Kitabı oku: «Drachengabe - Diesig», sayfa 4

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Akinnas Miene verfinsterte sich. Hatte ihr Begleiter etwa recht mit dem, was er sagte? Eines war sicher, er besaß in dieser Sache mehr Erfahrung als sie. Wahrscheinlich sogar mehr Erfahrung als sonst irgendein Mensch. Und das bekräftigte seine Bedenken.

„Vielleicht hast du recht“, gestand sie ihm schließlich zu. „Aber vielleicht haben wir auch Glück und das Haus liegt außerhalb des Waldes. Wir sollten uns morgen erst einmal einen Überblick verschaffen, bevor wir uns den Kopf über mögliche Gefahren zerbrechen, denen wir dann doch nicht ausgesetzt sind.“

Sie setzten ihren Marsch, tief grübelnd über das, was sie am nächsten Tag wohl erwarten würde, fort.

Kurz bevor sie den hohlen Baum erreicht hatten, löste bei Dantra ein neuer, ganz anderer Gedanke den alten ab. „Hast du mit Nomos eigentlich über Inius geredet?“

Akinna blieb stehen, ließ ihren Kopf hängen und ein resignierendes Seufzen hören. „Das ist heute nicht mein Tag“, bedauerte sie sich selbst.

„Ich wusste gar nicht, dass es so was auch bei Elben gibt“, erwiderte Dantra mehr amüsiert als verwundert. Ein erneuter mitleiderregender Seufzer ließ Dantras gute Laune sofort zur angebrachten Ernsthaftigkeit übergehen. „Warum?“, fragte er vorsichtig.

Sie sah zu ihm auf und sagte mit matter Stimme: „Ich habe vergessen, ihn danach zu fragen.“ Dantra sah sie so verdattert an, dass sie umgehend anfing, sich zu rechtfertigen. „Tja, ein Teil von mir ist halt auch nur ein Mensch. Und Menschen versagen nun mal von Zeit zu Zeit.“

„Und was machen wir jetzt mit ihm?“, fragte Dantra, ohne weiter auf das ungewöhnliche Eingeständnis ihrer menschlichen Seite einzugehen.

„Ich weiß es nicht“, offenbarte sie ihm und auch sich selbst. „Ich kann erst in zwei Tagen wieder mit Nomos reden. Dann hat er sein neues Versteck erreicht. Er meinte, bis dahin wäre es zu gefährlich, nochmals Kontakt aufzunehmen.“

„Inius muss also noch zwei Tage in dem Baum gefesselt bleiben?“ Dantra konnte sich kaum vorstellen, wie groß schon jetzt seine Schmerzen sein mussten. Die Fesseln und seine Körperhaltung, in der sie ihn heute früh zurückgelassen hatten, boten ihm kaum Möglichkeiten, sich zu bewegen. Und das sollte er noch zweimal über sich ergehen lassen?

„Das können wir nicht machen“, stellte er entrüstet fest. „Seine Hand- und Fußgelenke sind sicher schon von dem einen Tag wund gescheuert. Noch zwei weitere kämen einer Folter gleich.“

„Mag sein“, entgegnete sie ihm nüchtern. Und während sie ihren Weg fortsetzte, fügte sie hinzu: „Entweder das oder ich muss ihn töten.“

Sie hatten den Baum nun fast erreicht. Dantra hatte unaufhörlich auf sie eingeredet und sie beschworen, eine dritte Möglichkeit zu finden. Sie aber war nicht weniger ratlos als er. Und es ärgerte sie, dass er nicht selbst nach einer Lösung suchte, die sein Gewissen nicht belastete, sondern ununterbrochen von ihr die humanitäre Antwort auf diese Frage erwartete.

„Hör zu“, schimpfte sie nun ungehalten los, „ich weiß jetzt, dass dir die zwei einzigen Problemlösungen nicht gefallen. Aber dein Genörgel bringt uns nicht einen Flusenläuferschritt weiter. Also schweig endlich und sieh der Tatsache ins Auge.“ Sie wollte sich gerade bücken, um unter dem Dornenbusch zur Öffnung des Baumes zu kriechen, als Dantra ihr den Weg versperrte.

„Folter und Mord sind nicht die Bedingungen, denen ich zugestimmt habe, als ich sagte, dass ich bei dieser Mission dabei bin“, erläuterte er mit entschlossener Stimme. „Wir werden uns also hinsetzen und über das Problem und eine vernünftige Lösung nachdenken, bevor wir alles Mitleid ausblenden und Inius etwas ...“ Er stockte.

