Kitabı oku: «Der Teufel», sayfa 3

Yazı tipi:

3. Jesus, der Teufel und das Geheimnis des Bösen

Die jüdisch-hebräische Gedankenwelt und die apokalyptische Überlieferung waren von großem Einfluss auf die neutestamentlichen Vorstellungen vom Bösen. Und diese Vorstellungen wiederum sind so vielschichtig, dass es keine einheitliche biblische „Lehre vom Bösen“ gibt. Man kann die Frage, was die Evangelien sagen, also nicht in einem Satz beantworten.

Die Schriften des Neuen Testaments entstanden über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten und spiegeln die Denkhintergründe und die Lebenskontexte der verschiedenen Verfasser wider – auch die Vorstellung vom Bösen betreffend. Während die vier Evangelien sich mit Leben und Sterben des Jesus von Nazaret auseinandersetzen, entwickeln die weiteren Schriften eine Theologie nach dem österlichen Ereignis, wie sie für die Verfasser in ihrer Lebens- und Glaubenssituation maßgeblich war.

Für das Böse gibt es im Neuen Testament zahlreiche Namen: Am häufigsten ist es der Satan (36-mal) oder der Teufel (34-mal), dazu begegnen Bezeichnungen wie „der Herrscher der Dämonen“, „der Versucher“ oder „der Fürst der Welt“. Bezeichnungen wie „Beelzebul“, „Beliar“ oder „Belial“ sind der heidnischen Götterwelt entlehnt. Später, im Volksglauben, kamen noch viele andere Namen hinzu, darunter zum Beispiel „Leibhaftiger“, „Höllenfürst“, „Gottseibeiuns“ oder „Gehörnter“.

Die ausgeprägteste Vorstellung der synoptischen Evangelien vom Teufel spiegelt sich in der Geschichte von der Versuchung Jesu wider (zum Beispiel Matthäusevangelium 4,1 – 11). Jesus hält sich nach dieser Erzählung vierzig Tage und Nächte fastend in der Wüste auf. Der Teufel sucht wiederholt Jesus zu provozieren, ihn zu „versuchen“, und er verbindet jede seiner Anfechtungen mit den Worten „Wenn du Gottes Sohn bist …“. Diese Szene erhält dadurch programmatische Bedeutung. Denn es geht darum, Jesus als wahren Sohn Gottes zu verkünden, er hat eine messianisch-göttliche Sendung, die zu erfüllen er gekommen ist. Es ist klar, wie die Versuchungsgeschichte ausgeht: Es misslingt dem Satan, Jesus, den Sohn Gottes, zu versuchen. Jesu unbedingtes Ja zu Gott, seinem Vater, und zum Willen Gottes wird in dieser Geschichte überdeutlich. Satan verkörpert das Gegenteil: das Nein.

Satan ist hier nicht als historisch-reale Macht oder Person zu sehen. Er steht vielmehr für eine zutiefst theologische Aussage über Jesus selbst. Die Evangelisten verorten die Versuchungsszene am Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu. Es wird also schon am Anfang der Evangelien klargemacht: Hier ist einer, der nicht wie Adam der Sünde zuneigt, sondern der als zweiter und neuer Adam einen guten Ausgang in der Bewährung vorlebt.

Auf den ersten Blick befremdlich wirkt die Szene, in der Jesus zu Petrus sagt:

„Weg mit dir, Satan! Geh mir aus den Augen!“ (Markusevangelium 8,33).

Nun heißt das keinesfalls, dass Jesus in Petrus die Verkörperung Satans gesehen hätte. Das würde dem jüdischen Denken Jesu gänzlich widersprechen. Was Jesus meint, wird deutlicher, wenn er gleich im Anschluss fortfährt:

„Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Markusevangelium 8,33).

