.Unterstreichen Sie in Ihrer Liste die Gründe, die tatsächlich zutreffen. Markieren Sie die Einschätzungen, denen sich die meisten Menschen anschließen würden.

4.Die übrigen »Gründe« sind wahrscheinlich unzutreffende oder unvollständige Meinungen und Paradigmen, die Sie von der Person haben, zu der Sie eine problematische Beziehung haben. Denken Sie sorgfältig über jeden Punkt nach. Fragen Sie sich: Sind das Meinungen, die ich möglicherweise revidieren sollte? Welche Meinungen, die ich zuvor für »Fakten« hielt, sollte ich ändern? Was würde das in Bezug auf meine Sichtweise bewirken?

5.Entwickeln Sie ein Paradigma über die andere Person, das zutreffender und vollständiger ist.

6.Beschließen Sie anhand Ihrer neuen, unverzerrten Brille, was Sie als Nächstes tun werden, um die Beziehung zu verbessern.


Gründe Neues Paradigma: Durch die richtige Brille schauen Aktionsplan
Marietta ist immer sehr distanziert und stößt andere oft vor den Kopf. Sie tut so, also ob sie alles wüsste. Aber sie ist auch einer der Leistungsträger in unserem Team und hat den besten Abschluss in ihrem ganzen Studienjahrgang. Trotzdem ist sie unsicher. Das versucht sie zu überspielen, indem sie alles perfekt machen und sich überall als Expertin präsentieren will. Marietta möchte erstklassige Leistungen bringen, und eigentlich meint sie es nur gut. Vielleicht braucht sie mehr Unterstützung von mir und noch etwas mehr Erfahrung, um zu lernen, wie man gut mit anderen zusammenarbeitet. Ich werde einen Termin für ein Gespräch mit Marietta vereinbaren. Das hilft mir, sie besser zu verstehen. Ich werde ihr gezielt Feedback geben und ihr sagen, dass sie hervorragende Arbeit leistet. Zudem werde ich sie coachen, um ihr zu zeigen, wie sie besser mit anderen zusammenarbeiten kann.


2. Strategie
Bringen Sie Ihr eigenes Wetter mit

Hatten Sie schon mal das Gefühl, dass andere Menschen, die Umstände oder Ihre eigenen Kurzschlussreaktionen Ihr Verhalten gesteuert haben?

Dann ist unsere 2. Strategie vielleicht etwas für Sie:

Bringen Sie Ihr eigenes Wetter mit.

Solange Sie Ihr eigenes Wetter nicht mitbringen, fühlt sich Ihr »Raum« möglicherweise wie Sartres Hölle an, weil …

• das Leben mit Ihnen macht, was es will.

• die Rolle des Märtyrers Ihr Markenzeichen wird.

• Ihre positiven Einflussmöglichkeiten auf andere stark begrenzt sind.

»Musstest du schon mal jemanden entlassen, der bei allen im Unternehmen total beliebt war?«

Die Frage erwischte mich unvorbereitet. Ich stellte mein Glas ab und schaute mir den Mann, der mir gegenübersaß, genau an. Wir hatten gelegentlich beruflich miteinander zu tun. Im Laufe der Zeit sind wir Freunde geworden. Hin und wieder war er in der Stadt und dann trafen wir uns zum Mittagessen.

»Ich überlege, ob da vielleicht eine Frage hinter der Frage steckt?«, setzte ich an. Mein Freund nickte. Dieses Nicken strahlte eine gewisse Müdigkeit aus.

»Gestern habe ich Stunden damit verbracht, mit den Kollegen eines Mitarbeiters zu sprechen, den ich entlassen musste. Alle regten sich mächtig darüber auf. Um ehrlich zu sein: Mir geht das Ganze auch extrem an die Nieren! Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich versucht habe, diesem Mitarbeiter zu helfen.«

Natürlich gibt es viele Gründe, warum es unvermeidbar sein kann, sich von einem Mitarbeiter zu trennen. Ich wollte mich bestimmt nicht in persönliche Details einmischen. Aber offensichtlich lag meinem Freund etwas auf der Seele.