Akinna, die sich kurz entnervt von ihm weggedreht hatte, schaute ihn nun auf eine Weise an, die seine Befürchtungen ob dessen, was er fühlte und ahnte, bestätigte. Eine kalte, rasiermesserscharfe Klinge wurde ihm von hinten an die Kehle gehalten. Und das Ärmelende der haltenden Hand gehörte ohne Zweifel zu einer Zerrockuniform.

*

Kapitel 3

„Wo ist er?“

Dantra schauderte. Das Messer an seiner Kehle war Angst einflößend, ja, schon fast Panik heraufbeschwörend. Diese Stimme aber, so bedrängend und unmittelbar, war weitaus schlimmer als die scharfe, todbringende Klinge. So dicht hinter ihm nahm sie ihm jede Hoffnung auf Flucht oder Rettung durch Akinna. Was sollte sie tun? Durch ihn hindurch schießen? Selbst eine Elbin war zu so etwas nicht fähig. Und er selbst? Den Angreifer mit seiner magischen Kraft nach hinten zu schleudern, käme einem Selbstmord gleich. Unweigerlich würde das Messer den angesetzten Schnitt vollziehen. Er konnte vielleicht zeitgleich etwas Kraft auf die Klinge wirken lassen. Aber wie viel?

„Nun sag schon, Miststück“, fuhr die raue Stimme fort und erst jetzt bemerkte Dantra, dass er diese gar nicht kannte. „Wo ist Inius?“, brüllte sie Akinna an.

Während seine Gefährtin versuchte, die Situation richtig einzuschätzen, hatte Dantra Schwierigkeiten, das Geschehen in seinem Kopf zu ordnen. Der Mann musste aus dem hohlen Baum gekommen sein. Anders hätte er sich nicht, von Akinna unbemerkt, an ihn heranschleichen können. Aber im Baum selbst lag Inius gefesselt und selbst bei dem dürftigen Licht dort drin gut sichtbar. Also, was sollte das alles hier?

„Verflucht“, brüllte der Zerrock Dantra ins Ohr, dass es ihn schmerzte. „Rede endlich oder sein Blut wird dich für dein Schweigen strafen. Wo ist der Verräter? Wo ist ...“ Die letzten Worte versanken in einem Röcheln und dem verzweifelten Versuch, die Lunge mit Luft anstatt mit Blut zu füllen.

Danach ging alles zu schnell für Dantra. Er hörte ein Rascheln aus dem Baum schräg über ihm und erhaschte noch einen kurzen Blick auf einen weiteren Zerrock, ausgerüstet mit Pfeil und Bogen. Auch hinter Akinna raschelte etwas. Zeitgleich löste sich der feste Griff an Dantras Kragen und die Messer haltende Hand fiel schlaff von ihm ab. In diesem Moment wurde er nach vorn gestoßen und fiel unsanft zu Boden. Noch im Fallen hörte er das ihm so unangenehm vertraute Geräusch, wenn Bogensehnen sich entspannten und Pfeilspitzen summend die Luft auf ihrem Weg zu töten teilten.

Flach auf dem Boden liegend, drehte er sich um. Akinna stand direkt über ihm. Kampfbereit und die Lage beherrschend. Der dumpfe Aufprall keine drei Schritt neben ihm ließ den Bogenschützen, den er kurz zuvor oben im Baum gesehen hatte, wieder auftauchen. Wie eine vom Himmel geschossene Wachtel lag er da. Seltsam gekrümmt, blutend, tot. Fast derselbe Anblick bot sich Dantra, als er an Akinna vorbeischaute. Sie hatte einen weiteren Zerrock, wohl töricht genug, Akinna mit dem Schwert anzugreifen, niedergestreckt, bevor er sie auch nur annähernd hätte attackieren können.

Dantra sah über seine Füße hinweg zu dem Zerrock, der ihn zuvor mit einem wahrscheinlich bis zur Perfektion gelernten Schnitt entlang der Kehle bedroht hatte. Er stand noch. Seine Uniform war jedoch durchtränkt mit seinem eigenen Blut, das ihm schwallweise aus dem Hals suppte, und ein Pfeil, der den Federn nach aus seinen eigenen Reihen abgeschossen worden war, steckte in seiner Brust. Wie ein bis zur Naht gefüllter Getreidesack fiel er zu Boden, als der Griff, der ihm gerade noch Halt gegeben hatte, sich löste.