Hintergrund der Szene ist, dass Petrus massive Vorwürfe an Jesus richtet, als dieser von seinem bevorstehenden Leidensweg spricht. Petrus will ihn vor der nahenden Katastrophe bewahren, doch für Jesus heißt dies: Petrus will ihn von diesem Ja, von der Erfüllung des Willens Gottes abhalten. Es ist also ganz ähnlich wie bei der Versuchungsgeschichte: Es geht letztlich um den Versuch, Jesus zu einem Nein zu seinem ihm vorgezeichneten Weg zu bringen – das ist die satanische Versuchung Jesu, die er in dieser Aussage eindrücklich in Worte fasst. Und dieser Versuchung vermag der Sohn Gottes zu widerstehen.

Ein weiteres Mal erwähnen die synoptischen Evangelien den Satan in dem Gleichnis vom Sämann (Markusevangelium 4,13 – 20). Jesus erzählt hier, dass ein Sämann seine Körner sät. Allerdings fällt jedoch nur ein Teil der Körner auf guten Boden, der andere Teil landet auf dem Weg, wo er nicht aufgehen kann, oder er wird von Vögeln gefressen oder von Dornen überwuchert, sodass daraus nichts mehr wachsen kann. Die Körner bedeuten in der Bildsprache Jesu das Wort – er selbst deutet das Gleichnis folgendermaßen:

„Der Sämann sät das Wort. Auf den Weg fällt das Wort bei denen, die es zwar hören, aber sofort kommt der Satan und nimmt das Wort weg, das in sie gesät wurde“ (Markusevangelium 4,14 f.).

Satan ist also für den Misserfolg des gesäten Wortes Gottes verantwortlich. Jesus drückt damit die allgegenwärtige und so alltägliche Bedrohung seiner Sendung aus. Und diese Bedrohung führt der Autor des Evangeliums auf den Teufel zurück.

Doch hier wird ebenso wenig etwas über den Teufel selbst ausgesagt wie in einer anderen Begebenheit aus dem Leben Jesu: das Streitgespräch über die jesuanischen Dämonenaustreibungen, auch genannt Beelzebulstreit (Markusevangelium 3,22 – 30). Jesu Vollmachtstaten werden von seiner unmittelbaren Umgebung keinesfalls ungeteilt stürmisch begrüßt, im Gegenteil: Die Evangelisten drücken die Ambivalenz der Heilungen und Wundertaten immer wieder aus, indem sie die Gegner sprechen lassen; hier mit den Worten des Evangelisten Markus:

„Er ist von Beelzebul besessen; mit Hilfe des Anführers der Dämonen treibt er die Dämonen aus“ (Markusevangelium 3,22).

Die Gegner Jesu, in diesem Fall die Schriftgelehrten, schreiben also die Wundertaten Jesu der Macht Satans zu. Jesus treibt Dämonen aus, er ist selbst exorzistisch tätig. Dass diese Exorzismen nicht wörtliche Beschreibungen eines historischen Vorgehens sind, darin ist sich die heutige Forschung weitgehend einig. Diese Exorzismen drücken vielmehr das Selbstverständnis Jesu aus: Er heilt nicht einfach nur wie ein wundertätiger Arzt, sondern seine Heilungen und Befreiungen sind zugleich Auseinandersetzungen mit der Macht des Bösen. In den jesuanischen Dämonenaustreibungen lässt sich die nahegekommene Gottesherrschaft zeichenhaft wahrnehmen; sein Verständnis, Sohn Gottes zu sein, findet hier erneut eine überdeutliche Aussage.

An den gegnerischen Angriffen im Evangelium wird aber auch sichtbar, dass ein Wundererweis eben nicht einfach so für sich spricht, er muss auch recht verstanden werden. Jesus selbst gibt ein weiteres Mal das richtige Verständnis seines Heilshandelns:

„Da rief er sie zu sich und belehrte sie in Form von Gleichnissen: Wie kann der Satan den Satan austreiben?“ (Markusevangelium 3,23).