»Auch ich musste schon Mitarbeitern kündigen«, erwiderte ich mitfühlend. »Das ist nie leicht.«

Mein Freund nickte. »Ich hatte ihn wirklich gern und habe viel für ihn getan. Und er hat auch kein Geld veruntreut oder so. Das macht die Sache für mich allerdings noch schlimmer.«

»Schlimmer? Was meinst du damit?«

»Er hat in seiner Freizeit für eine Konkurrenzfirma gearbeitet. Aber das hat er nie gesagt. Das zeigt, wie wenig er von mir und dem Unternehmen hält, das ihn so sehr unterstützt hat«, erwiderte er mit zunehmender Empörung. »Unfassbar, dass er das alles praktisch für nichts aufs Spiel gesetzt hat!«


»Und wie wurde aus einem Gespräch dann eine Entlassung?«

»Ein Gespräch hat nicht wirklich stattgefunden. Als ich erfahren habe, was da läuft, habe ich ihn sofort gefeuert. Aber jetzt stellt sogar der CEO meine Entscheidung infrage und alle halten mich für den Buhmann in der Geschichte.«

Ich versuchte, meine wachsenden Zweifel zu verbergen. Womöglich lag der CEO gar nicht so falsch? Aber vielleicht steckte ja auch noch mehr dahinter?

»Sieh mal, Loyalität ist mir extrem wichtig. Zudem weiß jeder, dass ich meine Entscheidungen nicht auf die lange Bank schiebe«, fuhr mein Freund fort. »Ich hatte also gar keine andere Wahl.«


Ich bin überzeugt, dass es immer eine Alternative gibt. Natürlich geschehen Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben. Und natürlich sind unsere Möglichkeiten manchmal stark begrenzt. Vom Neurologen, Psychiater und Holocaust-Überlebenden Viktor Frankl wissen wir, »dass man dem Menschen … alles nehmen kann, nur eins nicht: die letzte menschliche Freiheit, seine Einstellung zu den gegebenen Umständen selbst zu wählen«.4

Einer meiner Kollegen erzählt gerne von einem seiner Professoren. Wenn dieser kleine, ein wenig korpulente Herr mit einem Kaffee in der Hand über den Campus ging, schien er gar nicht anders zu können, als gute Laune auszustrahlen. Der Professor grüßte die Studenten herzlich und blieb oft stehen, um mit ihnen zu plaudern. Er gehörte zu den beliebtesten Professoren an der gesamten Universität. Eines Morgens schüttete es wie aus Eimern. Der Professor hatte keinen Schirm dabei. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, wie üblich zu Fuß zum Vorlesungssaal zu gehen. Als er dort ankam, war er genauso fröhlich wie immer. Im Gegensatz dazu schauten die Studenten wegen des unerwarteten Wolkenbruchs äußerst mürrisch drein. Obwohl er klitschnass war und aussah wie ein begossener Pudel, strahlte der Professor übers ganze Gesicht. Da fragte einer der Studenten: »Macht Ihnen der Regen denn gar nichts aus?«

Der Professor antwortete grinsend: »Doch, doch. Aber mein Vorteil ist, dass ich so klein bin. Da dauert es viel länger, bis der Regen mich erwischt!«

Natürlich hatte keiner auf dem Campus irgendeinen Einfluss auf das Wetter. Die meisten reagierten auf den unverhofften Wolkenbruch mit schlechter Laune. Sie beschwerten sich über den plötzlichen Temperatursturz und jammerten, weil sie nass geworden waren. Die Studenten ließen zu, dass die dunklen Wolken ihre Stimmung beeinflussten und ihnen aufs Gemüt schlugen. Sie warteten nur darauf, dass die Sonne wieder zum Vorschein kam und sie aufheiterte. Doch so fällt man ganz schnell in die Opferrolle und glaubt, dass man der Welt um sich herum hilflos ausgeliefert ist. Wenn wir denken, dass andere die Ursache für unser Unglück und unsere Hilflosigkeit sind, schieben wir ihnen gerne die Schuld in die Schuhe. Wir jammern und klagen und fühlen uns als Opfer.