Hinter ihm stand Inius. In seiner rechten Hand hielt er ein blutverschmiertes Messer. Sein Blick haftete auf Akinna. Sie hatte bereits einen neuen Pfeil aufgelegt, gespannt und zielte auf ihn. Ganz langsam legte er den linken Zeigefinger auf den Mund, um ihr zu verdeutlichen, dass sie die aufgekommene Stille wahren möge. Danach zeigte er auf sein Ohr und tat so, als würde er angestrengt lauschen.

Was für Dantra bloße Stille war und für Inius sicher auch nicht mehr, reichte für Akinna, um ihr Ziel ausfindig zu machen. Sie drehte sich ein Stück Richtung Dron und überließ den Rest der Arbeit ihrem Pfeil. Als dieser in eine kleine Fichtenansammlung, die gute drei Baumlängen von ihnen entfernt stand, eintauchte, vermittelte ein kurzes, leises Stöhnen die Gewissheit, dass gerade ein weiterer Mensch sein Leben ließ. Noch bevor das Knacken und Rascheln des fallenden Körpers verhallt war, traf Inius’ Blick erneut den drohenden Akinnas. Und wieder starrte er auf eine auf ihn gerichtete Pfeilspitze. Er ließ das rot triefende Messer fallen und hielt beide Hände offen vor sich. Nur ein Zucken Akinnas trennte ihn davon, ein weiterer Toter in einer Zerrockuniform zu sein. Diese Gewissheit ließ seiner gespielten Selbstsicherheit keine Chance. Er hatte Angst.

„Ich habe euch nicht verraten“, erklärte Inius fast flüsternd. „Ich habe euch gerettet.“ Seine gekrümmte, unterwürfige Körperhaltung entspannte sich etwas, als er ihr sein selbstloses Handeln darlegte. Was allerdings nur von kurzer Dauer war, denn Akinnas Antwort barg nicht viel Anerkennung.

„Wir waren zu keinem Zeitpunkt in Gefahr!“, raunte sie ihm zu. „Erst dein Eingreifen hat dieses Blutbad verursacht.“ Dantra, der sich wieder aufgerappelt hatte, räusperte sich. „Willst du etwas sagen?“, fuhr sie ihn an, ohne dafür den Blick von Inius zu nehmen.

„Na ja“, begann er seine Darlegung, „ich weiß auch nicht so recht, was ich davon halten soll, dass er sich“, Dantra deutete mit einem Kopfnicken auf den für einen Zerrock ungewohnt hilflos aussehenden Inius, „von seinen Fesseln befreit hat. Aber in zwei Dingen bin ich mir sicher. Mich hat er wirklich gerettet und die Zerrocks hättest du ohnehin nicht leben lassen.“

„Was diese verfluchten Zerrocks angeht, hast du wohl recht“, pflichtete sie ihm mürrisch bei. „Aber dein Leben hat er nicht gerettet. Ich habe in deinen Augen gesehen, dass du dir schon einen Plan zurechtgelegt hattest, wie du dich mithilfe deiner“, Akinna stockte kurz und ließ beim Beenden des Satzes ganz bewusst das Wort magisch weg, „besonderen Kraft befreien kannst.“

Das gab Dantra Hoffnung. Wenn es keine Chance mehr gäbe, Inius mit dem einen oder anderen Argument vor dem Tode zu retten, hätte Akinna sicher keine Bedenken, offen über seine magischen Kräfte zu reden.

„Aber er hätte doch gar nicht aus dem Baum kommen müssen“, versuchte Dantra, sie zu überzeugen. „Er hätte auch in seinem Versteck warten können, bis sie uns oder wir sie umgebracht hätten. Wie es auch immer ausgegangen wäre, weder sie noch wir wären hiergeblieben. Er hätte sich also nur ruhig verhalten müssen und wäre ohne Risiko aus dieser bedrohlichen Lage herausgekommen.“

Für einen Moment sagte niemand etwas. Doch Dantra meinte, erkennen zu können, dass Akinna kaum merklich, aber dennoch etwas Spannung vom Bogen nahm.

„Woher wusstest du, dass es noch einen weiteren Zerrock gab, der uns beobachtete?“, fragte sie Inius streng.

„Das ist ein Suchtrupp. Er besteht immer aus vier Mann. Einem Anführer, zwei Suchern und einem Beobachter. Letzterer ist nur dafür zuständig, Bericht zu erstatten, wenn etwas schiefgegangen ist. Er befindet sich nicht nur während eines Hinterhalts in sicherer Entfernung, sondern stets, solange die Mission dauert. Aber mir war klar, um hier etwas von den Geschehnissen sehen zu können, musste er nahe genug herankommen, sodass du ihn hören kannst, wenn er sich auch nur einen Hauch bewegt.“

„Wieso haben sie dich nicht in dem Baum gefunden?“, fuhr sie mit ihrem Verhör fort.

