Kitabı oku: «Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften», sayfa 10
Teil 3 Gläubigerschutz
Inhaltsverzeichnis
§ 5 Grundfragen und Prinzip der Kapitalerhaltung
§ 6 Bilanz- und Insolvenzrecht
§ 7 Durchgriffshaftung der Gesellschafter, Gesellschafterdarlehen
Teil 3 Gläubigerschutz › § 5 Grundfragen und Prinzip der Kapitalerhaltung
§ 5 Grundfragen und Prinzip der Kapitalerhaltung
Inhaltsverzeichnis
I. Pflichten und Haftung der Kapitalgesellschaft im Wege der Zurechnung
II. Die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen
III. Grundfragen des Gläubigerschutzes
IV. Die Vermögensentwicklung einer Kapitalgesellschaft
V. Das Prinzip der Kapitalerhaltung und wie es die Gläubiger schützen soll
VI. Details zur Kapitalerhaltung
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Fall 7:
A ist in eine Baugrube gefallen, die die Bauarbeiter der Z-AG auf Weisung des Vorstands V der Z-AG ausgehoben haben, weil diese die Grube fahrlässig nicht genügend gesichert haben. Der anschließende Aufenthalt des A im Krankenhaus hat 10.000 € gekostet. A fragt, ob er einen Anspruch gegen die Z-AG auf Ersatz dieses Schadens besitzt, da die Bauarbeiter nicht zahlungsfähig sind. Rn. 148
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Fall 8:
A hat gegen die X-GmbH einen Anspruch auf Zahlung von 1.000 € nach Lieferung von 100 Klafter Holz aus einem Kaufvertrag. Als die GmbH nicht zahlen kann und das Insolvenzverfahren eröffnet wird, verlangt A Zahlung von 1.000 € von
– | dem Gesellschafter G, weil dieser ihm nach Abschluss des Vertrages wahrheitswidrig gesagt hat, dass es der X-GmbH wirtschaftlich gut gehe, |
– | und vom Geschäftsführer GF, weil dieser kurz vor der Insolvenz 1.000 € aus der Kasse der GmbH gestohlen habe. |
Zu Recht? Rn. 149
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Fall 9:
Entgegen §§ 57 Abs. 2 und 3, 59 AktG zahlt die X-AG während der Jahre 2005 bis 2010 eine monatliche Vergütung von 1.000 € an jeden ihrer 100 Aktionäre aus. Die B-Bank, die der X-AG einen Betrag von 20 Mio. € geliehen hat, möchte wissen, ob sie dagegen irgendetwas unternehmen kann. Rn. 150
Teil 3 Gläubigerschutz › § 5 Grundfragen und Prinzip der Kapitalerhaltung › I. Pflichten und Haftung der Kapitalgesellschaft im Wege der Zurechnung
I. Pflichten und Haftung der Kapitalgesellschaft im Wege der Zurechnung
1. Vertragliche Verbindlichkeiten
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Die Kapitalgesellschaft ist juristische Person. Gem. § 1 Abs. 1 AktG, § 13 Abs. 1 GmbHG hat sie eigene Rechtspersönlichkeit und kann eigene Rechte und Pflichten begründen. Sie kann also zunächst vertragliche Verbindlichkeiten haben. Diese entstehen durch den Abschluss von Verträgen. Wie kommen diese Verträge der Kapitalgesellschaft zustande? Die juristische Person kann im Ausgangspunkt nicht selbst handeln. Denn sie ist lediglich eine rechtliche Konstruktion (Fiktion), die eine aus natürlichen Personen bestehende Organisation zu einer rechtlichen Einheit zusammenfasst.
