Kitabı oku: «Ghostsitter», sayfa 3

Kapitel 6: Zoracz
Sieh an, sieh an. Der kleine Kollege von gegenüber und sein wortkarrrger Wildhund. Wie kann ich helfen?«
Zoracz war wie immer in Schwarz gekleidet. Da das Festgelände jeden Moment die Tore öffnen würde, trug er auch schon seinen glänzenden Zylinderhut und das riesige Cape, das er mit jeder Bewegung zum Aufbauschen animierte. Gerade hatte er die Kette abgehängt, die den Zugang versperrt hatte, und drehte nun das Schild hinter der Scheibe des kleinen Kassenhäuschens von ›Geschlossen‹ zu ›Geöffnet‹ um. All das tat er mit ausladenden, übertrieben schwungvollen Bewegungen. Sein sorgfältig getrimmter Spitzbart zusammen mit dem seltsam künstlichen Akzent machten es einem schwer, ihn wirklich ernst zu nehmen. Doch Tom hatte gute Gründe dafür, auf der Hut zu sein. Hinter der Fassade des aufgeblasenen, operettenhaften Schaustellers lauerte ein durchtriebener Fiesling mit undurchsichtigen Motiven und mysteriösen Kräften.
»Warum haben Sie einen Laserstrahl auf uns gerichtet?«, fragte Tom ganz direkt und bemühte sich, dem bohrenden Blick seines Gegenübers standzuhalten.
»Laserstrrr… Ach das, hahahaha!«, lachte Zoracz künstlich und winkte viel zu theatralisch ab. »Das ist nichts anderes als Konkurrrrrrenzbeobarrrrrchtung, mein Junge.«
»Konkurrenzbeobachtung …«, wiederholte Tom und runzelte die Stirn.
»Aber ja doch, sieh her: Der Laserstrrrrahl leuchtet von dorrrt oben auf dem Dach meines Spiegelkabinetts hinüber dirrrekt in eure Schrrreckensfahrt.«
»Sag uns etwas, was wir noch nicht wissen, Zoracz«, grollte Welf so barsch, dass Zoracz ein paar Zentimeter zurückwich.
»Nicht so angrrriffslustig, wenn ich bitten darf. Und falls Sie mal an einer Drogerie vorbeilaufen, genehmigen Sie sich doch einen Schluck voll Mundwasser. Ihre Umwelt wird es Ihnen danken«, gab Zoracz zurück.
Der traut sich was, dachte Tom bei sich, ließ sich aber nichts anmerken. »Also weiter, wir hören«, sagte er stattdessen laut und deutlich.
Zoracz warf in gespielter Entrüstung die Hände in die Luft: »Hach, die jugendliche Ungeduld! Selig ein Kind noch zu sein, und zudem noch ein so naives Kerlchen, aber sei’s drum. Jedes Mal, wenn ein zahlender Gast in einem eurer Wägelchen sitzt, durchtrrrennt er mit seinem Körper einmal kurz den Laserstrrrrahl. Dieses unsichtbare Ereignis wird elektronisch gezählt, und ich kann des Abends ganz genau sehen, wie viele zahlende Gäste ihr an diesem Tag begrüßen durrrftet. Voilà.«
Tom schaute zu Welf, der sah ebenso verwundert aus, wie er selbst sich fühlte. »Sie … zählen unsere Besucher? Aber wozu?«
Die Antwort von Zoracz überraschte Tom und Welf gleichermaßen: »Nun, ich wollte einfach wissen, wie die Verdienstaussichten sind«, schnarrte er. »Das würrrde wohl jeder ehrbare Geschäftsmann tun, wenn er, so wie ich, schon morgen Besitzer der Schrrreckensfahrrrt wäre.«
»B…«, blubberte es aus Tom heraus und für einen Moment dröhnte seine Birne, als hätte ihm ein Elefant eine Kopfnuss gerüsselt.
Welf war dafür umso schneller, denn sofort hatte er Zoracz am Kragen seines Fracks gepackt. Er zog ihn so nah zu sich heran, dass seine Schneidezähne nur Millimeter von Zoracz’ Nasenspitze entfernt waren.
