Kitabı oku: «Neues Vertrauen», sayfa 3

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Ferdinand war verärgert, weil sich Susanne Wescham noch nicht bei ihm gemeldet hatte. Er saß am Schreibtisch, trommelte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte und überlegte, ob er ihr eine weitere Nachricht schicken sollte.

Jetzt hob er den Kopf, weil es klopfte. Eine Frau Mitte dreißig, deren braune Haare in einem dicken Zopf über ihre rechte Schulter fielen, sah ihn ernst an und trat ein. Ihre vollen Lippen hatte sie aufeinandergepresst und eine merkwürdige Unruhe ging von ihr aus.

„Susanne Wescham, die Neue.“

Ferdinand winkte sie zu sich. Auch er schaute ernst, denn er war misstrauisch, nachdem er mit ihrem ehemaligen Vorgesetzten geredet hatte.

„Ferdinand Waldhöft. Ich hatte sie früher erwartet.“

Es sollte nicht vorwurfsvoll klingen, doch Ferdinand hatte den Tonfall nicht getroffen, sodass sich Susannes Blick direkt verdüsterte.

„Na, jetzt sind Sie ja da“, versuchte er mit einem Lächeln das Gesagte milder klingen zu lassen. „Setzen Sie sich!“

Susanne nahm vor dem Schreibtisch Platz. Ihr neuer Chef musste Mitte vierzig sein. Das dunkle Haar war kurz geschnitten, erste graue Strähnen fanden sich an den Schläfen und seine grauen Augen strahlten eine gewisse Wärme aus. Sie musterten sich einen Moment, dann begann Ferdinand.

„Herzlich willkommen in Eltville, ich hoffe, Sie hatten eine gute Anreise.“

„Ja, danke, es lief gut. Ich habe sogar schon eine Wohnung, das war purer Zufall und darum konnte ich mich auch nicht früher melden.“

„Sie brauchen keine Ausrede …“

„Das ist keine, so etwas habe ich nicht nötig. Ich wollte erstmal ankommen. Schließlich wurde mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt.“

„Woran Sie nicht ganz schuldlos sind. So war das auch nicht gemeint. Ich hatte nur gehofft, dass ich Ihnen alles in Ruhe zeigen kann und ich dachte, dass Sie vielleicht noch Hilfe brauchen.“

Susanne war immer noch angespannt.

„Wenn Sie mir die Sache, wegen der ich hierher versetzt wurde, jeden Tag vorwerfen, hänge ich den Job an den Nagel. Das wollte ich Ihnen nur sagen. Ich möchte einen Neuanfang, der auch wirklich so gemeint ist.“

Ferdinand musste grinsen. Diese Frau war aus gutem Grund versetzt worden, sie hatte Glück, dass sie nicht aus dem Dienst entlassen worden war. Und nun saß sie hier und ging direkt in die Offensive.

„Ich habe nicht vor, Ihnen Steine in den Weg zu legen oder ständig auf der Sache herumzureiten. Als Vorgesetzter möchte ich aber schon über meine Mitarbeiter informiert sein. Ansonsten müssen wir kein Wort darüber verlieren, wenn ich Sie mit den Kollegen bekanntmache. Einzig der Staatsanwalt und ich kennen Ihre Vorgeschichte. Was immer Sie auch von uns denken, Tratschtanten sind wir nicht. Ich hoffe, Sie haben sich im Griff und machen bei uns gute Arbeit.“

Susanne kam ein winziges Lächeln über die Lippen. Erleichtert atmete sie auf.