„Ich habe sie kommen gehört und bin in den gleichen Ast gekrochen, in dem ich mich schon versteckt hatte, als ihr gestern kamt.“

„Und sie haben dich nicht gefunden? Sie haben nicht in den Ästen nachgesehen?“

„Nun, das hätten sie sicher noch. Aber ihr habt sie mit eurem Erscheinen abgelenkt.“

Akinnas Blick verriet ihre Gedanken. Sie schätzte den Wahrheitsgehalt seiner Worte ab. Doch sichtliche Zufriedenheit folgte nicht. „Wie haben sie dieses Versteck überhaupt finden können?“

„Die Frage ist nicht, wie sie es finden konnten, sondern warum sie so lange gebraucht haben, bis sie hier waren.“ Ein Hauch Stolz auf die Fähigkeiten seiner Zunft gesellte sich zu seiner nach einem Ausweg suchenden Miene. „Es gibt Karten, auf denen Verstecke wie dieses verzeichnet sind. Nur weil in ihnen keine Fledermäuse leben, heißt es nicht, dass diese sie nicht schon längst ausgespäht und als möglichen Unterschlupf für Gesuchte dem nächsten Orator gemeldet haben.“

„Du meinst, Zerrocktrupps wie dieser durchsuchen sämtliche Verstecke in der Gegend?“ Dantras geschockte Stimme verdeutlichte seine Sorge.

„Ich denke schon“, antwortete Inius ihm.

„Dann müssen wir hier weg“, drängte Dantra Akinna. „Und zwar so schnell wie möglich.“

Diese jedoch ließ sich in Bezug auf ihr Misstrauen gegenüber Inius nicht beirren. „Noch eine letzte Frage, bevor ich mich entscheide, was mit dir geschieht“, sagte sie mit einem solch drohenden Unterton, dass den beiden anderen klar war, was sie bisher gehört hatte, konnte sie noch nicht überzeugen, Inius am Leben zu lassen. „Wie konntest du dich von den Fesseln befreien?“

Inius sah von ihr zu Dantra, der ihn nicht weniger fragend ansah, und wieder zurück. Es schien, als hätte Akinna die einzige Frage gestellt, die er nicht beantworten konnte. Sie spannte ihren Bogen bereits wieder voll durch, als er sich mit Bedacht umdrehte und seine Hände so auf dem Rücken übereinanderlegte, wie Akinna es von ihm am Morgen verlangt hatte, um ihn zu fesseln. Kaum sichtbar rieb er die eine Hand an der anderen. Danach drehte er sich wieder um und hielt Akinna seinen rechten Arm hin. An seinem Zeigefinger trug er einen wuchtig wirkenden Ring. Das Emblem der Zerrocks war darauf abgebildet, ein in einer Rüstung steckender Mann, der Feuer spie. Unter dem Wappen lugte eine kleine, sichelförmige Klinge hervor.

„Du weißt schon eine Menge über uns Zerrocks“, sagte er lobend zu Akinna, „aber doch bei Weitem nicht alles. Wenn du mich am Leben lässt, könnte ich dir sicher noch das eine oder andere Nützliche verraten.“ Erwartungsvoll sah er sie an. Doch sie zögerte weiterhin.

„Was willst du denn noch hören, um dich endlich milde stimmen zu lassen?“, fuhr Dantra sie scharf an.

Zu seiner Verwunderung drehte sie ihren Kopf zu ihm und sah ihm in die Augen, allerdings ohne etwas zu sagen. Dabei drehte sich ihr Oberkörper so weit mit, dass sie nun knapp an Inius vorbeizielte. Mit einem schnellen Schritt hätte er sie vielleicht entwaffnen können, aber er tat es nicht.