»Du wirst Besitzer der Schreckensfahrt? Erzähl mir, wie du das anstellen willst …«, zischte der Werwolf, und seine blitzenden Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
Einen Windstoß und einen roten Wischer später jedoch war der Werwolf schon verschwunden, und Zoracz ordnete sich seelenruhig die Kleidung. Tom fuhr erschrocken herum und sah, wie sich Welf zwischen Spiegelkabinett und dem Wohnmobil von Zoracz mehrfach auf dem staubigen Boden überschlug. Ihm folgte mit weit greifenden Schritten Dada. Die katzenhafte Assistentin und Leibwächterin von Zoracz trug immer Rot. Tom hatte schon einmal einen Kampf zwischen Welf und Dada miterlebt. Die beiden hatten problemlos die gesamte holzgetäfelte Kanzlei seines Anwalts zerlegt. Sie hatten Stühle und Schränke aneinander zerschlagen und sich gegenseitig so heftig gegen die Wände geschmettert, dass man danach die Abdrücke im bröckelnden Putz sehen konnte.
Da sprang Welf auch schon wieder auf und blockte Dadas Fußtritt mit seinem Ellbogen ab. Gleichzeitig griff er ihr anderes Bein und riss es ruckartig in die Höhe.
Die Frau überschlug sich in der Luft und schaffte es tatsächlich während des Saltos, einen Hieb mit der linken Hand auszuteilen. Als sie überraschend sanft wieder auf beiden Beinen gelandet war, hielt sich Welf die Wange, auf der sich vier sichtbare Kratzspuren abzeichneten.
Dada ließ dem Werwolf jedoch keine Zeit, seine Wunden zu lecken und griff sofort wieder an. Welf wich blitzschnell zur Seite aus und gab ihr mit der flachen Hand einen so heftigen Stoß auf den Rücken mit, dass die Frau mehrere Meter weit flog. Mit einem lauten Krachen prallte sie gegen den Bretterzaun. Alle Schausteller bauten solche hohen Zäune als Sichtschutz um ihre Wohnwagen herum auf.
Fast sah es so aus, als würde sie eine Sekunde lang dort kleben bleiben wie eine Comicfigur, doch dann rutschte sie bewusstlos hinunter und zu Boden.
Was dann passierte, erstaunte Tom wohl genauso wie Zoracz. Welf eilte zu der Frau, um nachzusehen, ob sie denn schlimm verletzt war! Behutsam hob er ihren Kopf, prüfte Atem und Puls.
Tom und sein Widersacher tauschten irritierte Blicke aus. »Ähm … wissen Sie zufällig, ob die beiden sich näher …«, begann Tom verwundert, und Zoracz schüttelte den Kopf. »Nein, das wäre mir neu.«
»Nicht, dass zwischen denen etwas läuft … Ich fänd’s ja fast irgendwie nett, aber leider würde das alles gleichzeitig einfacher und komplizierter machen«, seufzte Tom.
»Da muss ich dir rrrecht geben, verehrter minderjähriger Widersacher«, antwortete Zoracz. »In der Tat. Wo ist denn da der Schutz für beide Parteien gewährt, wenn die jeweiligen Leibwächter einander betätscheln wie Rrrromeo und Jurrrlia!«
»Ich glaub, da ist kein R in Julia«, murmelte Tom.
»Sicher?«
»Sicher.«
»Scharrrde.«
Der Aufprall von Dadas hochhackigem Schuh auf Welfs Stirn klatschte laut und wenig betätschelnd über den Platz. Welf kippte um wie ein gefällter Baum. Doch noch während des Sturzes schien er wieder zu Bewusstsein zu kommen. Kaum hatte sein Rücken den Boden berührt, rollte er sich auch schon zur Seite und schlug Dada, die gerade aufgesprungen war, beide Beine unter dem Körper weg. Hart landete die Frau neben Welf und krallte sich sofort wild fauchend an seinem Hals fest.