„Sorry, ich dachte wirklich, dass ich sofort in Ungnade falle.“

„Ach was, jeder hat eine zweite Chance verdient. Sind Sie verheiratet?“

„Nein, ich habe … hatte einen Freund. Aber das ist vorbei.“

„Also totaler Neustart. Na dann!“

Ferdinand stand auf und gab ihr die Hand. Susanne hatte einen festen Griff, was ihm imponierte und er hoffte, dass solch ein Vorfall wie in ihrem alten Leben der Vergangenheit angehören würde. Obwohl sie anstelle von Bianca nun mit Robin die Fälle lösen sollte, hatte er Angst, dass sie seinen Vorstellungen nicht entsprach. Sie würde Bianca niemals ersetzen können und obwohl er wusste, dass er so nicht ur­teilen sollte, konnte er nicht anders, als die beiden Frauen miteinander zu vergleichen.

Bianca hatte immer etwas gehabt, was er bei keinem anderen Menschen je gespürt hatte. Ob das mit Robin gutgehen würde? Der Kollege hatte den Täter erschossen und das machte ihm heute noch zu schaffen. Einerseits wusste er, dass es richtig gewesen war, aber dann kamen die Zweifel, denn es war für ihn das erste Mal gewesen, dass er jemanden getötet hatte. Zusätzlich machte er sich Vorwürfe, dass er den Tod von Bianca nicht verhindern konnte.

„Kommen Sie, ich stelle Ihnen den Mann vor, mit dem Sie in Zukunft zusammenarbeiten müssen … dürfen.“

Er ging voraus und öffnete eine Tür im Erdgeschoss. Sie traten ein und am Schreibtisch hob ein junger Mann den Kopf, der ihr bekannt vorkam.

„Ah! Die wütende Frau.“

Ferdinand runzelte die Stirn. Was wusste denn Robin von der Sache? Das war doch alles geheim geblieben.

Robin kam zu ihnen und begrüßte Susanne mit einem Handschlag.

„Ich bin Robin Hinschler. Ursprünglich aus Brandenburg. Da habe ich ja das richtige Handy vor dem Ertrinken im Rhein gerettet.“

„Danke nochmal. Ja, ich war ein bisschen sauer. Ich bin Susanne Wescham aus Potsdam. Schön, einen Landsmann zu sehen.“

„Könnt ihr mich aufklären?“

„Sie wollte ihr Handy in den Rhein werfen und ich habe es gerettet.“

„Warum das denn?“

Die beiden Männer sahen Susanne an.

„Ich hatte ein sehr unerfreuliches Gespräch mit meinem Freund beziehungsweise Ex-Freund. Er ist der Meinung, dass er mich nicht hierher begleiten müsste und als ich ihn auf dem Handy angerufen habe, war eine Frau dran. Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich das Thema jetzt beenden.“

„Gut“, sagte Ferdinand, „dann lasse ich Sie mal bei Robin. Machen Sie sich bekannt. Wir sehen uns morgen früh um acht zur Einarbeitung, und ich hoffe, Sie haben schon Zeit. Der richtige Vertrag läuft dann zum fünften Januar.“

Ferdinand ging raus und atmete durch. Würde es Schwierigkeiten geben oder konnten die beiden gut miteinander?

Im Büro bot Robin Susanne einen Kaffee an. Sie nickte und zog den zweiten Schreibtischstuhl unter dem Tisch hervor. Als sie Robins Blick sah, zögerte sie.

„Ist das IHR Platz gewesen?“

„Ja, aber kein Problem. Wir sagen hier übrigens du, wenn …“

„Susanne.“

„Gut, ich bin Robin. Kommst du direkt aus Potsdam?“

„Ja, ich habe in Potsdam-West gewohnt.“

„Darf ich fragen, was dich hierher verschlägt?“

Anscheinend hatte Ferdinand Wort gehalten und niemandem etwas erzählt.

„Ich brauchte einen Neustart.“

„Kenne ich“, sagte Robin und stellte eine Tasse Kaffee vor Susanne ab. „Ich bin damals vor meiner Ex geflohen. Sie hat mich nach der Trennung gestalkt. Wie geht es dir?“

Susanne seufzte und nippte am Kaffee. Schon immer trank sie ihn schwarz, doch jetzt schien auch dabei eine Veränderung gut zu sein.

