Kitabı oku: «Kleine Geschichte deutscher Länder», sayfa 6

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H. „Block in der deutschen Geschichte“ (Herzogtum Bayern)

Plötzlich, nach den ältesten, sehr unsicheren Quellen im Jahre 508, sind sie da: eine ethnische Gruppe unbekannter Herkunft und Zusammensetzung, die sich „Baiwari“ nennt. Es spricht einiges dafür, daß es sich um einen gemischten Verband handelt, der sich in Böhmen gebildet hat. Jedenfalls müssen sich die „Baiwari“ vor der Landnahme in der Nähe ostgermanischer Völker aufgehalten haben, da das Bayerische von allen westgermanischen Sprachen dem Ostgermanischen am nächsten steht. Die eigentliche Stammesbildung vollzieht sich erst nach der Einwanderung, vorzugsweise im Raum Regensburg – Ingolstadt – München, wo sich die Neuankömmlinge zu einem erheblichen Anteil mit Alemannen und in ebenfalls beträchtlichem Ausmaß mit Römern, genauer mit romanisierten Kelten, mischen. Auf diese Weise konstituiert sich – zunächst im Bereich der mittleren Donau und im Alpenvorland – eine eigenständige, zukunftsträchtige ethnische Großgruppe, die das historische Geschehen im südlichen Mitteleuropa und darüber hinaus bis heute entscheidend bestimmt hat. Bayern liegt nicht nur „seit 1500 Jahren wie ein Block in der deutschen Geschichte“ (Stadtmüller); der östliche Teil des Stammesgebietes, Österreich, hat darüber hinaus europa- und weltgeschichtliche Bedeutung gewonnen.

Der „Tassilo-Kelch“ (um 768–788)

Bis zum Jahre 1156, also fast 650 Jahre lang, besteht ein gesamtbayrischer Stammesstaat mit der Hauptstadt Regensburg, wo die Herzöge aus dem Haus der Agilolfinger (bis 788) an der „Porta Praetoria“ der Römerstadt „Castra Regina“ ihre Pfalz errichten; noch im 10. Jahrhundert weist die Stadt, die bei der bayrischen Landnahme weder umkämpft noch zerstört wurde, ein römisches Erscheinungsbild auf. Straßenzüge und Gebäude, Handwerks- und Landwirtschaftstechniken bleiben erhalten.

Der bayerische Landeshistoriker Benno Hubensteiner charakterisiert die frühen Bayern wie folgt: „Ein Bauernvolk, gutmütig und jähzornig, sinnenfroh und aufwenderisch, eigensinnig und beharrend wie noch heute.“ In der Tat: Manche der für den Stamm charakteristischen Merkmale treten schon in der Frühzeit und dann im Laufe der bayerischen Geschichte immer wieder in Erscheinung. Sinnenfreude, Realismus und Beharrungsvermögen gehören bis zum heutigen Tag dazu, aber auch Sinn für Natur, Kunst und Religion. Die bis heute weniger positiv in Erscheinung tretenden Stammeseigentümlichkeiten sind ebenfalls bereits früh nachweisbar, die Neigung zum „Rankeln und Raufen“ (Hubensteiner) beispielsweise oder die für Außenstehende manchmal etwas irritierende „Mir-san-Mir“-Mentalität.

Im Laufe des 6. und 7. Jahrhunderts breitet sich der Bayernstamm von den Ausgangsgebieten an der mittleren Donau in alle Himmelsrichtungen aus. Im Westen stößt er auf die Alemannen, und zwar am Lech, der noch heute eine ausgeprägte Sprach- und Mentalitätsgrenze darstellt. Nach Norden hin werden über die Flüsse Vils und Naab die Oberpfalz und der bayerische Nordgau erschlossen. Im Süden dringen die Bayern auf den Alpenhauptkamm vor, den sie stellenweise überschreiten; bereits zu Beginn des 7. Jahrhunderts erreichen sie die Salurner Klause, die seither die Sprachgrenze darstellt. Im Osten folgt die Siedlung dem Donaustrom, kommt für einige Zeit an der Enns zum Stehen, erfaßt dann aber auch Niederösterreich, Kärnten und die Steiermark. Nach schweren Rückschlägen durch die Ungarn, die in den Jahrzehnten um 900 ihre bayerischen Nachbarn in besonderer Weise bedrohen, erreicht die Siedlungsgrenze nach deren Niederlage in der Lechfeld-Schlacht schließlich den Leithafluß und das Leithagebirge, die historische Grenze zwischen Österreich und Ungarn. Im Zusammenhang mit dieser Siedlungsexpansion errichten die Bayern den größten Stammesstaat der deutschen Geschichte, der „von der Eger bis zu Etsch, vom Lech bis zur Leitha“ reicht.