»Hm, das wiederum sieht jetzt nicht direkt nach unsterblicher Liebe aus«, bemerkte Tom trocken.
»Ach, das kommt doch ganz darauf an, was man unter Liebe verrrsteht, mein Junge«, sprach Zoracz in onkelhaftem Tonfall. »Nicht umsonst sagt man frei nach Truffaut ›Sie küssten und sie schlugen sich‹.«
»Sagt man das?«
»Sagt man.«
»Aha.«
Es war abzusehen, dass keines der beiden schlagkräftigen Turteltäubchen demnächst die Oberhand gewinnen würde. Was Welf an Kraft und Schwung hatte, konterte Dada mit Schnelligkeit und trickreichen Finten.
Gerade hatte sie Welf über die Schulter geworfen, doch der war nach einem Überschlag wieder auf den Füßen gelandet und hob kampfbereit die Fäuste.
»Vielleicht könnten wir ja so lange wieder zum eigentlichen Thema zurückkommen?«, fragte Tom in Richtung von Zoracz, ohne dabei die beiden Kämpfer aus den Augen zu verlieren. »Ich bin nämlich eigentlich hierhergekommen, um Sie anzumaulen. Aber dann kamen Sie mit diesem Schwachsinn, dass Ihnen ab morgen die Schreckensfahrt gehört. Können wir an der Stelle wieder ansetzen?«
»Aber natürrrlich«, antwortete Zoracz. »Lass mich nur kurz das Zauntor schließen. Der Kampf der Titanen könnte auf unbedarrrfte Besucher doch ein wenig seltsam wirrrken. Dann können wir sehr gerrne unsere angeregte Unterhaltung weiterführerrrn.«
»Ich glaub, da sind nur zwei R in weiterführen, Zoracz.«
»Tatsächlich? Wie überaus bedauerlirrrch.«

Kapitel 7: Es wird wieder ernst
Zoracz zog das Brettertor zu, womit Welf und Dada nun ihren ganz privaten Boxring für sich hatten.
Just in dem Moment, als sich Zoracz abgewendet hatte, durchfuhr Tom abermals dieser seltsame Schauer. Er musste sich am Metallgeländer neben dem Kassenhäuschen festhalten, um nicht zuckend zusammenzuklappen.
Verdammt! Was ist denn los mit mir?, schimpfte Tom in sich hinein. Er versuchte, sich so schnell wie möglich wieder aufrecht hinzustellen, bevor Zoracz sich wieder zu ihm umdrehte.
Wie auf Befehl fuhren da auch die umliegenden Schausteller ihre Attraktionen hoch: Das Kinderkarussell startete mit einer Serie ziemlich nerviger Hupen und Tröten und mischte sich mit der dröhnenden Popmusik vom Autoscooter. So waren nur gelegentlich Geräusche des Kampfes hinter dem Bretterzaun zu vernehmen. Hie und da mal ein rumsender Aufschlag und ab und zu ein besonders hingebungsvoller Wutschrei, mehr nicht.
Zoracz setzte wieder sein übliches fieses Grinsen auf: »Also wo warrren wir stehengeblieben? Ach ja, rrrichtig: Ich werde ab morgen Besitzer der Schreckensfahrt sein, und dafür brauchen wir die Besitzurkunde. Wenn du also bitte so frrreundlich wärst und selbige aus deinem Wagen holen würrdest?«
»Einen feuchten Haufen werd’ ich holen, Zoracz.«, antwortete Tom ebenso wütend wie verwirrt. »Ach was, nicht mal den. Von mir kriegen Sie gar nix.«
»Oho, aha, soso!«, rief Zoracz und zog dazu drei besonders übertriebene Grimassen, die wohl eine Mischung aus Erstaunen und Amüsement ausdrücken sollten. »Ich denke aber sehr wohl, dass du genau das tun wirst, was ich sage, kleiner Mann! Denn vermisst du nicht vielleicht errrtwas, hm?«
Wie gerne hätte Tom in dem Moment die Superkräfte von Wombie dem Zombie gehabt. Er hätte Zoracz einfach dreißig Meter in die Luft geworfen und nur ganz vielleicht wieder aufgefangen.
