Kitabı oku: «Zwischen zwei Welten», sayfa 3

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Mein hellseherisches

Coming-out


Das Zentrum von Hanford, Kalifornien, war eine verschlafene Zeile verlassener Ziegelbauten und Familiengeschäften, die im Wesentlichen alle dasselbe verkauften – Plunder, Antiquitäten und eine beeindruckende Vielzahl religiöser Reliquien. Ungefähr dreißig Meilen südlich von Fresno gelegen, war Hanford ein friedlicher Ort, in dem man in einer starken, konservativen Gemeinde aufwachsen konnte. Stell dir vor, wie fasziniert ich war, als eines Tages in einem der Ladenfenster ein neues Schild auftauchte, auf dem stand: Geschenke für die Seele. Aus dem Fenster lächelte mir eine große Buddhastatue glücklich entgegen. In meiner Gegend hatte so etwas noch niemand gesehen.

Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten Mal durch die Tür ging und vom Klang der Glöckchen und Windspiele und einem Geruch irgendwo zwischen Patschuli und Moder begrüßt wurde. Der Eingang war von Zen-Brunnen und staubigen Bambuspflanzen flankiert. Rechts stand ein Tisch mit farbenfrohen Wandteppichen, Schmucksteinen und Kristallen, alle ohne Preisschilder. Links war eine geschlossene Tür mit spiegelnder Lackierung. Niemand stand an der Ladentheke.

Ich ging herum und sah mir die Sachen an: Tarotkarten, Chakra-Poster, Statuen von Feen, Finken im Käfig und reihenweise Meditations-CDs. Später sollte ich herausfinden, dass in dem kleinen Zimmer im ersten Stock Bauchtanzkurse von der Tarotlehrerin des Hauses und eine Fülle alternativer Heilmethoden angeboten wurden. Es wirkte so, als sei für jeden etwas dabei. Alle möglichen Bücher über alternative Heilmethoden und Glaubenssysteme säumten die Regale. Es wirkte jedoch für mich, als würden die Bücher, egal wie oft ich in den Laden kam, niemals in den Regalen verrückt. Irgendwie stand unausgesprochen im Raum: In unserer provinziellen Kleinstadt bestand kein großes Interesse an »alternativen« Glaubenssystemen – oder Menschen.

Schließlich kam ein großer, schlacksiger Mann mit strähnigem Haar aus dem Hinterzimmer. Er stellte sich als Mark vor. Mark und ich sollten Freunde werden. Er war sehr redselig und teilte seinen Enthusiasmus gern mit jedem, der ihm zuzuhören bereit war. Er sagte mir, dass er und seine Frau den Laden eröffnet hätten, um einen Ort zu schaffen, wo die Leute »Heilquellen« finden könnten. Ich war nervös, unsicher, wie viel ich über mich selbst erzählen sollte, sodass ich lediglich sagte, dass ich zur Schule ging, Krankenpfleger werden wollte und mich in letzter Zeit sehr für Spiritualität interessierte.

Mark las mir ihren Rundbrief laut vor, auf dem bevorstehende Events des Ladens aufgelistet waren – größtenteils Treffen von Selbsthilfegruppen und Meditationsgruppen. Einen wöchentlich stattfindenden Kurs in der Entwicklung hellseherischer Fähigkeiten und etwas mit dem Titel »Medium 101« erwähnte er nur beiläufig. Mir war klar, dass er sich für diese speziellen Themengebiete nicht besonders interessierte, aber ich stellte die Ohren auf. Später wurde ich mutiger und begann, die Lage zu sondieren. Ich fragte ihn hin und wieder, wie er diese Dinge sah. Ich hörte zu, als er seine Gedanken zu allen möglichen Punkten – von Philosophie bis hin zum Leben nach dem Tod – erörterte. Irgendwann später mietete ich mir bei ihm ein Zimmer, das mein erster offizieller Sitzungsraum werden sollte.