Hauptaussage ist, dass überall da, wo die Macht des Bösen gebrochen wird, der Satan selbst keine Macht hat. Nicht das Böse kann das Böse besiegen, sondern nur das Gute. Es ist damit klar: Jesus steht nicht unter der Macht des Bösen; der Teufel bekämpft sich eben nicht selbst – andernfalls hätte sein Reich keinen Bestand. Das Böse hat keinen Heilssinn, in dem Sinne, dass es von Jesus benötigt wird, um Heil zu bewirken, sondern es existiert als Böses.9 Erneut sagt das Evangelium nichts über die Beschaffenheit des Teufels aus, sondern ordnet die Aussagen über das Böse in den Gesamtzusammenhang seiner Botschaft vom Sohn Gottes ein. Denn dass Jesus überhaupt Dämonen austreiben kann, erweist bereits den guten, d. h. göttlichen Ursprung seiner Vollmacht. Dem Ziel seiner Sendung entspricht auch das bekannte und vermutlich originale Jesus-Wort:

„Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“ (Lukasevangelium 10,18).

Dieser Aufruf Jesu folgt im Evangelium auf den Bericht seiner Jünger, dass selbst die Dämonen ihnen Folge leisten würden, wenn sie nur den Namen Jesu aussprechen würden. Erneut wird also deutlich, in welchem Zusammenhang das Wirken Jesu und seiner Anhänger zu sehen ist. Mit ihrer Verkündigung ist die Gewalt des Bösen in der Welt grundsätzlich gebrochen, der Sieg über das Böse findet hier seinen Ausdruck. Satan ist gerade nicht mehr in der alttestamentlich-jüdischen Rolle, den Menschen vor Gott zu verklagen und Gewalt sogar über den Gerechten zu erbitten. Der Teufel ist aus dem Himmel herausgefallen, er ist nicht mehr an dem Ort der Machtfülle. Vielmehr sind dort nun die Jünger mit ihren Namen eingezeichnet (Lukasevangelium 10,20), das heißt, sie sind durch die Jesusnachfolge dorthin aufgerückt, wo zuvor der Satan war: in den himmlischen Bereich, vor Gott. Hier findet sich übrigens die alttestamentliche Charakterisierung des Teufels als Ankläger, als Dienstbote Gottes wieder. Und genau diesen Ankläger sieht Jesus „wie einen Blitz“ vom Himmel fallen. Satan ist aus der Nähe Gottes verbannt. Jesus drückt damit auch aus: Wer ihm nachfolgt, kann als Glaubender eine ganz besondere Heilserfahrung machen, er wird erfahren, dass Gott eindeutig der liebende Vater ist, der die Menschen rettet. Der Evangelist Lukas kommentiert also das Heilswirken dergestalt: Im Glauben ist das Böse entmachtet, denn es ist nicht mehr in der Sphäre Gottes, sondern endgültig besiegt.

Über die Teufelsgestalt als solche ist damit erneut nichts gesagt. Das Böse ist und bleibt ein Geheimnis. Auch wenn das Wort vom Satanssturz über die Entmachtung des Bösen spricht, so bleibt doch die Bosheit dieses Geheimnisses unverändert. Der jesuanische Sieg über das Böse bringt das Böse damit nicht zum Verschwinden. Die Glaubensgewissheit, dass bei Gott das Böse keinen Platz hat, verharmlost nicht das bleibend erfahrbare Böse und sein Geheimnis. Der Teufel ist in diesem christlichen Verständnis ein Geschöpf Gottes, aber er ist nicht mehr sein Dienstnehmer. Das Geheimnis des Bösen bleibt weiterhin in aller Schärfe bestehen. Darauf wird vor allem dann einzugehen sein, wenn die Frage nach einer zeitgenössischen Rede vom Bösen behandelt wird.

