Kitabı oku: «Elfenzeit 2: Schattendrache», sayfa 4

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3.
Die Nacht des Samhain

Unzufrieden runzelte Rian die Stirn und sah auf die Karte, die sie auf der Holzbank neben sich ausgebreitet hatte. Hinter ihr plätscherte das Wasser der Zittenfeldener Quelle über bemoosten Fels und verschwand glucksend unter dem Weg, um dann auf der anderen Seite als schmaler Bach wieder auszutreten und sich in der Wiese weiter abwärts zu schlängeln.

Nina war den Wanderweg ein Stück vorausgegangen, um sich ein Holzhäuschen anzuschauen, das auf der anderen Seite zu sehen war. David hatte es sich ebenso wie Rian auf der Bank bequem gemacht, die Beine weit von sich gestreckt, die Arme auf der Rückenlehne ausgebreitet und den Kopf etwas zurückgelegt. Mit geschlossenen Augen atmete er tief den Duft des nahen Waldes ein, der die kühle Abendluft erfüllte.

Über den beiden kletterte Pirx am Abhang herum und erkundete die Höhlung, aus der das Wasser austrat, und die Felsspalten daneben. Kleine begeisterte Quietscher begleiteten seine Entdeckungen dort. Grog lehnte hinter den Geschwistern an der Bank, beobachtete den Pixie und hörte zugleich den Königskindern zu. Beide Feenkobolde waren für jeden Menschen wie immer unsichtbar. David hatte sich viel Mühe gegeben, beim Ein- und Aussteigen die Hintertür möglichst unauffällig länger offen zu halten, damit sie jeweils mit hinein- und hinausschlüpfen konnten, ohne dass Nina etwas bemerkte.

»Das ist jetzt schon die vierte Quelle, und noch haben wir keinerlei Hinweis darauf, warum irgendeiner dieser Brunnen oder Quellen etwas Besonderes sein sollte«, stellte Rian fest. »Sie sind alle durchaus ansprechend, bis auf diesen Fafnir-Brunnen in Bad König, aber da hatte Nina uns ja schon gewarnt, dass das etwas ganz anderes sein könnte. Sie haben alle die Magie der Quellen, manche mehr, manche weniger, aber …« Sie ließ den Satz unvollendet und seufzte.

»Diese hier ist bisher noch die beste«, meinte David, ohne die Augen zu öffnen.

»Aber sie ist eben nicht das, was wir suchen«, erwiderte Rian.

»Wenn es das überhaupt gibt«, sagte David.

Grog brummte etwas Undeutliches, und Rian runzelte die Stirn etwas mehr, rollte die Karte fest zusammen und schlug ihrem Bruder damit heftig auf den Bauch. Überrascht öffnete der Elf die Augen und begegnete ihrem zornigen Blick.

»Warum musst du immer alles in Zweifel ziehen?«, fuhr sie ihn an. »Warum kannst du nicht endlich anfangen, an das zu glauben, was wir hier tun, anstatt dich einfach nur mitschleifen zu lassen? Warum musst du immer alles schlechtmachen mit deiner zynischen Leichenbitterstimmung? Bei den Sommerblüten, fast wünschte ich mir, ich hätte dich zu Hause in deinem Selbstmitleid versunken und auf den Tod warten lassen, anstatt dich hierher mitzunehmen!«

David zog die Augenbrauen zusammen. »Was soll denn das jetzt? Ich bin hier, oder? Und dass unsere bisherigen Erfolge mich nicht gerade zu Begeisterungsstürmen veranlassen, ist ja wohl kein Wunder! Heute morgen dieser Brunnen im Süden, der ein völliger Reinfall war, dann drei Stück im Odenwald, davon einer schwerer zu finden als der andere – kannst du mir übelnehmen, wenn ich langsam Zweifel daran anmelde, ob es das, was wir suchen, überhaupt gibt? Insbesondere, da ja, falls einer dieser Brunnen wirklich der Quell der Unsterblichkeit wäre, wir die Sterblichen schon lange nicht mehr so nennen dürften! Oder glaubst du, sie hätten das nicht gemerkt?«

»Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Natürlich, wenn es so einfach wäre, dass man sich runterbeugt und davon trinkt, hätten das schon alle getan! Selbstverständlich muss mehr dahinter stecken! Aber was das ist, werden wir nicht herausfinden, indem wir nur herumsitzen und es uns möglichst gutgehen lassen! Und im Übrigen …« Rian deutete mit der Kartenrolle kurz in die Richtung, in die Nina gegangen war. »Was ist mit ihr? Ich habe sie beim Autofahren genau beobachtet, und es ist wirklich nicht so schwer. Ich denke, ich kann es jetzt. Darüberhinaus haben wir die Karte, und ohnehin sind nur noch drei Brunnen übrig. Wir sollten sie nicht weiter mitnehmen. Mir scheint, dass du anfängst, dich viel zu sehr daran zu gewöhnen, das sie dein Bett wärmt.«

David setzte sich auf und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich habe in Paris einige dieser Menschenfrauen gehabt, und dort hast du dich nie daran gestört. Warum jetzt? Etwa, weil dein eigenes Bett kalt ist?«

»Nur zur Erinnerung, ich teile mein Bett seit Tagen mit Grog und Pirx, da bei dir ja kein Platz mehr ist! Wo sollte da jemand hin? Aber das ist nicht der Punkt!« Sie hob in einer mahnenden Geste die Kartenrolle und fuhr eindringlich fort: »Mir scheint, du vergisst Vaters Gebot. Kein Mensch soll durch uns zu Schaden kommen! Grog und Pirx konnten gestern in Worms nicht herausfinden, wohin der Getreue sich gewandt hat. Er kann uns hier jederzeit über den Weg laufen, denn mit ziemlicher Sicherheit sucht er dasselbe wie wir – warum sonst sollte er ausgerechnet hier sein?

Wir beide können uns zu verbergen versuchen. Aber Nina – was hat sie ihm entgegenzusetzen? Und falls wir überrascht werden, was wird dann mit ihr geschehen? Ich sage es dir: Sie wird dann genau so sterben wie die Leute in Paris! Er wird ihr die Lebenskraft entziehen!«

Davids Blick ging an Rian vorbei und wurde warnend. Sie sah sich um. Nina kam den Weg wieder hoch, die Schultern etwas hochgezogen, und rieb sich die Oberarme. Seufzend ließ Rian die Kartenrolle sinken.

»Es wird dunkel und kalt«, sagte Nina mit einem kleinen Lächeln. »Wir sollten zum Auto zurück. Immerhin sind wir über eine Stunde entfernt. Bis wir wieder dort sind, ist es bereits stockfinstere Nacht.«

Rian nickte. »Ja, wir können gehen, hier haben wir alles gesehen, was wir sehen wollten. Wir fahren ja auch noch eine Weile, bis wir wieder in Worms sind. Und morgen …«

Nina gähnte verhalten und schüttelte den Kopf. »Das viele Laufen an der frischen Luft und das Durchfragen in den Ortschaften haben mich ziemlich müde gemacht. Und es wäre schade, jetzt wieder nach Worms zurückzukehren, um dann morgen noch einmal die Strecke bis in den Odenwald zu fahren. Ich würde daher vorschlagen, dass wir hier über Nacht bleiben – in Amorbach, oder vielleicht in Michelstadt, das ist ein nettes Städtchen mit vielen Fachwerkhäusern und so. Um diese Jahreszeit sollte es kein Problem sein, Zimmer zu bekommen.«

Rian öffnete den Mund, doch David kam ihr zuvor. »Das klingt gut, finde ich. So sparen wir morgen Zeit und können die Suche hoffentlich abschließen. Und dieses Michelstadt klingt so, als könnte es dir gefallen, Rian.« Er lächelte seine Schwester an, und sie klappte ihren Mund zu und warf ihm ein erbostes Funkeln zu.

»Ich bin zwar nicht begeistert von der Aussicht, schon wieder einen Tag in der gleichen Kleidung herumlaufen zu müssen wie am Vortag, aber ich sehe, ihr zwei habt euren Entschluss ohnehin schon gefasst.«

Nina strich eine Strähne ihres dunklen Haares zurück und sah David fast schüchtern an. »Na ja, ihr müsst es wissen. Es ist eure Arbeit, ich laufe nur mit.«

David erwiderte ihren Blick mit seinem jungenhaften Lächeln, während er sich von der Bank erhob. »Du gehörst dazu und kannst genauso deine Meinung sagen. Ohne dich wären wir niemals so schnell so weit gekommen. Also können wir durchaus Rücksicht auf dich nehmen. Außerdem finde ich die Idee wirklich gut.«

»Aber Rian …«

Die Elfe winkte ab und stand ebenfalls auf. »Aber eine Bedingung habe ich: Morgen fahre ich das Auto.«

Nina riss die Augen auf. »Du willst morgen schon fahren? Ich habe dir doch noch gar nichts gezeigt …«