Ich bin Mark und seinem Laden sehr dankbar. Es kam damals für mich einem spirituellen Zufluchtsort gleich. Trotzdem sah ich in der dortigen Kultur auch Aspekte, die für mich im Widerspruch dazu standen, wie sich authentisch spirituelle Menschen verhalten sollten. Eigentlich sollte es ein Laden für Leute aus allen Lebensbereichen sein, aber es gab auch dort immer noch die Gruppen derer, die ähnliche Interessen und Glaubenssätze hatten. Die paranormalen Forschungsgruppen taten sich zusammen und interagierten nie mit den Yoga-Mamas, die jede Woche Kundalini-Kurse im ersten Stock abhielten. Die Gruppen sahen aufeinander herab und schienen wenig miteinander zusammenzukommen. Die Ausnahme waren jene, die mediale Lesungen machten. Der Laden enthüllte mir etwas, was sich mit der Unterseite eines Blattes vergleichen lässt: die verborgenen, vitalen Netzwerke unserer Stadt. Und wie die blühten! Mit Dutzenden von Flyern und Visitenkarten, die auf der Theke lagen, konnte man Kontakt zu Hellsehern aufnehmen oder fast jeden Tag der Woche Selbsthilfegruppen besuchen. Ich traf die Leute und ging den unterschiedlichen Angeboten nach, binnen Kurzem schwirrte mir der Kopf. Auras? Chakren? Reiki? Ich versuchte, offen zu bleiben, aber all die neuen Eindrücke führten mich stets zurück zu einer Grundfrage: Was sollte ich glauben?

Diese Frage stellte ich mir regelmäßig, als eine Art Check-in, wenn ich mich neuen Glaubenssystemen gegenübersah. Teile so mancher Glaubenssysteme entsprachen mir, aber ich konnte mit Quellen und Leuten, die absolute Geltungsansprüche vertraten, nicht viel anfangen. Mir fielen einige Parallelen zwischen der Kultur im Laden und der Kirche auf, in die ich in letzter Zeit immer weniger ging. Ich konnte mit bestimmten Dingen dort nichts anfangen, ob es nun die intoleranten Bibelzitate waren oder das Gesetz der Anziehung. Wie jedes andere Glaubenssystem auch zog die New-Age-Bewegung ein ganzes Spektrum von Persönlichkeiten an, von denen es die meisten gut meinten und nach einem tieferen Verständnis ihrer Rolle im Universum suchten.

Der Laden wurde ein Zufluchtsort der Alternativen und in diese Kategorie gehörte ich ganz bestimmt. Ich verbrachte mehr und mehr Zeit dort. Ich studierte vor der Schule im Laden und ging in meiner Freizeit dorthin. Ich wusste, dass der Laden für den Großteil unserer Stadt ein verrückter Platz war, wo man vielleicht von außen hineinstarrte, aber nie hineinging. Für mich fühlte es sich wie eine Heimat an.

Auch wenn ich nicht darauf brannte, Mark von meinem Interesse am Thema Medialität zu erzählen, hatte ich keine Schwierigkeiten, andere zu finden, die tonnenweise Meinungen dazu hatten. Es gab sogar ein paar Leute, die sagten, sie könnten ebenfalls intuitiv Informationen empfangen. Ich war völlig fasziniert von den einzigartigen Prozessen, die alle diese Leute benutzten. Obwohl sie behaupteten, sich mit derselben Quelle zu verbinden, waren ihre Techniken, die Verbindung herzustellen, so individuell wie die Leute selbst. Natürlich waren sie unterschiedlich glaubwürdig. Das frustrierte mich zutiefst, aber ich lernte schnell, herauszufinden, wann jemand nicht ehrlich war.

Meine Suche nach Führung in meiner Gabe wurde zu einer Suche danach, verstanden zu werden, und das war keine leichte Aufgabe. Mit der Zeit lernte ich Leute mit den unterschiedlichsten Hintergründen kennen, die das zweite Gesicht besaßen – manche ihr ganzes Leben lang, andere hatten es so wie ich bei einem einschneidenden Erlebnis entdeckt, beispielsweise bei dem Verlust eines lieben Menschen oder bei einer Nahtoderfahrung. Ob sie nun an einer neonbeleuchteten Ladentheke arbeiteten oder internationalen Ruhm genossen, fand ich doch alle diese Medien unglaublich faszinierend. Jedes hatte eine absolut einzigartige Herangehensweise zum Empfangen derselben Information.

Diejenigen, die die Details und die Bestätigung vernachlässigten, zogen mich zwar an, aber ich konnte mich nicht mit ihnen identifizieren. Verblasene Zweideutigkeiten in Verbindung mit allgemeinen Aussagen sah man nicht selten, aber selbst diese fragwürdigen Medien waren insofern faszinierend, als sie mir zeigten, was ich selbst bei meinen medialen Lesungen vermeiden wollte.