„Hast du Milch?“

„Oh, entschuldige.“

Robin sprang auf und holte Milch aus dem Kühlschrank.

„Danke. Mein Ex-Freund ist Künstler und Galerist. Er meinte, er könne sich nicht neu orientieren. Darum hat er eine Fernbeziehung vorgeschlagen, aber irgendwie fühlte es sich an, als wolle er mich nur loswerden. Am Telefon zeigte sich dann, dass ich richtig liege.“

„Ging echt eine andere Frau ans Handy? Da würde ich auch ausflippen.“

Sie nickten sich zu, tranken Kaffee und Robin erzählte von seiner Anfangszeit in Eltville. Im Gegenzug erzählte Susanne ihm von ihrer neuen Wohnung und wie sie sie gefunden hatte.

„Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid. Eric hat mir damals seine Wohnung überlassen, als er zu Bianca gezogen ist. Sie haben mir auch beim Umzug geholfen.“

„Mal sehen. Wie war sie denn?“

„Wer?“

„Diese Bianca.“

„Sie war“, sagte Robin mit einem traurigen Lächeln, „etwas ganz Besonderes. Sie hatte ein Gespür für ihre Arbeit und war eine tolle Freundin.“

Susanne schluckte. Sie hatte Angst, den Ansprüchen der Menschen hier nicht gerecht werden zu können.

7

Auf ihrem Platz im Büro stand ein Blumenstrauß. Susanne war früh gekommen, um allein zu sein und sich auf den ersten Arbeitstag einzustellen. Sie war sowieso ein Morgenmensch, konnte bei Bedarf aber auch mal eine Nacht durchmachen.

Der gestrige Abend hatte mit fröhlichem Gelächter geendet. Sie hatte mit ihrer neuen Vermieterin und deren Freundin Lia zusammengesessen und den Einzug geplant. Für die erste Zeit reichten die Möbel, die vorhanden waren, später konnte Susanne immer noch neue kaufen. Viel wichtiger war die Tatsache, dass sich die Kommissarin wohl fühlte in der Gesellschaft der beiden herzensguten Frauen. Sie hatten gemeinsam gekocht und gegessen. Lia war groß, wunderschön, und sie war unvoreingenommen auf sie zu gekommen. Nach dem netten Abend hatte sie sehr gut geschlafen, auch wenn sie noch in die Ferienwohnung zurückgekehrt war.

„Morgen Abend komme ich mit meinem Zeug und dann bleibe ich. Danke, Karin, danke, dass du dieses Haus hast, dass du mir begegnet bist, dass ich hier wohnen darf. Es fühlt sich gleich nicht mehr so fremd und einsam an.“

Nach dem Aufstehen und einer Dusche war sie losgefahren, um die Einarbeitungszeit anzugehen. Sie freute sich, aber die Angst und der Respekt vor der toten Kommissarin saßen ihr lauernd im Genick. War Robin nur nett gewesen, weil er den ersten guten Eindruck nicht zerstören wollte? Nein, dachte sie, so eine Menschenkenntnis habe ich schon, ihm zu vertrauen, dass er es ehrlich meinte. Waren die Blumen von ihm?

Sie fuhr den Computer hoch und nahm den Briefumschlag, den sie auf ihrem Platz gefunden hatte. Er enthielt ihre Schlüssel, ihren Dienstausweis und das Passwort für den Computer. Sie gab die Kombination ein und zuckte zusammen, als eine Frau und ein Mann sie fröhlich anstrahlten. Hinter ihnen war der Rhein zu sehen und im Moment, in dem das Foto aufgenommen wurde, fuhr ein riesiges Schiff flussabwärts hinter den beiden vorbei.

Susanne war blass geworden. Das musste sie sein: Bianca. Der Mann an ihrer Seite war sicher Eric, ihr Freund und der schöne Staatsanwalt, den sie noch nicht persönlich getroffen hatte. Er sah ein wenig arrogant aus, aber Bianca strahlte etwas aus, das sofort ihr Herz erwärmte. Susanne wusste, dass die Frau im Dienst erschossen wurde, aber Genaueres hatte man ihr nicht gesagt. Susanne fuhr mit dem Zeigefinger über das schöne Gesicht.

