Kitabı oku: «Forschung in der Filterblase», sayfa 3

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Der Niedergang der Wissenschaftspopularisierung in der Zwischenkriegszeit fiel mit dem Aufstieg der kommerziellen Massenmedien zusammen. Nun versuchten auflagenstarke Zeitungen, die Aufmerksamkeit des Massenpublikums mit neuen Nachrichten zu gewinnen. In ihrem redaktionellen Angebot deckten die Naturwissenschaften nur mehr einen kleinen Teil ab – und keinesfalls den wichtigsten. Sie wurden zunehmend vom sich formierenden Wissenschaftsjournalismus beackert. Dieser konzentrierte sich indes in der Logik der Massenmedien auf die Wissenschaften: «Die Wissenschaft [wurde] zur Nachricht», so Weingart.20 Diese Nachricht wurde in dramatisierter Form an die Konsumentinnen und Konsumenten verkauft. Die Wissenschaften hatten für die Medien nur dann einen Wert, wenn sie eine Neuigkeit, wenn sie «News» waren. Sie verschwanden mit dem Ende der Wissenschaftspopularisierung und dem Aufstieg der kommerzialisierten Massenmedien aus der Öffentlichkeit. Die Wissenschaften wurden dem Publikum so fremd, wie sie ihm wohl nie gewesen waren seit ihrer Entstehung im 17. Jahrhundert. Viele Wissenschaftler begaben sich ins Exil des berüchtigten «Elfenbeinturms».

Nicht von ungefähr wurde der alte Begriff um die Mitte des 20. Jahrhunderts populär: Er diente primär einer Wissenschafts- und Universitätskritik, die «irrelevante» akademische Theorien und Praktiken identifizierte. Der Verband Deutscher Studentenschaften stellte 1960 seine Versammlung unter das Motto «Abschied vom Elfenbeinturm»: Das Ziel war die Öffnung der elitären Universitäten für die Gesellschaft. Dagegen versuchen Geisteswissenschaftler bis heute, den Begriff positiv umzudeuten, um die Universität vor Ökonomisierung und Pragmatisierung zu bewahren. Nur wer in Ruhe und entlastet von ökonomischem Druck und alltäglicher Handlungsroutine nachdenken könne, gewinne wertvolle Erkenntnisse.

PUBLIC UNDERSTANDING OF SCIENCE

In den 1970er-Jahren schreckten nicht nur aufmüpfige Studentinnen und Studenten, sondern auch zivilgesellschaftliche Bewegungen die Welt der Akademie auf. Bürgerinnen und Bürger protestierten gegen pannenanfällige Atomkraftwerke und prangerten die Verschmutzung der Umwelt an. Für beides sei die fortschrittseuphorische und technikgläubige Forschung mitverantwortlich. Plötzlich fanden sich die Wissenschaftler in einer Rolle wieder, die ihnen ganz und gar nicht behagte: der des Dr. Frankenstein, der Leben zerstört.

Die Wissenschaften und ihre Institutionen reagierten: Sie riefen die moderne Wissenschaftskommunikation ins Leben – diese entstand erst in den 1980er-Jahren. Dass sie auf die Zustimmung der Öffentlichkeit angewiesen sind, haben Schweizer Wissenschaftler allerdings schon viel früher bemerkt. Bereits ab 1922 erschien die Schweizerische Hochschulzeitung (SHZ), die – zunächst noch unter dem Namen Hochschul-Nachrichten – von der Vereinigung Schweizerischer Hochschuldozenten, dem Verband der Schweizerischen Studentenschaften und der Schweizerischen Zentralstelle für Hochschulwesen herausgegeben wurde. Zwischen 1970 und 1987 wurde die Zeitung unter weiteren Namen publiziert, zuletzt als Die Synthese.21

Ihr Chefredaktor war lange Jahre der konservative Wissenschaftshistoriker Eduard Fueter, zuletzt Dozent für internationale Forschungsorganisation an der ETH Zürich. In den 1930er- und 1940er-Jahren beschäftigte sich das Blatt beispielsweise mit der Geistigen Landesverteidigung, der militärischen Organisation und den schweizerischen Mundarten. Die SHZ war ein frühes und eigenartiges Produkt einer Wissenschaftskommunikation ohne Wissenschaftspopularisierung, das indes wissenschaftspolitisch bedeutsam war. Herausgegeben von wissenschaftlichen Gremien, wendete sich die Zeitschrift an ein Publikum, das diesen Gremien nahestand. Die ausserakademische Öffentlichkeit gehörte nicht zur Zielgruppe. Was die SHZ machte, würde heute über die Kommunikationsstellen der Wissenschaftsverwaltung und der Hochschulen abgewickelt.