Die meisten Medien schienen in zwei Kategorien zu fallen: sensitive, die sich auf das persönliche Leben der Leute konzentrierten (Zukunftsplanung, Beratung), und jene, die philosophische, »allgemeine« Predigten für ihre Klienten bereithielten. Die detaillierten Medien, die die Betonung auf die Bestätigung legten, entsprachen normalerweise eher meinen Vorlieben, aber ich sollte feststellen, dass auch die philosophisch orientierten Medien etwas Nützliches zu geben hatten. Diese beiden Typen dienten völlig unterschiedlichen Zwecken: der eine zur Entwicklung des persönlichen Lebens und für Vorhersagen, der andere für den breiteren, allgemeineren Ansatz. Es gab eine besonders eindrückliche Sitzung, die ich nie vergessen werde, da sie mich auf meiner Suche nach Führung in eine völlig neue Richtung schickte – Führung, die letzten Endes von innen kam.

Ich lernte ein Medium kennen, das Michelle hieß. Sie arbeitete in dem Zimmer hinter der Tür mit dem spiegelnden Lack neben dem Ladeneingang und ich bat sie um eine Sitzung. Noch bevor Michelle überhaupt anfing, konnte ich in ihren Augen sehen, dass sie das Herz auf dem rechten Fleck hatte. Sie sprach mit gütiger Stimme und ihre Art zu reden, wie sie sich Zeit ließ und ihre totale Aufrichtigkeit überzeugten mich, dass sie nicht nach Informationen fischte. Sie versuchte wirklich, etwas zu interpretieren.

Die Sitzung begann etwas vage. Sie erwähnte eine Vision von einem Stuhl und einem Ring. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits viele hellsichtige Menschen getroffen und wollte die Zeit der Leute nicht mit unspezifischen Dingen verschwenden, die sich irgendwie auf jeden anwenden ließen. Ich wollte Bestätigung. Als die Stunde fortschritt, erwähnte Michelle ab irgendeinem Punkt nach der Hälfte immer wieder, dass ich »Geistführer« auf der anderen Seite hatte, die mir halfen, mit den Verstorbenen zu kommunizieren. Sie beschrieb sie als eine Gruppe von Wesen, ein Team, das mir helfen würde, Readings durchzuführen und Führung zu geben, wenn ich es lernte, auf sie zu hören. Das hörte sich alles toll an, aber da ich wenig andere Informationen zur Bestätigung bekam, machte ich mir im Stillen meine eigenen Gedanken. Michelle sagte mir, dass ich am besten durch Meditation Kontakt zu meinen Geistführern aufnehmen könnte und dass sie es mich gern lehren würde. Ihr Timing war wirklich interessant, da ich erst ein paar Tage zuvor einen Meditationsplatz in meinem Zimmer eingerichtet und mit einem Vorrat von Kerzen und Weihrauch ausgestattet hatte. Erst diesen Morgen hatte ich mir eine kleine Aloe vera gekauft und in der Mitte meines Zimmers aufgestellt. Wie man sich vorstellen kann, war ich ziemlich platt, als mir Michelle ganz nonchalant sagte, dass die Geistführer »mir eine Pflanze wie eine Art Kaktus« zeigen. Hier hielt sie inne. »Ich sehe, dass du in ihrer Nähe meditierst. Ist es eine Aloe?«

Mir fiel der Kiefer nach unten. Das war die Bestätigung, nach der ich gesucht hatte! Es bestand keine Möglichkeit, dass dieses Medium ein so spezifisches Detail über etwas, das ich erst diesen Morgen gekauft hatte, wissen konnte. Da diese Vision tatsächlich korrekt war, war vielleicht auch etwas an ihrer Behauptung, ich hätte Führer in der geistigen Welt. Es fühlte sich so an, als wäre mir die Begegnung mit dieser Frau vorherbestimmt gewesen – vielleicht hatten mir ja meine Geistführer jemanden geschickt, der mir helfen sollte, sie zu bemerken? Aber um wen handelte es sich dabei?

Als ich nach Hause fuhr, war ich entschlossen, zu meditieren und ein Wort mit diesen Geistführern zu wechseln. Ironischerweise ist Entschlossenheit das genaue Gegenteil des Geisteszustands, in dem ich später viel fließender Verbindung mit ihnen aufnehmen sollte. Der Zweck der Meditation ist schließlich nicht zu denken, die Gedanken und Gefühle zu minimieren, um zu einem durchlässigen Leiter zu werden, durch den die Informationen hindurchströmen können. Wenn ich bewusst versuche, Verbindung aufzunehmen, reißt mich das nur aus meinen intuitiven Wahrnehmungen heraus und setzt den Prozess unter Stress, schränkt den Informationsfluss ein. Aber wie dem auch immer sei, ich war entschlossen, es zu versuchen.

