Kitabı oku: «Mörderischer Handel», sayfa 2
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Peter Jischeck saß unter dem großen Kirschbaum und schrieb einen Brief an seine Schwester. Er wusste, dass es per Mail schneller ging, aber er liebte es, wenn der Füller mit einem leisen schabenden Geräusch über das samtige Papier flitzte. Der Pfarrer schrieb mit seiner schönen Schnörkelschrift eine Einladung zu seinem Geburtstag. Wie immer würde die ganze Familie zusammenkommen.
„Hallo, Paps“, ertönte eine weibliche Stimme hinter seinem Rücken.
Er drehte sich um und lächelte einer jungen Frau mit blonden langen Haaren entgegen. Sie war schlank und hatte die gleichen sanften grauen Augen wie ihr Vater.
„Beatrice, schön, dass du mich besuchen kommst. Setz dich. Oder nein, geh bitte rein und mach uns doch eine schöne Tasse Kaffee.“
Beatrice Jischeck-Bröck küsste ihren Vater auf die Wange, strich ihm über die Schulter, stellte ihre Handtasche ab und eilte leichtfüßig ins Haus. Peter beendete seinen Brief, hielt das Blatt schräg, um noch einmal zu kontrollieren, ob die Tinte trocken war, nickte und faltete den weißen Bogen zweimal. Als er ihn in den Umschlag geschoben und alles zusammengeräumt hatte, kam Beatrice mit einem Tablett wieder hinaus. Sie goss ein und setzte sich.
„Na, Kind, wie geht es dir? Was kann ich für dich tun?“
Beatrice strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und seufzte.
„Ach Papa, ich war beim Frauenarzt, weil ich dachte, dass ich endlich schwanger bin. Meine Regel ist ausgeblieben.“
„Und?“, fragte Peter neugierig und strahlte bei dem Gedanken daran, vielleicht endlich Opa zu werden.
„Nichts. Nicht schwanger. Dabei habe ich es so sehr gehofft.“
„Meine Kleine, sei nicht traurig, irgendwann wird es funktionieren. Was sagt denn der Arzt? Ist alles in Ordnung bei dir?“
„Ja, einer Schwangerschaft steht nichts im Wege. Es ist eine Kopfsache, sagt Dr. Gramill. Wir sollen die Hoffnung nicht aufgeben, wenn wir weiter an der Gründung einer Familie festhalten wollen.“
Der traurige Blick von Beatrice ging Peter durch und durch, hatte sie ihm doch erzählt, dass sie mit Timur auch nicht mehr so glücklich war wie vor ihrer Hochzeit.
„Willst du denn nicht mehr daran festhalten?“
„Doch, ich will das. Aber ich habe Zweifel, ob mein Mann noch genauso hinter mir steht. Er ist oft nicht zuhause, die Arbeit frisst ihn auf. Weißt du, wenn ich ein Kind hätte, würde mir das nicht so auffallen, aber so. Ich arbeite gerne in der Bücherei, doch wenn ich nach Hause komme, bin ich allein. Timur kommt spät und geht früh. Und an den Wochenenden machen wir auch wenig zusammen, da sitzt er im Büro im Keller und arbeitet. Wir essen zusammen, wir schlafen auch zusammen, aber wir verbringen keine Zeit miteinander. Will ich zu viel?“
Peter legte eine Hand auf die seiner Tochter und dachte nach. Er wollte sie nicht verletzen, aber schon, als er Timur Bröck das erste Mal getroffen hatte, wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass es nur eine Liebelei wäre. Er hatte sich später innerlich entschuldigt, denn es war nicht seine Art, einen Menschen von vornherein zu verurteilen, aber der junge Mann, der vor zwölf Jahren vor ihm gestanden hatte, hatte ein ungutes Gefühl in ihm ausgelöst. Irgendetwas stimmte mit Timur nicht, da war er sich heute noch sicher.
