Kitabı oku: «In der Fremde glauben», sayfa 4

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67E. Tesch, Vertriebene in Gehren. Bitteres Ende - mühsamer Anfang - erfolgreiches Wirken, in: Stadt Gehren (Hg.), Gehren und seine Geschichte. 150 Jahre Stadtrecht 1855-2005, Ilmenau-Weimar 2005, 220-222. M. Degenhardt u.a., Wüstheuterode. Eine Eichsfelder Historie, München 2013, 432-441. E. Kahlmeier / J. Beykirch, 700 Jahre Mengelrode. 1310-2010, Mengelrode 2010, 26f. Der Autor verfasste zwei Ortsgeschichten, die das Vertriebenenproblem thematisieren: T. W. Müller, Dieterode. Aus der Geschichte eines Eichsfelddorfes, Heiligenstadt 2009, 40-42. T. W. Müller, Mackenrode im Eichsfeld. Beiträge zur Dorfgeschichte, Duderstadt 2011, 94-100.

68Zum Beispiel erschienen über die thüringische Rhön lediglich Publikationen zur Grenze bzw. zur deutschen Teilung und zur Heimatgeschichte einzelner Orte: Stadtverwaltung Geisa (Hg.), Festschrift 1175 Jahre Geisa, Fulda 1992. J. S. Hohmann / G. Grischok (Hg.), Grenzland Rhön. Geschichten und Bilder aus der Zeit der Teilung, Hünfeld o.J. [1997]. K. H. Stoll, Das war die Grenze. Erlebte Geschichte an der Zonengrenze im Fuldaer, Geisaer und Hünfelder Land von 1945 bis zur Grenzöffnung, Fulda 1997. T. Hepp, 825 Jahre Unteralba 1183-2008, Geisa 2008.

69Eingliederung der Deutschen Heimatvertriebenen im Landkreis Arnstadt: Ost- und Westpreußen, Hinterpommern, Ost-Brandenburg, Schlesien, Sudetenland, Arnstadt 2000.

70U. Beyer, Heimatvertriebene Künstler in Thüringen, Erfurt 2001.

71Vgl. J. Pilvousek, Erfurt und Fulda.

72Vgl. C. Brodkorb, Erfurt. K. Hartelt, Die Entwicklung der Jurisdiktionsverhältnisse der katholischen Kirche in der DDR von 1945 bis zur Gegenwart, in: W. Ernst / K. Feiereis (Hg.), Denkender Glaube in Geschichte und Gegenwart. Festschrift aus Anlass der Gründung der Universität Erfurt vor 600 Jahren und aus Anlass des 40jährigen Bestehens des Philosophisch-Theologischen Studiums Erfurt (EThSt 63), Leipzig 1992, 415-440. K. Hartelt, Neuumschreibung der Diözesangrenzen? Zur Geschichte und Gegenwart der Jurisdiktionsbezirke in der ehemaligen DDR, in: R. Puza / A. P. Kustermann (Hg.), Die Kirchen und die deutsche Einheit. Rechts- und Verfassungsfragen zwischen Kirche und Staat im geeinten Deutschland, Stuttgart 1991, 107-120.

73Vgl. K. Hartelt, Die Neuordnung der Diözesangrenzen in der ehemaligen DDR, in: Österreichisches Archiv für Kirchenrecht 43 (1994) 183-208. C. Brodkorb, Erfurt und Magdeburg, 303f.

74Um die Anfänge näher zu beleuchten, wird im Punkt 2.1 auch auf die Kriegszeit ab 1939 eingegangen. Der Kern der Untersuchung liegt jedoch in der Zeit ab dem Kriegsende 1945.

75Vgl. M. Schwartz, Sowjets.

76Vgl. C. Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945-1955, Göttingen 51991, 15. K. Schroeder, Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR 1949-1990, Köln-Weimar-Wien 32013, 83-85.

77Vgl. V. Schädler, Katholischer Sakralbau in der SBZ und in der DDR (Bild-Raum-Feier. Studien zu Kirche und Kunst 11), Regensburg 2013.

78Vgl. K. Hartelt, Entwicklung.

79Pius XII. (Eugenio Pacelli): geb. 1879 in Rom, 1899 Priesterweihe, 1917 Nuntius in Bayern und Bischofsweihe, 1920 Nuntius beim Deutschen Reich, 1929 Kardinal, 1930 Staatssekretär, 1939 Wahl zum Papst, gest. 1958 in Castel Gandolfo.