Zu Hause legte ich eine ruhige Hintergrundmusik auf, zündete ein Räucherstäbchen an und saß mit überkreuzten Beinen auf dem Boden, wobei ich mir nicht sicher war, was ich jetzt zu erwarten hätte. Nach einer Weile ging mir auf, wie kontraproduktiv es war, bewusst zu versuchen, nicht zu denken. Also ließ ich stattdessen los. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung. Nichts passierte.

Ich machte eine kurze Pause. Als ich zurückkam, stellte ich einen Wecker und meditierte noch eine halbe Stunde. Immer noch nichts. Ich war frustriert, aber ich meditierte die nächsten Tage über weiter, hatte aber wenig Erfolg damit, eine Verbindung aufzubauen, von den üblichen Eindrücken im Hintergrund einmal abgesehen. Ich hatte den Eindruck, zu dem Punkt geführt worden zu sein, da ich mit meinen Geistführern kommunizieren musste, aber ich hörte nichts von ihnen.

Nach Wochen erfolgloser Versuche, auf mich gestellt, persönliche Führung zu finden, hatte ich das Gefühl, geschlagen zu sein. Es verwirrte mich, dass meine persönlichen Geistführer nicht mit derselben Klarheit durchkamen wie die verstorbenen Lieben anderer Leute es so oft taten. Warum hörte ich am wenigsten von meinen Begleitern, die mir doch helfen sollten?

Nach vielen täglichen Versuchen, mit meinen Geistführern Verbindung aufzunehmen, entschied ich mich, sie zu mir kommen zu lassen. Ab diesem Punkt waren meine Nächte erfüllt von lebhaften Träumen, beständigen Heimsuchungen und unterschiedlichen Perspektiven, die sich ständig miteinander vermischten. Während ich noch lernte, meine Gabe im Wachen zu verfeinern, setzte ich es mir zum Ziel, die Kommunikation im Traum ebenfalls zu verbessern, indem ich versuchte, mich an die relevantesten Informationsbausteine zu erinnern und das außer Acht zu lassen, was sich nur wie Hintergrundlärm anfühlte.

Meine Geistführer

Als ich mitten in diesem Verfeinerungsprozess steckte, war ich schockiert, als nach Monaten fast nächtlicher Heimsuchungen diese plötzlich abrupt endeten. An ihre Stelle traten sich wiederholende Träume, wie unter Wasser zu sein – sie verdrängten die Träume, an die ich mich normalerweise erinnern konnte, hellseherische und andere. Die ersten paar Nächte war dieser zeitlose, formlose Traum merkwürdig beruhigend.

Dieser Zustand fühlte sich irgendwie vage vertraut an, wie eine Erinnerung, auf die mich mein Unterbewusstsein aufmerksam machen wollte, aber zu der es noch nicht durchgebrochen war. So scheinbar friedlich dieser Traum auch begann, irgendetwas fühlte sich in diesem schoßähnlichen Reich nicht richtig an und verursachte mir Herzrasen.

Mit jeder weiteren Nacht, die verging, erinnerte ich mich beim Aufwachen an ein zusätzliches Detail des Traums. Im weiteren Verlauf der Woche entwickelten sich meine wiederkehrenden Träume zu einer Reihe von Albträumen. Am Ende der dritten Woche setzte die Schlaflosigkeit ein. Ich kämpfte lange darum, einschlafen zu können, weil ich häufig aufwachte, um eine Pause vom Schlaf zu bekommen. Was soll man machen, wenn die Ruhephasen selbst anstrengend werden?

Die übliche nächtliche Reihe von Verstorbenen waren auf andere Art anstrengend gewesen. Aber sie waren wenigstens vertraut und bequem. Alles war besser als die neue wirbelnde, erstickende Schwere, die auf meiner Seele lastete. Wenn ich einnickte, fühlte ich die nun schon bekannte Wärme unter Wasser und das Schwindelgefühl, das mit der Zeit immer schlimmer geworden war.