»Ich habe genug gesehen, während ich neben dir gesessen habe. Und was fehlt, kannst du mir ja sagen, wenn ich es brauche.«

Skeptisch sah Nina Rian an. »Wir können es morgen einmal ausprobieren, auf einem Parkplatz oder so. Aber selbst wenn du es kannst – willst du dann wirklich ohne Führerschein fahren?«

Rian lächelte. »Ich werde schon nicht so fahren, dass wir einem dieser Polizisten auffallen. Und sollte es doch passieren – wie gesagt, wir haben unsere Möglichkeiten, damit umzugehen.«

Nina schaute sie einen Moment zweifelnd an, zuckte dann jedoch mit den Achseln und wandte sich ab.

Rian gefiel Michelstadt, sobald sie die gut erhaltenen und liebevoll hergerichteten Fachwerkhäuser im Ortskern erblickte. Bei ihrem Spaziergang nach dem Abendessen umrundete sie drei Mal das Michelstadter Rathaus, das laut Nina wegen seiner ausgeprägt künstlerischen und mit aufwändigen Verzierungen versehenen Bauart sogar über die Grenzen Deutschlands hinaus berühmt war.

Rian lag bereits im Bett, als eine Tür knallte und es kurz darauf erst leise, dann lauter und hartnäckiger bei ihr klopfte. Sie setzte sich auf und sah verwundert zur Tür. Neben ihr öffnete Pirx blinzelnd ein Auge, während Grog aus dem Bett schlüpfte und auf dem Weg zur Tür war, um sie zu öffnen. Ehe sie ihn mit einem Ruf daran hindern konnte, hatte er die Klinke gepackt und hinuntergedrückt. Rian hechtete aus dem Bett und zur Tür, damit es so aussah, als habe sie sie geöffnet.

Mit zerzaustem Haar, verquollenen Augen und müdem Blick stand Nina dort, nur in Pullover und Unterhose, ihre Jeans fest an sich gedrückt haltend.

»Darf ich bei dir schlafen, Rian?«, fragte sie leise.

»Ähm, natürlich. Komm rein, Nina.«

Stumm ging die junge Frau an Rian vorbei in das dunkle Zimmer. Eine Geste der Elfe ließ den alarmiert dreinschauenden Pirx sich vom Bett hinunter und in eine Ecke kugeln. Rian winkte ihn und den halb erstarrt hinter der Tür verharrenden Grogoch zu sich und trat mit ihnen halb in den Gang hinaus.

»Ihr geht zu David«, zischte sie. »Der hat jetzt genug Platz.«

Die beiden nickten stumm und sahen zu der Menschenfrau, die zusammengesunken auf der Bettkante saß. Sie hatte die Jeans neben sich hingeworfen, die Arme aufgestützt und das Gesicht in die Hände gelegt.

»Armes Kind«, murmelte Grog. Er und der Pixie wandten sich ab und gingen den inzwischen dunklen Gang hinunter. Rian schloss die Tür und deutete auf die Nachttischlampe neben Nina, worauf diese sich anschaltete. Rian brauchte das Licht nicht, aber Nina. Die Elfe ging zum Bett, warf Ninas Hose hinüber auf einen der Stühle, und setzte sich dann etwas unbeholfen neben sie.

»Was ist denn los?«, fragte sie. »Habt ihr euch wegen irgendetwas gestritten?«

Nina hob den Kopf und starrte blicklos gegen die Wand. »Nicht gestritten, nein … ich bin gegangen. Ich glaube, das hat ihn wütend gemacht, so wie er die Tür zugeknallt hat. Aber ich konnte heute nicht bei ihm bleiben. Nicht, nachdem …« Ihr Gesicht verzog sich etwas, und sie schüttelte den Kopf. »Ich bin so dumm«, flüsterte sie.

»Dumm? Du? Warum denkst du das?«

Mit einem schiefen Lächeln wandte Nina Rian ihren Kopf zu. »Weil ich dumme Dinge tu, obwohl ich weiß, dass sie dumm sind. Weil ich dachte, ich könnte meine Gefühle unter Kontrolle halten und nehmen, was mir geschenkt wird. Deshalb habe ich mich darauf eingelassen. Weil … ach, vergiss es. Du kannst mir nicht helfen.« Nina lachte auf. »Immerhin ist er ja dein Bruder.«

Rian betrachtete Nina einen Moment nachdenklich und schüttelte dann den Kopf.