Dieser Mistkäfer Zoracz hat Vlarad und die Autorin! Er hat es gerade zugegeben! Was mach ich jetzt?, telepathierte er zwischen zwei wutschnaubenden Gedanken in Richtung der anderen.
Weitersprechen, mein Junge, antwortete ihm die beruhigende Stimme von Hop-Tep. Du musst so viel herausfinden, wie du nur kannst.
Ich schau mich solange mal in seinem Spiegelkabinett um, Tom! Halt ihn noch ein bisschen hin!, sprach Mimi in seinem Kopf. Aber jetzt red wieder mit ihm, du wirkst sonst komisch!
Wenn’s nur das wäre. Das bin ich gewohnt …, antwortete Tom, suchte aber dann sofort wieder den Augenkontakt mit seinem Widersacher.
»Was glauben Sie denn, was ich vermisse?«, fragte er Zoracz lauernd, und der verfiel wieder in sein künstliches Lachen.
»Woahahaha! Das Bluffen musst du noch üben, kleiner Bub. Was glaubst du denn, was ich glaube, was du vermisst, hm?«
»Keine Ahnung, was glauben Sie denn, was ich glaube, was Sie glauben, was ich vermisse?«, gab Tom zurück und setzte nach: »Wir können das jetzt ewig so weitermachen, ich bin der ungeschlagene Meister im Immer-einmal-mehr-als-Du.«
Zoracz verzog das Gesicht, dann zuckte er mit den Achseln: »Was soll’s, kürzen wir das eben ab. Wenn du diese dreikäsehohe Starautorin wiederhaben und nicht wegen Entführung verklagt werden möchtest, dann geh los und hol die Urkunde.«
Also, hier drin im Spiegelkabinett kann ich auf die Schnelle nix Verdächtiges entdecken!, telepathierte ihm Mimi hektisch zu. Ich schau noch drüben in seinem Campingmobil nach.
Tom antwortete nicht, denn er wollte nichts von dem verpassen, was Zoracz ihm gerade erzählte. Alles und nichts konnte zu so einem Zeitpunkt wichtig sein.
»Ich würde dir ja auch deine Vampirpuppe wiedergeben«, erklärte sein Widersacher gerade in jovialem Tonfall, »aber auch die gehört ja dann sowieso mir. Du kannst sie dir dann natürlich so oft du willst anschauen. Ich gewähre dir und deinen Nachkommen freie Fahrt für jetzt und immerdar in meiner Schreckensfahrt, wuahaha!«
»Äh … Vampirpuppe?«, fragte Tom irritiert, und Zoracz nickte: »Ja doch, sie wurde mitteleportiert, weil die Dame wohl zu nah dran stand. Warum ist das so wichtig, willst du sie wiederhaben, bevor ich Anzeige erstatte?«
»Sie … Sie würden …«, stammelte Tom.
»Ich würde nicht, ich werrrrde, verrrdammtnocheins!«, legte Zoracz da plötzlich los und packte Tom am Kragen. »Du wirrrst jetzt sofort die Besitzurkunde holen, oder ich sorrrge dafür, dass es nicht nur bei einer Entführrrung bleibt, du kleiner, mieser Meckerzwerg!«
Tom bemerkte wie er selbst plötzlich ganz ruhig wurde. Die wachsende Verzweiflung und seine Panik wandelten sich um in eiskalte Wut und einen kaum zu bändigenden Tatendrang. Ganz leise und beherrscht wendete er sich an Zoracz, der immer noch seinen Kragen mit der Faust umklammert hielt: »Sie werden es nicht wagen, der armen Frau etwas anzutun, Zoracz. Stattdessen werden Sie mich jetzt sofort loslassen.«
»Ach so? Was wirrrst du denn sonst tun, du Zwockel?«, schnarrte Zoracz genüsslich. »Mich niederschlagen? Du kannst überrrrhaupt nichts tun. Du bist ein Kind.«
Da grinste Tom seinen Erzfeind sehr breit an: »Genau das bin ich, Zoracz. Und das hat auch Vorteile.«
Dann holte Tom tief Luft und brüllte so laut er konnte: »HILFE! WER SIND SIE? LASSEN SIE MICH LOS! ICH WILL ZU MEINER MAMA! WO IST MEINE MAMA! AAAAAHHHHHH!«
Sofort drehten sich mindestens ein Dutzend Köpfe auf dem Platz herum und schauten hinüber zum Spiegelkabinett. Aussteller, Budenbesitzer, Kinder und Eltern sahen einen Mann, der aussah, als hätte er sich als Stummfilm-Bösewicht verkleidet und einen vierzehnjährigen, um Hilfe schreienden Jungen am Kragen gepackt!