Dann, aus dem Nichts, ein Ziehen. Das Schwindelgefühl wurde von einem physischen Zug an meinem linken Arm unterbrochen, das mich aufrüttelte, da das Wirbeln und Drehen abrupt zum Stillstand kam. Immer noch tief unter Wasser im Ozean, hörte ich, wie eine Stimme sagte: »Du erinnerst dich nicht daran, ich habe mit Hand angelegt.«

Ich war verblüfft, aber auch erleichtert, eine andere Person zu hören. Die Stimme schien keinen Ursprung zu haben, klang aber wie ein junger Mann. Da war etwas, das sich vertraut anfühlte, das bis in den Kern meiner Seele ausstrahlte – es fühlte sich für mich an, als hätte ich diese Stimme länger gekannt, als ich jemanden in meinem gegenwärtigen Leben kannte. Es war, als würde ich jemanden erkennen, dem ich noch keinen Namen zuordnen konnte.

»Walter«, sagte die Stimme. »Du kennst mich unter dem Namen Walter.«

Ich wollte mit dieser fremden und doch vertrauten Stimme ins Gespräch kommen, aber als ich so ziellos herumtrieb, war ich unfähig, ein Wort zu sagen. Obwohl das übelkeiterregende Schwindelgefühl nachgelassen hatte, fürchtete ich mich zu sehr, um den Mund zu öffnen und das Gefühl zu riskieren, wie Wasser meine Lungen füllte. Alles in mir kämpfte gegen den Drang zu sprechen an – doch ich verlor den Kampf. Meine Lippen öffneten sich und der Druck eines ganzen Ozeans strömte in mich ein. Ich schoss hoch, wurde wach, schnappte nach Luft. Als ich aufstand, um meine Mutter zu wecken, sagte sie, ich sähe blass aus, und bot an, mir ein Glas Wasser zu holen. Ich lehnte so höflich wie möglich ab.

Als ich meiner Mutter von der Serie bedrückender Alpträume erzählte, konnte ich die Sorge in ihrem Gesicht sehen. Obwohl sie stets bereit war, sich geduldig Situationen anzuhören, mit denen sie nicht einmal ansatzweise etwas anfangen konnte, wusste ich, dass sie nicht begriff, wie sehr sich meine Träume auf mich auswirkten. Ich hoffte, dass, wenn ich ihr erzählte, was diese Person namens Walter zu mir gesagt hatte, sie vielleicht in der Lage sein würde, die Lücken für mich zu schließen und die Albträume so aufhören würden.

Logischerweise schlug sie vor, dass ich in meinem Traum eine frühere angsteinflößende Erfahrung mit dem Wasser verarbeitete. Sie erinnerte mich an ein Ereignis während eines Urlaubs auf Hawaii, als ich noch ein kleines Kind war. Mein Vater und ich gingen los, um die Gezeitenbecken zu erkunden, da ich zu jung war, um zu schnorcheln. Wir standen mit dem Rücken zum Meer; plötzlich erhob sich hinter uns eine fast zwei Meter hohe Mauer aus Wasser und schleuderte uns auf das scharfkantige Vulkangestein vor unseren Füßen. Meiner Mutter zufolge hatte sie hilflos zusehen müssen, wie die Wellen mich fast aufs Meer hinausgespült hatten – ein Schicksal, das ein anderer Schwimmer am selben Tag am selben Strand erlitten hatte – mit tragischem Ausgang.

Ich war völlig überrascht, dass ich mich nicht an meine Nahtoderfahrung im Kindesalter erinnert hatte und warum sie sich jetzt in Träumen manifestierte. Als ich meinen Vater löcherte, mir von dem Erlebnis zu erzählen, sagte er, dass es ein schmerzhaftes, traumatisches Thema sei, über das er eigentlich niemals sprechen wollte.

Innerhalb eines Sekundenbruchteils hatte er sich dem Fluss des Wassers anvertraut, der meinen Körper in seine Reichweite gespült hatte, was es ihm erlaubte, meinen linken Arm zu packen und mich ans Ufer zu ziehen.

Diese Antworten von meinen Eltern zu bekommen, war ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch warfen sie auch eine Reihe weiterer Fragen auf. Ich fragte mich, ob Walter von der anderen Seite aus irgendwie interveniert hatte, mir einen Schubs in die richtige Richtung versetzt – und mir so das Leben gerettet hatte. Wenn Walter über mich schon als kleines Kind gewacht hatte, lange bevor ich jemanden verlor, um wen handelte es sich dann genau bei ihm? Und wenn er niemand war, den ich aus diesem Leben kannte, warum half er mir dann überhaupt?