Von Anfang an gewinnt der Stamm überregionale Bedeutung. Fränkische und iro-schottische Mönche und Missionare stellen die Verbindung zum Westen her, Bonifatius schafft die organisatorischen Grundlagen der bayerischen Landeskirche, die ihrerseits früh die Mission bei den ungarischen und slawischen Nachbarn aufnimmt. Als der politische Einfluß des Frankenreichs immer stärker wird, versuchen die Agilolfinger-Herzöge, Rückhalt bei dem ebenfalls durch die Franken gefährdeten Langobardenreich zu gewinnen; es kommt zu politischen und verwandtschaftlichen Verbindungen mit Italien, im Zusammenhang mit der Bistumsorganisation auch zu Kontakten mit dem Heiligen Stuhl.

788 wird Herzog Tassilo, dessen Regierung eine Glanzzeit in der Geschichte Bayerns darstellt, von Karl dem Großen abgesetzt und mitsamt seiner Gemahlin und seinen Kindern in ein Kloster gebracht. Obwohl die Einverleibung in den fränkischen Großstaat zunächst als Katastrophe empfunden wird, nimmt die Bedeutung Bayerns dadurch nicht ab, sondern zu. Bereits der Sohn Karls des Großen, Ludwig der Fromme (813–843), begründet ein bayerisches Unterkönigtum innerhalb der Karolingerdynastie, und dessen Sohn, Ludwig der Deutsche (843–876), der zusammen mit seinen Brüdern 843 die Reichsteilung von Verdun vornimmt, macht Bayern zum Kernland des nunmehrigen ostfränkischen Reiches. Ludwig regiert von Regensburg aus, das er sich bereits in jungen Jahren als Residenz erwählt hat, aber anders als die Agilolfinger ist er nicht nur Herrscher im Stammesstaat, sondern König des ostfränkischen Reiches.

Die Vorrangstellung Bayerns bleibt in der Folgezeit erhalten: Auch die Nachfolger Ludwigs, Karlmann (876–880) und Arnulf von Kärnten, der auf massiven bayerischen Druck hin auf den Schild gehoben wird und dem die versammelten Vertreter der deutschen Stämme in Regensburg huldigen, fühlen sich ganz als Bayern. Als unehelicher Sohn Karlmanns ist Arnulf mütterlicherseits mit führenden bayerischen Adelsfamilien verwandt und ist seiner Heimat ungeachtet seiner reichsweiten Wirksamkeit zeitlebens eng verbunden geblieben.

Was Karl der Große nicht ahnen konnte, wird knapp hundert Jahre nach seinem Tod Wirklichkeit: die Errichtung eines neuen bayerischen Stammesstaats, der in der deutschen und europäischen Geschichte eine große Rolle spielen sollte. Die neue Herzogsdynastie, die Luitpoldinger, ist wie die Agilolfinger einheimischer Herkunft; sie geht auf den im Abwehrkampf gegen die Ungarn bewährten Markgrafen Luitpold zurück. Als dieser in der für Bayern verheerenden Schlacht von Preßburg (907) fällt, die den Stammesstaat das gesamte Neusiedelland östlich der Enns kostet, erneuert sein Sohn Arnulf die bayerische Herzogswürde; er urkundet als „Arnulf, durch Gottes Vorsehung Herzog der Bayern und der angrenzenden Gebiete“.