„Jemanden wie dich kann man nicht ersetzen.“

„Nein, das kann man wirklich nicht.“

Erschrocken drehte sich die Kommissarin um. Sie hatte Robin nicht gehört, doch jetzt stand er hinter ihr und legte ihr kurz eine Hand auf die Schulter. Su­sanne biss sich auf die Unterlippe.

„Entschuldige, ich wollte nicht …“

Robin setzte sich ihr gegenüber hin und nickte freundlich.

„Ich weiß, sorry, dass ich nicht daran gedacht habe, den Hintergrund zu ändern. Irgendwie konnte ich den Computer nicht einschalten.“

„Sie war eine von den Guten, das spürt man immer noch. Es tut mir leid, dass sie tot ist. Und es tut mir leid, dass ich mich so albern benehme. Es ist, als wäre sie hier und würde von mir verlangen, dass ich in ihre Fußstapfen trete. Aber das kann ich nicht.“

„Nein, nein, das sollst du auch nicht. Aber du hast recht: Niemand kann sie ersetzen. Miss dich nicht an ihr, sei einfach du selbst. Du wirst sicher nichts falsch machen.“

Susanne lachte verbittert.

„Ich habe schon so viel falsch gemacht, dass es für zwei Leben reicht. Also habe ich die Hoffnung, dass es hier besser läuft.“

„Du wurdest strafversetzt. Mehr weiß ich nicht, aber es ist auch nicht wichtig. Wir sind jetzt Partner und werden uns kennenlernen. Ich zeige dir jeden Tag meine zauberhafte Seite und du mir deine.“

Das Lachen, das über seine sanften Lippen kam und in den blauen Augen blitzte, war ehrlich und offen und so langsam fiel die Angst von Susanne ab.

„Und wenn du irgendwann mal erzählen möchtest, was passiert ist, dann reden wir. Aber du musst nicht, okay?“

„Einverstanden, danke. Du scheinst ganz nett zu sein.“

„Uh, nett. Das lassen wir mal so stehen. Komm, ich zeige dir alles.“

Sie liefen durch das Haus, rauf und runter, von links nach rechts und als Susanne im Keller auf eine Tür zuging, wurde Robin still und zögerte.

„Das ist nur … das ist der Raum der Computer-Leute. Dort hat …“

Susanne sah, dass Robin um Fassung rang und wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen, darum winkte sie ab.

„Ich weiß, wie Computer aussehen. Keller mag ich nicht, lass uns wieder nach oben gehen. Was liegt denn heute an?“

Robin war erleichtert, dass er Simons altes Büro nicht betreten musste. Er war immer mal wieder hier unten gewesen, aber hineingehen konnte er nicht. Der neue Kollege war jung, dünn, glatzköpfig und blass, eben ein echter Nerd, der aber gerne nach oben zu den anderen kam und seine Arbeit ruhig und bescheiden erledigte.

Wieder im Büro erklärte Robin die Arbeitsabläufe, die sich nicht sehr von denen in Potsdam unterschieden. Dann klopfte es und Ferdinand kam, um sie nun offiziell zu begrüßen. Hinter ihm betrat ein gutaussehender blonder Mann im Anzug den Raum und sah sie düster an. Als sein Blick auf den Bildschirm des Computers fiel, zuckte er unmerklich zusammen, ging aber auf Susanne zu und gab ihr die Hand.