„Nein, du willst nicht zu viel, nur glücklich sein. Du weißt, du kannst immer mit mir reden, wenn dich etwas bedrückt. Und wenn es hart auf hart kommt, bist du mir jederzeit willkommen. Hier ist dein Zuhause. Ich bin für dich da. Wie gerne wäre ich Opa einer kleinen Enkelin, aber manchmal soll es nicht sein.“
„Ich weiß, dass ich mich stets auf dich verlassen kann und dafür bin ich dir unheimlich dankbar. Jetzt lass uns mal über etwas anderes reden. Ich habe gehört, dass Bernd in den Rhein gefallen ist. Wie konnte das denn passieren? War er krank?“
Peter erzählte seiner Tochter, dass die Polizei dagewesen war und jetzt im Fall seines Nachbarn ermittelte. Beatrice war entsetzt.
„Das heißt doch wohl nicht, dass er ermordet wurde? Bitte nicht Bernd!“
„Davon haben die beiden nichts gesagt. Aber wenn ich an diese Männer denke, kann ich es mir schon vorstellen. Er hatte ihnen gedroht, die Polizei und seinen Anwalt einzuschalten.“
„Hast du denn keine Angst? Sie waren ja auch bei dir.“
„Gott wacht über mich, da brauche ich keine Angst zu haben. Vielleicht kann ich auch etwas für den Erhalt unserer Häuser tun, auf meine Stimme hören die Menschen doch.“
„Pass bloß auf dich auf. Wenn ich mir vorstelle, dass der Bernd … oh, Papa, ich mache mir schon Sorgen um dich. Leg dich bitte nicht mit solchen Leuten an.“
„Ich lege mich nicht mit ihnen an, ich kämpfe nur für meine Rechte und die Menschen, die mir wichtig sind.“
Beatrice seufzte und hoffte insgeheim, dass ihr Vater keine Zeit haben würde, um sich mit diesem Thema intensiver auseinanderzusetzen. Sie erhob sich, umarmte Peter und machte sich auf den Heimweg. Der blieb nachdenklich zurück und lief langsam durch seinen Garten. Hier blühten Blumen, dort wuchsen Kräuter, im Nachbargarten gackerten die Hühner und kamen an den Zaun gelaufen, denn Peter warf ihnen manchmal etwas Leckeres hinüber. Heute hatte er leere Hände und zeigte sie den Tieren, die lange Hälse machten.
Am Ende des Weges öffnete er das kleine Türchen und trat auf die Stufen hinaus, die in das schmale Ufer des Baches eingelassen waren. Früher hatte er die Tür fest verschlossen, denn die kleine Beatrice war verrückt nach Wasser gewesen. Er hätte es sich niemals verziehen, wenn sie in Gefahr geraten wäre. Bei dem Gedanken daran fiel ihm sofort wieder Timur ein und seine Machenschaften, die niemand durchschauen konnte.
Die beiden hatten sich auf einem Weinfest kennengelernt und bei Beatrice war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie schwärmte von ihrem Traummann, der nicht nur gut aussah, sondern auch ein richtiger Mann war. Gerne las sie ihm jeden Wunsch von den Augen ab und schon damals hatte Peter gedacht, dass es falsch war. Timur scheuchte seine Frau hin und her und ließ sich bedienen wie ein Pascha. Der Pfarrer konnte es kaum mit ansehen, aber er hatte große Angst, dass sich seine Tochter von ihm abwendete, wenn er gegen den Freund intervenieren würde. Also schaute er zu und sah, wie sich seine kluge und selbstständige Tochter immer mehr zu einem kleinen Hausmütterchen entwickelte.
„Wenn das mal kein böses Ende nimmt“, murmelte er leise und sah dem Wasser zu, das heute sanft in seinem Bachbett dahinfloss.
Es hatte schon Jahre gegeben, da stand das Wasser im hinteren Teil seines Gartens. In diesem Jahr allerdings herrschte eine große Trockenheit und der Bach war zu einem kleinen Rinnsal geworden. Manchmal, wenn sein Beruf zu stressig war, saß er nach Feierabend auf den Stufen und schloss die Augen, um dem Plätschern zuzuhören und das stimmte ihn dann milde und gab ihm die innere Ruhe zurück.
Früher hatte er mit seiner Frau hier gesessen. Ines Jischeck und er hatten zwanzig wunderbare Jahre gehabt, bis die Krankenschwester bei einem Autounfall getötet wurde. Peter hatte lange getrauert, aber der Gedanke, dass sie bei Gott war und er so guten Kontakt zu ihm hatte, hatte ihm geholfen, das Unveränderliche zu ertragen. Er ging sonntags mit Beatrice auf den Friedhof und brachte Ines eine Rose.