»Lassen Sie sofort das Kind los!«, rief da schon der erste aufgebrachte Vater und lief los, direkt auf Zoracz zu. Immer mehr wütende Leute kamen hinzu, und die Menge wurde größer und größer. Schnell hatte sich ein regelrechter Halbkreis um das Spiegelkabinett gebildet, der sich immer enger zuzog.
Zoracz war so geplättet von der neuen Sachlage, dass er völlig vergaß, Tom endlich loszulassen, um die Situation zu entschärfen. Das nützte dieser für eine weitere Schreiattacke: »LOSLASSEN! WAS WOLLEN SIE VON MIR? MAMA, HILF MIR! WARUM HILFT MIR NIEMAND!«
Tom erinnerte sich noch sehr gut an ein Selbstverteidigungstraining, das sie einmal in der Schule absolviert hatten. Damals war ihm das alles ein bisschen albern vorgekommen, und der Trainer hatte den Schülern gefühlte tausend Male das gleiche erklärt: »Wenn euch ein Erwachsener angreift, dann siezt ihn. Dann ist sofort klar, dass es sich um einen Fremden handelt und nicht etwa um euren Onkel, der euch heute mal ausnahmsweise von der Schule abholt.«
Alle hatten sie damals stöhnend die Augen verdreht, als der Typ es noch mal und noch mal und noch mal wiederholte. Aber genau deshalb hatte Tom sich eben sofort wieder an den Trainer erinnert – und er hatte ihnen noch etwas beigebracht …
Sekunden später lag Zoracz im Staub vor dem Spiegelkabinett und krümmte sich wie ein Regenwurm. Der Tritt, den Tom ihm versetzt hatte, war wohlplatziert gewesen, und Zoracz war nach einer ziemlich langen Schrecksekunde eingeknickt wie ein ausgeleierter Zollstock. Obwohl Tom den Selbstverteidigungstrainer damals so unglaublich nervig gefunden hatte – heute war er ihm mehr als dankbar dafür!
Während sein Widersacher noch auf der Suche nach dem jäh gestockten Atem war, rannte Tom bereits quer über den Platz davon, durch die verwunderten Menschen hindurch auf die Geisterbahn zu. »Danke! Vielen Dank! Ihr habt mich gerettet. Voll die Helden, alle, dankedanke!«, rief er dabei den Leuten zu.
Nur unterbewusst bemerkte Tom, dass es plötzlich ziemlich still war auf dem Platz. Anscheinend hatten die Schausteller alle ihre Attraktionen wieder heruntergefahren, als der Menschenauflauf sich gebildet hatte.
Was mach ich nur was mach ich nur was mach ich nur?, dachte Tom. Mehr aus einem Bauchgefühl heraus zeigte er irgendwo in Richtung der Schreckensfahrt und schrie so hocherfreut, dass sich die Stimme überschlug: »Da drüben ist ja meine Mama, in unserer Geisterbahn. Ich bin so froh, juchee! Also dann, auf Wiedersehen und danke noch mal!«
Tom! Vergiss es! Die gucken immer noch alle zu dir!, hörte er da plötzlich Mimi in seinem Kopf sprechen. Die sehen, dass da keine Mama ist!
Verdammt, dann tut doch irgendwas! Ich hab’s jetzt immerhin bis hierher geschafft, gab Tom gehetzt zurück. Lasst euch was einfallen!