„Vertrauen muss man sich verdienen“, sagte Akinna schließlich. „Worte gehen einem leicht über die Lippen. Ob sie nun der Wahrheit entsprechen oder nicht. Taten hingegen verraten einem mehr über geplante Absichten. Wenn er“, mit einer kurzen Kopfbewegung deutete sie auf Inius, ohne ihn anzusehen, „uns schaden wollte, hätte er diese gerade gebotene Chance, mich zu überwältigen, nicht verstreichen lassen. Vor allem, weil er nicht wissen konnte, dass dies eine Prüfung war. Es hätte genauso gut sein können, dass ich dir nur mein Bedauern darüber ausdrücken wollte, dass ich ihn töten müsse. Dennoch tat er es nicht.“ Mit dem letzten Satz schaute Akinna Inius wieder bohrend an, verharrte kurz und senkte dann den Pfeil. „Das bedeutet aber nicht, dass ich dir ab jetzt vorbehaltlos vertraue, verstanden?“

Inius nickte. „Verstanden.“

Dantra atmete erleichtert auf. „Und jetzt?“, fragte er in die Runde. „Wer weiß, ob nicht schon der nächste Trupp hierher unterwegs ist.“

„Das denke ich nicht“, entgegnete ihm Inius. „Aber wir sollten zusehen, dass wir die Leichen verschwinden lassen.“

„Warum? Das kostet nur Zeit und die haben wir nicht. Wir müssen zusehen, dass wir weiterkommen.“ Akinnas Einwand klang mehr nach einem Befehl und weniger nach einem Argument für eine Diskussion.

„Jeder Suchtrupp bekommt ein bestimmtes Gebiet zum Kontrollieren zugeteilt. Daher wird hier so schnell kein zweiter Trupp auftauchen“, erklärte Inius Dantra und wandte sich dann Akinnas Einwand zu. „Jedoch gibt es einen Drachen, der aus extremer Höhe bestimmte Menschen, ob tot oder verletzt, finden kann. Dieser überfliegt regelmäßig das gesamte Suchgebiet. Wenn wir die Leichen also verschwinden lassen, haben wir gute Chancen, nochmals hier übernachten zu können. Außer natürlich du kennst ein Versteck, das man in kürzester Zeit erreichen kann, denn es dauert nicht mehr lang und die Dämmerung bricht herein.“

„Aber gerade die knappe Zeit lässt es nicht zu, dass wir vier Gräber ausheben“, entgegnete ihm Akinna vorwurfsvoll.

„Ich weiß, dass das knapp wird, aber ich denke, eine andere Möglichkeit, als es zu versuchen, bleibt uns nicht.“

„Ich habe vielleicht eine Idee“, warf Dantra nachdenklich ein. Akinna und Inius sahen ihn überrascht an, was ihn ein wenig ärgerte, denn sie verliehen ihm so das Gefühl, als wäre er ein kleines Kind, das sie unter keinen Umständen aus dieser prekären Lage zu befreien vermochte. „Wir könnten sie dort hineinwerfen“, sagte Dantra schließlich und deutete auf die schwarze Waldwand. „Ich bin mir zwar nicht sicher, aber ich denke, die Kreaturen, die dort drin leben, nehmen sich unseres Problems an.“

„Woher weißt du, was für Kreaturen in dem schwarzen Baumwald leben?“, fragte Inius skeptisch.

„Ich war schon einmal darin und habe schmerzliche Erfahrungen mit ihnen gemacht.“

„Du warst da drin und bist wieder herausgekommen?“ Der Ton, in dem Inius die Frage stellte, erinnerte Dantra stark Akinna, wenn sie ihm wieder einmal nicht glaubte.

Diese jedoch schlug nun, zu seiner Verwunderung, einen ganz anderen an. „Willst du ihm unterstellen, dass er lügt?“, fauchte sie Inius an.

„Nein, natürlich nicht“, versuchte er, sie zu beruhigen. „Ich habe nur noch nie davon gehört, dass jemand dort reinging und heil wieder herauskam. Aber dennoch steht es mir natürlich nicht zu, an seinem Wort zu zweifeln.“ Und an Dantra gewandt sagte er: „Entschuldige, bitte.“

„Schon gut“, meinte Dantra und winkte beschwichtigend ab. „Es ist ja auch schwer zu glauben und ohne fremde Hilfe wäre ich sicher ebenfalls gestorben. Aber was meint ihr zu meinem Vorschlag? Sollen wir es versuchen?“

„Wenn es funktioniert, erhöht es unsere Chancen, im Verborgenen zu bleiben, ganz erheblich“, beurteilte Akinna seinen Einfall. „Also lasst es uns ausprobieren.“

Inius nahm den ihm am nächsten liegenden toten Zerrock bei den Armen, während sich Dantra die Beine griff. Sie schleppten den schweren, leblosen Körper zum schwarzen Baumwald und warfen ihn hinein, wobei sie sehr darauf bedacht waren, nicht selbst in den dunklen Schatten zu geraten. Sie spähten ins Trübe, wo sie allerdings nur noch schemenhaft die Leiche des Zerrocks erkennen konnten.