Als der Unfall vor zehn Jahren ihr Leben veränderte, hatte Beatrice gerade angefangen zu studieren, weil sie unbedingt Deutschlehrerin werden wollte. Timur hatte sie davon überzeugt, das Studium abzubrechen. Peter wollte sich nicht einmischen, denn der Verlust von Mutter und Ehefrau wog schwer. Heute sagte er sich oft: Wäre ich doch dagegen angegangen.
Der Pfarrer schloss das kleine Türchen und ging ins Haus.
5
Bianca war beim Staatsanwalt gewesen und der hatte wie erwartet gewettert und geschimpft. Als Bianca drohte, den Oberstaatsanwalt um Rat zu fragen, hatte er der Ermittlung knurrend zugestimmt.
„Der hat doch tatsächlich gedacht, er kann die Ermittlung verhindern“, sagte sie jetzt zu Ferdinand und schüttelte den Kopf. „Man könnte glauben, der hängt da mit drin. Aber wahrscheinlich hat er nur keine Lust zum Arbeiten.“
„Na, das wäre doch mal was, wenn wir unseren Dr. Rosenschuh verhaften könnten.“
Ferdinand grinste.
„Aber lass mal“, fuhr er fort, „wer weiß, was für ein Affe dann kommt. Lieber den als irgendeinen, den man nicht einschätzen kann.“
Bianca nickte. Ja, der Staatsanwalt war zwar merkwürdig und unangenehm, aber er war auch durchschaubar. Bei ihm wusste man immer, dass man mit Gegenwind rechnen musste.
„Vielleicht geht er ja wirklich fremd. Oder er ist frisch verliebt. Das wäre für mich beruhigender als der Gedanke, dass ein neuer Staatsanwalt alles umkrempeln will. Wollen wir denn jetzt mal den Herrn Immobilienmakler besuchen?“
„Hast du das mit den Kollegen in Frankfurt geklärt?“
„Klar, die freuen sich schon, denn er scheint kein unbeschriebenes Blatt zu sein. Ich habe uns auch einen Termin mit einem Kollegen gemacht, der uns die wichtigsten Informationen geben kann. Er heißt Hannes Britsche. Kennst du ihn?“
„Ja, wir sind uns mal bei einem anderen Fall begegnet. Das ist ein ganz Netter.“
„Ferdinand! Ich lasse mich nicht verkuppeln.“
Sie liefen schweigend zum Auto, aber als sie eine Weile gefahren waren, fing Ferdinand noch einmal an, seine Kollegin von den Vorzügen des netten Kripobeamten zu überzeugen.
„Hannes ist ein Jahr älter als ich und sieht sehr gut aus. Er ist ledig und kinderlos. Außerdem ist der Mann sehr nett und ein guter Polizist.“
„Und da findest du, ich müsste ihn heiraten?“
Bianca lachte, denn Ferdinand hatte mit ernstem Gesicht gesprochen. Er hatte sich wie ein Heiratsvermittler angehört.
„Nein, das habe ich doch gar nicht gesagt!“
„Ich werde mit ihm über dienstliche Angelegenheiten sprechen und sehr freundlich zu ihm sein. In Ordnung?“
„Gut, aber wenn es knallt, dann gehst du mal mit ihm essen.“
„Du wirst es als Erster erfahren, wenn ich hin und weg bin. Jetzt aber Schluss. Weißt du, ich stelle mir diesen Immobilienfritzen schon ganz schrecklich großkotzig vor. So ein drahtiger, sportlicher Anzug-Typ in einem blankgeputzten Büro und auf seinem Schoß eine üppige Blondine, eine teure Uhr am Handgelenk, eine Segeljacht auf dem Mittelmeer. Im Regal eine Reihe ordentlicher Aktenordner mit Exposés von Villen in aller Welt.“
„Ich kann dir sehr gut folgen. Aber vielleicht ist es auch ein kleiner Dicker im düsteren Kellerbüro, der zu geizig ist, seinen Reichtum zu zeigen, damit ihm niemand etwas wegnimmt.“
Sie bogen in eine Straße am Rande von Frankfurt ein, in der es nur Villen hinter hohen Mauern gab. Vor der Nummer zehn hielt Bianca an. Ferdinand und sie stiegen aus und liefen ein Stück die Straße hinauf und wieder zurück.