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Der juristischen Person muss deshalb das Handeln ihrer Organe und anderer für sie handelnder Personen zugerechnet werden. Das geschieht im Grundsatz dadurch, dass die Kapitalgesellschaft im Rechtsverkehr gem. den Vorschriften des BGB über die Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) wirksam vertreten wird und ihr also das Handeln natürlicher Personen als eigenes Handeln zugerechnet wird. Gesetzliche und unbeschränkbare Vertretungsmacht für die Gesellschaft hat einerseits die Geschäftsleitung, also Vorstand oder Geschäftsführer (§§ 78 Abs. 1, 82 Abs. 1 AktG; §§ 35, 37 Abs. 2 GmbHG). Daneben kann anderen Personen, z.B. Prokuristen oder anderen Arbeitnehmern, vertraglich im Wege der Vollmacht Vertretungsmacht eingeräumt werden. Handelt jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht für die Gesellschaft, so wird der Gesellschaft die Willenserklärung des Vertreters gem. § 164 Abs. 1 BGB zugerechnet. Der so zustande gekommene Vertrag besteht (nur) zwischen ihr und ihrem Gläubiger. Aus dem entsprechenden Vertrag kann der Gläubiger die Gesellschaft selbst in Anspruch nehmen, sie etwa in Verzug setzen oder auf Leistung verklagen.
Hinweis:
In einer Klausur prüft man also (sofern keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Entstehung der Kapitalgesellschaft bestehen) lediglich das Zustandekommen eines Vertrages zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertragspartner nach den allgemeinen Regeln.
2. Zurechnung pflichtwidrigen Verhaltens
a) Zurechnung erforderlich
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Neben einer Verpflichtung durch die Zurechnung fremder Willenserklärungen kommt auch die Haftung der Gesellschaft für das Fehlverhalten Dritter in Frage. Für eine solche Haftung benötigt man ebenfalls die Zurechnung des Verhaltens des jeweiligen Dritten, da die Gesellschaft selbst eine Pflichtverletzung ebenso wenig begehen kann, wie sie selbst eine Willenserklärung abgeben kann. Weder im Aktien- noch im GmbH-Recht findet man jedoch eine solche ausdrückliche Zurechnungsnorm. Wiederum ergibt sie sich aus dem BGB. Es geht um die §§ 31, 831, 278 BGB. Dabei spielt die für den Verein geltende Vorschrift des § 31 BGB eine besondere Rolle. Nach ihr wird dem Verein eine Handlung des Vorstands, soweit sie zum Schadensersatz verpflichtet, zugerechnet.[1] Diese Vorschrift wird unstreitig auch (analog!) auf die Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften angewendet. Fraglich ist aber ihre inhaltliche Reichweite.
b) Zurechnung von Verschulden im Rahmen vertraglicher Sonderverbindungen gem. § 278 BGB oder § 31 BGB?
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Nach mittlerweile wohl überwiegender Auffassung in der Literatur gilt die Vorschrift des § 31 BGB auch für Pflichtverletzungen aus Verträgen. Wenn also der Vorstand einer AG eine Vertragsverletzung begeht, z.B. verantwortlich für eine nicht rechtzeitige Lieferung ist, so kann nach dieser Meinung etwa ein Verzugsschadensersatzanspruch gegen die AG aus § 31 i.V.m. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB begründet sein. Nach anderer Auffassung[2] ist in Fällen vertraglicher Haftung jedoch § 278 BGB die richtige Zurechnungsnorm. Diese Auffassung hat viel für sich, da § 31 BGB nicht auf vertragliche Pflichtverletzungen sondern eher auf unerlaubte Handlungen zugeschnitten ist. Jedenfalls wirkt eine etwaige vertragliche Haftungsmilderung auch zugunsten der Gesellschaft (d.h. der Verschuldensmaßstab richtet sich nach dem zugrundeliegenden Vertrag zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertragspartner). Ferner erfolgt eine Zurechnung über § 278 BGB zur Gesellschaft unstreitig dann, wenn es um das Verschulden von Arbeitnehmern der Gesellschaft geht, da auf sie § 31 BGB nicht angewendet werden kann (vgl. im Folgenden c).