80Die „Ostdeutsche Bischofskonferenz“ wurde alsbald nur noch als „Berliner Ordinarienkonferenz“ (BOK) bezeichnet. Vgl. J. Pilvousek, Gesamtdeutsche Wirklichkeit - Pastorale Notwendigkeit. Zur Vorgeschichte der ostdeutschen Bischofskonferenz, in: E. Coreth u.a. (Hg.), Von Gott reden in säkularer Gesellschaft. Festschrift für Konrad Feiereis zum 65. Geburtstag (EThSt 71), Leipzig 1996, 229-242.

81Vgl. J. Pilvousek, Theologische Ausbildung und gesellschaftliche Umbrüche. 50 Jahre Katholische Theologische Hochschule und Priesterausbildung in Erfurt (EThSt 82), Leipzig 2002.

82Vgl. C. Brodkorb u.a. (Hg.), Finale Norbertinum. Lebendige Erinnerung an 47 Jahre Norbertuswerk, Leipzig 1999. D. Lorek, Die Pastoral vor neuen Aufgaben. Katholische Ausbildungsstätten im Erzbischöflichen Kommissariat Magdeburg, in: R. Bendel (Hg.), Vertriebene finden Heimat in der Kirche. Integrationsprozesse im geteilten Deutschland nach 1945, Köln-Weimar-Wien 2008, 29-56.

83Vgl. D. Lorek (Hg.), In nomine Domini! Die Huysburg – zur Geschichte des Priesterseminars, Leipzig 2004.

84Vgl. D. Dubiel u.a. (Hg.), Tradition im Auf-Bruch 1948-1998. Festschrift Seminar für Gemeindepastoral Magdeburg, Paderborn 1998.

85Vgl. E. Preuß, Die Kanzel in der DDR. Die ungewöhnliche Geschichte des St. Benno-Verlages (EThSchr 34), Leipzig 2006.

86Der Fuldaer Weihbischof Adolf Bolte äußerte sich 1951 über den östlichen Fuldaer Diözesananteil, er freue sich über die dort herrschende Lebendigkeit und: „Das relig. Leben hier [sei] frischer wie im Westen.“ BAEF, Bischöfliches Generalvikariat Erfurt/ Bischöfliches Amt Erfurt-Meiningen, Zentralregistratur, CIa6, Konferenz der Beiräte im Ursulinenkloster, 3.7.1951.

87Der Berliner Bischof Wilhelm Weskamm (1891-1956) verglich die Situation der Kirche in der DDR mit einer Gärtnerei: „Es ist so, wie wenn man eine Gärtnerei im Norden betreiben würde. Die ganze Atmosphäre ist areligiös und antireligiös.“ Oberstes Ziel war die Ermöglichung von Seelsorge, diese war für Weskamm auch in der „Gärtnerei im Norden“ möglich. Vgl. J. Pilvousek, Katholische Kirche in der DDR. Kirche für die Gesellschaft?, in: W. Schluchter (Hg.), Kolloquien des Max-Weber-Kollegs VI-XIV (1999/2000), Erfurt 2000, 93-116, hier 96f. – Der Meißener Bischof Otto Spülbeck (1904-1970) umschrieb dies auf dem Kölner Katholikentag 1956 mit dem Bild des „fremden Hauses“: „Aber wir leben in einem Haus, dessen Grundfesten wir nicht gebaut haben, dessen tragende Fundamente wir sogar für falsch halten. […] Wir tragen gerne dazu bei, daß wir selbst in diesem Haus noch menschenwürdig und als Christen leben können, aber wir können kein neues Stockwerk draufsetzen, da wir das Fundament für fehlerhaft halten. Das Menschenbild des Marxismus und seine Gesellschafts- und Wirtschaftsauffassung stimmt mit dem Bild, das wir haben, nicht überein. Dieses Haus bleibt uns ein fremdes Haus. Wir leben nicht nur kirchlich in der Diaspora, sondern auch staatlich.“ G. Lange u.a. (Hg.), Katholische Kirche - Sozialistischer Staat DDR. Dokumente und öffentliche Äußerungen 1945-1990, Leipzig 21993, 101-103. – Spülbeck ging von der Tatsache einer katholischen Kirche in einem totalitären Staat aus: „Gott hat die Kirche hier gewollt. […] Hier ist der Ort unserer Bewährung.“ Zitiert nach M. Höllen, Loyale Distanz? Katholizismus und Kirchenpolitik in SBZ und DDR. Ein historischer Überblick in Dokumenten. Bd. 2 (1956-1965), Berlin 1997, 252.