»Du hattest nicht wirklich eine andere Wahl, weißt du, er verzaubert die Frauen – so wie ich die Männer, die ich will.« Sie lachte hell auf und wedelte mit der Hand durch die Luft. »Warum soll nicht jeder mit jedem Freude teilen können? Wo wir herkommen gibt es solche Einschränkungen nicht, und darum sind wir es nicht gewohnt, besondere Rücksicht zu nehmen.«

Rian hob etwas hilflos die Schultern. Sie verstand nicht so recht, was die Menschen in solchen Momenten bewegte, und es fiel ihr schwer, darüber nachzudenken, was Nina trösten könnte. Obwohl, etwas fiel ihr da schon ein. Ihr Augen leuchteten auf. »Ich habe eine Schachtel Trüffelpralinés dabei – möchtest du die haben? Mich machen die immer sehr glücklich.«

Nina lachte auf. »Ja, ich glaube, so etwas könnte ich jetzt brauchen, auch wenn ich es sicher ebenfalls bereuen werde.«

»Du solltest nichts bereuen, was Spaß gemacht hat«, meinte Rian und warf ihr die Schachtel zu. »Wenn es schlechte Folgen hat, kann man sich immer noch darum kümmern.«

»Eine schöne Einstellung.« Nina begutachtete die weiche Füllung in der angebissenen Praline. »Nur leider funktioniert sie nicht immer. Wenn man einer Sache völlig verfällt, ist es schwer, hinterher mit dem Schmerz der Trennung fertig zu werden. Und Reue hält einen dann vielleicht beim nächsten Mal davor zurück, die gleiche Dummheit nochmal zu begehen.«

»Mhmmm«, machte Rian nur. Reue gehörte zu den Worten, deren Bedeutung sie überhaupt nicht begriff, ein menschliches Konzept, das über ihren Horizont ging.

Nina steckte die zweite Hälfte der Praline in den Mund, leckte die Finger ab, ließ sich rückwärts auf das Bett fallen und schloss die Augen.

»Ich glaube, das Beste wäre, wenn ich jetzt einfach ein wenig schlafen würde«, meinte sie undeutlich. »Morgen sieht die Welt vielleicht schon ein bisschen anders aus. Morgen …«

Rian bemerkte, dass Nina auf halbem Wege war, einzuschlafen. Sie hob die Beine der jungen Frau an und schob sie ganz aufs Bett, und mit einem halb genuschelten, halb geseufzten »Danke!« drehte Nina sich auf die Seite und zog die Decke über ihre Beine.

Rian nahm sich noch eine Trüffelpraline, ehe sie die Schachtel neben Nina auf den Nachttisch stellte und die Lampe ausschaltete. Dann ging sie zur anderen Seite des Bettes und kroch unter ihr Laken.

»Es ist eine Sache, etwas zu wissen, das nicht ausgesprochen wurde, und sich dennoch darauf einzulassen«, flüsterte Nina zittrig. »Aber es ist eine gänzlich andere Sache, es ins Gesicht gesagt zu bekommen.«

Sie krümmte sich ein wenig mehr zusammen, und Rian sah, dass sie immer mehr von ihrer Decke zwischen ihre Arme zog, als könne dies ihr Halt geben. Die nächsten Worte kamen so leise, dass die Elfe sie beinahe nicht verstanden hätte.

»Und ich heiße nun mal Nina, nicht Nadja.«

Rian blinzelte, und ihr Mund formte ein »Oh«, das sie nicht aussprach.

»Er hat dich Nadja genannt?«, fragte sie leise nach.

Nina nickte kaum merklich.

Rian legte eine Hand auf Ninas Rücken und streichelte sie sanft. Ihre Gedanken wanden sich indessen um das, was die junge Frau gesagt hatte, und versuchten, es zu begreifen. Niemals, so weit Rian wusste, war David so etwas passiert. Und warum sollte ihm ausgerechnet der Name einer Frau entschlüpfen, die ihn zurückgewiesen hatte? Sie schüttelte leicht den Kopf.

Das wurde immer seltsamer.

Als die beiden Frauen am nächsten Morgen aufstanden, benahm sich Nina, als sei nichts geschehen. Lediglich ihr Lächeln kam zögerlicher, und ihre Augen wirkten etwas matter.

David schlief noch, als Rian unter Ninas Anweisung ihre erste Fahrstunde nahm. Es war nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte, aber schon zwei Stunden später hatte sie den Bogen heraus.