c) Zurechnung deliktischer Verantwortlichkeit
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Die Gesellschaft kann selbst keine unerlaubten Handlungen begehen. Sie haftet jedoch für unerlaubte Handlungen, die ihr Vorstand oder Geschäftsführer begeht, gem. § 823 BGB (oder jeder anderen Anspruchsgrundlage aus dem Deliktsrecht) i.V.m. § 31 BGB analog auf den bei einem Dritten eingetretenen Schaden. Damit ist die Haftung der Kapitalgesellschaft für unerlaubte Handlungen jedoch nur unvollkommen beschrieben. Denn nicht nur für ihren Vorstand oder Geschäftsführer, auch für das Verhalten ihrer Aufsichtsratsmitglieder und ihrer Arbeitnehmer kann die Gesellschaft haften. Die Haftung für das Verhalten eines eventuellen Aufsichtsrates ergibt sich ebenfalls aus § 31 BGB. Der BGH hat den Begriff des verfassungsmäßigen Vertreters in dieser Vorschrift sehr weit ausgelegt und versteht darunter sämtliche Personen in leitender Stellung, etwa Prokuristen, sogar solche Personen ohne Vertretungsmacht, soweit ihnen wichtige Funktionen zur eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind. Auf diese Weise ist § 31 BGB im Verlauf zu einer Repräsentantenhaftung ausgebaut worden.[3]
Das Verhalten weisungsgebundener Arbeitnehmer der Kapitalgesellschaft kann jedoch im Grundsatz nur über § 831 BGB i.V.m. § 31 BGB zugerechnet werden. Die Haftung aus § 831 BGB ist eine Haftung für vermutetes Auswahl- und Überwachungsverschulden. Letzten Endes wird der Kapitalgesellschaft dann ein solches vermutetes Verschulden ihres gesetzlichen Vertreters nach § 31 i.V.m. § 831 BGB zugerechnet, falls dieser gesetzliche Vertreter sich nicht nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB entlasten kann.
Teil 3 Gläubigerschutz › § 5 Grundfragen und Prinzip der Kapitalerhaltung › II. Die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen
II. Die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen
1. Was bedeutet „beschränkte“ Haftung?
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Kapitalgesellschaften sind Gesellschaften mit Haftungsbeschränkung, wie es § 1 GmbHG ausdrücklich sagt, wie es aber auch für die AG gilt. Nach den Grundregeln in § 1 Abs. 1 S. 2 AktG und § 13 Abs. 2 GmbHG haftet den Gläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur das Gesellschaftsvermögen. Die Gläubiger müssen sich also aus dem Vermögen der Gesellschaft befriedigen. Sie können, soweit nicht einer der Ausnahmetatbestände der Durchgriffshaftung[4] (dazu unten Rn. 303 ff.) vorliegt, grundsätzlich die Gesellschafter nicht für die Verbindlichkeiten und sonstigen Pflichten der Gesellschaft in Anspruch nehmen (Trennungsprinzip). Durch die Gründung einer GmbH oder AG erlangt der (bzw. erlangen die) Gesellschafter also eine prinzipielle Aufteilung und Trennung des eigenen Vermögens in ein gesondertes unternehmerisches Vermögen einerseits und ein davon getrenntes Privatvermögen. Diese Trennung bleibt auch dann aufrechterhalten, wenn das Vermögen der Kapitalgesellschaft zur Befriedigung der Gläubiger nicht mehr genügt. Auch in einem Insolvenzverfahren haften also weder Gesellschafter noch Geschäftsführer für die Schulden der Gesellschaft. Auch die Gesellschafter selbst müssen sich allerdings an die einmal gewählte Trennung des unternehmerischen von ihrem privaten Vermögen halten, sonst kann es zur Durchgriffshaftung, also der Aufhebung der Trennung, kommen (siehe Rn. 303).
2. Haftungsbeschränkung und besondere Haftungstatbestände für Gesellschafter und/oder Geschäftsleiter
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Die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen schließt nicht aus, dass einzelne Gesellschafter oder Geschäftsleiter parallel zur Haftung der Gesellschaft den Gläubigern etwas schulden. Für solche Pflichten bedarf es aber stets eines besonderen Verpflichtungsgrundes, etwa eines gesonderten Vertrages oder einer zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung.