88Vgl. J. Pilvousek, „Innenansichten“, 1140f. Zuletzt J. Pilvousek, Von der "Flüchtlingskirche" zur katholischen Kirche in der DDR. Historische Anmerkungen zur Entstehung eines mitteldeutschen Katholizismus, in: J. Manemann / W. Schreer (Hg.), Religion und Migration heute. Perspektiven-Positionen-Projekte (Quellen und Studien zur Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim 6), Regensburg 2012, 170-186, hier 179-181.

89Vgl. W. Trilling, Der Weg der katholischen Kirche in der DDR, in: Theologisches Jahrbuch 1991, Leipzig 1992, 249-258, hier 251-253.

90Vgl. Ebd.

91Der Trilling’schen Periodisierung schließen sich an: K. Richter, Katholische Kirche in der DDR. Wandel kirchlicher Strukturen unter den Bedingungen sozialistischer Gesellschaft, in: Jahrbuch für christliche Sozialwissenschaften 13 (1972) 215-245. "Provisorium". Materialsammlung zu 40 Jahre Wandel in der römisch-katholischen Kirche in der DDR, in: Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim 41 (1990) 22-24.

92A. Kossert, Kalte Heimat, 229.

93M. Hirschfeld, Vertriebene Katholiken in Niedersachsen. Konfessionelle Identität in einem mehrheitlich evangelischen Umfeld, in: U. Rieske (Hg.), Migration und Konfession. Konfessionelle Identitäten in der Flüchtlingsbewegung nach 1945 (Die Lutherische Kirche - Geschichte und Gestalten 27), Gütersloh 2010, 325-342, hier 327.

94So M. Schwartz, Vertriebene, 1127.

95Vgl. R. Bendel, Aufbruch aus dem Glauben? Katholische Heimatvertriebene in den gesellschaftlichen Transformationsprozessen der Nachkriegsjahre 1945-1965 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 34), Köln-Weimar-Wien 2003, 590.

96Dr. theol. Josef Frings: geb. 1887 in Neuss, 1910 Priesterweihe in Köln, 1937 Regens des Priesterseminars, 1942-1969 Erzbischof von Köln, 1945-1965 Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz, 1946 Ernennung zum Kardinal, 1948 Protektor für die Flüchtlingsfragen, 1969 Resignation, gest. 1978 in Köln. Vgl. E. Hegel, Frings, Josef, in: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2001. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2002, 287-290.

A) HISTORISCHE UND PASTORALE VORAUSSETZUNGEN

Im Nachkriegsdeutschland – einer Zeit des totalen Zusammenbruchs, eines allgemeinen Verwaltungschaos’ und einer über allem lastenden Ungewissheit – erlangte die katholische Kirche außerordentliche Bedeutung.1 Sie war neben der Besatzungsmacht ein wichtiger Ordnungsfaktor der Nachkriegszeit und hatte den nationalsozialistischen Totalitätsansprüchen weitgehend widerstanden.2

Die katholische Kirche verfügte über ein nahezu intaktes Organisationsgefüge und eine personelle Kontinuität von hauptamtlichen Mitarbeitern. In der „Zusammenbruchsgesellschaft“3 erreichte der Klerus als Träger von Tradition, Sinndeutung und Kontinuität eine große öffentliche Resonanz.4 Für Thüringen muss an erster Stelle der Erfurter Dompropst und spätere Weihbischof Dr. Joseph Freusberg5 genannt werden, der seit 1916 in Erfurt lebte und weithin geschätzt war.6 Weiterhin existierte im Obereichsfeld und in der Rhön eine gut ausgebaute, dichte Personaldecke von Priestern und Ordensleuten. Dem Heiligenstädter Bischöflichen Kommissarius Propst Josef Streb7, dem höchsten katholischen Würdenträger des Eichsfeldes unterhalb der Bischofsebene, waren in der Nachkriegszeit sogar einige Kompetenzen zugewachsen, die seine Bedeutung bei der Bevölkerung derart steigerten, dass das Eichsfeld-Kommissariat nach außen als quasiautonomer Kirchenbezirk erschien.8 In der Diaspora gab es in einigen wenigen größeren Orten katholische Priester. Insgesamt bestandenen bei Kriegsausbruch im Ostteil der Diözese Fulda 127 Pfarreien und 19 Gottesdienststationen9, in denen die Gläubigen betreut wurden.10

2 Von der „Abgewanderten-Seelsorge“ zur „Flüchtlings- oder Umsiedlerseelsorge“

Während des Zweiten Weltkrieges rückten Migranten und Vertriebene stärker als bisher in den Fokus der seelsorglichen Betreuung der katholischen Kirche Thüringens. Es wurden in dieser Kriegszeit bereits Voraussetzungen und Grundlagen für den Aufbau einer Vertriebenenseelsorge im Ostteil der Diözese Fulda geschaffen. Wie sahen die Anfänge einer kirchlichen Verwaltung in Erfurt aus? Welche Personaldecke von hauptamtlichen Mitarbeitern wurde aufgebaut?