Der Teufel kann vor diesem Hintergrund auch nicht einfach als weltbildbedingte Mythologie „erklärt“ oder als bloße literarische Funktion beschrieben werden. Dazu sind die biblischen Vorstellungen zu prägend. Hinzu kommt, dass in der Theologie des vierten Evangeliums, des Johannesevangeliums, die Teufelsvorstellung einen stärkeren dualistischen Zug trägt und so den Befund noch vielschichtiger werden lässt. Hier erscheint der Teufel als „Fürst der Welt“ (Johannesevangelium 12,31), der seine Macht in der Welt durchgehend entfaltet. Doch auch wenn der Teufelsfigur eine größere Eigenständigkeit zugesprochen wird, ist immer klar, dass seine Macht, die er gegen Jesus und dessen Sendung richtet, durch ihn, den Sohn Gottes, bereits gebrochen ist. Aller nachfolgende Glaube der Christinnen und Christen ist sich gewiss: Die irdische Geschichte erscheint von Christus her als die Endzeit, in der die entscheidende Offenbarung stattgefunden hat. Das Böse hat keinen Platz bei Gott.

III. Hexen und Satansglaube – Der Teufel in der (Kirchen-)Geschichte

Die Karriere des Teufels beginnt also in frühester Zeit, lange bevor Jesus von Nazaret lebte. Der Teufel war bei Gott – als ein Engel. Wie dieser Engel böse geworden ist und was er danach zu seinem Lebensinhalt machte, wie er und sein Dämonenheer beschaffen war, das war und blieb viele Jahrhunderte zentrales Spekulationsobjekt zahlreicher Theologen.

Die Durchsicht der biblischen Schriften liefert die Erkenntnis, dass die Gestalt des Teufels im Laufe der Zeit mit einer übergroßen Bedeutungsvielfalt angereichert wurde – alleine die vielen Namen zeugen davon. Dieser Prozess ist theologisch nicht eindeutig zu beurteilen, allerdings muss klar sein, dass der Satan in der christlichen Tradition eine wichtige Rolle einnimmt. Die Teufelsfigur erhält schließlich immer klarere Konturen, immer eindeutigere Gestalt. Der Teufel ist in der christlichen Überlieferung ein wesentliches Element, wenn man das Böse und das Geheimnis, das das Böse umgibt, mit Worten umfassen will.10

Doch während die Theologie der Evangelien noch ganz klar formulierte: Jesus hat den Teufel besiegt, das ist Vorbedingung allen christlichen Handelns, entwickelte sich der Teufel später und quasi unter der Hand „zu einem Werkzeug der historischen Charakterisierung der bösen Feinde des Christentums“11, so Jürgen Bründl. Die Geschichte des Christentums zeigt immer wieder, dass die Christinnen und Christen in ihrem Kampf gegen den Teufel selbst teuflisch handelten.

1. Das frühe Christentum

Die abendländische Dämonologie, wie sie sich in der Folgezeit entwickelte, unterlag mehreren Einflüssen: den biblischen und außerbiblischen jüdisch-christlichen Traditionen ebenso wie der Kosmologie der griechischen und der römischen Philosophie. Der Teufelsglaube der ersten nachchristlichen Jahrhunderte konnte sich nicht losgelöst von dem Denken seiner Umwelt entfalten. Und diese Umwelt war erfüllt vom Glauben an die Realität und Wirksamkeit von Dämonen. Existenz und Wirkmacht böser Geister gehörten zu den Grundlagen des konkreten Lebensvollzugs; sie wurden in keiner Weise hinterfragt. Das junge Christentum musste sich in dem geistigen Umfeld der jüdischen und der heidnischen Umgebung behaupten.

a) Die Apostolischen Väter

So entwickelte sich bereits in den ersten Jahrhunderten etwas, das es bis dato nicht gab: eine eigene christliche Teufels- und Dämonenlehre. In zahlreichen Schriften wurden Glaubenssätze und -lehren formuliert, insbesondere von Schriftstellern, die den Aposteln nachfolgten und in der Theologiegeschichte Apostolische Väter genannt werden. Zu ihnen gehören zum Beispiel Clemens von Rom, Ignatius von Antiochien oder Polykarp von Smyrna.