Daß es sich bei dieser Wendung keineswegs um eine bloße Floskel handelt, macht er sogleich durch seine Außenpolitik deutlich, die nicht nur Ungarn, sondern auch Böhmen und Norditalien im Auge hat. Erstmals greift die damalige bayerische Politik in großem Stil über die Alpen hinweg aus, als Arnulf seinen Sohn Eberhard zum König der Lombardei macht. Zwar kann dieser seine Herrschaft gegenüber dem konkurrierenden Königreich Burgund nicht durchsetzen, die zeitweilige Vision eines Bayern von der Eger bis zum Po sagt jedoch viel über das Selbstverständnis und das politische Selbstbewußtsein des neuen Stammesstaates aus.

Auch in ottonischer Zeit behält Bayern seine starke Stellung. 947 überträgt Otto der Große seinem Bruder Heinrich das Herzogsamt, der in Bayern eine ottonische Nebenlinie begründet. Mit Unterstützung des aufstrebenden deutschen Königtums setzt Heinrich die Expansionspolitik Arnulfs fort: Als er 952 Herzog von Friaul (Istrien, Aquileja, Verona) wird, reicht Bayern im Süden fast bis zur Adria.

Eine europäische Rolle spielen die Bayern in und nach der Lechfeldschlacht des Jahres 955, die den Ungarneinfällen nach Deutschland und Italien ein Ende setzt und die Voraussetzung für die Einbeziehung Ungarns in das christliche Abendland bildet. Die Bayern stellen drei der sieben Heerhaufen des Reichsaufgebots und sperren nach der Schlacht sofort die Rückzugswege der geschlagenen Ungarn. Indem sie die nach Osten zurückflutenden Feinde auf vertrautem Terrain, zwischen Lech und Enns, stellen und vernichten, wird der deutsche Sieg erst perfekt.

Die nach der Schlacht erneut einsetzende Ostsiedlung macht die Bayern am Leithagebirge und im Burgenland zu unmittelbaren Nachbarn der sich nun in der Theiß-Donau-Ebene einrichtenden Ungarn, deren historische Entwicklung sie in der Folgezeit maßgeblich mitbestimmen. Das Erzbistum Salzburg nimmt die Mission auf, deutscher Handel und deutsche Kultur wandern donauabwärts – es sind die Bayern gewesen, die damals die Grundlagen für das bis heute meist gute Verhältnis zwischen Deutschen und Ungarn geschaffen haben.

Die eindeutige Westorientierung der Ungarn, ebenfalls eine historische Konstante, geht auf König Stephan den Heiligen zurück, der das Land von 997 bis 1038 regiert und es durch Gründung des Erzbistums Gran um die Jahrtausendwende in die christliche Kirchenorganisation integriert. 955 heiratet er die bayerische Prinzessin Gisela, die Schwester des späteren Kaisers Heinrich II. Sie hat in den 43 Jahren ihrer Ehe und danach viel für den deutschen Einfluß einerseits, für die Westorientierung Ungarns andererseits getan.

Als mit dem Tod Ottos III. (1002–1024) die ottonische Hauptlinie erlischt, kommt die süddeutsche Nebenlinie zum Zuge. Mit der Wahl Heinrichs II. zum deutschen König (1024–1039) übernimmt erneut ein Bayer die Führung des Reiches. Die Wahl ist Deutschland nicht schlecht bekommen, denn es gelingt dem neuen König, die Schwächeperiode der letzten Jahrzehnte zu überwinden und die Interessen des deutschen König- und Kaisertums gegenüber Polen, Böhmen, Ungarn und dem Heiligen Stuhl zu wahren. Seine größte innenpolitische Leistung, die Gründung und der Ausbau des Bistums Bamberg, ist auch dem Wunsch entsprungen, ein Verbindungsglied zwischen der bayerischen Machtbasis und dem Norden des Reiches zu schaffen.