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Hier zu erwähnen sind einerseits besondere vertragliche und vertrauenshaftungsrechtliche Ansprüche gegen einzelne Gesellschafter oder Geschäftsleiter der Gesellschaft. Sie können nämlich als natürliche Personen selbstverständlich nach den allgemeinen Regeln des BGB aus einer von ihnen abgegebenen Garantie oder Bürgschaft oder einer sog. externen Patronatserklärung einzelnen Gläubigern der Gesellschaft haften. Ähnliches soll gelten, wenn namentlich der Geschäftsführer einer GmbH „ein besonderes persönliches Vertrauen des Vertragspartners der Gesellschaft in Anspruch genommen hat“.[5] Das wird etwa der Fall sein, wenn der Geschäftsführer einem Vertragspartner der GmbH sagt, er „stehe mit seinem guten Namen für die Erfüllung des Vertrags ein“, nicht ausreichend dagegen: „Geld ist für die Firma kein Problem“.[6] Dann haftet der Geschäftsführer dem Vertragspartner unmittelbar aus §§ 280, 311, 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.) auf Schadensersatz, sollte seine Zusage nicht eintreffen. Mit solchen selbstständigen Verpflichtungsgründen sollte man freilich sehr vorsichtig sein.
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Für ihr eigenes Tun können Geschäftsleiter und Gesellschafter ferner deliktisch gem. §§ 823, 830 BGB haften und insoweit ebenfalls unmittelbar von den Gläubigern in Anspruch genommen werden. Daher wird in aller Regel in den Fällen der oben dargestellten Zurechnung gem. § 31 BGB neben der Kapitalgesellschaft auch das handelnde Organmitglied persönlich dem Geschädigten als Gesamtschuldner gem. § 840 BGB haften. Eine wichtige Frage, die sich dann stellt, ist die nach dem Verhältnis der beiden Ansprüche zueinander im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und handelndem Organ.
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Bei den eben angesprochenen Fragen handelt es sich um Ansprüche einzelner Gläubiger gegen einzelne handelnde Personen und nicht um originär (kapital-)gesellschaftsrechtliche Fragen. Zur Durchgriffshaftung siehe im Übrigen Rn. 303 ff.
3. Die ökonomische Beurteilung des Instituts der Haftungsbeschränkung
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Ein ökonomischer Vorteil ist die Haftungsbeschränkung naturgemäß zunächst nur für diejenigen, die ihr Geld in ein Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft investieren. Das gilt jedenfalls bei mikroökonomischer Betrachtungsweise, wenn der zu erwartende Gewinn aus der Haftungsbeschränkung (= Produkt aus Wahrscheinlichkeit eines ohne die Haftungsbeschränkung eintretenden Verlustes und dessen Höhe abzüglich des eingesetzten Kapitals) höher ist als der zu erwartende Preis, der für die Haftungsbeschränkung zu zahlen ist (der Unterschied zwischen den zu erwartenden Gewinnen aus dem Unternehmen mit und ohne Haftungsbeschränkung).
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Volkswirtschaftlich betrachtet bleibt dagegen – auch bei einem positiven Ausgang dieser Rechnung für den oder die Unternehmer selbst – ein Nettovorteil nur dann, wenn entweder die mit der Haftungsbeschränkung naturgemäß verbundene Gefahr einer Risikoexternalisierung ausgeschaltet ist oder zumindest ihre Vorteile die Nachteile überwiegen. Soweit nur letzteres der Fall ist, kann das Institut der Haftungsbeschränkung zur Umverteilung (nämlich zwischen Investoren und Gläubigern) führen und wird dann unter Gerechtigkeitsaspekten zweifelhaft.