Doch das erhoffte Resultat blieb aus. Nichts tat sich. Nicht einen kleinen schwarzen Vogel schien es zu kümmern, dass sie den Mann dort hineingeworfen hatten. Nichts passierte, was darauf hindeutete, dass der Leichnam in Kürze verschwinden würde.

„Ich befürchte, sie fressen nur lebende Menschen“, sagte Dantra enttäuscht zu Akinna, als sie zurückkamen.

„Aber vielleicht haben wir Glück und der Drache kann sie trotzdem nicht finden, wenn sie dort drin liegen“, überlegte Akinna laut.

„Mag sein“, pflichtete Inius ihr bei. „Aber er wittert in jedem Fall das Blut hier.“ Er deutete auf die rot getränkte Erde, auf der der Anführer des Suchtrupps mit seinem Gesicht lag, aus dessen durchschnittener Kehle immer noch Blut quoll.

„Ich kümmere mich darum“, sagte Akinna, „nehmt erst die anderen. Sie haben aus ihren Pfeilwunden fast kein Blut verloren. Und das bisschen, was herauskam, hat genau wie bei dem, den ihr gerade weggebracht habt, die Kleidung aufgesaugt.“

Dantra und Inius hievten den nächsten Mann hoch und trugen auch ihn zum schwarzen Baumwald hinüber. Bevor sie ihn hineinwarfen, legten sie ihn, um Kräfte zu sammeln, erst noch einmal ab. Während Inius unter leisem Stöhnen seinen Rücken durchdrückte, versuchte Dantra, im Schatten etwas zu erkennen.

„Sind wir nicht an derselben Stelle, an der wir gerade den anderen entsorgt haben?“

„Exakt an derselben Stelle“, bestätigte ihm Inius.

„Nun, dann hat es wohl doch funktioniert.“ Dantras Erleichterung war nicht zu überhören.

„Stimmt“, pflichtete ihm Inius bei, nachdem auch er angestrengt das Dunkel mit seinen Augen abgesucht hatte und nichts mehr von der Leiche zu sehen war.

Sie warfen den zweiten Mann hinein und warteten erneut ab. Aber wieder passierte nichts.

„Ziemlich scheu, die Viecher, was?“, stellte Inius fest.

„Nun, den Eindruck hätte ich auch gerne gehabt, als ich seinerzeit dort drin war. Aber bei mir hatten sie nicht so viele Hemmungen, sich zu zeigen. Ganz im Gegenteil.“

„Es klappt doch“, verkündete Dantra Akinna stolz. „Die erste Leiche ist bereits verschwunden.“

„Das macht deine gute Idee zu einer sehr guten Idee“, lobte sie ihn. Sie tat das zwar nur beiläufig, da sie mit dem Verbinden der tödlichen Verletzung des Zerrocks beschäftigt war, aber dennoch freute es Dantra außerordentlich und machte ihn stolz. Sein daraus resultierendes breites Grinsen in Richtung Inius, der diesem mit einem spöttischen „Na, hast du von Mutti ein Lob bekommen?“-Blick begegnete, war ihm genauso außerordentlich peinlich. Und das verhasste Gefühl der aufsteigenden Schamesröte ließ den gerade erlebten Triumph zusammenschrumpfen.

Mit gesenktem Kopf schlurfte er Inius hinterher bis zu der Stelle, wo Akinnas Pfeil dem Beobachter den Tod gebracht hatte. Von hier aus bis zum schwarzen Baumwald war es zwar auch nicht viel weiter zu laufen, jedoch wurde sich Dantra seiner schwindenden Kräfte mit jedem Schritt, den er die Last bewegen musste, mehr gewahr. Am Ziel legten sie den Zerrock wieder zuerst ab und dieses Mal musste auch Dantra seinen schmerzenden Rücken durchdrücken und seinen Lungenrufen nach mehr Luft nachkommen.

Ein leises Knacken lenkte seine Aufmerksamkeit zurück zu dem Leichnam. Im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern hatte Akinna aus diesem hier den Pfeil noch nicht herausgezogen. Inius hielt diesen nun knapp unterhalb der Spitze in der Hand. Er sah sich die in seinen Händen liegende, verrostet aussehende und mit Blut überzogene Metallspitze genauer an.

„Ich denke, den nehme ich mal lieber“, sagte Dantra leise, aber sehr bestimmt.