Clemens, Bischof von Rom, der um das Jahr 95 n. Chr. schrieb, sah den Teufel als eigenständige Person, die mittels Versuchung und Zwietracht die Christenheit spalten will. Ignatius war Bischof von Antiochia und starb 107 n. Chr. als Märtyrer; für ihn war der Teufel der „Fürst dieser Welt“, dessen Macht durch die Menschwerdung Christi bereits ins Wanken geraten war. Mit dem zweiten Kommen des Messias würde er endgültig zerstört werden und eine neue Zeit werde aufbrechen. In diesem neuen Königreich würde für das Böse kein Platz mehr sein. Ignatius war sich sicher, dass der Teufel jeden einzelnen Christen persönlich bekämpft. Auch für ihn wirkte der Teufel in den zahlreichen Tendenzen, die die frühe Christenheit spalteten.

Das Denken dieser frühen christlichen Jahrhunderte war noch tief von apokalyptischen Spekulationen geprägt, doch stets wurde betont, dass im Kampf gegen den Teufel mit dem Sieg Christi bereits eine Entscheidung vorweggenommen worden sei. In der frühesten christlichen Dämonologie konnten sich die Christinnen und Christen sicher sein gegenüber den Angriffen des Satans, denn der Teufel habe nur bei denen Erfolg, die gottlos leben und um ihr Seelenheil unbekümmert seien. So heißt es im sogenannten Hirten des Hermas, einer um 140 n. Chr. entstandenen frühchristlichen Schrift, dass die Furcht vor dem Teufel für Gottesfürchtige inhaltslos sei:

„Den Teufel dagegen brauchst du nicht fürchten. Solange du nämlich den Herrn fürchtest, bist du dem Teufel überlegen, weil er keine Macht hat. Wer keine Macht hat, muss auch nicht gefürchtet werden.“12

b) Die Apologeten

Mitte des 2. Jahrhunderts entstanden mehr und mehr theologische Schriften, das heißt Schriften von analytischer und logischer Reflexion über die Offenbarung. Das Christentum, das sich gegen das rabbinische Denken und die griechische Philosophie behaupten musste, bedurfte einer intellektuell schlüssigen Grundlage. Man nennt die theologischen Autoren jener Zeit auch Apologeten, weil sie das Christentum gegen andere Denkweisen verteidigten und als Religion zu beweisen suchten, die nicht der Vernunft widerspreche. Es gab immer häufiger Streitigkeiten und Uneinigkeit in den christlichen Gemeinden. Zahlreiche theologische Fragen waren heftig umstritten. Die Grenzen zwischen Rechtgläubigkeit und Häresie waren oft nicht klar – und mussten nun gezogen und begründet werden. Sobald ein Streitpunkt gelöst war, waren auch die Vertreter der beiden Meinungen in Gruppen eingeteilt: in orthodox, also rechtgläubig (das waren die „Gewinner“), und häretisch, also nicht rechtgläubig (das waren die „Verlierer“ des Glaubensstreits).