Teil 3 Gläubigerschutz › § 5 Grundfragen und Prinzip der Kapitalerhaltung › III. Grundfragen des Gläubigerschutzes
III. Grundfragen des Gläubigerschutzes
1. Gläubigerschutz warum?
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Durch das Institut der Haftungsbeschränkung soll das Risiko der Investoren, d.h. der Anteilseigner der Kapitalgesellschaft, begrenzt werden. Sie sollen nicht fürchten müssen, mehr als das von ihnen eingesetzte Kapital zu verlieren. Dies ist ein sehr begrenzter Zweck der Haftungsbeschränkung. Keinesfalls sollte den Anteilseignern durch sie erlaubt werden, auf Risiko und Kosten ihrer Gläubiger das Unternehmen zu betreiben oder diese zu schädigen. Das heißt: Ihr Privatvermögen wird zwar grundsätzlich vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Die Anteilseigner sollen aber ihrerseits dieses unternehmerische Vermögen von ihrem Privatvermögen getrennt halten und es nicht zulasten der Gläubiger und zum eigenen Vorteil vermindern. Und ferner muss bei einem absehbaren Scheitern des Unternehmens rechtzeitig ein Verfahren durchgeführt werden, das die Interessen der Gläubiger und das noch vorhandene Vermögen der Kapitalgesellschaft vor weiteren Schäden schützt.
2. Gläubigerschutz wann?
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Mit dem eben genannten Verfahren ist das Insolvenzverfahren gemeint. Hier kommen sämtliche Gläubiger der Gesellschaft zusammen (deshalb hieß das Verfahren bis 1999 noch „Konkurs“ von lat. concurrere: zusammenlaufen), weil das Unternehmen der Kapitalgesellschaft gescheitert ist. Der Insolvenzverwalter nimmt das Vermögen der Gesellschaft in Beschlag und entscheidet fürderhin über die weitere Zukunft des Unternehmens.
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Erst in diesem Moment, wenn der Unternehmer also bereits gescheitert ist, wird in der Praxis auch geprüft, ob die Gesellschafter sich zuvor zu Unrecht zulasten der Gläubiger bereichert haben (Kapitalerhaltung). Und ferner wird auch erst in diesem Moment darüber entschieden, ob im Extremfall der Grundsatz der Haftungsbeschränkung ausnahmsweise durchbrochen wird (Durchgriffshaftung). Es ist wichtig, sich diese rechtspraktische Tatsache vor Augen zu halten: Vor einem Insolvenzverfahren sind sämtliche Ansprüche der Gläubiger durch Klage gegen die Gesellschaft und anschließend im Wege der Einzelzwangsvollstreckung durchsetzbar. Es besteht daher bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Gläubiger kein Anlass, sich über die Einhaltung der Regeln der Kapitalerhaltung oder sonstige dem Gläubigerschutz dienenden Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts Gedanken zu machen. In dem Insolvenzverfahren kann sich freilich herausstellen, dass „kaum noch etwas da ist“. Dann beginnt die Suche nach Verstößen gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung. Selbst Fragen der ordnungsgemäßen Gründung der Gesellschaft, soweit sie dem Gläubigerschutz dienen, können noch im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden (insbesondere im Fall der sog. verdeckten Sacheinlage[7]) und werden es häufig auch praktisch.
3. Gläubigerschutz vor wem?
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Nicht nur die Gesellschafter können, auch die Geschäftsleitung kann durch ihre Handlungen einen Schaden der Gläubiger verursachen. Daher betrifft der Gläubigerschutz nicht nur mögliche Ansprüche gegen die Gesellschafter sondern auch Regeln über das richtige Verhalten der Geschäftsleitung und mögliche Ansprüche gegen diese.
4. Gläubigerschutz wie?
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Dem Recht stehen zum Schutz der Gläubiger grundsätzlich nur zwei Mittel zur Verfügung, nämlich Kompensation (durch Ansprüche auf Schadensersatz) und Verhaltenssteuerung. Der Schaden für die Gläubiger kann zunächst durch bestimmte Ansprüche gegen Geschäftsleitung oder Gesellschafter kompensiert werden. Da niemand gerne haftet, wirkt allein das Bestehen solcher Ansprüche zugleich auch (in begrenzter Weise) verhaltenssteuernd. Gleichwohl kann es sein, dass der verhaltenssteuernde Aspekt des bloßen Haftungsrisikos nicht ausreicht.