„Ich glaube, ich habe recht“, sagte Bianca und grinste. „Mal sehen, ob er auch die Blondine hat.“
Ferdinand legte den Daumen auf den Klingelknopf und schaute freundlich in das Kameraauge. Auf dem Messingschild neben dem Eingang stand wieder das, was die beiden auch auf dem Briefkopf bei Peter Jischeck gelesen hatten.
Eine weibliche Stimme meldete sich: „Das Büro ist heute leider nicht geöffnet. Auf Wiedersehen.“
Dann verstummte sie und die beiden Kommissare schauten sich an. Ferdinand holte seinen Dienstausweis heraus und hielt ihn vor die Linse, als er erneut auf die Klingel drückte. Es dauerte einen Moment, dann summte es und das hohe Eichentor öffnete sich wie von Zauberhand.
Bianca und Ferdinand liefen über einen geschotterten Weg bis zu einem gepflegten Herrenhaus, vor dessen Tür eine ältere Frau im grauen Kostüm wartete. Sie blickte aus kalten blauen Augen auf die unerwünschten Besucher herab.
„Die Herrschaften erwarten Sie im Büro, bitte folgen Sie mir“, sagte sie grußlos und ging voran.
Bianca überlegte, ob sie an der Tür die Schuhe abstreifen sollte, denn ein weißer Teppich bedeckte den Boden des Foyers. Bilder an den Wänden, kleine Skulpturen aus Glas und riesige Grünpflanzen rundeten den einschüchternden Anblick ab. Die Kommissarin schüttelte sich kurz und betrat das Büro, dessen Tür die Hausdame geöffnet hatte. Ferdinand folgte ihr.
Ganz anders, als man es in dem kühlen Umfeld erwarten würde, sprang ein dynamischer Enddreißiger aus seinem Ledersessel und kam ihnen mit einem gewinnenden Lächeln entgegen.
„Guten Morgen, ich bin Ludger von Etzelsbach und heiße Sie in meinem kleinen Imperium herzlich willkommen. Das ist meine bezaubernde Verlobte Saskia Lanotti. Bitte nehmen Sie doch Platz, Frau?“
Er starrte Bianca mit seinem eingefrorenen Lächeln an und die spürte sofort ein großes Unbehagen. Ihr Blick fiel auf Saskia, die auf einem riesigen Sessel lümmelte, die endlosen Beine übereinandergeschlagen. Blondine, noch ein Punkt für mich, dachte Bianca und grinste die Frau an. Saskia klimperte mit den künstlichen Wimpern, aber sie hatte nur Augen für Ludger. Ferdinand ließ sich mit keiner Faser anmerken, was er dachte.
„Ich bin Bianca Verskoff von der Kriminalpolizei und das ist mein Kollege, Kommissar Waldhöft. Ich hoffe, wir stören nicht, aber wenn Sie uns rasch ein paar Fragen beantworten, sind wir auch schon wieder weg.“
„Sie sind nicht von der Kripo in Frankfurt, oder?“
„Nein, wir sind aus Eltville, aber Ihr Name ist in Zusammenhang mit einem Mordfall erwähnt worden.“
„Was? Ein Mord? Das tut mir sehr leid, aber mit Mord habe ich nichts zu tun. Ich bin ein sanftmütiger Mensch und verabscheue Gewalt. Es kann sich hier nur um einem Irrtum handeln.“
Ferdinand übernahm jetzt das Gespräch.