Wie die Historiker Antoine Fleury und Frédéric Joye bemerken, verständigten sich in der SHZ Akademiker über die Rolle der Wissenschaften in der Schweiz. Über das Blatt wurde die Gründung des Schweizerischen Nationalfonds im Jahr 1952 vorangetrieben. Die sich engagierenden Forscher waren davon überzeugt, dass ihnen eine grosse Bedeutung in der Gesellschaft zukomme und dass «sie ihren Elfenbeinturm verlassen und sich an den Bemühungen um nationalen Zusammenhalt beteiligen mussten». Die Plädoyers gingen oft in die Richtung, dass Hochschulen, Unternehmen, Politik und Bundesbehörden sich einander annähern müssten, um Ausbildung und Forschung zu unterstützen und den akademischen Nachwuchs zu sichern – und dass die Behörden dies zu wenig täten.

Der Physiker Alexander von Muralt, der Begründer des SNF, schrieb 1946: «Das ganze Volk muss die Überzeugung haben, dass die Förderung der Wissenschaft notwendig ist und im Gesamtinteresse liegt. […] Wenn jeder Bürger, jeder Unternehmer und jeder Parlamentarier überzeugt werden kann, dass von der Förderung der Wissenschaft die Kultur unseres Landes und von dieser die wirtschaftliche Wohlfahrt abhängt, so wird auch die nötige Opferfreudigkeit sich einstellen. Es bedarf also einer Aufklärungsaktion, die aber nicht Aufgabe der Bundesbehörden sein kann, sondern die von den Hochschulen ausgehen muss.»22 Alexander von Muralt forderte Jahrzehnte vor der demokratischen Öffnung der Hochschulen nichts weniger als eine Wissenschaftskommunikation avant la lettre – eine Wissenschaftskommunikation, die auf Aufklärung, Überzeugung und Politik setzte. Zu vermuten ist, dass von Muralt, auch wenn er vom «ganzen Volk» sprach, doch eher nur die Mittelschichten und nur die Männer im Blick hatte.

Diese Art von Kommunikation wird heute etwa vom Netzwerk Future, einem Verbund von Hochschulen, Wissenschaftlern und Politikerinnen, oder von Swissuniversities betrieben, der Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen – mit dem Unterschied, dass heute Kommunikationsprofis am Werk sind, wo von Muralt das Engagement seinesgleichen vorschwebte. Man kommt nicht umhin, den ideologischen Charakter seiner Zeilen zu bemerken – ideologisch in dem Sinne, dass das Eigeninteresse der Akademiker als das Interesse aller beziehungsweise das Nationalinteresse ausgegeben wird. Denn selbst wenn man konzediert, dass die Wissenschaften eine tragende Rolle spielen: Mit welchem Recht behauptet der Professor, dass das ganze Volk überzeugt davon sein müsse, die Förderung der Wissenschaft sei notwendig? Mit gleichem Recht könnte der Landwirt behaupten, dem der Nutzen von Wissenschaft und Forschung ganz und gar nicht einleuchtet, dass die Förderung der Landwirtschaft im Interesse des ganzen Landes sei. Womit er nicht unrecht hätte.

Die 1980er-Jahre also markieren die Geburtsphase der modernen Wissenschaftskommunikation. 1985 veröffentlichte die Royal Society of London, die ehrwürdige, 1660 gegründete Akademie der Wissenschaften des Vereinigten Königreichs, den «Bodmer Report», der das aus heutiger Sicht paternalistische Konzept des «Public Understanding of Science» begründete: Der Wissenschaftler erklärt dem Laien die Welt.23 Die Motivation war in etwa die gleiche wie die von Muralts: Die Wissenschaften brauchen für ihre Existenz mehr gesellschaftlichen Support. Aber die Bedingungen hatten sich geändert. Neben der Forschungsskepsis waren – zumindest in England – PR-Organisationen entstanden.