Der Professor jedoch entschied sich anders. Er reagierte nicht auf die äußeren Umstände und das Wetter. Im Gegenteil: Er brachte einfach sein eigenes Wetter mit in die Vorlesung! Er schaute nicht nach außen, sondern nach innen. Dieser gut gelaunte Mann bestimmte selbst, was er denken und wie er sich fühlen wollte. Ein Wolkenbruch konnte ihn nicht davon abbringen. Diese Freiheit zeichnet die Menschen aus, die ihr eigenes Wetter machen und ihren Werten treu bleiben. Ganz anders sieht es da bei denjenigen aus, die lediglich auf die äußeren Umstände »reagieren« und sich mit der Opferrolle begnügen. Der Professor war glücklich, dass er zum Vorlesungssaal gehen und das tun könnte, was ihm am Herzen lag: eine positive Atmosphäre zu schaffen, in der seine Studenten gut lernen konnten, und Samen zu säen, die später reiche Früchte tragen würden. Was war im Vergleich dazu ein kurzer Regenschauer?

Der angesehene, für seine Radio- und Fernsehauftritte bekannte Bischof Fulton J. Sheen formulierte es so: »Jeder Mensch schafft sich sein eigenes Wetter – er wählt selbst die Farbe des Himmels in dem von ihm bewohnten Universum.«

Um uns unser eigenes Wetter schaffen zu können, müssen wir in der Lage sein, zwischen Reiz und Reaktion eine Pause einzulegen. Kampf oder Flucht? Die Steinzeitmenschen mussten auf vermeintlich lebensbedrohliche Situationen in Sekundenschnelle reagieren. Nur das sicherte ihr Überleben. Heute aber müssen die wenigsten von uns tagtäglich um ihr Überleben fürchten. Was uns im 21. Jahrhundert Stress bereitet, sind ganz andere Dinge. Dennoch neigen wir noch immer dazu, auf äußere Reize mit schnellen, unüberlegten Entscheidungen zu reagieren. Und diese Entscheidungen sind häufig nicht die besten.


Zum Glück ist die unreflektierte Sofort-Reaktion nicht alles, wozu unser Gehirn imstande ist. Wir Menschen haben die einzigartige Fähigkeit der Selbstwahrnehmung. Das heißt: Wir können unser eigenes Denken und Handeln reflektieren. Jeder von uns kann innehalten, einen Schritt zurücktreten und sich ein Bild von sich selbst und den Paradigmen machen, die seine Sicht der Dinge, sein Denken, Fühlen und Handeln prägen. Das gibt uns letztlich die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie wir reagieren wollen.


Mein guter Freund und Kollege Aaron, der in unserer Organisation als Chef-Recruiter tätig ist, ist ein Beispiel für dieses Prinzip. Die besten Recruiter investieren viel Zeit und Energie in die Suche nach den richtigen Kandidaten und in ihre Präsentation bei den Personalverantwortlichen. Aaron ist da keine Ausnahme. Ich erinnere mich an eine Kandidatin, um die sich Aaron bereits mehrere Monate bemüht hatte. Sie hatte Angebote von verschiedenen Unternehmen. Doch Aaron scheute keine Mühe, eine Beziehung zu ihr aufzubauen und ihr unsere Organisation schmackhaft zu machen. Ich weiß noch, dass Aaron sogar bereit war, sich an einem Samstag mit ihr zu treffen. Dafür opferte er Zeit, die er sonst mit seiner Familie hätte verbringen können. Aber es war der einzige Tag, an dem die Kandidatin einen Termin frei hatte – und sie war wirklich ein Ausnahmetalent. Unter allen Kandidaten, die dem Team vorgestellt wurden, stach sie klar hervor.