2.1 Thüringen als Aufnahmegebiet von Evakuierten11
Saarländer

Bereits seit Kriegsbeginn „1939/40 wurde Thüringen aufgrund seiner geografischen Lage zum Evakuierungsgau für die Saarbevölkerung erklärt, da die NS-Führung dort den Einmarsch französischer Truppen infolge des Beistandspaktes mit Polen erwartete.“12 Bis 1941 wurden etwa 85.900 Saarländer in Thüringen untergebracht und auf Stadt- und Landkreise in diesem Gau verteilt. Aufgrund der kriegsbedingten Lage rechnete man im Gau Thüringen mit insgesamt 157.000 Saarländern und 57.000 Hamburgern.13

Der größte Teil dieser Evakuierten war katholisch und bedurfte der seelsorglichen Betreuung. In den meisten Fällen kamen saarländische Priester mit ihren Gemeinden im Aufnahmegebiet an. In Erfurt richteten Dompropst Dr. Joseph Freusberg und ein Geistlicher aus dem Saargebiet eine „Suchhilfe für Grenzabwanderer“ ein, die über Zugezogene und deren Heimatgemeinden informierte.14 Caritative Hilfsmaßnahmen und die Koordinierung von Geistlichen lagen ebenfalls in den Händen Freusbergs.15

Thüringen war damals in vier kirchliche Verwaltungsgebiete unterteilt: das Dekanat Weimar, das Geistliche Gericht Erfurt, das Bischöfliche Kommissariat Heiligenstadt und das Dekanat Geisa.16 Die meisten Katholiken lebten im Eichsfeld, dem Bereich des Kommissariates Heiligenstadt unter dem amtierenden Kommissarius Adolf Bolte17. Die Landeshauptstadt war damals noch Weimar, in der Dechant Wilhelm Breitung18 lebte und wirkte und als einer der herausragenden Geistlichen im Ostteil des Bistums galt. Dennoch scheint es, als habe sich der Fuldaer Bischof Johann Baptist Dietz19 1939 bewusst dafür entschieden, Erfurt sowie den Erfurter Propst und Direktor des Geistlichen Gerichts, Joseph Freusberg, in das Zentrum der Seelsorge an evakuierten Katholiken zu stellen. Die zentrale topografische Lage Erfurts sowie die zahlreichen kirchlichen Gebäude und geistlichen Einrichtungen dürften dieser Entscheidung zu Grunde gelegen haben. Ein weiteres Motiv könnte eine Rolle gespielt haben: Freusberg war durch sein Kirchenrechtsstudium in Rom sowie als Kaplan am Priesterkolleg S. Maria dell’Anima in ein bistumsübergreifendes Beziehungs-Netzwerk eingebunden, das angesichts der komplizierten Situation weitreichende Kontakte ermöglichte.20

Die evakuierten Saarländer kehrten ab Sommer 1941 in ihre Heimat zurück. Die mit ihnen verbundenen pastoralen Maßnahmen und strukturell-institutionellen Gegebenheiten in Thüringen sollten bei den kirchlichen Entscheidungsträgern als Grundlage für die ab 1943 beginnenden Evakuierungen der Bevölkerung des Rheinlandes dienen.21 Vorher waren aber „volksdeutsche“ Katholiken zu betreuen.

Volksdeutsche Umsiedler

Die Diktatoren Adolf Hitler und Josef Stalin grenzten 1939 im „Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt“ und in einem „Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag“ ihre Interessenssphären in Osteuropa voneinander ab. Die Nationalsozialisten begannen daraufhin mit einer groß angelegten Umsiedlung der deutschstämmigen Bevölkerung in Osteuropa in das Deutsche Reich, die unter der Parole „Heim ins Reich“ durchgeführt wurde. Diese „Volksdeutschen“ waren für eine Neuansiedlung in den annektierten Gebieten vorgesehen, um diese zu „germanisieren“.22