Sie sammelten David auf (und für Nina unbemerkt Pirx und Grog), verließen Michelstadt in Richtung Süden auf einer Straße, die auf den Schildern sowohl als »Nibelungenstraße« als auch als »Siegfriedstraße« bezeichnet wurde. Rian betrachtete die Häuser der Ortschaften, durch die sie hindurchkamen, auf der Suche nach weiteren Perlen wie dem Michelstädter Rathaus. Doch hier waren die meisten Gebäude eher schlicht und zweckmäßig, obwohl dazwischen ebenfalls das eine oder andere Fachwerkhaus zu entdecken war. Die Dörfer waren ohnehin zumeist so klein, dass sie noch nicht einmal die großen gelben Namensschilder hatten, bei denen man langsamer fahren musste, wie Nina ihr erklärt hatte, sondern lediglich kleine grüne, die anscheinend keine Folgen für die erlaubte Fahrgeschwindigkeit hatten.

Schließlich bogen sie nach Westen ab und fuhren in das ausgedehnte Waldgebiet hinein, das sie schon zuvor auf beiden Seiten des Tales begleitet hatte. Nach ein paar weiteren Dörfern sagte Nina, die das Steuer wieder übernommen hatte: »Wir sind gerade durch Hüttenthal hindurchgefahren. Der nächste Ort ist Hiltersklingen, dazwischen sollte es sein. Also haltet die Augen offen.«

Sie bogen um eine Kurve, und Rian erspähte ein Stückchen voraus im Halbdunkel des schattigen Straßenrandes ein Hinweisschild auf einen Parkplatz und darunter ein dunkles Schild mit heller Aufschrift.

»Da«, rief sie und zeigte darauf. »Lindelbrunnen steht da vorn dran, und in Klammern Siegfriedbrunnen. Das ist es.«

Nina warf ihr einen kurzen verwunderten Blick zu. »Das kannst du von hier aus lesen? Wow. Solche Augen hätte ich gerne.«

David lehnte sich vor, und Rian bemerkte, dass sein bisher mürrischer Gesichtsausdruck einem eher nachdenklichen gewichen war. Er legte eine Hand auf die Rückenlehne des Fahrersitzes, dabei wie zufällig mit seinen Fingern Ninas Schulter berührend.

»Das ist das besondere Blut. Es steckt eine Art Magie darin«, sagte er.

Dabei hob sich wieder das feine Glitzern von seinen Fingerspitzen, mit dem er Nina am ersten Abend eingewoben hatte, und glitt, für sie unsichtbar, wie ein feiner Nebelstreifen auf sie über.

Im selben Moment versteiften sich Ninas Arme, und sie betätigte so plötzlich das Gaspedal, dass David den Halt verlor und nach hinten in den Sitz fiel. Das Hinweisschild sprang dabei förmlich näher, und Rian fürchtete schon, sie würden daran vorbeischießen, als Nina ebenso abrupt und heftig abbremste, wie sie Gas gegeben hatte.

Rian wurde in den Gurt geschleudert und schrie überrascht auf. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass ihr Bruder, der wie immer nicht angeschnallt war, sich mit den Armen am Fahrersitz hatte abfangen können. Hinter sich hörte sie ein Quieken und ein unwilliges Knurren, das darauf hindeutete, dass auch Pirx und Grog heftig herumgeschleudert wurden.

Mit quietschenden Reifen riss die junge Frau das Fahrzeug herum und in die Einfahrt hinein, dicht vor dem Schild und einem daneben stehenden großen grauen Stein vorbei. Die Elfe klammerte sich am Türgriff fest und starrte Nina an, während David mit der Schulter gegen das Fenster schlug und das Gesicht verzog.

Dann waren sie herum, und das Auto rollte langsam einen Waldweg hinauf, vorbei an einer Stahlkonstruktion, die den Mord am Drachentöter Siegfried darstellte, und auf eine geschotterte Fläche zwischen den Bäumen zu, die wohl als Parkplatz diente.

Rian holte tief Luft. Die Geräusche hinter der Elfe, die darauf hindeuteten, dass der Grogoch aus dem Fußraum zurück auf den Sitz krabbelte, schien Nina glücklicherweise nicht zu bemerken. Rian warf einen prüfenden Blick nach hinten. Pirx entrollte sich, kroch von Davids Schoß und kauerte sich auf dem mittleren Sitz zusammen, ängstlich zu der Menschenfrau im Fahrersitz schielend. David lehnte mit dem Rücken gegen die Tür und wirkte ebenso verwirrt wie Rian.