Nach all der Zeit und Energie, die Aaron in die Rekrutierung und das abschließende Interview investiert hatte, meinte der Personalchef: »Wir finden sie wirklich gut. Trotzdem wollen wir, dass du noch nach weiteren Kandidaten Ausschau hältst.«

Die meisten würden an diesem Punkt wahrscheinlich am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Aaron wusste, dass diese tolle Kandidatin in Nullkommanichts von einem anderen Unternehmen abgeworben werden würde. Ich war selbst dabei, als der Personalchef Aaron bat, nach Alternativen zu dieser Kandidatin zu suchen. Auch für mich war sie die allererste Wahl. Deshalb kämpfte ich mit meinen Gefühlen, als ich sah, wie Aaron wortlos zuhörte und dann tief Luft holte. Er drückte tatsächlich auf den Pausenknopf und meinte dann: »Klar, ich verstehe. Mir ist bewusst, dass du ganz sicher sein willst, dass wir den besten Kandidaten für diese wichtige Aufgabe finden. Also werde ich nach weiteren Bewerbern Ausschau halten.«

Ich war beeindruckt und bewunderte Aaron für sein Verhalten. Später fragte ich ihn, wie er diese frustrierende Abfuhr so ruhig hatte hinnehmen können. Er sagte: »Todd, wenn der Personalchef nicht voll und ganz von der Kandidatin überzeugt ist, sind ihre Erfolgsaussichten gleich null. Und weil es auf das Ergebnis ankommt, bleibt mir nichts anderes übrig, als weiter nach dem passenden Kandidaten oder der passenden Kandidatin zu suchen.«

Ich wünschte, ich hätte Aarons Reife schon früher in meinem Leben gehabt.

Ich selbst hatte als junger Recruiter eine Kandidatin für eine offene Stelle gefunden. Doch es stellte sich heraus, dass ihre Gehaltsvorstellung 1000 US-Dollar über dem lag, was das Unternehmen mir bezahlte – und das für eine vergleichbare Tätigkeit. Zu meiner Überraschung war mein Chef bereit, ihr das geforderte Gehalt zu geben. Ich war aufgebracht. »Warte einen Augenblick«, beschwerte ich mich. »Ich arbeite seit vier Jahren für das Unternehmen. Ich habe diese Person gefunden. Und jetzt willst du ihr mehr zahlen als mir

Mein Chef meinte nur, man zahle eben, was nötig sei, um die besten Leute zu bekommen. Ich ging voller Wut in mein Büro zurück und dachte: Das ist nicht fair! Warum bekomme ich weniger? Mein Chef schätzt meine Arbeit nicht. Vielleicht sollte ich einfach einen Gang runterschalten. Und wahrscheinlich sollte ich mich schnellstens nach einem neuen Job umsehen. Diese Gedanken quälten mich tagelang. Ich suhlte mich förmlich in meiner Opferrolle. Eines Abends klagte ich meinem Vater mein Leid und beschwerte mich über diese himmelschreiende Ungerechtigkeit. Er hörte geduldig zu, wie ich über meinen Chef, die neue Kollegin, meinen Job und überhaupt über alles herzog, was mir gerade einfiel. Als ich fertig war, schaute er mich an und fragte: »Hast du dir schon mal überlegt, was du tun kannst, um die zusätzlichen 1000 Dollar zu bekommen? Fairness im Arbeitsleben bedeutet, einen fairen Preis für das zu bekommen, was man zu bieten hat.«

Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich hatte die ganze Zeit nur auf meine Gefühle reagiert und dabei völlig übersehen, was ich tun konnte, um die Situation in meinem Sinne zu beeinflussen. Wo ich das allergrößte Unrecht sah, erkannte mein Vater eine Gelegenheit, etwas für mein berufliches Vorankommen zu tun. Gleich am nächsten Tag ging ich zu meinem Chef und sagte: »Danke, dass du mir in der Gehaltssache in den letzten Tagen so geduldig zugehört hast. Was müsste ich denn tun, damit du auch mein Gehalt erhöhst?«

Seine Reaktion sehe ich noch heute vor mir: Es war, als hätte er die ganze Zeit auf diese simple Frage gewartet. »Ich bin froh, dass du das ansprichst, Todd«, erwiderte er. »Aktuell dauert es im Schnitt zehn Monate, bis wir eine freie Arztstelle neu besetzen können. Wenn wir diese Zeit auf sechs Monate verkürzen, könnte ich mir eine Gehaltserhöhung sehr gut vorstellen.« Widerwillig verabschiedete ich mich von meiner Opferrolle und begann, meine Zeit und Energie in die Verkürzung der Rekrutierungsdauer zu investieren. Und es funktionierte! Es war eine harte Lektion. Aber ich lernte, dass es wesentlich besser ist, sich sein eigenes Wetter zu schaffen, als sich in seine Opferrolle hineinzusteigern.