Auch was den Teufel und die Lehre vom Bösen anging, gab es Auseinandersetzungen. Dualistische Strömungen unterschiedlicher Radikalität prallten auf die christlichen Vorstellungen ein. Die Hauptaussage der dualistischen Vertreter war, dass Gott mit dem Bösen nichts zu tun habe, weil das Böse einem übelwollenden, von Gott unabhängigen Prinzip entspringe; die Welt sei nicht die Schöpfung eines guten, sondern das Produkt eines bösen Schöpfers.13 Das Christentum grenzte sich von so einem radikalen Dualismus ab. In der Kosmologie der ersten christlichen Jahrhunderte wurde dem Teufel zwar eine gewisse Macht zugesprochen, doch diese wurde immer als von Christus beschränkt angesehen. Irenäus von Lyon (ca. 140 – 202), einer der christlichen Theologen, wies diese dualistische Weltanschauung strikt zurück. Er betonte in seinen Schriften (die übrigens programmatisch Adversus haereses, also „Gegen die Häretiker“ hießen), dass alles, auch die Engel, Teil des Kosmos seien, den Gott geschaffen habe. Und alles von Gott Geschaffene sei gut – auch der Teufel wurde daher gut geschaffen. Er sei also kein eigenständiges böses Prinzip, sondern der Teufel habe aus eigenem Willen gegen Gott gesündigt, was schließlich zu seinem Fall führte. Auch Irenäus betonte, dass mit der Menschwerdung Christi der Mensch gerettet sei. Doch der Teufel wolle dennoch weiterhin die Rettung vereiteln, indem er die Menschen zu Gottlosigkeit, Götzendienst, Blasphemie oder Häresie verleiten würde. Ungläubige und Häretiker seien Mitstreiter Satans, sie seien Soldaten in seinem Heer, sie kämpften mit ihm gegen Christus. Diese Lehre legte nahe, dass es eine christliche Pflicht sei, gegen Un- oder Falschgläubige in den Kampf zu ziehen. Gewalttätige Verfolgungen Andersdenkender konnten fortan sich auf solche Gedanken berufen.

Im Diskurs um das Böse und seine Begründung war ein weiterer Theologe recht einflussreich: Tertullian (ca. 170 – 220/230). Er schrieb als erster Theologe seine Schriften in lateinischer Sprache und begründete einen Großteil des lateinischen theologischen Vokabulars. Er betonte den moralischen Aspekt im Kampf gegen das Böse; ein unmoralisches Leben diente seiner Auffassung nach dem Satan, während ein geregeltes Moralleben Teil des Kampfes gegen den Teufel sei. Auf dieser Grundlage steht schließlich seine antidualistische Lehre. Das Böse könne kein von Gott losgelöstes, unabhängiges Prinzip sein, denn dies würde bedeuten, dass es zwei Götter geben müsse. Gott aber sei per definitionem ein allmächtiges Wesen. Und zwei allmächtige Götter könnten unmöglich existieren. Der eine Gott gewähre seinen Geschöpfen Freiheit, den Engeln ebenso wie den Menschen. Doch die Freiheit würde zu oft missbraucht, um Böses herbeizuführen. Satan war der wichtigste Engel – bis zu seinem Fall, den er alleine seiner freiheitlichen Entscheidung gegen Gott zu verdanken habe. Nun würde Satan die Menschen zu unmoralischen Taten, zu Sünden drängen; er wäre der Angreifer gegen das Gute. Gegen diese ständigen Angriffe hätten die Christinnen und Christen jedoch einen wirksamen Schutz: Jesus Christus.

Tertullian empfahl weitere Werkzeuge im Kampf gegen den Satan: Man solle den Namen Christi anrufen und sich bekreuzigen; vor allem aber die Taufe liefere den wirksamsten Schutz. Er schreibt:

„Denn dazu ist der Sohn Gottes geoffenbart worden, um die Werke des Teufels zu zerstören. Er hat sie auch zerstört, indem er den Menschen befreite durch die Taufe, nachdem die Handschrift des Todes getilgt ist.“14

Und so entwickelte sich im Laufe der Zeit ein standardisierter Taufritus, zu dem bald auch ein Exorzismus und die formelle Lossagung vom Teufel gehörten. Dazu später mehr. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass der Teufel eine reale Macht verkörperte, dass es aber unter bestimmten Voraussetzungen möglich war, auf der richtigen Seite zu stehen und im Heer Christi zu kämpfen.