Die Annahme der Royal Society war einfach: Weil die Bürgerinnen und Bürger zu wenig über Naturwissenschaften und Technik Bescheid wüssten, seien sie gleichgültig oder feindlich eingestellt, dabei wären sie doch im Grunde sehr wohl wissbegierig. Es erginge sowohl der Nation als auch den Individuen besser, wenn die Öffentlichkeit ein vertieftes Verständnis von Wissenschaft hätte. Daher seien die Wissenschaften und namentlich die Statistik besser im Schulunterricht zu verankern, die Lehrer gründlicher auszubilden und die Bibliotheken besser zu finanzieren, und es brauche mehr wissenschaftliche Vorträge für interessierte Personen und vor allem für die Kinder. Die Royal Society plädierte indes nicht für ein schönfärberisches Wissenschaftsverständnis – und schon gar nicht einfach für «Fact News»: «Understanding includes not just the facts of science, but also the method and its limitations as well as an appreciation of the practical and social implications.»24 Die Grenzen der Wissenschaft aufzuzeigen heisst zu sagen, was sie dank welchen Methoden kann, aber auch, was sie nicht kann.

Der «Bodmer Report» nahm die Medien ins Visier: Sie müssten mehr über die Wissenschaften berichten. Einfach sei das jedoch nicht: «The scientific community and the media work in very different ways and are, on the whole, often ignorant of each others’ procedures and constraints.»25 Um dies zu ändern, schlug die Royal Society vor, dass die Chefredaktoren ihre Journalisten ermuntern sollten, mehr wissenschaftliche Themen in ihre Berichte einzubauen. Und zweitens müssten die Wissenschaftler lernen, mit Journalisten zu kommunizieren. Sie dürften diese Aufgabe nicht delegieren. Die Royal Society sprach Klartext – so klar, ist zu vermuten, wie ein Wissenschaftler zu einem Journalisten sprechen müsste: «In the past, professional scientists have mostly delegated to others the task of communicating science to the public. Within the scientific community there is still often a stigma associated with being involved in the media. Such attitudes are not appropriate. Given the importance of public understanding of science and the extent to which scientists must be democratically accountable to those who support their training and research through public taxation, it is clearly a part of each scientist’s professional responsibility to promote the public understanding of science.»26 Jede Doktorandin und jeder Doktorand, hält der «Bodmer Report» fest, müsse die wesentlichen Punkte ihrer respektive seiner Arbeit einem breiten Publikum erklären können. Dieser Punkt ist hervorzuheben: Der Bericht kommt zwar zum Schluss, dass alle wissenschaftlichen Institutionen gute PR-Organisationen haben sollten, nimmt jedoch den einzelnen Wissenschaftler in die Pflicht. Die Aufgabe der Wissenschaftskommunikation obliegt ihm. Authentisch erklärt er der Öffentlichkeit, was Sache ist.

DIALOG, PARTIZIPATION UND CITIZEN SCIENCE

Das Konzept des Public Understanding of Science, das von der Royal Society entworfen wurde, prägte mit seiner elitären Haltung die frühe Wissenschaftskommunikation: Wissende erklärten Unwissenden die Welt. Davon hat sich die Wissenschaftskommunikation im neuen Jahrtausend verabschiedet. Die Schweizer Stiftung Science et Cité (SeC) setzte schon 1998, im Jahr ihrer Gründung, auf den Dialog, ihr deutsches Pendant, die 1999 ins Leben gerufene Organisation Wissenschaft im Dialog, trägt diesen sogar im Namen, und die Unesco propagierte ebenfalls noch im alten Jahrhundert die «Science for all»: Wissenschaft stehe nicht nur im Dienst aller, sondern könne durch alle realisiert werden.

Heute ist nicht nur vom gleichberechtigten Dialog und von Partizipation die Rede, sondern auch von Citizen Science, also von bürgergestützter Wissenschaft. Der Begriff ist 1996 von einem US-amerikanischen Ornithologen geprägt worden. Er bezeichnet seither die von Forschungsinstitutionen gestarteten Initiativen, die Laiinnen und Laien miteinbeziehen, indem sie sie ermuntern, Daten zu sammeln, die der Forschung zugutekommen – Vögel und Pflanzen zu zählen, das Verhalten des eigenen Körpers aufzuzeichnen, Fotos zu datieren. Das haben die Mitglieder der naturforschenden Gesellschaften im 19. Jahrhundert auch schon gemacht. Citizen Science wird in mehreren Disziplinen meist über Webplattformen praktiziert: in Biologie, in Umweltwissenschaften, in Astrophysik, im Gesundheitswesen, in Geografie, aber auch in Geschichte und Archivwissenschaften. Wenn Forschungsinstitutionen Citizen Science betreiben, werden sie dabei von ihrer Wissenschaftskommunikation unterstützt. Für diese ist die Bürgerwissenschaft ein geeignetes Vehikel, um ihre Ziele zu erreichen, also mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten und diese davon zu überzeugen, dass die Wissenschaften sinnvoll seien.