„Willkommen in Eltville. Ich bin Eric Ströckwitz, der Staatsanwalt. Ich hoffe, Sie haben einen guten Start im schönen Rheingau.“

Er lächelte, aber seine blauen Augen blieben voller Trauer. So, wie er direkt vor ihr stand, schien Eric nicht mehr arrogant zu sein, nein, er schien nur ernst und verschlossen. Sicher hatte der Tod seiner Freundin sein Herz versteinert. Susanne konnte es verstehen, aber sie ahnte auch, dass sie die Mauer, die fast sichtbar war, nicht durchbrechen würde. Nicht jetzt und auch später nicht. Sie fühlte die Distanz und war froh, als der Mann den Raum wieder verließ.

„Was habt ihr geplant?“, fragte Ferdinand.

„Ich denke, wir fahren mal ein bisschen herum und ich zeige der Kollegin die Stadt. Ist ja nicht viel los heute.“

„Gut, meldet euch, wenn ihr wieder zurück seid. Und Ihnen einen guten Start.“

Susanne nickte und folgte Robin fünf Minuten später zum Auto. Sie stiegen ein und eroberten Eltville auf vier Rädern. Ab und zu hielten sie an und Robin erklärte. Drei Stunden später machten sie Pause.

„Es ist wirklich schön hier“, sagte Susanne, nachdem sie sich in einem Café eine heiße Schokolade bestellt hatte. „Ich hatte Bilder im Kopf von alten Leuten, Spießerleben und so. Aber nachdem ich Karin und Lia getroffen hatte, musste ich mein Bild von Eltville schon mal revidieren. Wo wohnst du? Auch hier?“

„Ja, Eric und ich wohnen im selben Haus. Früher haben wir viel zusammen unternommen, aber jetzt hockt er ewig im Büro und zuhause schläft er nur. Die Geselligkeit fehlt mir.“

„Als ich gestern mit meiner Vermieterin und ihrer Freundin zusammensaß, habe ich gespürt, wie wichtig es ist, jemanden zu haben. Und wenn es nur zum Reden ist. Ich weiß nicht, ob ihr mich in eurem Kreis haben wollt.“

„Schauen wir mal, ich freue mich, dass du nicht allein herumhockst. Wir werden sehen, wie sich alles entwickelt. Mach dich nicht verrückt wegen Eric, er wird zwar nie wieder so sein wie früher, aber irgendwann taut er auf.“

„Danke für deine offene Aufnahme, jetzt geht es mir schon viel besser. Nachher im Büro möchte ich das Hintergrundbild ändern, wenn ich darf.“

Robin nickte. Es war soweit: Eine Neue nahm Biancas Platz ein.

8

Zwei Tage später fühlte sich Susanne schon viel besser. Robin war immer noch nett und seine Offenheit machte es ihr leicht, auf ihrer neuen Arbeitsstelle anzukommen. Der Krankenstand war hoch und so sprangen sie für ein paar Kollegen ein. Sie hatten zwei Einsätze gehabt, bei denen die Kommissarin sich im Hintergrund hielt. Robin schlichtete sachlich und souverän einen Streit unter Nachbarn, der eskaliert war, und beendete eine handgreifliche Auseinandersetzung am Rheinufer.

Heute früh waren sie gemeinsam zu einem Einbruch zu einer Tankstelle in einen Nachbarort aufgebrochen. Susanne wollte eigentlich nur zusehen, aber dann überließ ihr Robin die Befragung des Geschädigten.

„Können Sie uns die Aufnahmen der Kamera zeigen?“

Der behäbige Mann schlurfte in das Hinterzimmer und Susanne folgte ihm. In der stickigen Kammer wurde ihr übel, aber sie hielt die Luft an und öffnete eigenständig das Fenster. Dann setzte sie sich an den Computer und sah sich die Überwachungsaufnahmen an. Zwei maskierte Menschen, allem Anschein nach Männer, hatten auf der Rückseite ein Fenster ein­geschlagen und bedienten sich an den Regalen, als wäre Schlussverkauf.