Inius sah ihn zögernd an. Es schien ihm nicht zu behagen, dass ihm ein gerade mal heranwachsender Mann, der ihm zudem seiner Ansicht nach in allem unterlegen war, einen Befehl erteilte, so freundlich dieser auch formuliert war. „Ich kann ihr den Pfeil doch selbst zurückgeben“, sagte er seinerseits freundlich. Wobei seine Augen Dantra allerdings schon fast anschrien: „Wag es nicht, mir zu widersprechen!“

Es breitete sich eine kurze Stille zwischen ihnen aus, in der beide den nächsten, richtigen Schritt bedachten.

Dann sagte Dantra, und man hörte in seiner Stimme, dass er das Wissen in sich trug, dem Zerrock zwar so ziemlich in allem unterlegen zu sein, ihn aber dennoch jederzeit besiegen zu können: „Jetzt sofort!“ Dabei hielt er ihm die ausgestreckte Hand entgegen.

Inius’ Gesicht sprach Bände. Er würde noch lange brauchen, um ohne unterdrückten Zorn dem Wort eines anderen Folge leisten zu können, der keine Zerrockuniform mit einem höheren Rangabzeichen als seinem eigenen trug. So legte er widerwillig den Pfeil in Dantras Hand, der diese Handlung nur mit einem „Gute Entscheidung“ kommentierte und zu Akinna hinübersah.

Sie stand noch immer an der Stelle, an der sich der letzte Tote befand, und wie vermutet hatte sie bereits einen Pfeil aufgelegt und zielte damit auf Inius. „Sie kann das Knacken des Herausziehens über gute drei Elbenlängen hören“, sagte er zu dem erbleichten Mann, der seinerseits ebenfalls zu Akinna hinübersah. „Du weißt doch sicher, was eine Elbenlänge ist, oder?“, setzte Dantra nach, nur um sicherzugehen, dass der ehemals ranghohe Zerrock, der ihm gegenüberstand, begriff, dass es sehr wohl Dinge gab, über die Dantra besser Bescheid wusste als er.

Und um dem Ganzen noch einen würdigen Abschluss zu verleihen, bemerkte Dantra, nachdem sie die Leiche ihrem Bestimmungsort zugeführt hatten: „Das einzig Gute daran, wenn du dich gerade anders entschieden hättest“, er setzte wieder ein breites Grinsen auf, dieses Mal aus Überlegenheit, „wäre gewesen, dass ich dich nicht so weit hätte schleppen müssen, um deinen toten Körper verschwinden zu lassen.“

Kurz darauf war auch der letzte Tote im schwarzen Baumwald entsorgt. Akinna hatte sämtliches Blut mit Erde abgedeckt und diese festgestampft. Nun saßen die drei, wie schon am Abend vorher, im Inneren des hohlen Baumes um das schwache Licht des Lumenkristalls herum.

„Nun erklär mir das mit dem Drachen und dem Wittern des Blutes noch einmal ganz genau“, forderte Akinna Inius auf.

„Was soll ich da erklären?“, überlegte er laut vor sich hin.

„Na, alles!“ Akinnas Geduld war äußerst knapp bemessen. „Wie heißt der Drache? Ist das seine Gabe? Kann er sonst noch was? Woher weiß er, welches Blut zu wem gehört? Sag einfach alles, was dir dazu einfällt.“

„Nun lass ihn doch wenigstens mal überlegen“, forderte Dantra sie beschwichtigend auf, was Akinna aber nur mit einem Zungenschnalzen abtat.

Inius stockte einen Moment und sah von einem zum anderen, als wartete er darauf, dass sie sich weiterhin stritten. Als dies allerdings ausblieb, begann er mit seiner Erläuterung. „Sein Name ist Sagium. Und ja, es ist seine Gabe.“

Akinna griff in ihren Umhang und holte eine Pergamentrolle heraus, von der Dantra glaubte, auch wenn er sie damals wie heute nur von hinten sah, sie zu kennen. Ein kurzer Blick genügte und Akinnas Gesicht hellte sich auf. Vielleicht wirkte sogar noch etwas glückseliger als vor einigen Tagen, als sie auf die Balaena zwei gegangen waren und sie ihre alten, liebgewonnenen Freunde wiedergetroffen hatte. Hektisch zog sie ein sehr kleines Tintenfass aus einer anderen Falte ihres Umhangs und eine zwischen zwei Baumrinden eingebundene Schreibfeder. Eine Notiz später waren all die Sachen wieder verstaut und sie pustete vorsichtig das frisch Geschriebene trocken.