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Es ist dann nach weiteren Mitteln und Wegen zu suchen, die für die Gesellschaft Handelnden von einer Schädigung abzuhalten. Solche Mittel können etwa organisatorische Vorkehrungen sein wie etwa die Pflicht zur Dokumentation des Wertes und des Verbleibs der Vermögensgegenstände der Gesellschaft (Bilanzrecht, allgemein Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten) oder aber auch eine Pflicht der Geschäftsführung oder ein korrespondierendes Recht der Gläubiger, rechtzeitig das Insolvenzverfahren einzuleiten, sowie ferner Strafdrohungen bei Pflichtverletzungen.
Im Folgenden wird eine Übersicht über mögliche Ansprüche gegen Gesellschafter und Geschäftsleitung gegeben, deren bedeutsamste dann weiter unten näher besprochen werden.
5. Überblick über Rechtsinstitute des Gläubigerschutzes
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Rechtsgebiet | Institut | Funktionsweise | Nähere Erläuterungen |
---|---|---|---|
Zivilrecht | c.i.c./Vertrag | Unmittelbare Haftung des Gesellschafters und der Geschäftsführung gegenüber den Gläubigern | Rn. 135 ff., 149 |
Strafrecht | Untreue, § 266 StGB Betrug, § 263 StGB Insolvenzstraftaten, §§ 283 ff. StGB | Strafdrohung soll Gesellschafter und Geschäftsführer (aber insbesondere letztere) zu einem ordnungsgemäßen Verhalten anhalten | |
Gesellschaftsrecht | Gesetzliches Mindestkapital (AG: 50.000 € GmbH: 25.000 €) | Mindestpuffer gegen Verluste, Seriositätsschwelle, Sicherung der Verantwortung der Gesellschafter | Rn. 163 ff., 168 f. |
Eigenkapitalerhaltung (§§ 30 ff. GmbHG, §§ 57 ff. AktG) | Rückzahlungsverbot, Haftung der Gesellschafter | Rn. 175 ff. | |
Handelsrecht | Rechnungslegung §§ 242, 264 HGB | ermöglicht spätere Kontrolle der Unternehmensführung | Rn. 77 |
Bilanzierungsgrundsätze | sichern richtige Bewertung | Rn. 253 ff. | |
Jahresabschlussprüfung §§ 316 ff. HGB | Abschlussprüfer kontrollieren richtige Bewertung | ||
Veröffentlichung des Jahresabschlusses § 325 HGB | Information und Transparenz ermöglicht Gläubigern zu reagieren | ||
Insolvenzrecht | Insolvenzantragspflicht (§§ 15a, 17–19 InsO) | rechtzeitige Wegnahme der Unternehmenskontrolle | Rn. 85, 186 ff. |
Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) | Rückgängigmachung von Vermögensverschiebungen | Rn. 295 ff., 345 f., 357, 359 f. | |
Durchgriffshaftung | Aufhebung der Haftungsbeschränkung | Rn. 303 ff. | |
Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 InsO) und Anfechtung | Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital | Rn. 328 ff., 355 ff. |
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Lösung zu Fall 7: Anspruch des A gegen Z aus § 831 i.V.m. § 31 BGB
Eine fahrlässige Verletzung des Körpers bzw. der Gesundheit des A liegt hier vor. Unmittelbar verantwortlich sind die Bauarbeiter, weil der Unfall infolge deren fahrlässigen Handelns geschah. Ihr Verschulden kann jedoch der Z-AG nicht gemäß § 31 BGB zugerechnet werden, da die Bauarbeiter nicht als Repräsentanten der Z-AG anzusehen sind. Die Z-AG kann jedoch möglicherweise aus § 831 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden. § 831 BGB begründet eine Haftung aufgrund vermuteten Verschuldens. Da der Z-AG als juristische Person nicht selbst ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann, kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn ihr das Verschulden eines anderen zugerechnet werden kann. Hier hat V die Bauarbeiter beauftragt und damit im Sinne des § 831 BGB zu einer Verrichtung bestellt. Das gem. § 831 BGB vermutete Verschulden des V ist der Z-AG gem. § 31 BGB zuzurechnen. Folglich besteht der Anspruch.