„Was hat es mit den Schreiben an die Bewohner der Felsstraße in Eltville auf sich?“
„Das sind Angebote, die niemand ausschlagen kann. Ich habe hier im Rhein-Main-Gebiet sehr gute Kunden, die gerne ihre wenige Freizeit in einem kleinen Weinbau-Ort genießen wollen und es gibt doch viele Kleinstädter, die aus der Provinz in die Stadt wollen. Nehmen wir mal an, man ist alt und nicht mehr so gut zu Fuß, dann ist die Infrastruktur in der Großstadt wesentlich seniorenfreundlicher. Hier kann man einkaufen gehen, ohne große Wege auf sich nehmen zu müssen, es gibt mehr Restaurants und auch viel mehr Ärzte, die sich um die kleinen Wehwehchen kümmern können. Und ein altes Haus macht viel Arbeit. Also ich finde mein Angebot unendlich großzügig.“
„Ich finde dieses Angebot eher übertrieben. Sie kaufen doch eigentlich die Katze im Sack und zahlen blanko viel Geld, oder? Das wirkt nicht gerade seriös.“
„Was würden Sie sich kaufen, wenn Sie eine halbe Million hätten?“
„Das spielt hier keine Rolle, Herr Etzelsbach. Also?“
„Von Etzelsbach, wenn ich bitten dürfte. Nun gut, es ist ein wenig ungewöhnlich, aber glauben Sie mir: Das Konzept geht auf. Die Menschen verkaufen.“
„Bernd Fregge wollte nicht verkaufen.“
„Der Tote, ach ja, der hat mir sein Haus bereits verkauft. Lange vor seinem Ableben. Es tut mir sehr leid, dass er von seinem Geld nichts mehr hat.“
„Er hat sein Haus an Sie verkauft?“, fragte Bianca ungläubig, denn das, was der Mann am Schreibtisch sagte, stimmte in keiner Weise mit der Aussage von Peter Jischeck zusammen.
„Herr Fregge hat einen Vertrag unterschrieben, das Geld bekommen, aber leider ist er jetzt tot. Vielleicht hat er es nicht verkraftet und seine Entscheidung im Nachhinein bereut. Oder jemand wollte ihm das Geld stehlen und hat ihn deswegen umgebracht. Sie sagten ja, dass es Mord war. Ist das denn sicher?“
„Nein, natürlich nicht“, sagte Bianca, die das in diesem Moment für eine gute Idee hielt, weil sie das Gefühl hatte, den Mann in Sicherheit wiegen zu müssen.
„Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann. Wenn Sie uns dann jetzt bitte entschuldigen möchten. Mein Schatz und ich sind zu einem Ausflug in den Rheingau verabredet.“
Ludger hatte sich erhoben und zeigte mit ausgestrecktem Arm in Richtung Tür. Die Kommissare verabschiedeten sich. Vor dem Büro wurden sie wieder von der Hausdame in Empfang genommen und hinausbegleitet. Sie grüßte nicht, sondern drückte einfach die Tür zu.
„Puh!“, rief Ferdinand vor dem großen Tor. „Dieser Lackaffe ist aalglatt. Ich habe dem kein einziges Wort geglaubt. Du?“
„Nein, das ist ein ganz linker Hund. Ich bin froh, dass du nicht gefragt hast, ob er uns den Vertrag zeigen kann. Der hätte uns ausgelacht. Dieser Typ ist mit allen Wassern gewaschen und ich bin der festen Überzeugung, dass der Täter oder zumindest der Auftraggeber der Tat vor uns gesessen hat. Dann mal los, auf zu deinem großartigen Hannes. Ich bin gespannt, was der uns zu erzählen hat.“
6
Hannes Britsche war groß, schlank, braungebrannt und lächelte aus graublauen Augen die Kommissarin an, die ihm die Hand entgegenstreckte. Ferdinand und er begrüßten sich wie alte Bekannte.
„Sie sind also die berühmte Bianca Verskoff, herzlich willkommen. Kaffee?“
„Gerne“, sagte Ferdinand, der gesehen hatte, dass Bianca die Augen zusammengekniffen hatte. „Wir waren gerade bei Etzelsbach.“
„Von Etzelsbach“, ergänzte Bianca und entspannte sich.
Der Mann, der ihr gegenübersaß, sah gut aus, war ein netter Kerl, aber er berührte ihr Herz überhaupt nicht. Sie konnte sich nicht vorstellen, mehr als freundschaftliche Gefühle zu haben, auch wenn ihn Ferdinand sehr angepriesen hatte.
„Der gute Mann tut so, als wenn er ein Menschenfreund sei, doch er ist ein Hai, der auf Beute lauert. Und niemand, aber auch wirklich niemand konnte ihm nur die geringste Übertretung eines Gesetzes nachweisen. Er hält sich akribisch an alle Vorschriften. Wir sind uns zu hundert Prozent sicher, dass er Dreck am Stecken hat.“
„Was denn zum Beispiel?“, fragte die Kommissarin.