Dieser Albtraum kehrte nie zurück. Wie die Eindrücke, die bei mir bleiben, bis ich sie interpretiert und übermittelt habe, löste sich dieser Albtraum auf, sobald ich seine Bedeutung verstand. Walter – wer auch immer das sein mochte – trat in mein Leben, indem er mir zeigte, wie er es gerettet hatte.

Die Albträume hörten auf, aber die Besuche von Walter gingen weiter, zumindest interimsweise, oft durchsetzt von einem komplexen Symbolismus und vielschichtiger Bildsprache, die durchkam, wenn ich schlief. Ich verstand, dass Walter viel mehr über mich wusste als ich über ihn – praktisch nichts. Obwohl ich in den Träumen, in denen er mich besuchte, nicht immer sein Gesicht sah, wurde seine Präsenz zu einem Gefühl, das ich leicht identifizieren konnte.

Je schneller ich die Zeichen und Synchronizitäten, die er sandte, bemerkte, desto mehr kamen in schneller Folge durch. Mir drängte sich die Frage auf, wie viel Kontrolle diese Geistführer über mein Leben hatten – und was sie davon hatten, mir ihre Führung zu schenken.

Wie ich später herausfinden sollte, sind alle Seelen untereinander verbunden, aber manche haben prominentere Rollen im Leben anderer und helfen ihnen, bestimmte »Seelenlektionen« zu meistern. Diese lehrorientierten Beziehungen nennt man manchmal auch Seelenverträge; sie können verschiedene Gestalten annehmen (mehr dazu später). Viele unserer Seelenverträge schließen wir mit Leuten, die zutiefst daran beteiligt sind, uns verstehen zu helfen, was es heißt, ein Mensch zu sein, während wir die menschliche Erfahrung erleben.

In manchen Fällen sind Seelenverträge nicht nur auf die Lebenden beschränkt. Diese Verbindungen bestehen auch oft zwischen uns und unseren Führern in der geistigen Welt. Ganz davon abhängig, welche Lektionen die beiden Seelen lernen, nehmen sie Rollen an, die ihnen Gelegenheiten geben, sie zu meistern.

Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass die Rollen der Seelenführer – wie alle anderen auch – temporär sind. Veränderung ist schließlich entscheidend für Wachstum. Die Seelen der Begleiter gehen weiter, so wie unsere eigenen auch, und sie haben ihre eigenen einzigartigen Lektionen und Herausforderungen vor sich. Egal welche Rolle eine Seele während einer Inkarnation annimmt, sei es in diesem Reich oder einem anderen, alles sind temporäre Rollen, die sich verändern und entwickeln.

Walter zeigte sich mir unterschiedlich, je nach der Situation, in der er assistierte. Wenn ich Trost brauchte, kam er im Traum in Form eines mitfühlenden, menschlich aussehenden Freundes. Wenn eine Botschaft besonders ernst war, verwendete er seine Energie darauf, mir Lösungen aufzuzeigen, und nur das vertraute Gefühl, das ich mit ihm verband, offenbarte ihn mir als Quelle. Wenn er in Träumen durchkam, war das ideal, denn das erlaubte es, ohne die Zwänge, die mit dem bewussten Wachzustand einhergehen, zu kommunizieren. Und doch war es so, dass ich, je mehr ich darauf achtete, offen und empfänglich zu sein, ich umso mehr unleugbare Zeichen im Wachzustand sah.

Als ich meine Ahnungen, willkürliche, wiederkehrende Gedanken und gelegentliche Tagträume, dokumentierte, ging mir auf, dass sie alle Botschaften von meinen Geistführern waren. Für mich persönlich war Meditation im traditionellen Sinn kein relevantes Werkzeug, um sie zu hören. Ich lernte durch Versuch und Irrtum, diese symbolischen Informationen zu interpretieren. Trotzdem meditierte ich eine Stunde pro Tag, wobei das nicht viel zutage förderte. Dann ging ich hinaus in die Öffentlichkeit, interagierte mit meiner Umgebung und erlebte Augenblicke geistiger Leere, in denen fast immer etwas durchkam.