Noch einmal zurück zu meinem Kollegen Aaron: Die Kraft, die wir aus dem selbstgeschaffenen Wetter ziehen, ist so groß, dass wir damit die schwierigsten Stürme überstehen können. Mit 43 unterzog sich Aaron einer Routineuntersuchung seiner Augen. Dabei entdeckten die Ärzte einen Tumor in seinem Gehirn. Doch Aaron verfiel weder in Panik noch in Verzweiflung. Stattdessen vereinbarte er in aller Ruhe die erforderlichen Termine, damit der Tumor untersucht und behandelt werden konnte. Er war gutartig, drückte aber auf seinen Augennerv und beeinträchtigte dadurch sein Sehvermögen. Ohne Behandlung wäre er lebensbedrohlich geworden. Die Ärzte setzten umgehend einen Operationstermin an und entfernten den Tumor.

Am Tag nach der Operation besuchte ich Aaron. Seine positive Haltung imponierte mir. »Die Ärzte sind der Ansicht, dass der Eingriff gut verlaufen ist«, verkündete er von seinem Krankenbett aus. »In einigen Wochen werden sie Bilder machen, aber ich bin optimistisch.« Und tatsächlich – sein Gesundheitszustand verbesserte sich Woche für Woche. Ich bin überzeugt, dass seine positive Einstellung entscheidend zu seiner Genesung beitrug.

Monate danach besuchte er uns in der Firma, um uns für die Unterstützung zu danken. Er wurde geradezu emotional – allerdings nicht wegen der ernsten Situation oder der erlittenen Schmerzen, sondern aus Dankbarkeit für die wichtigen Beziehungen in seinem Leben. »Tut mir leid«, sagte er, »es ist nur, weil ich so dankbar bin – für mein Leben, meine Familie und meine Freunde hier im Unternehmen.«

Aaron hatte vor langer Zeit beschlossen, sich in seinen Gefühlen nicht von äußeren Faktoren leiten zu lassen. Das ermöglichte es ihm, berufliche Herausforderungen ebenso souverän zu meistern wie die schwierigsten Momente in seinem Leben. Aarons Fähigkeit, sich sein eigenes Wetter zu schaffen, machte auch mir Mut. Denn ich hoffte sehr, dass es mir gelingen würde, auch meinen Freund, den sie am Anfang dieses Kapitels kennen gelernt haben und der in einer impulsiven Reaktion einen langjährigen Mitarbeiter vor die Tür gesetzt hatte, von den Vorzügen einer positiven Haltung zu überzeugen:

»Und wie wurde aus einem Gespräch dann eine Entlassung?«

»Ein Gespräch hat nicht wirklich stattgefunden. Als ich erfahren habe, was da läuft, habe ich ihn sofort gefeuert. Aber jetzt stellt sogar der CEO meine Entscheidung infrage und alle halten mich für den Buhmann in der Geschichte.«

Ich versuchte, meine wachsenden Zweifel zu verbergen. Womöglich lag der CEO gar nicht so falsch? Aber vielleicht steckte ja auch noch mehr dahinter?

»Sieh mal, Loyalität ist mir extrem wichtig. Zudem weiß jeder, dass ich meine Entscheidungen nicht auf die lange Bank schiebe«, fuhr mein Freund fort. »Ich hatte also gar keine andere Wahl.«

»Darf ich dich was fragen?«, setzte ich an. Mein Freund nickte. »Welchen Ruf wünschst du dir als Führungskraft? Wofür willst du einmal in Erinnerung bleiben?«

Mein Freund überlegte. »Mir ist nicht ganz klar, worauf du hinauswillst?«

»Ich dachte, vielleicht könnten wir etwas weggehen von der Entlassungssituation und die Sache in einem größeren Zusammenhang sehen.«

»Okay«, erwiderte mein Freund und dachte nach. »Ich will dafür bekannt sein, dass ich wirklich gute Leistungen bringe.«

»Gut. Und was ist mit deinen Mitarbeitern?«, fragte ich.