Hannes brachte die Kaffeetassen und legte Bianca einen Keks auf den Tellerrand. Sie bedankte sich höflich und lächelte.
„Danke, aber geben Sie Ferdinand auch etwas zu essen. Er ist immer so mies drauf, wenn er Hunger hat.“
„Das ist gar nicht wahr“, brummte der Kommissar.
Hannes setzte sich wieder.
„Wir vermuten Geldwäsche, Erpressung, Nötigung und wenn ich euch glauben darf, dann kommt jetzt auch noch Mord dazu. Gibt es denn einen Zusammenhang zwischen Etzelsbach und dem Toten im Rhein?“
„Ja, Etzelsbachs Handlanger waren bei ihm, um ihn davon zu überzeugen, sein Haus zu verkaufen. Aber das ist natürlich kein Beweis.“
Ferdinand erklärte, was sie bei Peter Jischeck erfahren hatten und den Widerspruch, den der angebliche Verkauf des Hauses darstellte.
„Wir haben uns ein bisschen dumm gestellt, denn wir wollen euch nicht ins Handwerk pfuschen. Am liebsten hätte ich ihn gleich festgenommen und ausgequetscht. Aber ich glaube nicht, dass das eine gute Idee gewesen wäre.“
„Nein. Er muss jemanden haben, der ihm den Rücken deckt. Einer von ganz oben. Leider ist es nicht leicht, dem Kerl in die Karten zu gucken. Und wie gesagt, er verhält sich mit seinen Geschäften so korrekt, dass wir nicht an ihn herankommen. Ich kann euch mal erklären, wie sein Umfeld aussieht. Bildet euch selbst ein Urteil.“
Hannes bat seine Kollegin im Nebenzimmer, ihm die Akten zu bringen und kurze Zeit später lag ein dicker Ordner vor ihnen. Hannes breitete einige Bilder vor den Besuchern aus und begann zu erzählen.
„Das ist Ludger auf seiner Jacht. Neben ihm die Blondine ist seine Verlobte, aber man munkelt, dass er auch andere Gespielinnen hat.“
„Wir haben sie in seinem Haus getroffen. Bianca, du hast gewonnen.“
Ferdinand grinste.
Hannes fuhr fort: „Der Typ hier ist Klaas Wimmer, er fungiert als Chauffeur. Der ist dreißig und ich möchte ihm nicht im Dunkeln begegnen. Hier der nächste: Sandro Dieck, siebenundzwanzig, sieht eher dumm aus, wie ich finde, aber das macht ihn vielleicht auch gefährlich. Er ist die rechte Hand des Chefs. Und damit meine ich nicht, dass er denken kann.“
„Er sieht gemein aus“, sagte Bianca leise. „Wir brauchen die Fotos, um sie den Nachbarn von Bernd Fregge zeigen zu können.“
„Natürlich, Frau Kollegin. Das habe ich schon vorbereitet.“
Seine Augen hingen an Bianca und am liebsten hätte er sie sofort gefragt, ob sie mit ihm essen gehen würde. Diese Frau hatte einen sagenhaften Ruf und noch dazu sah sie super aus und war sympathisch. Bianca spürte, dass sie Hannes gefiel, aber das empfand sie als unangenehm. Ich bin noch lange nicht soweit, dachte sie, und duckte sich vor Ferdinands strengem Blick.
„Der nächste ist Eckehard Wustel, sechsundvierzig, mehrfach vorbestraft wegen Diebstahls. Anscheinend war es die soziale Ader von Etzelsbach, armen Verbrechern eine Chance zu geben. So stand es mal in einem Artikel im Internet, als man ihn interviewt hatte. Und der letzte in der illustren Runde ist Jewgeni Sabritschek, neununddreißig.“
„Uh, der sieht aus wie ein Schläger. Die Nachbarin von Bernd Fregge hat einen Mann so ähnlich beschrieben. Einer der Männer, die das Opfer aufgesucht hatten, hatte sogar einen Blumenkübel umgetreten.“
Bianca schüttelte sich beim Anblick des bulligen Mannes, der einen bösen Blick hatte und auch sein Anzug konnte nicht über den Eindruck hinwegtäuschen, dass es sich hier wohl um einen brutalen Schläger handelte.