Oh. Okay, antwortete Mimi und Tom wurde schlagartig klar, dass er gut daran getan hätte, sich selbst etwas einfallen zu lassen …

Kapitel 8: Ein saudummer Plan
Es knallte fürchterlich, und alle Menschen auf dem Platz zuckten entweder zusammen oder duckten sich oder schrien auf oder all das gleichzeitig beziehungsweise sehr knapp nacheinander in unterschiedlicher Reihenfolge.
Gleichzeitig war eine Stichflamme aus dem ersten Stock der Geisterbahn geschossen. Sie brannte nun großflächig weiter und war sogar noch auf Toms Entfernung von etwa zehn Metern erstaunlich heiß.
Das ist euer Plan?, rief er telepathisch, als er weiter auf die Schreckensfahrt zurannte. Ihr erschreckt mal wieder wen zu Tode?
Wart’s ab!, antwortete ihm Mimi. Tom hatte plötzlich das unbestimmte Gefühl, sein Tempo beschleunigen zu müssen, um seine Freunde noch irgendwie aufhalten zu können.
Aber die Leute denken doch, dass meine Mutter da in der brennenden Geisterbahn ist, um Gottes willen!, rief er gleichzeitig in Gedanken. Doch kaum hatte er den Satz zu Ende telepathiert, kam ihm aus der Einfahrt der Geisterbahn jemand entgegen.
»Alles gut, ich hab sie, Junge!«, rief Welf ihm zu. Auf seinen Armen trug er die bewusstlose Dada.
»Öh … M… Mama?«, presste Tom irgendwie hervor und tappte die Stufen hinauf. Er zögerte nur minimal, bevor er die ohnmächtige Frau in dem roten Lederkostüm und den hochhackigen Schuhen ein wenig ungelenk umarmte.
»Sag irgendwas, verdammt«, zischte ihm Welf aus nächster Nähe zu.
»Hurra, dir ist nichts passiert! Onkelchen hat dich gerettet! Ich freu mich ja so. Du sagst ja gar nix. Ach so, du bist müde. Na ja dann!«, rief Tom so laut, dass alle auf dem Platz es hoffentlich hören konnten.
»Es ist alles gut, mein Sohn!«, ertönte da plötzlich Mimis Stimme direkt hinter Welf. Der Werwolf hatte im gleichen Moment Dadas schlaff herunterhängenden Arm angestupst. In einem ausladenden Bogen landete die Hand an Toms Schulter, von wo sie natürlich gleich wieder herunterrutschte. Für die vielen Zuschauer musste das gewirkt haben, als sei der Griff von Toms ›Mutter‹ kraftlos von ihm abgeglitten. Aber immerhin hatte sie gesprochen und sich bewegt. So schlimm konnte es also nicht um sie bestellt sein.
»Ich lege sie in den Wagen aufs Bett, damit sie sich ausruhen kann, lieber Neffe!«, antwortete Welf mit bedeutsamem Blick und trug Dada in den Zirkuswagen. »Lösch du doch bitte eben das Feuer!«
»Du meinst dieses nur auf den ersten Blick recht groß wirkende Feuer dort oben von dem eigentlich völlig ungefährlichen Kurzschluss?«, rief Tom ihm noch überdeutlich hinterher.
»Ganz genau! Löschen«, bellte Welf förmlich zurück und verschwand mit Dada im Wagen.
Tom versuchte möglichst gar nicht zu den Leuten hinunterzusehen. Stattdessen griff er direkt in das Kassenhäuschen und zog den Feuerlöscher hervor, um die Gasflamme zu ›löschen‹. Nun galt es nur noch, heimlich mit der anderen Hand den Gashahn zu schließen. Damit konnte man die vermeintliche Feuersbrunst nämlich einfach abdrehen.