In dieser Zeit nimmt die Bedeutung Bayerns für die europäische Geschichte erneut stark zu. Der Donauhandel, weitgehend über Regensburg abgewickelt, expandiert; die Stadt gewinnt besondere Bedeutung als Stapelplatz für byzantinische Tuche. In ganz Polen wird mit bayerischen Denaren bezahlt; das Regensburger Kloster St. Emmeram unterhält sogar eine ständige Vertretung in der russischen Hauptstadt Kiew. Auch die Kreuzfahrerheere, soweit sie auf dem Landwege nach Palästina ziehen, versammeln sich regelmäßig in Regensburg. Kunst und Kultur des Ostens, etwa byzantinische Goldschmiede-, Steinmetz- und Buchmalkunst, werden dem Abendland damals weitgehend über Bayern vermittelt.

Eine letzte Glanzepoche erlebt der bayerische Stammesstaat unter den welfischen Herzögen (seit 1070), vor allem unter Heinrich dem Stolzen (1126–1139) und Heinrich dem Löwen (1139–1180). Heinrich der Stolze, der von seinen italienischen Vorfahren her auch über erheblichen Besitz in der Toskana verfügt, gewinnt durch seine Heirat mit Gertrud von Supplinburg, der Erbtochter des deutschen Königs und sächsischen Herzogs Lothar, zu seiner bayerischen auch die sächsische Herzogswürde und ist damit der mächtigste Fürst im Reich. Eben deshalb wird 1138 der schwächere Staufer Konrad III. (1138–1152) zum deutschen König gewählt – das Signal zum staufisch-welfischen Bürgerkrieg, in dessen Verlauf fast zwei Jahrzehnte lang vor allem weite Gebiete Süddeutschlands verheert werden.

1156 kommt es in Regensburg zum Ausgleich zwischen dem neuen König Friedrich Barbarossa und seinem Vetter Heinrich dem Löwen, dem seine beiden Herzogtümer bestätigt werden. Er muß jedoch auf die Mark „Ostarrichi“, etwa das Gebiet des heutigen Bundeslandes Niederösterreich, verzichten. Damit ist die politische Trennung zwischen westlichem und östlichem Stammesgebiet vollzogen.

Obwohl in der Sicht Heinrichs des Löwen Bayern mehr ein Nebenland darstellt, hat das Herzogtum doch erheblich von der königsgleichen Stellung seines Herrschers profitiert. An europaweiten Aktivitäten des Herzogs, etwa an den Italienzügen, sind in erheblichem Anteil auch Angehörige des bayerischen Adels beteiligt. Bayern gewinnt durch seine Lage zwischen Italien und Norddeutschland neue Bedeutung.

Beim Sturz Heinrichs des Löwen wird 1180 sein süddeutsches Herrschaftsgebiet auf die neuen „Regionalherzogtümer“ Österreich, Kärnten, Steiermark und Bayern aufgeteilt. Die über sechshundertjährige Geschichte des bayerischen Stammesstaates ist damit zu Ende. Unter dem „Herzogtum Bayern“ versteht man in der Folgezeit das bayerische Stammesgebiet im Süden und Osten des heutigen Freistaats, ein nur mehr mittelgroßes Territorium, das jedoch für Süddeutschland von Bedeutung bleibt.

I.Kirche und Kultur im Alpenrandraum (Reichsabteien St. Gallen und Reichenau, Erzbistum Salzburg)

Nirgendwo in Mitteleuropa stößt man auf so viele Kirchen, Kapellen, Klöster und Flurheiligtümer, Heiligenfiguren, Kreuzsäulen und Madonnenbilder wie im Donau-Alpen-Raum, besonders in Tirol, Oberschwaben, Ober- und Niederbayern und weiter donauabwärts. Schon rein äußerlich läßt sich erkennen, daß diese Region über viele Jahrhunderte hinweg zutiefst vom christlichen Glauben geprägt worden ist, daß hier kirchliches Leben und kirchliche Kultur fest verankert sind. Die Region wird bereits sehr früh christianisiert, nach ersten Ansätzen in der Römerzeit im wesentlichen zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert, also viele Jahrhunderte vor Nord- und Ostdeutschland. In karolingischer und ottonischer Zeit erweist sich gerade das Gebiet nördlich der Alpen als Ausstrahlungsraum abendländischer Kultur, wobei Klöster und Bistümer die eigentlichen Strahlungszentren darstellen.