Im Zuge dieses Bevölkerungsaustausches kamen diese Umsiedler – so die amtliche Bezeichnung – auch nach Thüringen und wurden in Durchgangslagern zusammengefasst. Solche Umsiedlerlager bestanden seit Dezember 1940 in folgenden Orten Thüringens: Apolda, Bad Sulza, Erfurt, Erfurt-Hochheim, Ilmenau, Roda, Elgersburg, Gerlberg, Nordhausen, Wahlhausen, Dingelstädt, Oberhof, Triptis, Rudolstadt, Schwarzburg, Schloss Tännich bei Remda, Dittelstedt, Schnepfenthal, Waltershausen, Mühlhausen, Gehlberg, Plaue, Geschwenda, Bad Berka, Rauschenburg und Buttstädt.23

Die seelsorgliche Betreuung der umgesiedelten Katholiken aus der Bukowina und aus Bessarabien24 wurde – wenn nicht Lagerleitung oder örtliches NS-Personal es untersagten – von den ansässigen Geistlichen durchgeführt; die Gläubigen besuchten zum Großteil den Gottesdienst in den betreffenden Kirchen. Fünf „volksdeutsche“ Priester befanden sich in den Lagern und betreuten die Katholiken auf ihrem Weg aus dem Südosten Europas über Thüringen in die neuen Ansiedlungsgebiete.25

Im November 1941 gelangten Slowenen aus der Untersteiermark und einige Rumänen nach Thüringen, um hier in Lagern auf ihre weitere Ansiedlung vorbereitet zu werden.26 Ein slowenischer Geistlicher kümmerte sich in den Lagern Erfurt, Heiligenstadt und Friedrichroda um die Umgesiedelten.27

Die meisten dieser Durchgangslager bestanden nicht lange. Sie wurden spätestens 1942 geschlossen, da die Nationalsozialisten für eine Ansiedlung der Volksdeutschen in den besetzten polnischen Gebieten sorgten oder sie beispielsweise ins Baltikum zurückführten.

Evakuierte Rheinländer

Anfang 1943 erhob die NS-Führung den Gau Thüringen zum „Aufnahmegau“ für die Bevölkerung aus dem „Entsendegau“ Düsseldorf. Im Sommer setzten die Ströme aus den bombengeschädigten und bombengefährdeten Gebieten des Westens ein. Ab Oktober 1944 wurden verstärkt Tausende Personen aus dem Raum Köln-Aachen, Moselland und Westmark nach Thüringen befördert. Auch Bombengeschädigte und Umquartierte von Rhein und Ruhr oder aus Berlin, Hamburg und Kassel kamen mit der Ausweitung des alliierten Luftkrieges – zum Teil auch eigenmächtig – vor allem in ländliche Regionen.28

Wiederum handelte es sich bei den Evakuierten nahezu ausschließlich um Katholiken.29 Die (Erz-)Diözesen Köln, Aachen und Trier entsandten zur seelsorglichen Betreuung der nach Thüringen evakuierten Gläubigen eigene Priester.30 Der Ordinarius in Fulda konnte über den Einsatz der Kölner Geistlichen, die die Mehrzahl der Priester in Thüringen bildeten, vollkommen frei verfügen. Es sollte lediglich sichergestellt sein, dass sie rheinische Katholiken betreuen.31 1945 wirkten 59 so genannte „Abgewandertenseelsorger“ aus den (Erz-)Diözesen Köln, Aachen und Trier in Thüringen einschließlich des Meininger Bezirkes.32 Zahlreiche Gottesdienststationen wurden daraufhin in der thüringischen Diaspora eröffnet. In Orte, in denen es praktisch seit der Reformation keine Katholiken gegeben hatte, strömten nun Tausende katholische Gläubige und deren Seelsorger ein. Eine auch nur annähernd exakte Zahl, wie viele der Evakuierten katholisch waren, lässt sich nicht ermitteln.

In Erfurt richtete man 1943 unverzüglich eine „Seelsorgestelle“ für Kölner Diözesanen in Thüringen ein, die den Namen „Seelsorgeamt der Erzdiözese Köln“ trug33, und schuf das Amt des Obmanns für die im Bistum Fulda tätigen Seelsorger aus dem Erzbistum Köln als Vermittlungsinstanz nach Köln und zu den evakuierten rheinischen Priestern.34 Anton Alfes35, Joseph Teusch36 und Joseph Plettenberg37 füllten nacheinander dieses Amt aus. Auch andere Diözesen ernannten solche „Verbindungsmänner“: Kaplan Anton Josef Tietz wurde am 9. Dezember 1944 vom Bischöflichen Generalvikariat Trier mit der Seelsorge der Evakuierten aus der Diözese Trier im Bistum Fulda beauftragt,38 Dr. Philemon Pobihuschka 1945 zum Sonderseelsorger für die katholischen Ukrainer.39