Am oberen Ende des Platzes wendete Nina den Wagen in einem weiten Bogen, hielt dann an und schaltete die Zündung aus. Sie legte beide Hände unten ans Lenkrad und sah durch die Windschutzscheibe in den nebligen Wald hinaus. Rian löste langsam ihre Hand vom Türgriff und ließ die angehaltene Luft entweichen.

»Tu das nicht noch mal, David«, sagte Nina, ohne den Kopf zu wenden.

David richtete sich auf, rieb sich die Schulter und schüttelte leicht benommen den Kopf. »Was meinst du?«

»Das, was du eben gemacht hast. Wie auch immer du es tust, und warum auch immer du es kannst.«

»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte er und ließ sein Schultergelenk vorsichtig kreisen. Sein Gesicht verzog sich erneut.

»Wenn du mich so berührst wie eben, tust du etwas mit meinen Gedanken. Mit mir. Lass das!«

»Aber Nina, was soll denn Schlechtes daran sein, wenn du dich zu mir hingezogen fühlst? Warum solltest du das denn nicht mehr wollen?«

Sie lachte auf. »Immerhin kennst du heute wieder meinen Namen.« Ihre Hände lösten sich vom Lenkrad, und nun wandte sie sich zu ihm um und sah ihn an.

»Ich werde ohnehin wieder zu dir zurückkommen, David. Ich kann gar nicht anders, Gott weiß, warum. Aber lass mir so lange etwas Freiraum.«

David zögerte, hob halb die Hand, und einen Moment glaubte Rian, er würde erneut die Glamourfäden weben. Doch dann sah er zur Seite, öffnete seine Tür und stieg wortlos aus. Während Pirx und Grog eilig hinauskrabbelten, kam Rian herum.

»Ihr findet den Weg auch ohne mich«, sagte Nina leise, die Hände um das Lenkrad verkrampft, mit geschlossenen Augen.

David schloss die Tür. »Gehen wir«, sagte er und deutete mit einem Kopfnicken auf einen Pfad, der direkt neben einem Bachlauf vom Platz wegführte.

Eine Lichterkette hing über dem Bach in den Bäumen und führte bis zu einer Holzhütte, die etwas versteckt ein Stück weiter den Weg hinauf stand. Pirx und Grog waren vorausgegangen, sahen sich suchend um und schnupperten ein wenig, als hofften sie, auf diesem Wege etwas wahrzunehmen. Rian sah zu David, während sie neben ihm entlangging.

»Alles in Ordnung mit dir? Du bist vorhin ziemlich durchgeschüttelt worden«, sagte sie.

David nickte. »Meine Schulter tat ein wenig weh, aber das ist schon wieder verheilt.«

»Und sonst?«

»Was sonst?«

Rian sah ihn forschend an. »Du benimmst dich zurzeit seltsam. Was ist gestern Abend passiert?«

David wischte mit seiner Hand durch die Luft. »Ich habe mich versprochen, und sie hat es furchtbar wichtig genommen. Hat mich angesehen, als sei ich ein Eidbrecher, und ist gegangen.«

»Du hast sie wirklich Nadja genannt?«

»Ja, und?« Er drehte den Kopf und funkelte seine Schwester an. Unwillkürlich wich Rian einen Schritt zur Seite. »Nadja, Nina, das ist doch einerlei.«

»Ich kann mich nicht erinnern, dass dir so etwas schon einmal passiert wäre, und wenn, dann hätte ich erwartet, dass dir die richtigen Worte einfallen, um die Scharte wieder auszuwetzen.«

Der Elf heftete seinen Blick wieder auf den leicht ansteigenden Weg unter ihren Füßen. »Ich war zu wütend, um zu denken.«

»Wütend? Auf Nina?«

Er schüttelte leicht den Kopf. »Auf Nadja. Darauf, dass sie es sogar dann fertig bringt, mich zu ärgern, wenn sie gar nicht da ist.«

Rian lachte auf. »Es ist nicht so, als habe sie dich gezwungen, ihren Namen zu sagen.«

»Nein. Aber …« Er hob plötzlich den Kopf und blieb stehen, die Nasenflügel leicht geweitet, als würde er eine Witterung aufnehmen.

Rian hielt ebenfalls an und schaute sich um. Sie hatten beinahe die Holzhütte erreicht, und rechts davon sah sie einen betonierten Kreis, der hangseitig von einer gebogenen Natursteinmauer eingefasst wurde. Am höchsten Punkt der Mauer war ein Schild befestigt, und darunter sickerte aus einem Loch das Wasser der Quelle. Pirx hatte das Mäuerchen erklommen und saß mit baumelnden Beinen und aufmerksam in den Wald gerichtetem Blick darauf, während Grog unter den Vorbau der Holzhütte getreten war und diese interessiert musterte.