Gegen Ende des 6. Jahrhunderts treten hier die ersten fränkischen und iro-schottischen Wanderprediger auf, die teilweise noch an ältere christliche Traditionen anknüpfen können. Reste des antiken Christentums lassen sich vor allem in Regensburg, Augsburg und Salzburg nachweisen. Manche der einwandernden Alemannen und Bayern dürften den christlichen Glauben somit gleich angenommen haben; in Säben (Tirol) bleibt sogar ein römischer Bischofssitz erhalten, der später nach Brixen verlegt wird. Die eigentliche Kirchengeschichte des Nordalpenraumes setzt jedoch erst mit dem Auftreten von Gallus, Kolumban, Fridolin, Pirmin, Magnus, Emmeram, Rupert, Vivilo und Korbinian ein, mit der Gründung der Bistümer Konstanz (um 600) für das alemannische und Regensburg (Anfang des 8. Jahrhunderts) für das bayerische Stammesgebiet und mit der Schaffung der bayerischen Bistumsorganisation durch Bonifatius im Jahre 739 (Einrichtung der Bistümer Passau, Freising und Regensburg sowie des späteren Erzbistums Salzburg).

Gesamteuropäische Bedeutung gewinnt zunächst die Reichsabtei St. Gallen. Im Jahre 612 gründet der heilige Gallus eine Mönchsniederlassung, in der er mit zwölf irischen Gefährten – nach dem Beispiel Christi und der zwölf Apostel – bis zu seinem Tode um die Jahrhundertmitte lebt. Daraus entwickelt sich im Laufe des 8. Jahrhunderts ein Benediktinerkloster, das von den karolingischen Königen besonders gefördert wird und den Status einer Reichsabtei erhält. Vor allem unter Abt Grimalt (841–872), dem Kanzler Ludwigs des Deutschen, ist die Abtei, die inzwischen in der heutigen Ostschweiz große Besitzungen erworben hat, eines der führenden Kulturzentren des Kontinents.

In St. Gallen, das im 9. und 10. Jahrhundert durch seine umfangreiche Bibliothek und seine hochrangige Buchmalerei berühmt ist, herrscht während der gesamten spätkarolingischen und ottonischen Epoche reges geistiges Leben. Aus der großen Zahl der dort tätigen Mönche ist neben dem Historiker und Dichter Ratpert und dem Maler, Architekten und Musiker Tutilo vor allem Notker der Stammler hervorzuheben. „Notker Balbulus“, wie er offiziell heißt, lebt von etwa 840 bis 912 und wirkt in St. Gallen als Lehrer, Bibliotheksleiter, Dichter und Historiker. Außer den „Gesta Caroli magni“, einer Anekdotensammlung zu Karls Leben, hat er rund vierzig Sequenzdichtungen verfaßt; neben Roswitha von Gandersheim gilt er als wichtigster Autor deutscher Literatur in lateinischer Sprache.

Auf der Bodenseeinsel Reichenau, sechs Kilometer westlich von Konstanz, gründet im Jahre 724 der Wanderbischof Pirmin im Zusammenwirken mit dem fränkischen Hausmeier Karl Martell eine Abtei, die sich vor allem dank Unterstützung durch Karl den Großen ebenfalls zu einer der bedeutendsten kulturellen Stätten Europas entwickelt. Von hier gehen insbesondere für Süddeutschland vielfältige geistige Impulse aus, die später unter der Epochenbezeichnung „Karolingische Renaissance“ zusammengefaßt werden. Die Bibliothek erreicht einen Bestand von 4000 Handschriften, die Buchmalerei bewegt sich auf ähnlichem Niveau wie die von St. Gallen, die Monumentalmalerei sucht in der damaligen Zeit ihresgleichen vergeblich. Ein beträchtlicher Teil der damals geschaffenen Wandgemälde ist erhalten geblieben und kann bis zum heutigen Tag in den romanischen Stiftskirchen Peter und Paul (Niederzell) und St. Georg (Mittelzell) besichtigt werden.