2.2 Thüringen als Aufnahmegebiet von Heimatvertriebenen

Der große „Exodus“ der Deutschen aus dem Osten begann während des Zweiten Weltkrieges mit der Flucht vor der nahenden Sowjetarmee. Die NS-Propaganda veröffentlichte Bilder des Grauens über die Verbrechen der Roten Armee gegen deutsche Zivilisten, die eine Massenpanik unter der ostpreußischen Zivilbevölkerung auslösten.40 Eine Fluchtwelle setzte sich Richtung Westen in Bewegung und erreichte u.a. auch in das vom Kriegsgeschehen bisher relativ unberührt gebliebene Thüringen.41 So kamen seit dem Winter 1944 Flüchtlinge aus Ostpreußen und anderen deutschen Provinzen östlich der Oder und Neiße nach Mitteldeutschland. Für die unmittelbare Kriegs- und Nachkriegszeit liegt kein verlässliches Zahlenmaterial vor, da man die einströmenden Menschen in den Wirren des Zusammenbruches und des Kriegsendes nicht exakt registrieren konnte. Hinzu kommt, dass man oft keine Unterscheidung traf zwischen Flüchtlingen aus dem Osten, Evakuierten aus luftkriegsbedrohten Gebieten und Geflohenen aus anderen Regionen Mitteldeutschlands.42

Das Ende des Zweiten Weltkrieges war in Thüringen bereits im April 1945 erfolgt. Erste alliierte Besatzungsmacht wurden die Amerikaner. Im Juli 1945 besetzte die Rote Armee gemäß den Vereinbarungen von Jalta Thüringen.43 Im Osten Europas kam es seit Kriegsende zu Massenvertreibungen von Millionen Deutschen, zunächst zu den so genannten „wilden“ Vertreibungen durch polnische und tschechoslowakische Machthaber, die noch vor Beginn der Grenzverhandlungen Fakten schaffen wollten. Am Ende stand schließlich die vertraglich festgelegte Vertreibung nach dem Potsdamer Abkommen vom Juli 1945.44

Dieser mehrphasige Prozess der Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung brachte bis zur Jahreswende 1945/1946 389.535 Vertriebene nach Thüringen.45 In den Wintermonaten 1945/1946 stockte der Massentransfer, wurde aber im Frühjahr 1946 wieder aufgenommen. Diesmal gelangten vor allem Sudetendeutsche nach Thüringen, vom 10. Juli bis 15. Oktober 1946 allein 240.000.46 Die Aussiedlung der Deutschen aus den Ostprovinzen setzte sich im strengen Winter 1946/1947 und im gesamten Jahr 1947 fort. 1948 kam die Aufnahme von Heimatvertriebenen zu einem gewissen Abschluss. Die Statistiken vom Januar 1949 weisen für Thüringen 685.913 Vertriebene auf47, ein Drittel von ihnen stammte aus dem Sudetenland und bildete damit die größte landsmannschaftliche Gruppierung im Aufnahmegebiet.48 Ein Teil der „Umsiedler“ wanderte kurz nach der Aufnahme weiter in die westlichen Besatzungszonen, der Großteil verblieb jedoch in Thüringen.49

Die neu eingesetzten Landesverwaltungen standen den wachsenden Aufgaben recht hilflos gegenüber, wobei das Problem der Aufnahme von hunderttausenden Vertriebenen zweifellos das größte, aber nicht das einzige Kriegsfolgeproblem bedeutete.50 Die akutesten Probleme in Bezug auf die Heimatvertriebenen waren die Unterbringung der Zugezogenen51 – hier stieß man auf erheblichen Widerstand bei der einheimischen Bevölkerung – , ihre Eingliederung in den Arbeitsprozess52 sowie die sozialfürsorgerischen und unterstützenden Hilfsmaßnahmen für die mittellosen Vertriebenen.53

Die meisten der Heimatvertriebenen waren im ersten Nachkriegsjahr in kleinen Landgemeinden untergekommen, da zunächst eine systematische Lenkung der Massentransfers und der Ansiedlung in der SBZ fehlte. In den Städten stand zudem kaum Wohnraum zur Verfügung, da sie teilweise zerstört waren. Bereits 1946 machte sich eine wachsende Binnenwanderung in die Städte bemerkbar.54 Gleichzeitig setzte aber eine starke Abwanderung der Vertriebenen in die Westzonen ein, sodass die Zahl der Vertriebenen in der SBZ deutlich abnahm. Schätzungen zufolge verließen etwa 900.000 bis eine Million Heimatvertriebene die SBZ/DDR.55