Eines der profundesten Beispiele für dieses Muster ereignete sich in meiner Teenagerzeit, als meine Mutter und ich in einer Pizzeria vor Ort zu Abend essen wollten. Als ich hineinging, wurden meine Augen wie magisch angezogen von einem leeren Hochtisch unter einer Bierwerbung. Seltsamerweise bekam meine Intuition ein »Signal« aus dieser Großrichtung, ohne dass ich die Quelle orten konnte. Jedes Mal, wenn ich in die Richtung schaute, erlebte ich ein Gefühl von Dringlichkeit, als ob ich etwas unglaublich Wichtiges vergessen hätte, mich aber nicht erinnern konnte, was es war. Dieses Gefühl war eine Ablenkung, wie sie im Buche steht, doch ich wurde sie nicht los, so sehr ich mich auch bemühte. Ich war nicht einmal sicher, wie ich es hätte beschreiben sollen, obwohl ich meiner Mutter an diesem Punkt genug Beweise geliefert hatte, um zu wissen, dass sie mich wohl so gut wie eben möglich verstehen würde.

Während ich diesen trüb beleuchteten Sitzbereich zu ignorieren versuchte (und darüber nachdachte, die Pizza einfach mitzunehmen und zu gehen), bestellten die beiden Männer, die vor uns dran waren, und gingen hinüber, um sich hinzusetzen. Dabei sah ich, wie einer der Männer in Richtung des leeren Tisches ging, der meine Aufmerksamkeit so sehr beansprucht hatte. In dem Moment kulminierte das Gefühl der Dringlichkeit in einer neuen Intensität, jetzt gepaart mit einer schnellen Folge geistiger Eindrücke von einem schlaksigen jungen Mann, der Kleidung im Stil der 80er-Jahre trug, dann von einem alten Rennauto, das von der Straße geworfen wurde, und schließlich, aus dem Nichts: ein metallischer Geschmack in meinem Mund.

Ein Fremder hätte vielleicht nie erraten, was mit mir geschah, aber meine Mutter kannte die Anzeichen gut genug. Sie konnte sehen, dass mein Körper sich mit jeder Vision sichtlich anspannte, wieder und wieder wie in einer Wellenbewegung, während mir die Haare auf den Armen zu Berge standen.

»Tyler, fängst du etwas auf? Erzähl es mir!«, forderte sie.

Während ich mein Bestes tat, zu artikulieren, was ich fühlte, und beschrieb, wenn die Bilder durchkamen, sah ich, wie sich ihr Gesicht veränderte. Tränen traten ihr in die Augen; jetzt standen auch auf ihren Armen die Härchen auf. Sie sah fast genauso überwältigt aus, wie ich mich fühlte.

»Der Mann, der da unter dem Schild sitzt, ist ein Schulkamerad von mir«, sagte sie. »Sein Bruder starb bei einem Autounfall, als er noch keine dreißig war.«

An diesem Punkt waren wir uns beide unsicher, was wir tun sollten. Meine Mutter ermutigte mich, zu dem Mann zu gehen, aber irgendetwas hielt mich zurück. Da war ich, in dieser durchschnittlichen Pizzeria, völlig eingetaucht in eine Szene vor mir, und bekam eine Durchsage mit einem Wildfremden. Aber ich aß meine Pizza und tat so, als wäre nichts, bis das Gefühl verschwand. Tief im Inneren hatte ich das Gefühl, dass es sich dabei irgendwie um ein Lektion handelte, mit wem ich ein Reading teilen sollte. Wenn jemand nicht frei genug im Kopf ist, kann es seinem Trauerprozess abträglich sein, wenn ein geliebter Mensch durchkommt. Ich kontrolliere die Information, die ich bekomme, vielleicht nicht, aber ich bin verantwortlich dafür, wie ich mit dem umgehe, was durchkommt.

Ich wünschte, ich könnte sagen, dass meine Geistführer sich nach einer Zeit einstellten, um sich bei mir vorzustellen. Die Realität sieht so aus, dass ihre Botschaften und ihr Einfluss ebenso flüchtig wie tiefgründig sind. Über Jahre versuchte ich, Gesichter und Namen mit meinen Geistführern zu verbinden – sie zu vermenschlichen und ein paar Erklärungen zu bekommen. Seither bin ich zu dem Glauben gelangt, dass es einfach Dinge gibt, die zu wissen mir nicht bestimmt sind. Zweifelsohne ist mein »Team« sehr hilfreich im Kommunikationsprozess und sie führen mich in meinem Leben – selbst wenn ich mir dessen nicht immer bewusst bin. Die Kräfte hinter meiner Fähigkeit sind für mich ein ebenso großes Geheimnis wie für die anderen. Eines, was ich jedoch sicher weiß, ist, dass die Botschaften aus einem bestimmten Grund in meinem Leben auftauchen, und es ist der Sinn meines Lebens, dieses Bedürfnis zu erfüllen.