„Hat nur dieser Eckehard Wustel etwas auf dem Kerbholz oder auch die anderen?“
„Eine längere Strafakte hat nur der, aber die drei anderen sind auch keine Waisenknaben. Hier ist eine Akte, in der ich schon mal die wichtigsten Informationen zusammengestellt habe. Die könnt ihr mitnehmen und ich hoffe sehr, dass wir weiter in Kontakt bleiben. Die Truppe hat ihren Wirkungskreis anscheinend gänzlich zu euch in den Rheingau verlegt. Wir können uns ja mal treffen oder telefonieren.“
„Danke, Herr Kollege, Ferdinand wird sicher gerne Kontakt halten.“
Als Bianca das gesagt hatte, sah Hannes sie sofort traurig an und es tat ihr schon leid, dass sie so schroff gewesen war. Um ihn wieder milde zu stimmen, gab sie ihm ihre Karte.
„Aber natürlich können Sie sich auch bei mir melden.“
Ferdinand hatte zwischen den beiden hin und her geschaut und runzelte jetzt die Stirn. Er war unschlüssig, ob er Bianca nachher im Auto zusammenstauchen sollte oder nicht. Er dachte: Hannes ist einer von den Guten, aber vielleicht ist sie wirklich noch nicht so weit.
Sie redeten noch ein bisschen über die neuesten Fälle in der Main-Metropole und Ferdinand berichtete über den Entführungsfall, der Bianca und ihn zusammengeführt hatte. Bianca musste an Riva denken, die sie lange nicht mehr gesehen hatte und nahm sich vor, sie am Abend anzurufen. Nach einer halben Stunde verabschiedeten sie sich und fuhren zurück in den Rheingau, wo Dr. Rosenschuh sie schon erwartete.
„Wo treiben Sie sich denn herum? Hier war ein Mann, der mit Ihnen sprechen wollte.“
„Wir arbeiten auch außerhalb des Büros“, sagte Ferdinand knapp.
„Jaja, sie schuften sich noch irgendwann zu Tode.“
„Wer war denn der Mann?“, fragte Bianca, die sich nicht streiten wollte.
„Ein Peter Irgendwas, keine Ahnung. Er sagte, er wolle nochmal wiederkommen. Er ist mir direkt in die Arme gelaufen, aber da Sie mir ja nicht sagen, wo Sie hingehen, konnte ich ihm nicht helfen.“
„Peter Jischeck, der Pfarrer. Er hat vielleicht Neuigkeiten für uns.“
„Was hat denn ein Pfarrer mit dem Fall zu tun?“, knurrte der Staatsanwalt.
„Er hatte auch mit der Immobilienfirma zu tun. Einige Menschen in der Felsstraße sollen ihr Haus verkaufen.“
Aus irgendeinem Instinkt heraus wollte Bianca dem Staatsanwalt nicht mehr zu dem Fall sagen. Dr. Rosenschuh wollte am Anfang immer gar nichts wissen und später dann alles, aber das ärgerte Bianca schon lange.
Sie sagte nur: „Wenn wir nähere Informationen haben, schreiben wir einen Bericht. Bis jetzt sind es nur einzelne Puzzleteilchen, die wir noch zusammenfügen müssen.“
„Na, dann puzzeln Sie mal schön“, blaffte Dr. Rosenschuh und verschwand.
„Oh Mann“, brummte Ferdinand, „der geht mir auf die Nerven. Ich muss unbedingt Dienststellenleiter werden, dann lasse ich den nur noch mit Anmeldung ins Haus.“
Bianca lachte und winkte ab.
„Er bellt ja nur und beißt nicht.“
„Wie hat dir denn unser Kollege Hannes gefallen?“
„Er ist ein netter Kerl, da hast du nicht zu viel versprochen, aber mein Herz hat nicht gehüpft.“
„Schade, der ist wirklich ein guter Mann. Aber ich verstehe dich. Es müssen schon Schmetterlinge sein.“
„Du sagst es“, erklärte Bianca und küsste Ferdinand auf die Wange. „Aber jetzt ist erstmal Feierabend. Ich habe einen Termin beim Friseur und bin morgen früh wieder im Büro. Außerdem muss ich mich mal wieder mit Riva verabreden.“