Zunächst aber blieben die Neuankömmlinge in Thüringen und waren so in materieller Hinsicht unerwünschte Konkurrenten um knapp gewordene Ressourcen, in soziokultureller Hinsicht vielfach Fremde: Städter trafen auf Dorfbewohner, enteignete Besitzbürger auf ungeschmälert Besitzende, Schlesier auf Eichsfelder oder Thüringer, Katholiken auf Protestanten. „Die Folgen waren materielle Verteilungskonflikte und wechselseitige soziokulturelle Ausgrenzungsstrategien.“56

Die Ankunft der Vertriebenen brachte für die katholische Kirche im Ostteil des Bistums Fulda fundamentale Veränderungen mit sich. Die konfessionelle und konfessionskulturelle Landkarte Thüringens wurde grundlegend geändert wie seit der Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr. Die durch Glaubensspaltung und Konfessionalisierung entstandenen „mental maps“, „geistige Landkarten“, markierten einst „eine der stabilsten Tatsachen der deutschen Geschichte in der Neuzeit.“57 Mit den Bevölkerungsverschiebungen in Folge des Zweiten Weltkrieges waren diese zerschlagen worden.58

Auf dem Territorium des protestantisch geprägten Ostteils der Diözese Fulda war die katholische Kirche seit der Reformation immer eine Diasporakirche – eine Kirche in der Zerstreuung – gewesen.59 Der Zustrom der Heimatvertriebenen ließ den Anteil der Katholiken hier mehr als verdreifachen.60 In das Gebiet des 1946 errichteten Generalvikariates Erfurt gelangten durch Flucht und Vertreibung etwa 311.000 Katholiken.61 Die wenigen bestehenden katholischen Gemeinden konnten anfangs keine materielle und personelle Infrastruktur bereitstellen. Zu unerwartet war das Hereinströmen der Heimatvertriebenen gewesen, der Massenansturm überforderte kirchliche und staatliche Verantwortliche. Einige numerische Beispiele können dies verdeutlichen.

In Gotha bestand seit 1851 eine weit ausgedehnte Missionspfarrei, zu der mehr als 100 Ortschaften gehörten. Bei Kriegsausbruch lebten auf diesem Gebiet etwa 3.000 Katholiken. Die Zahl erhöhte sich sprunghaft, als Heimatvertriebene aus Ostmitteleuropa ankamen, auf rund 60.000.62

Die Stadt Weimar war Sitz einer eigenen katholischen Pfarrei und Sitz eines Dechanten. Die Seelenzahl der Stadt selbst stieg von 3.500 Seelen auf 9.000 an. Im Außenbezirk der Pfarrei lebte aber 1947/1948 der Großteil der katholischen Heimatvertriebenen, sodass 13 Seelsorgestellen63 mit eigenen Geistlichen neu errichtet wurden, zu denen jeweils eine große Anzahl von Ortschaften gehörte.64

Im Seelsorgsbezirk Suhl gab es 1949 54 Erstkommunionkinder, von denen 48 Zugezogene waren, nur sechs wurden in Suhl geboren. Von den sechs in Suhl geborenen war wiederum nur bei zwei Kindern das eine Elternteil in Suhl geboren, alle anderen waren zugewandert aus Ost und West. Der Ortspfarrer resümierte: „Ein typisches Beispiel einer stets sich erneuernden Diaspora-Wanderpfarrei.“65

In ländlichen, bisher rein protestantischen Gebieten entstand durch den Zuzug der Katholiken aus Ostmitteleuropa eine neue Diaspora, die nichts Herkömmliches mehr an sich hatte. Die konfessionellen Verhältnisse hatten sich unverkennbar zu Gunsten der Katholiken verschoben.66 Gleichzeitig etablierten sich in diesem neuen Kontext neue Konzepte von Seelsorge, da Kirche und Katholizismus nicht mehr dieselben wie die von 1932 waren.67 Der Zuzug katholischer Schlesier, Sudetendeutscher oder Ermländer ließ die Diaspora Mitteldeutschlands gar als Diaspora der Heimatvertriebenen oder als „Flüchtlings-Diaspora“ erscheinen.68 Offenkundig hatten 1945 Transformationsprozesse von entscheidender Bedeutung eingesetzt, die fulminante und nie gekannte Veränderungen mit sich brachten. Auch die Hermeneutik des Diasporabegriffs erfuhr eine Erweiterung, die der neuen Situation Rechnung trug.