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Lösung zu Fall 8:
1. Ein vertraglicher Anspruch des A aus Kaufvertrag besteht lediglich gegen die X-GmbH. Die Gesellschafter der X kann A wegen § 13 Abs. 2 GmbHG nicht in Anspruch nehmen.
2. A – G aus § 280 Abs. 1 (c.i.c.) i.V.m. § 311 Abs. 3 BGB (wegen Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens).
Ein solcher Anspruch kommt grundsätzlich in Betracht, setzt aber voraus, dass der in Anspruch genommene G gerade Vertrauen in seine eigene Person erweckt hat und dies für den Vertragsschluss des A mit der X-GmbH bestimmend war, siehe § 311 Abs. 3 BGB. Hier erfolgte die fragliche Aussage des G jedoch erst nach Vertragsschluss. Vor allem aber hat G nicht zu erkennen gegeben, er wolle selbst für die Leistungsfähigkeit der X-GmbH einstehen, sondern lediglich über die Leistungsfähigkeit der GmbH getäuscht. Dies geschah erkennbar „für die GmbH“ und könnte daher allenfalls weitere Rechte des A gegen die X begründen, nicht aber gegen G als Dritten. Ein Anspruch besteht folglich nicht. (Etwas anderes könnte sich lediglich aus § 826 BGB ergeben, wenn G dem durch seine Aussage vorsätzlich Schaden zufügen wollte, dafür ist dem Sachverhalt nicht genügend zu entnehmen.)
3. A – GF aus § 823 Abs. 1 BGB
Voraussetzung für einen solchen Anspruch gegen GF ist, dass ein absolutes Recht des A i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB verletzt ist. Das ist hier nicht der Fall, da der GF lediglich das Eigentum der X-GmbH und nicht das Eigentum des A durch seine Handlung geschädigt hat. Die Tatsache, dass GF der X-GmbH gem. § 823 BGB bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG den Schaden zu ersetzen hat, bedeutet nicht, dass er auch von den Gläubigern der X in Anspruch genommen werden könnte. Anders wäre es ggf. in der AG (§ 93 Abs. 5 S. 1 u. 2 AktG, bitte lesen!).
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Lösung zu Fall 9:
Die monatlichen Zahlungen an die Aktionäre sind zwar rechtswidrig und begründen Ansprüche der X-AG auf Rückzahlung der geleisteten Beträge gem. § 62 Abs. 1 AktG. Gem. § 62 Abs. 2 AktG kann die B-Bank diese Ansprüche jedoch nur geltend machen, wenn sie von der X-AG keine Befriedigung erlangen kann. Solange die X-AG also die vereinbarten Zahlungen auf den Kredit leistet, stehen der B-Bank keine Möglichkeiten zur Verfügung, an der Praxis der X-AG etwas zu ändern.
Anm.: Selbst wenn die X-AG mit der Rückzahlung des Darlehens in Verzug kommt, so besteht das Recht aus § 62 Abs. 2 AktG noch nicht notwendigerweise. Vielmehr muss sie grundsätzlich zunächst die X-AG auf Leistung verklagen. Erst bei stattgebendem Urteil und anschließendem fruchtlosen Vollstreckungsversuch besteht die Möglichkeit der Geltendmachung nach § 62 Abs. 2 AktG. Anders ist es nur, wenn bereits die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen die X-AG mangels Masse abgelehnt wurde, d.h. wenn feststeht, dass bei der X-AG nichts zu holen ist. Und auch dann kann die B-Bank nicht Zahlung an sich selbst, sondern nur an die X-AG verlangen. Ein eigener Anspruch gegen die Aktionäre steht ihr hingegen nicht zu.[8] Man sieht auch hieran: Gläubigerschutz wird letztlich nur im Falle der Insolvenz der Kapitalgesellschaft praktisch.
Teil 3 Gläubigerschutz › § 5 Grundfragen und Prinzip der Kapitalerhaltung › IV. Die Vermögensentwicklung einer Kapitalgesellschaft