Doch Citizen Science ist nicht unproblematisch, wie auch der Dialog und die Partizipation es nicht sind: Die Begriffe unterstellen, dass Wissenschaft und Forschung offene Unterfangen sind, zu denen alle etwas zu sagen haben und an denen alle mitmachen können, wenn sie denn wollen. Natürlich kann ich als Bürger den Archäologen fragen – falls ich ihn irgendwo antreffe –, welchen Nutzen seine Forschung habe, und natürlich kann ich der Teilchenphysikerin zu verstehen geben, dass ich das Cern, die Europäische Organisation für Kernforschung, zu teuer fände. Beide werden versuchen, mich vom Sinn ihres Tuns zu überzeugen und von der hohen Relevanz ihrer Erkenntnisse. Diesen Wortwechsel einen Dialog auf Augenhöhe zu nennen, wäre indes reichlich übertrieben. Genauso übertrieben ist es, einen älteren Mann, der die auf einer Luftaufnahme abgebildete unbekannte Ortschaft bestimmen kann, weil er dort aufgewachsen ist und sich an ein markantes Gebäude erinnert, das nicht mehr steht, einen Wissenschaftler zu nennen, auch wenn seine Angabe für das Archiv, das im Besitz des Bildes ist, hilfreich ist und vielleicht sogar eine Doktorandin der Geschichte weiterbringt. Das Sammeln von Daten gehört zur Wissenschaft, aber nicht zum Kern der Forschung. Citizen Science entspricht mehr der Wunschvorstellung der Forschungsinstitutionen als dem tatsächlichen Engagement von Nichtwissenschaftlern im Forschungsfeld, zumal die Sammeltätigkeiten selten zu wissenschaftlichen Publikationen führen. In ihrer soziometrischen Twitter- und LinkedIn-Analyse kommt die Sozialwissenschaftlerin Elise Tancoigne von der Universität Genf zum Schluss, dass die Mehrheit der Personen, die von Citizen Science reden, selbst Wissenschaftlerinnen sind. Citizen Science wird vor allem von Frauen propagiert, die sich als «Citizen-Science-Koordinatorinnen» bezeichnen, und bedeutet in diesem Rahmen meist das Sammeln von Daten für den Umweltschutz.27

Die deutsche Stiftung Wissenschaft im Dialog hat 2016 die «Leitlinien der guten Wissenschafts-PR» aufgestellt.28 Sie umfassen eine ganze Menge, nämlich dass die gute Wissenschaftskommunikation das Verständnis für die Arbeitsweise der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stärkt; die Ängste und Vorbehalte der Bürgerinnen und Bürger in die Wissenschaften trägt; aus der «Fülle der Informationen» die für die Gesellschaften relevanten herausarbeitet; «faktentreu» vorgeht; Grenzen, Interessen und Finanzen der Forschung transparent macht; Informationen zielgruppengerecht aufbereitet; «wertegeleitet» vorgeht. Die Werte sind unter anderen folgende: Nutzen für die Gesellschaft, Transparenz, Offenheit der Wissenschaft für den Dialog, Selbstkritik, Unabhängigkeit, die Prinzipien der guten wissenschaftlichen Praxis. Die «Leitlinien» sind ein irritierendes Papier. Sie wollen in einer medial sich im Umbruch befindenden Realität – die Stichworte seien: soziale Netzwerke, wachsende Wissenschafts-PR, boulevardisierte Wissenschaftskommunikation – Orientierung und Gegensteuer geben. Das Unterfangen ist gut gemeint, aber vor allem symptomatisch. Denn wenn eine Branche sich explizit Werte gibt, an denen man sich orientieren soll, ist zu vermuten, dass sie in eine Krise geraten ist. Die «gute Praxis» ergibt sich in der Regel aus der Berufspraxis selbst, in die mehr oder weniger vernünftige Menschen eingeführt werden. Wer jahrelang in der Kommunikationsabteilung einer Universität tätig war und plötzlich vorgesetzt bekommt, er solle transparent, offen und selbstkritisch arbeiten, wird irritiert sein, denn implizit wird ihm unterstellt, dass er bisher intransparent, verschlossen und beratungsresistent gewirkt habe. Und wer neu in dieses Berufsfeld eintritt, wird sich fragen, ob man denn hier nicht faktentreu gearbeitet habe?