Die heimatvertriebenen Katholiken kamen in ein Gebiet, das durch die alte, konfessionelle Diaspora geprägt war und auch weiterhin geprägt sein sollte: die konfessionelle Minderheit der Katholiken69 lebte in einer konfessionellen Mehrheit von Protestanten. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts behauptete dieser konfessionelle Diasporabegriff das Feld der theologischen und historischen Forschung.70 Hinzu trat alsbald eine weitere, neue Form der Diaspora: Die konfessionelle Minderheit befand sich in einer einheitlich geprägten ideologischen Umwelt, was man mit „ideologischer oder weltanschaulicher Diaspora“ umschrieb.71 Dieser Begriff tritt Mitte des 20. Jahrhunderts erstmals auf72 und kennzeichnet die Situation der (heimatvertriebenen) Katholiken in der SED-Diktatur. Infolgedessen änderte sich auch das Verhältnis zwischen katholischer und evangelischer Kirche, sodass bezüglich der Ökumene neue Wege beschritten werden konnten: „Die Evangelischen waren nicht die ‚anderen‘. Die Kirchen verstanden sich in der gleichen Bedrängnis zusammengehörig. Die ‚anderen‘: das war die Partei, der Staatssicherheitsdienst, oftmals die Schule. Deswegen bestand der Abstand nicht mehr zwischen den Konfessionen, sondern zwischen den Christen einerseits und der marxistisch-leninistischen durchgesetzten Gesellschaft andrerseits: eine ideologische Diaspora.“73 Die Katholiken in der DDR lebten also in einer „doppelten Diaspora“74, die die Minderheitensituation der Katholiken gegenüber evangelischen Kirchen wie auch eine Minderheit von Christen in ideologischer (weltanschaulicher) Diaspora umschreibt.

Neben leiblich-seelsorglichen Problemen, die die hunderttausenden „Neubürger“ für die katholische Diaspora-Kirche mitbrachten, zeichnete sich sehr schnell eine zusätzliche Belastungsprobe ab: die hohe Fluktuation der Flüchtlinge. Der Abwanderungstrend der Vertriebenen spielte von Anfang an – ab 1948 dann in größeren Ausmaßen – eine bedeutende Rolle für die sich bildenden katholischen Gemeinden Thüringens. Die Zahl der Vertriebenen in der SBZ hatte Ende 1947 ihren Höhepunkt von 4,4 Millionen erreicht. Trotz der Weiterwanderung vieler in die Westzonen konnte diese Zahl bis 1949 beibehalten werden, da starke Neuzugänge von „Umsiedlern“ zu verzeichnen gewesen waren. In den 1950er Jahren nahm die Anzahl der Vertriebenen in der SBZ/DDR deutlich ab; die Westwanderung bzw. „Republikflucht“ setzte sich bis zum Mauerbau 1961 kontinuierlich fort.75 Das Problem der „Wanderung“ bzw. die „Frage des Bleibens“ sollte sich für die katholischen Gemeinden bis 1989 als virulent erweisen.76 Einige Beispiele aus dem ersten Nachkriegs-Dezennium der katholischen Kirche Thüringens sollen das illustrieren:

Der Seelsorgebezirk Großbrembach war 1947 nach dem Zuzug katholischer Heimatvertriebener errichtet worden. Zwei Jahre später war der Höchstwert der Gläubigen erreicht; man zählte 1.200 Katholiken in elf Orten. Bis 1953 wanderten ca. 300 Katholiken ab.77 Da dieser Trend anhielt, war bald kein eigener Seelsorger in Großbrembach mehr nötig, sodass der Geistliche bereits 1957 nach Guthmannshausen verzog und die Seelsorgestelle von dort aus mit versorgte.78

Ein ähnliches Bild ergab die Situation in Vieselbach. Durch Binnenmigration der Vertriebenen in die Städte und durch Abwanderung in die Bundesrepublik verlor diese 1946 gegründete Seelsorgestelle zahlreiche Gemeindemitglieder. 1948 wurden 2.221 Katholiken gezählt, 1953 waren es nur noch 1.360 und 1957 wurde schließlich die Tausendergrenze unterschritten. Allein in den Jahren von 1951 bis 1957 verringerte sich die Seelenzahl um 45 %.79

Die Abwanderung der Katholiken war für die Priester, die Gemeinden errichten wollten, besonders enttäuschend. Vor allem auch dann, wenn ein Kirchenneubau geplant war. In Gispersleben beispielsweise begann der Ortsgeistliche Heinrich Kraut80 1954 mit dem Bau eines eigenen Gotteshauses für die noch recht „junge“ Gemeinde. Er schrieb in die Kirchenchronik:

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