„Es ist Samstag, war gestern Abend nicht eigentlich viel los? Und haben Sie nicht rund um die Uhr geöffnet?“

„Wo kommen Sie denn her? Hier ist die Tanke nicht der Mittelpunkt des Lebens, ich schließe um zwanzig Uhr. Darum habe ich erst heute früh gesehen, was los ist.“

„Ich komme aus einer Gegend, da ging es in den Tankstellen immer hoch her, besonders an einem Freitagabend. Es sollte auch kein Vorwurf sein“, entschuldigte sich Susanne, um nicht gleich bei der ersten Befragung unangenehm aufzufallen.

„Haben Sie etwas gehört heute Nacht? Sie wohnen doch nebenan“, ertönte Robins Stimme hinter ihr.

„Ich schlafe wie ein Stein, da höre ich gar nichts.“

Robin sah sich auch nochmal die Aufnahmen der Kamera an, aber es war wenig aufschlussreich, denn die Qualität der Bilder war schlecht.

„Zwei Männer, eher jung, denn sie bewegen sich zügig.“

„Ja, das denke ich auch. Und sie haben die Kameras gesehen.“

Robin sah Susanne an. Er nickte, die Frau wusste, was sie tat. Nun, er hatte es ja auch nicht mit einer Anfängerin zu tun, sondern mit einer gestandenen Polizistin. Anscheinend hatte sie etwas Schlimmes angestellt, sonst hätte man sie nicht versetzt, aber vielleicht würde sie ihm eines Tages davon erzählen. Er fühlte einen Draht zu ihr und wenn es weiter so gut lief, könnten sie gute Partner und Freunde werden.

„Du hast recht, die Gesichter sind nicht zu erkennen und auch sonst nichts, was uns einen Hinweis auf die Täter gibt.“

Er sah den Tankstellenbetreiber an.

„Es tut mir leid, aber das wird dauern.“

„Den Kram, den die mitgenommen haben, kann ich eh abschreiben. Was für eine Scheiße so kurz vor Weihnachten. Aber ja, die werden sowieso nicht gefasst. Die Polizei ist bei solchen Fällen total unfähig.“

„Ähm …“, sagte Susanne mit grollendem Unterton, aber Robin schüttelte den Kopf.

„Wir tun, was wir können. Wenn ich etwas weiß, melde ich mich. Kommst du, Kollegin?“

Sie verließen die Tankstelle und machten sich auf den Weg in die Altstadt, um eine Kleinigkeit zu essen.

Beim Kaffee fragte Robin: „Sag mal, du hast ihn angesehen, als würdest du ihm eine reinhauen wollen.“

„Nein, das wollte ich nicht.“

Robin grinste.

„Vielleicht ein bisschen“, gab Susanne vor. „Aber sieh es doch mal so: Die Einbrecher sind dreist und trotzdem meckert der Typ zuerst über die Polizei. Ich habe das manchmal so satt. Ich weiß, dass ich immer höflich und sachlich sein muss, aber ich bin nun mal kein nettes Mädchen. Trotzdem danke.“

„Wofür?“

„Dass du mich zurückgehalten hast.“

„Hätte er seine Tankstelle besser gesichert, wäre es nicht passiert, aber er weiß auch, dass wir die Täter nicht kriegen und bekommt den Kram zum Teil von der Versicherung ersetzt. Der Fall kommt zu den Akten und gut ist es. Viele Leute schimpfen über die Polizei, das darf man nicht so an sich heranlassen. Sie schimpfen auch über Lehrer, Politiker, Ärzte. Wenn die sich alle rechtfertigen müssten …“

„Dann wären vielleicht nicht so viele Blindgänger dabei. Okay, es wird immer Leute geben, die Fehler machen … eine sitzt vor dir. Aber dieses generelle Abstrafen finde ich ungerecht.“

„Das sag nicht unserem Staatsanwalt. Der ist einer von den ganz Harten, seit Bianca nicht mehr da ist, kennt der kein Grau mehr, nur noch Schwarz und Weiß.“

Susanne hätte gern gefragt, wie alles geschehen war, aber sie wollte Robin nicht zu nahe treten. Sie dachte: Ich muss ihn erst ein bisschen besser kennenlernen und dann frage ich ihn einfach.