»Na ja, ich möchte, dass sie sich engagieren und gemeinsam mit mir wirklich gute Leistungen bringen.«

»Schon klar, aber wie sollen sie dich in deiner Rolle als Führungskraft sehen?«

Ohne zu überlegen, sagte mein Freund: »Sie sollen Respekt vor mir haben.«

Ich ließ seine Worte einen Augenblick nachklingen, bevor ich fortfuhr: »Warum willst du, dass sie Respekt vor dir haben?«

Mein Freund starrte mich an. »Warum ich mir Respekt wünsche? Es hat schließlich seinen Grund, dass ich ihr Vorgesetzter bin. Ich hoffe sehr, dass ich ihnen etwas beibringen oder bieten kann.«

»Dann lass uns diesen Faden doch mal weiterspinnen. Stell dir vor, es ist Zeit für dich, in den Ruhestand zu gehen, und deine Mitarbeiter versammeln sich zu einer Abschiedsfeier. Jeder erzählt, was er persönlich von dir gelernt hat. Was möchtest du denn da zu hören bekommen?«

Mein Freund dachte einen Augenblick nach: »Ich möchte hören, dass sie mir gegenüber ebenso loyal waren, wie ich es ihnen gegenüber war. Dass ich ein guter Mentor war und ihnen nicht nur im Beruf, sondern auch im Leben weitergeholfen habe.«

»Okay, und bitte fass meine nächste Frage nicht als Beleidigung auf«, sagte ich. »Denk daran, wie du mit dieser letzten Situation verfahren bist. Spiegelt das wider, wie du als Führungskraft wahrgenommen werden willst?«

Mein Freund starrte mich über den Tisch hinweg an: »Ich glaube nicht – ich habe die Kontrolle über mich verloren.«

»Es klingt, als hättest du so reagiert, weil du das Gefühl hattest, dass dein Mitarbeiter dich hintergangen hat.«

»In dem Augenblick, ja.«

»Und jetzt?«

»Ich weiß nicht. Vielleicht habe ich vorschnell geurteilt. Ich meine, ich habe ja nie richtig mit ihm darüber gesprochen.«

»Vielleicht ist es das, was dir jetzt so zu schaffen macht? Du hast dich von deiner ersten Gefühlsreaktion davon abhalten lassen, die Situation wirklich zu verstehen. Deshalb hast du eine Entscheidung getroffen, die höchstwahrscheinlich nicht mit deinen Werten in Einklang steht. Denn wenn ich dich richtig verstanden habe, möchtest du ein Mentor sein und einen positiven Einfluss auf die Arbeit und das Leben deiner Mitarbeiter ausüben.«

Mein Freund sagte einen Augenblick nichts und fragte dann: »Und was mache ich jetzt?«

»Was geschehen ist, ist geschehen. Ich weiß nicht, wie das in deinem Unternehmen so läuft. Aber vielleicht solltest du bei deinem CEO mit der Schadensbegrenzung beginnen«, schlug ich vor. »Und so schwierig das ist, wenn die Emotionen mit einem durchgehen: Denk in Zukunft daran, dass du immer die Wahl hast. Du kannst den Pausenknopf drücken, und wenn es auch nur fünf Minuten sind, um deine Gedanken zu ordnen und dich zu sammeln. Nutz diese Zeit, um dir klarzumachen, was dir wirklich wichtig ist. Frag dich einfach: Wofür willst du in Erinnerung bleiben? Und welche Worte wünscht du dir für deine Abschiedsfeier?«

»Ich vermute, darüber sollte ich nachdenken«, gestand mein Freund zerknirscht ein. »Es sieht jedenfalls so aus, als hätte ich einiges zu tun.« Ich nickte und hoffte, dass er sich diese Lektion zu Herzen nehmen würde.

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