Reichenau: Kirche mit ottonischen Wandmalereien

Wenngleich die Abtei bis weit in das Hochmittelalter hinein bedeutsam bleibt, fällt ihre Blütezeit doch in die Karolingerepoche; die berühmtesten Äbte, Haito und Strabo, treten in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts auf. Der letztere, eine hochgebildete Persönlichkeit, ist Gelehrter, Erzieher und Dichter am Aachener Hof und hat unter anderem eine weit verbreitete Abhandlung über den Gartenbau verfaßt („De cultura hortorum“).

Die mittelalterliche Kirchengeschichte Regensburgs beginnt mit der Ankunft des Wanderbischofs Emmeram, der hier um 700 zunächst eine bescheidene Zelle errichtet, aus der sich die große Benediktinerabtei St. Emmeram entwickeln sollte. Hier haben seit der Einbeziehung Bayerns in das Reich, vor allem während der zahlreichen Regensburger Hof- und Reichstage, immer wieder Kaiser und Könige residiert; die Abtei verfügt während des ganzen Mittelalters über umfangreichen Grundbesitz und über vielfältige Beziehungen nach Österreich, Ost- und Südosteuropa.

Bald nach 700 entsteht auf Initiative der Agilolfinger, aber ohne die Mitwirkung Roms oder der Reichskirche in Regensburg ein für ganz Bayern zuständiges Landesbistum, das zunächst von Emmeram, nach dessen Märtyrertod von Bischof Rupert geleitet wird. Auch nach der Reorganisation der bayerischen Kirche durch Bonifatius, jetzt im Einvernehmen mit dem Reich und dem Heiligen Stuhl, wahrt der Bischof von Regensburg, der in der Hauptstadt residiert und sich stets in unmittelbarer Nähe des Herzogs befindet, seinen Vorrang gegenüber seinen Amtsbrüdern in Freising, Passau und Salzburg. In der Blütezeit Bayerns unter Herzog Tassilo III. (748–788) kommt es zu enger Zusammenarbeit zwischen politischer und kirchlicher Führung: Während der Herzog den bayerischen Siedlungsausbau weit nach Osten vorantreibt, bis in die Gegend des Wienerwaldes, bemüht sich der Bischof um die kirchliche Erschließung des Neusiedellandes. Zugleich setzt eine umfangreiche Missionstätigkeit ein; dabei spielen die damals neu gegründeten Klöster Innichen und Kremsmünster eine wichtige Rolle.

Nach dem Sturz Tassilos und dem Ende der agilolfingischen Dynastie tritt Salzburg an die Stelle von Regensburg. Karl der Große hat kein Interesse daran, Hauptstadt und Hauptkirche seines Widersachers zu fördern, stattet dafür aber Salzburg mit umfangreichen Privilegien aus, die später die Bildung eines verhältnismäßig großen Territoriums begünstigen. 798 wird Salzburg zum Erzbistum erhoben und damit Hauptstadt einer Kirchenprovinz, deren Grenzen genau denen des bayerischen Stammesgebietes entsprechen; die Bistümer Säben/Brixen, Regensburg, Freising und Passau werden dem neuen Erzstift unterstellt.

Auch Salzburg hat eine bedeutende überregionale Rolle gespielt. Das Salzburger Becken ist schon in vorgeschichtlicher Zeit und dann unter römischer Herrschaft eine Kulturlandschaft mit vielen Verbindungen in alle Himmelsrichtungen. An der Stelle des heutigen Doms, in der Nähe einer von den Bayern nicht zerstörten römischen Restsiedlung unterhalb des Burgberges, baut der heilige Rupert um die Wende zum achten Jahrhundert die erste Bischofskirche. Zugleich errichtet er das Benediktinerinnenstift Nonnberg, das erste deutsche Frauenkloster überhaupt.