Als sie am Abend nach Hause kam, traf sie auf Karin, die in der Küche rumorte.

„Nanu? Wolltest du nicht mit Lia ausgehen?“

„Ja, eigentlich schon, doch es geht Lia nicht so gut heute. Sie schläft lieber.“

Susanne setzte sich an den Küchentisch, nachdem sie sich einen Becher Joghurt aus dem Kühlschrank genommen hatte.

„Was ist mit ihr? Ist sie erkältet oder ist ihr etwas auf den Magen geschlagen?“

Karin drehte sich zu ihr um und sah sorgenvoll aus. Sie hatten bei ihrem letzten Treffen nicht über die Krankheit geredet, denn Lia wollte Susanne nicht direkt am ersten Abend erschrecken.

„Lia ist sehr krank. Sie hatte einen Hirntumor, der herausoperiert wurde, aber ein kleiner Rest ist geblieben und macht immer mal wieder Schwierigkeiten. So leidet sie an epileptischen Anfällen und heute ist schon wieder solch ein Tag. Und das, obwohl sie Medikamente bekommt, die die Anfälle verhindern sollen.“

Es war aus Karin herausgesprudelt wie Sommerregen, denn nachdem sich Lia heute erneut wegen eines Anfalles ins Bett legen musste, kam ihr die Therapie immer mysteriöser vor. Lia hatte versprochen, mit dem Arzt über die Medikation zu reden. Karin hatte gedroht mitzukommen und dem „Quacksalber“ mal die Meinung zu geigen. Das wollte Lia auf keinen Fall, denn sie hielt ihren Arzt ja für ausgezeichnet.

„Vielleicht hat es mit dem Wetter zu tun, dass ich im Moment mehr reagiere“, hatte sie gesagt.

Karin machte sich ernsthaft Sorgen, dass die Freundin nicht in so guten Händen war wie angenommen. Sollte sie Susanne davon erzählen?

„Oh, das wusste ich nicht“, hörte sie jetzt die Stimme der Kommissarin. „Wenn sie doch ein Mittel gegen das Auftreten von Anfällen nimmt, sollte es auch wirken, oder?“

Karin legte das Handtuch weg und setzte sich zu Susanne.

„Weißt du, Lia ist seit einer Ewigkeit bei diesem Arzt, sie ist dort schon zur Nachsorge nach der Operation gewesen. Aber die Tablettendosen haben keinen Aufkleber und der Arzt besorgt ihr das Mittel direkt in der Praxis. Ich finde das merkwürdig. Zumal es für das Zeug gerade einen Lieferengpass gibt. Es ist das Einzige, was Lia ohne Nebenwirkungen verträgt.“

„Wenn es nicht hilft, sollte Lia ein anderes Medikament bekommen. So sehe ich das, aber ich kenne mich nicht damit aus. Vielleicht gibt es wirklich Faktoren, die die Wirkung beeinträchtigen.“

„Lia denkt, es liegt am Wetter. Ich erinnere mich, dass sie schon öfter Phasen hatte, in denen sie mehr Anfälle bekam, aber weißt du, es ist so traurig: Sie wollte über Weihnachten und den Jahreswechsel nach Italien fahren und ihre Schwester besuchen. Nun wird das wohl nichts.“

„Dann kannst du doch mit ihr feiern!“

„Wir drei können das machen. Oder willst du zu deinen Eltern fahren?“

„Nein. Was ist mit deiner Familie?“

„Ich bin hier allein. Also ist das jetzt ein Plan? Wir drei schönen Frauen unter dem Weihnachtsbaum?“

„Du besorgst den Baum, ich das Essen!“

Die beiden lächelten sich an und waren sich einig. Das würde ein schönes Fest werden. Susanne ging ins Bett und freute sich: neue Freunde, neues Leben, kein Stress, also nur entspannte Weihnachtstage. Zufrieden schlief sie ein.

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