Tom hielt den kleinen Feuerlöscher in der Rechten und packte nun mit der Linken den Gashebel im Häuschen. Dann drückte er fest auf den Griff der roten Flasche, und ein kräftiger weißer Schaumstrahl schoss heraus. Sobald er diesen auf die Flammen gelenkt hatte, drehte er nach und nach das Gas ab. Schnell erstarb das Feuer im ersten Stock der Geisterbahn – und das, ohne irgendwelche Brandflecken zu hinterlassen.
Schon einmal hatte ihnen dieser künstliche ›Kurzschluss‹ geholfen. Toms Großonkel Heinrich hatte ihn genau für solche Momente installiert. Kaum etwas sorgte für bessere Ablenkung als ein ohrenbetäubender Knall und eine große Flamme.
»Alles okay, danke noch mal! Ich geh mal nach meiner Mama sehen!«, rief Tom der Menge zu und wollte nun einfach nur noch im Zirkuswagen verschwinden.
Als er die drei Stufen zur Tür hinaufgestiegen war, drehte er sich noch einmal um. Die Menge starrte ihn immer noch an.
Also winkte Tom den anderen Schaustellern quer über den Platz zu. »Ihr … Kollegen, ihr … könnt jetzt wieder alles einschalten …! Mir geht’s gut. Echt jetzt. Alles okay … gnn…WUWUWAWAH!«, rief er plötzlich. Ausgerechnet jetzt durchzuckte ihn wieder einer dieser unkontrollierbaren Schauer, als hätte ihn jemand mit tausend kleinen Schaschlikspießchen gepikst!
Die Blicke, die er auf seinen seltsamen Ausruf erntete, würden ihn wohl noch bis ins Grab verfolgen, so peinlich war Tom diese Situation gerade.
»Äh… WOWO WWAR doch gleich der Eingang ach ja da vor mir hurra tschau«, ratterte Tom herunter und verschwand dann endlich durch die Tür. Er knallte sie von innen zu und prüfte, ob alle Vorhänge zugezogen waren, um sich schließlich, endlich total erschöpft auf den Küchenstuhl sacken zu lassen.
»Wir haben keine Zeit zum Verschnaufen, Tom«, redete da Mimi aufgeregt auf ihn ein. »Irgendwer hat die Polizei verständigt, weil er wohl dachte, dass Zoracz dich entführen will.«
Gleichzeitig hörte auch Tom schon die Sirenen von zwei Streifenwagen über die wieder lauter werdende Geräuschkulisse des Jahrmarktes jaulen.
»Oh Mann, das ist doch mal verrückt, oder?«, stieß Tom zwischen zwei tiefen Atemzügen hervor. »Der Zoracz hat Tiffany Schuster und aus Versehen auch noch Vlarad entführt und wird jetzt gleich von der Polizei verhört wegen versuchter Entführung – von mir?«
»Sieht ganz danach aus, Junge …«, murmelte Welf und winkte die beiden an eines der Fenster. Durch den Spalt zwischen den Vorhängen sahen sie, dass zwei Polizisten aufgeregt mit ein paar Leuten sprachen. Die deuteten mal hierhin und mal dorthin, aber es wurde nicht so richtig klar, um was es ging. Dann rannten die beiden Polizisten in das Spiegelkabinett, und Tom hörte bis in den Wohnwagen das dröhnende BONG, als einer der Beamten gegen die erste von vielen weiteren Scheiben prallte.
»Zoracz scheint tatsächlich ins Spiegelkabinett geflüchtet zu sein …«, sprach Tom mit matter Stimme und sank zurück auf den Küchenstuhl. »Mimi, bitte sei so nett und sieh mal nach, was da los ist.«
»Aye, aye, Sir«, antwortete Mimi und glitt direkt durch die Wand hinaus ins Freie.
»Okay, was kommt als Nächstes …«, murmelte Tom zu sich. »Ach ja, stimmt, meine ›Mama‹. Ich brech zusammmpf…«
»Eine falsche Bewegung, Hündchen, und ich dreh deinem Welpen den Kopf auf den Rücken«, zischte Dada und hielt dabei Toms Kopf und den schmerzhaft verdrehten Arm fest, als wären ihre Hände aus Stahl gegossen.
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