Die «Leitlinien» sind ein Symptom der von der Politik gesteuerten Autonomisierung und Verbetrieblichung der Hochschulen. Sie bedeutet für die Wissenschaftskommunikation, dass sie stärker als bisher der Strategie der Hochschulen folgen muss. Sie ist eben nicht unabhängig, sondern steht im Dienst einer Hochschule, die im verschärften internationalen Bildungswettbewerb um Drittmittel, angesehene Professoren, wohlhabende Studierende und bessere Positionen in Rankings kämpft. Hilflos sind die Ausführungen, die sich auf die Wissenschaften beziehen; eine, die mit Leib und Seele Forscherin ist, würde auf sie mit Unverständnis reagieren, ist zu vermuten. Soll sie sich etwa von den «Ängsten» eines uniformierten Dilettanten von ihren Experimenten abhalten lassen? Damit würde sie ihr wissenschaftliches Ethos verraten. Und sie schafft neue Ergebnisse, validierte Resultate, wohlformulierte Erkenntnisse, aber keine «Informationen». Diese liefern der Auskunftsdienst und das Nachschlagewerk, nicht aber die Forschenden; die Früchte ihrer Arbeit so zu bezeichnen, kommt deren Geringschätzung gleich. Schliesslich: der «Nutzen für die Gesellschaft». Die Hochschulen werden nicht müde zu betonen, dass Wissenschaft und Forschung der Gesellschaft vielfältig nützen, auch ökonomisch. Die Nutzendiskussion aber ist komplex, vertrackt und für die Wissenschaften gefährlich. Der ökonomische Nutzen eines universitär angestossenen Start-ups bedeutet noch lange nicht den ökonomischen Nutzen für alle. Hat die Gesellschaft einen Nutzen von Robotern in Altersheimen? Von Geoengeneering? Oder von Bürgerinnen und Bürgern, die durch Forschung zur Selbstreflexion angehalten werden?

Die Stiftung SeC agiert zurückhaltender als ihr deutsches Pendant. Historisch bildet SeC in der Schweiz die nationale Verkörperung der Wissenschaftskommunikation schlechthin. Nach eigenen Angaben fördert die siebenköpfige Stiftung, die den Akademien der Wissenschaften Schweiz angeschlossen ist, «den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Sie setzt sich für die Wertschätzung und das Verständnis aller Wissenschaften ein und thematisiert deren Chancen und Grenzen. SeC fördert die Rückmeldungen der Zivilbevölkerung an die Wissenschaften, im Besonderen über Wertefragen.»29

Drei strategische Schwerpunkte verfolgt die Stiftung: erstens den «direkten Dialog zwischen Forschenden und Bürgerinnen und Bürgern» – dies vor allem mittels der klassischen «Wissenschaftscafés», an denen Forschende und Leute aus der Berufspraxis sich mit dem Publikum über aktuelle Themen unterhalten, etwa über interreligiöse Paarbeziehungen, die Faszination des Gehirns, die Zukunft Berns oder den Kindergarteneintritt. An manchen Veranstaltungen nehmen bis zu 200 Personen teil. Auffällig ist, dass die Themen in der Regel wenig kontrovers, wenig «intellektuell» und sehr «angewandt» sind. Die Fachhochschulen sind stärker vertreten als die Universitäten. Der zweite Schwerpunkt der Stiftung ist neu die digitale Interaktion, für die eigens ein Social-Media-Manager eingestellt wurde. Er betreut die Kanäle der sozialen Netzwerke. Auf Facebook etwa wirbt SeC mit Videos vor allem für Citizen-Science-Projekte: Die Leute sollen weniger Plastik verbrauchen, um die Verschmutzung der Weltmeere zu stoppen. Die Anzahl der Facebook-Abonnenten beträgt 1200 (Stand Juli 2018). Der dritte Schwerpunkt fördert den Dialog zwischen den Akteuren der Wissenschaftskommunikation mit einem zweijährlich stattfindenden Kongress.

In den letzten Jahren hat SeC einen Bedeutungsverlust hinnehmen müssen. Um 2012 diskutierte das Parlament gar die Abschaffung der Stiftung; ihr Budget wurde halbiert, ein neues Team trat an. Die Stiftung hatte sich in ihrer damaligen Form überlebt. Sie war 1998 vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation im Nachgang zur abgelehnten Genschutzinitiative gegründet worden, die den «Schutz von Leben und Umwelt vor Genmanipulationen» forderte. Die Wissenschaftsverwaltung und die Industrie stellten erschreckt fest, dass ein Graben zwischen Wissenschaft und Bevölkerung klaffe, der die Forschung bedrohe. Hinter der Stiftung standen die vier Akademien der Wissenschaften der Schweiz, der SNF sowie der Handels- und Industrieverein (heute Economiesuisse). Gut dotiert organisierte sie 2002, 2005 und 2009 grosse Wissenschaftsfestivals, dazu Bürgerforen und die Wissenschaftscafés. SeC agierte unter dem Paradigma des «Dialogs auf Augenhöhe», den sie nun erweitert hat um die Interaktion in den sozialen Netzwerken und die Partizipation im Rahmen der Citizen-Science-Projekte.