„Fahr fort“, befahl sie dem Zerrock, ohne ihn dabei anzusehen und auch ohne den kleinsten Rest des zuvor aufgekommenen Frohsinns.

„Soweit ich weiß, ist das alles, was er kann. Also, neben dem, was jeder Drache kann wie fliegen, Feuer spucken und jedes in Umbrarus vorkommende Lebewesen töten.“ Ein Rest Stolz auf seine Herren konnte und wollte er wohl nicht verbergen. Ganz so, als hätte er ihre unmenschliche Kampfkraft noch immer auf seiner Seite, ignorierte er Akinnas ungeduldige Blicke und setzte sich erst einmal in Ruhe bequemer hin, bevor er fortfuhr. „Von jedem Zerrock existiert eine Blutprobe in Form eines kleinen, blutgetränkten Stück Stoffes, welches in Steppenstockbaumblätter eingeschlagen im ewigen Eis aufbewahrt wird. Vor jedem ...“

„Was meinst du mit dem ewigen Eis? Wo werden diese Blutproben genau aufbewahrt?“, unterbrach ihn Akinna.

„Über solche geheimen Informationen verfügt ein normalsterblicher Zerrock nicht“, erwiderte er und sah Akinna mit entschuldigender Miene an.

„Nun“, entgegnete sie ihm und ihre Augen verengten sich dabei drohend, was nicht weniger einschüchternd wirkte als das Zähnefletschen eines Kampfhundes, „aber wir beide wissen doch wohl, dass du kein normalsterblicher Zerrock bist, oder?“

„Warst“, warf Dantra ein.

„Was?“ Akinna sah ihn leicht genervt an.

„Du meinst, dass er kein normalsterblicher Zerrock war. Er ist nun keiner mehr.“

Mit einem Knurren wandte sie sich wieder von ihm ab und schaute Inius fordernd an. Als dieser merkte, dass Akinna ihm auch dieses Mal nicht den Gefallen tat, auf Dantras Einwand hin ein Wortgefecht entstehen zu lassen, welches von ihm und seinem Verhör abgelenkt hätte, nahm er resigniert den Faden wieder auf.

„Es ist eine in den Berg geschlagene Kammer. Sie hat ungefähr die Tiefe von drei aneinandergereihten Flussfrachtschiffen und liegt oberhalb der Schneegrenze des Parvusgebirges.“

„Nur ein Berg ist hoch genug, dass er im Calorviertel Schnee trägt. Es ist der Gipfel, der im äußersten Dron liegt. Der Cortina“, stellte Dantra laut denkend fest. Akinna und Inius sahen ihn verwundert an. „Was?“, schimpfte er los. „Ihr seid nicht die Einzigen, die etwas wissen. Vielleicht habe ich keine Ahnung von Elben und so. Oder von dem Leben als Zerrock, aber ich habe eine Schule von innen gesehen. Und auch wenn sie uns dort einiges nicht gelehrt haben, aus dem ich heute viel Nutzen ziehen könnte, so war dennoch das eine oder andere Brauchbare dabei.“

Ein zustimmendes Kopfnicken von Inius und ein überrascht klingendes „Sieh an!“ von Akinna ließen Dantras Empörung weitersteigen. Dennoch beließ er es bei einigen leisen, vor sich hin gemurmelten Flüchen, was Akinna dankbar annahm, da sie so wieder ihre volle Aufmerksamkeit auf Inius’ weitere Erklärungen richten konnte.

„Wo war ich?“, sagte dieser und runzelte die Stirn. „Ach ja. Bevor also eine Suche beginnt, von der man befürchten muss, sie könnte gefährlich werden, nimmt Sagium den Geruch der Blutproben aller an der Suche beteiligten Männer auf, um über sie zu wachen. Er kann dieses natürlich auch im Nachhinein tun. Sollte also ein Zerrock überraschend verschwinden, ist das Verfahren dasselbe. Er nimmt die Witterung auf und sucht die Umgebung des vermeintlichen Tatorts ab.“

„Damit kann er doch nicht viel mehr als ein Spürhund“, bemerkte Dantra.

„Wenn die falschen Ohren diesen Vergleich hören, könnte das deinen Tod bedeuten. Dessen bist du dir doch wohl bewusst, oder?“ Inius sah den Jungen skeptisch an, wobei sein belehrender Ton für Dantras Empfinden mehr als nur ein einfaches „Ja“ verdiente.

„Ich bin mir nicht nur dessen bewusst, ich bin auch davon überzeugt, dass es hier keine falschen Ohren gibt, die das hören könnten. Oder irre ich mich etwa damit?“

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