Erste eigene mediale Sitzungen

In dem Moment – mit meiner Mutter in der Pizzeria – erlebte ich einen Bewusstseinswandel, daran erinnere ich mich noch heute. Meine Geistführer umgaben mich und auch wenn der Kontakt mit ihnen sehr subtil war, schien ich ihn doch zu bemerken, wenn ich sollte. Nachdem ich nicht zu dem Mann an dem Tisch gegangen war, aber dennoch eine Bestätigung für die Richtigkeit meiner Vision von meiner Mutter erhalten hatte, fühlte ich mich dazu gedrängt, Leute zu finden, die die Botschaften hören wollten, die ich bekam. Ich war entschlossen, meine medialen Lesungen zu verfeinern. Ich wusste, dass ich Informationen im Wesentlichen auf zweierlei Arten bekam:

Erstens: Indem ich Lebensereignisse/Informationen direkt aus der Energie des Klienten ablas. Wenn es darum geht, zu verstehen, wie sich ein Klient mit einer Situation fühlt, oder wenn ich mir die intimsten Aspekte seines Soziallebens ansehe, ist die beste Quelle oft der Klient selbst. Werfe ich einen Blick auf die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft der Beziehungen, Gesundheit und persönlichen Erfüllung eines Menschen, mache ich das normalerweise, indem ich die Energie der Person lese, wodurch deren Erfahrung gewahrt bleibt und sie auf einem bestimmten Pfad geführt wird. Wenn eine Person zu tief in ihrer Trauer versunken ist, Mauern aufbaut oder sich nicht gut fühlt, kann diese Methode, jemanden zu lesen, an Verlässlichkeit einbüßen.

Zweitens: Indem ich Informationen von einem Verstorbenen lese/Botschaften von ihm bekomme. Verstorbene, die durchkommen und Botschaften schicken, liefern Einsichten aus ihrer Perspektive – und genau darum geht es. Jedoch muss ich angesichts der Tatsache, dass das, was ich als Information präsentiere, von dem abhängt, was sie kommunizieren, darauf vertrauen, dass das Kommunizierte die ganze Wahrheit ist. Außerdem kann Information auch verlorengehen, da sie oft in Symbolen und Bildern kommunizieren, die sich nur schwer übersetzen lassen, wenn das Medium nicht vorsichtig ist.

Ich begriff, dass die besten medialen Sitzungen ein bisschen was von beiden Methoden enthielten. Ich glaubte, dass ein wirklich kompetentes Medium so intuitiv navigieren können sollte, dass es die Energie eines Klienten lesen und gleichzeitig die Information seiner Geistführer und Lieben interpretieren konnte. Es ist wichtig, in der Lage zu sein, Energie auf mehr als nur eine Weise aufzufangen, falls eine der beiden Methoden blockiert oder unzugänglich ist. Beide Methoden zu integrieren, erlaubt eine stärkere Sitzung aus mehreren Perspektiven. Obwohl das mein Ziel war, hatte ich keine formelle Erfahrung damit, mediale Lesungen zu geben, und war mir nicht sicher, wie es aussehen sollte, diesen Prozess zu verfeinern. Ich wusste jedoch, dass der Laden meine Antwort auf meine Fragen war. Um das zu erweitern, was ich bereits konnte, musste ich mich vorwagen. Im Laden zu arbeiten, war der logischste (und intuitivste!) nächste Schritt. Dafür brauchte ich aber Marks Erlaubnis.

Eines meiner Bedenken war natürlich, dass ich in unseren vielen Gesprächen über dieses Thema nie meine mediale Seite ihm gegenüber enthüllt hatte. Das nun nebenbei nach so langer Zeit der Bekanntschaft zu tun, war schwierig. Ein paar Tage später ging ich in den Laden, direkt als er aufmachte. Ich hoffte, mit Mark reden zu können, und wie immer war er als Erster da. Ich hatte nicht viel Erfahrung damit, meine Situation zu erklären. Für mein Alter war ich sehr schüchtern und rang mit Worten, als ich den ersten Moment der Verbindung nach dem Tod meiner Großmutter beschrieb. Mark nickte vor sich hin, als ich sagte, dass ich gern mediale Sitzungen im Hinterraum machen würde. Ich konnte seinen Blick fühlen, als ich redete, aber nicht lesen, was er dachte. In gewissem Sinn war es mein erstes Job-Interview!

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