SeC war eine der ersten Institutionen der Schweiz, die im grossen Stil Wissenschaftskommunikation nach dem Dialogprinzip betrieb. Heute organisieren die meisten Hochschulen ihre eigenen Wissenschaftsfestivals und Wissenschaftscafés, an denen sie sich selbst und ihr Personal in Szene setzen. In den urbanen Zentren, namentlich im Raum Zürich mit seiner grossen Universität, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, sei SeC deshalb zum Beispiel kaum mit Veranstaltungen präsent, sagt Geschäftsführer Philipp Burkard. Die Stiftung bearbeite strategisch Nischen, sowohl geografisch als auch thematisch, zum Beispiel in mittelgrossen Städten und auf dem Land: Da könne man Hemmschwellen abbauen. Wenn man Wissenschaftskommunikation nicht auf die Hochschulen beschränke, sondern weiter fasse und also auch Museen, Zoos und botanische Gärten miteinbeziehe, dann sehe man, dass diese Kommunikation sehr wohl etwas bringe.

Der Wissenschaftsbarometer Schweiz bestätige, dass die meisten Leute wissenschaftsfreundlich seien, sagt Burkard. SeC wolle zudem zeigen, dass die Wissenschaftskommunikation nicht nur Ergebnisse darstelle und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich uneinig seien, denn Wissenschaft sei ein diskursives Feld. Eine zeitgemässe Wissenschaftskommunikation trage nicht nur Erfolgsstorys vor, denn die Wissenschaft sei kein ideales System und bringe auch enttäuschende Resultate hervor.

Zu behaupten, dass SeC auch Misserfolge thematisiere, wäre indes übertrieben; ein Blick auf die Tätigkeiten der Stiftung hat keinen solchen Fall zutage gefördert. Eine Pionierleistung etwa in Bezug auf die Nutzung sozialer Netzwerke hat SeC auch nicht erbracht; manche Hochschulen haben da seit Längerem mehr Erfahrungen gesammelt. Auffallend hingegen ist, dass SeC sich um die niederschwellige Kontaktaufnahme mit der wissenschaftsfernen Bevölkerung bemüht, ohne sich im Glanz von Exzellenz, Spitzenforschung und Innovation zu sonnen, wie das die Organe der Wissenschaftsverwaltung des Bundes gerne tun. SeC dürfte gerade deshalb auf ein breites Publikum weder arrogant noch einschüchternd noch abschreckend wirken. Videowettbewerbe und Facebook-Posts richten sich an Lehrlinge und Krankenpflegerinnen, nicht an Studierende.

Fraglich bleibt, ob der Geist der Forschung – das praxisferne und nutzenfreie Reflektieren – in den Öffentlichkeitsaktionen sichtbar wird. Wie gesagt: Wer Vögel zählt, leistet der Biologie unter Umständen einen grossen Dienst, aber das Zählen von Vögeln ist keine Forschung. Forschung liefert unter Umständen Anstösse für neue Medikamente, umweltschonende Autos, eine humane Palliative Care. Doch deren Realisierungen rufen eben auch nicht intendierte negative Folgen hervor. Gerade die höchsten Erwartungen in technologische Wunder wurden immer wieder enttäuscht. Was macht die Wissenschaftskommunikation damit? Fraglich ist zudem, wie gross die Breitenwirkung der mit bescheidenen Mitteln ausgestatteten Stiftung ist. Sie muss sich mit dem Backen kleiner Brötchen bescheiden. Dass sie an Bedeutung verloren hat, ist symptomatisch: Die in eine Art bildungsunternehmerische Selbstständigkeit geschickten universitären Hochschulen und Fachhochschulen haben ihre Selbstpromotion ausgebaut. Realisiert wird diese von den Kommunikationsabteilungen. Und diese agieren von den Institutionen ausgehend, die Teil der Gesellschaft sind, in die Wissensgesellschaft hinein.

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