Rian sah wieder zu David. »Was ist?«

Er musterte sorgfältig den umliegenden Wald. »Ich dachte einen Moment lang, ich hätte etwas wahrgenommen. Etwas, das nicht hierher gehört, sondern eher in unsere Welt.«

Rian wurde aufgeregt. »Du meinst, wir sind richtig?«

»Vielleicht.« David zuckte leicht mit den Achseln. »Lass uns zur Quelle weitergehen.«

Grog kam ihnen über den Weg entgegen.

»Scheint, als wären die Menschen öfter hier«, berichtete er. »Die Hütte hat Licht, elektrische Anschlüsse und Wasser. Allerdings scheinen die letzten Gäste nicht gerade pfleglich mit der Einrichtung umgegangen zu sein, es ist einiges zerstört. Pirx mag übrigens die Quelle.« Er nickte in Richtung des Pixies, der in diesem Moment fröhlich zu ihnen herüberwinkte.

»Wir sollten uns genauer umsehen«, entschied Rian. »David hat etwas gespürt, und wir werden dem nachgehen. Nimm dir Pirx und sieh dich mit ihm im umgebenden Wald um. Achtet genau auf alles, das sich fremd anfühlt. Grog und ich schauen uns erst einmal die Quelle an.«

Die nächste Stunde brachten die Elfen damit zu, Quelle, Hütte und die gesamte Umgebung sorgfältig zu untersuchen. Ohne Ergebnis. Während Pirx leicht schnüffelnd dem Bachlauf folgte, sahen sich die anderen drei ratlos an.

»Nichts«, fasste Rian zusammen. »Hier und da das, was David auch wahrgenommen hat – ein Hauch, dass hier etwas gewesen ist. Aber jetzt lässt nichts mehr darauf schließen, was es war.«

Pirx quietschte auf, Rian und die anderen drehten sich zu dem Pixie um, der den Bachlauf entlang zurückgesprungen kam. Mit einer Hand schwenkte er dabei aufgeregt etwas. Ein wenig außer Atem kam er bei ihnen an.

»Seht mal, was da jemand zusammen mit einem Haufen alter Blätter und Matsch in das Rohr gestopft hat, in dem der Bachlauf eigentlich verschwinden soll!«, rief er und hielt ihnen seinen Fund entgegen.

Vorsichtig nahm Rian das Teil und betrachtete es genau. Es sah aus wie eine aus mit dünnem Faden zusammengehefteten Blättern hergestellte Kappe für ein Kind oder ein anderes Wesen von ähnlicher Größe wie der Grogoch. Rians Blick wanderte zurück zu Pirx.

»Das Ding habe ich zuletzt im Zug nach Worms gesehen«, piepste der Pixie. »Da saß es aber noch auf dem Kopf von diesem Widerling, dem Kau.«

David schlug sich an die Stirn. »Das war es, was ich gespürt habe! Sie waren hier, und vor nicht allzu langer Zeit!«

»Und offensichtlich hatten sie bisher ebenso wenig Erfolg bei der Suche nach dem Lebensquell wie wir, und der Kau hat seine Enttäuschung oder Langeweile hier ausgetobt«, setzte Rian hinzu.

»Wer weiß, vielleicht sind sie noch gar nicht weit«, brummte Grog mit gerunzelter Stirn. »Das, was wir wahrgenommen haben, war nicht lange verweht …«

David wurde blass. »Nina! – Was, wenn sie in der Nähe des Parkplatzes waren?«

Die Elfen sahen sich an, und im nächsten Moment rannten sie gleichzeitig los.

Das Auto stand dort, wo sie es verlassen hatten, doch die Fahrertür war offen, der Sitz leer. David fluchte leise, rannte um das Auto herum, sah sogar noch darunter.

Aber Nina blieb verschwunden. Mit einem erneuten Fluch warf David die Tür zu.

Rian trat hinter ihn und legte eine Hand auf seine Schulter.

»Beruhige dich, David. Ich spüre hier nichts von dem, was wir bei der Quelle wahrgenommen haben. Ich denke nicht, dass sie auf diesem Parkplatz waren.«

Heftig schüttelte er ihre Hand ab. »Und wo ist dann Nina?«

»Höre ich da meinen Namen?«

Die Elfen fuhren herum. Nina kam von einem nahen Hügel auf sie zu.