Hauptaufgabe des neuen Erzbistums ist von Anfang an, verstärkt dann seit der Zeit Ottos des Großen, die Mission im Osten. Zielgebiet ist vor allem der Theiß-Donau-Raum, wo die Salzburger Missionare jedoch auf die Konkurrenz des Erzbischofs Methodius stoßen, der von Konstantinopel in diese Region entsandt worden ist. Als die Plünderungsfeldzüge der Ungarn nach Westen einsetzen, kommt die Mission zeitweilig zum Erliegen, und auch die bayerische Mutterkirche nimmt schweren Schaden. Bei der Niederlage von Preßburg im Jahre 907 verliert sie auf einen Schlag drei ihrer fünf Bischöfe, die alle im bayerischen Heer mitgekämpft haben; auch der Salzburger Erzbischof Thremo kommt später beim ersten Kreuzzug um. Nach der siegreichen Schlacht auf dem Lechfeld (955) setzt die Ostmission sofort wieder ein, bei der jetzt vor allem das Bistum Passau, dessen Sprengel im 11. Jahrhundert bis zur Leitha reicht, die führende Rolle spielt. Erst 1072 wird in Gurk ein eigenes Bistum für das Neusiedelland errichtet und ebenfalls dem Erzstift Salzburg unterstellt.

Auch auf dem Feld der Laienkultur hat die frühe bayerische Kirche Wesentliches geleistet. In Freising entsteht als ältestes Buch der deutschen Literaturgeschichte der „Abroganz“, ein deutsch-lateinisches Synonymenlexikon, ferner das Geschichtswerk des Bischofs Otto von Freising, der sich vor allem mit der Stauferzeit befaßt hat und als bedeutendster mittelalterlicher Historiker Süddeutschlands anzusehen ist. Im Kloster Tegernsee wird der „Ruodlieb“ verfaßt, der älteste Roman in deutscher Sprache, am Hof des Bischofs von Passau schließlich um die Wende zum 13. Jahrhundert das „Nibelungenlied“, eines der größten Werke der deutschen Dichtung des Mittelalters.

Daß Passau Entstehungsort des Nibelungenepos ist, erscheint kaum als Zufall. Nicht nur materielle, sondern auch geistige Güter wandern seit jeher donauauf- und abwärts; dieser Austausch kennzeichnet ebenso wie die weit ausgreifende Ostsiedlung, die Ungarn- und Slawenmission und die Kreuzfahrerzüge entlang der Donau die überregionale Bedeutung der bayerischen Stammgeschichte. Bereits der Inhalt des „Nibelungenliedes“ ist typisch für die geographisch-kulturelle Gesamtsituation: Die Nibelungen ziehen, von Worms kommend, donauabwärts, folgen also dem Lauf des Stromes in seinem gesamten mittleren Bereich und damit der bayerischen Siedlungs- und Kulturbewegung, bevor sie im Ungarland, am Hof des Hunnenkönigs Etzel, ihr Schicksal ereilt.

Am Rande sei noch erwähnt, daß Klöster und Stifte im Mittelalter auch Herbergen für Reisende sind und daß die Nordalpenregion als Durchgangsland sowohl für den West-Ost- als auch für den Nord-Süd-Reiseverkehr in dieser Hinsicht viele Jahrhunderte lang große Bedeutung gehabt hat. Für die geistlichen Herren ist es stets eine besondere Ehre, hohe Herrschaften oder gar den königlichen Hof als Gäste empfangen und bewirten zu dürfen – auch wenn sie nach deren Abreise sicher häufig drei Kreuze geschlagen haben.

So groß und vielfältig die Bedeutung der bayerischen Kirche von der Karolinger- bis zur Stauferzeit gewesen ist, so kommt man doch um die Feststellung nicht herum, daß sie ihre weitgesteckten Expansions- und Missionsziele nicht erreicht hat. Im südöstlichen Alpengebiet stoßen die bayerischen Missionare von vornherein auf die Konkurrenz der von Aquileja ausgehenden Mission, und um die Jahrtausendwende tritt Ungarn durch die Gründung des eigenen Erzbistums in direkte Verbindung zum Heiligen Stuhl. Die Aktivität Salzburgs bleibt daher in der Folgezeit – wie die Magdeburgs nach der Gründung des polnischen Erzbistums Gnesen – im wesentlichen auf die Ausgangsregion beschränkt. Die hochgesteckten Ziele Ottos des Großen haben sich nicht verwirklichen lassen: Von den drei Missionserzbistümern des Reiches hat nur Hamburg die ihnen zugedachte übernationale Aufgabe erfüllt und das auch nur bis zum Ende des Hochmittelalters.

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