»Nina! Wir haben uns Sorgen gemacht.«

»Ich war nur auf der anderen Seite dieses Hügels.« Sie zeigte hinter sich. »Kurz nachdem ihr weg wart, hörte ich aus der Richtung Stimmen und bin nachschauen gegangen, wen es an einem so grauen Novembertag hinaustreibt. Der Waldweg zwischen dem Stein und der Stahlstatue führt da hinten hoch. Als ich über den Hügel kam, stieg gerade jemand in ein Auto, wendete und fuhr weg. Ich bin dann noch eine Weile dort sitzengeblieben, weil es so herrlich ruhig war.«

»Hast du gesehen, wer in dieses Auto gestiegen ist?«, fragte Rian alarmiert. Sie konnte nicht erklären, warum – ihr Elfensinn schlug an.

Nina schüttelte den Kopf. »Nicht genau. Ich denke, es war ein Mann, zumindest hat die Stimme männlich geklungen, die ich gehört habe. Er trug so etwas wie einen langen Mantel mit Kapuze. Vielleicht jemand, der Samhain feiert.«

»Samhain?« Rian sah Nina verständnislos an. »Wer feiert hier den Herrn der Totenwelt?«

»Esoteriker«, antwortete Nina mit einem Achselzucken. »Solche Ich-will-wieder-im-Einklang-mit-Natur-und-Kosmos-leben-Typen, die sich aus allerlei mehr oder weniger gut fundiertem Halbwissen über alte Religionen was Eigenes zusammengebastelt haben, das zu ihnen passt. Die meisten sind harmlose Spinner auf der Suche nach etwas Magie für ihr tristes Leben, aber manche von denen sind auch heftig drauf. Dieser Kapuzentyp kam mir so vor wie einer von der heftigeren Sorte, falls er wirklich dazu gehört. Nur so ein Gefühl, aber …« Erneut zuckte sie mit den Achseln.

Rian und David sahen sich an.

Der Getreue war hier, und er war ihnen erneut einen Schritt voraus.

Graue Wolken zogen weiterhin tief über den Himmel, und Nebelfetzen hingen in dem Wald, der den Hügel bedeckte, an dessen Fuß sie einige Zeit später erneut das Auto abstellten. Sie waren nicht die Einzigen, die diesen Parkplatz nutzten, doch das Auto, das Nina beim Lindelbrunnen gesehen hatte, war nicht unter den abgestellten Fahrzeugen.

»Das sind nicht nur Leute aus der Region«, stellte Nina mit einem Blick auf die Nummernschilder fest. »Scheint, als hätte ich mit meiner Vermutung recht gehabt. Hier treffen sich Leute für ein Samhain-Fest.«

Sie sah prüfend zum Himmel auf. »Wenn ihr die Quelle noch sehen wollt, solange es hell ist, solltet ihr euch beeilen.«

»Kommst du nicht mit?«, fragte Rian überrascht.

Nina schüttelte den Kopf. »Ich habe es nicht so mit diesen Typen. Ich war vor einiger Zeit mal mit einem Eso zusammen, und der hatte etwas seltsame Ansichten über unser Zusammenleben. Jedenfalls habe ich seither beschlossen, dass die ihr Leben leben sollen, und ich lebe meines, und am Besten stören wir uns gegenseitig nicht.« Sie winkte ab. »Ich werde mich ein wenig auf der Rückbank hinlegen. Nach der Wegbeschreibung im Internet ist das ab hier ein Fußmarsch von etwa 20 Minuten, plus die Zeit, die ihr da oben verbringt – das sollte reichen für eine ordentliche Mütze Schlaf für mich, von der ich das Gefühl habe, sie im Moment dringend zu benötigen.« Sie lächelte David kurz an. »Wer weiß, was der Abend noch bringt.«

David erwiderte ihr Lächeln und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Nina seufzte und öffnete die hintere Autotür. »Viel Erfolg euch beiden«, sagte sie und winkte kurz, ehe sie einstieg und die Tür hinter sich zuzog.

Die Elfen gingen vom Parkplatz hinunter und an dem einsam gelegenen Wohnhaus daneben vorbei auf den ansteigenden Weg zu, der zwischen Wiesen hindurch zum Waldrand reichte. Dort teilte sich der Weg auf, beide Pfade führten laut den Schildern mit unterschiedlichen Wanderzeiten zum Brunnen. Einer war ein breiter geschotterter Weg, der sich mit sanftem Anstieg am Berg hochwand, der andere ein kürzerer, aber steiler Waldweg.

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