Die frühen christlichen Theologen nahmen also zum Problem des Bösen Stellung, doch oft eher systemlos und ungeordnet. Einmütigkeit herrschte nur in folgenden Punkten: Alle betonten, dass Gott nicht der Urheber des Bösen sein könne, und alle waren sich darin einig, dass die Möglichkeit zur Sünde auf dem freien Willen basiere. Die Frage aber, warum Gott es zugelassen habe, dass die Freiheit so abgrundtief und zerstörerisch missbraucht werden kann, diese Frage würde die christliche Theologie noch viele Jahrhunderte beschäftigen.

Doch auch die Frage nach dem Woher des Bösen wurde immer drängender. Lactanz (ca. 250 – 320), ein aus Nordafrika stammender Theologe, war einer der Ersten, der sich dieser Frage philosophisch annahm. Kann von Gott Böses ausgehen? Dieser Frage näherte er sich mit Hilfe Epikurs, einem griechischen Philosophen aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., der gesagt hatte:

„Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht,

oder er kann es und will es nicht,

oder er will es nicht und kann es nicht,

oder er will es und kann es.

Wenn Gott es will und nicht kann, ist er schwach und nicht allmächtig;

wenn er es kann und nicht will, widerspricht das seiner Güte;

wenn er es nicht kann und nicht will, ist er kein Gott;

wenn er es aber will und kann – warum beseitigt er dann die Übel nicht?“15

Lactanz – ganz apologetisch gesinnt – versuchte zu beweisen, dass Gott eben nicht bösartig oder schwach oder apathisch sei. Vielmehr könnte Gott das Böse beseitigen, doch er will es nicht, und zwar aus folgendem Grund: Der Mensch könne Gott nur erkennen, wenn er vorher das Böse erfahren habe. Ohne Kenntnis des Bösen wäre der Mensch zum Guten gar nicht fähig. Anders ausgedrückt: Niemand weiß, was gut ist, wenn man nicht auch weiß, was böse ist. Wenn es das Böse nicht mehr gäbe, wäre auch das Gute hinfällig. Das Böse sei also logisch notwendig. Denn eine Welt ohne Übel sei eine Welt ohne Alternativen. Und das würde bedeuten, dass Gott das Böse gewollt habe.

Doch vor der letzten Konsequenz dieses Denkens schreckte Lactanz zurück, denn es hieße auch, dass das Böse von Gott ausgeht. Und an diesem Punkt flüchtete er sich in ein – zu seiner Zeit durchaus übliches – dualistisches Denken. Er sagt nämlich, dass Gott vor der Welt zwei ursprünglich gute Geistwesen geschaffen hätte, wobei der eine böse wurde. Diese beiden Geistwesen seien der Ursprung von gut und böse. Im guten Geistwesen sah Lactanz den Sohn Gottes, im bösen den Teufel am Werk. Die beiden Zwillingsengel – Christus und Satan – stehen für einen dualistischen Umgang mit dem Bösen, der für die junge Kirche auf Dauer nicht ungefährlich und für die christliche Tradition deswegen nicht weiter tolerierbar war.

Der Kampf gegen dualistische Denkweisen hielt noch lange an, denn der Zulauf zu solchen Strömungen war groß. Eine der bekanntesten dualistischen Religionen war der Manichäismus. Er ging weit über das hinaus, was christlich zu vertreten war – war aber auf das Christentum von großem Einfluss. Sein Stifter Mani (216 – 276/7) stammte aus einem persischen Adelsgeschlecht und verkündete in einer südbabylonischen Sekte eine neue Religion. Kaufleute verbreiteten seine Ideen über weite Strecken der damaligen Handelsrouten. Der Manichäismus ist eine synkretistische Religion, d. h. er vereinigt Elemente aus verschiedenen Religionen zu einem neuen Ganzen, darunter babylonische, iranische, buddhistische, jüdische und auch christliche Gedanken. Mani vertrat die Lehre von zwei Prinzipien: dem Geist des Lichtes und dem Geist der Finsternis. Diese beiden Prinzipien treten in Gestalt Gottes und Satans auf. Das Reich Gottes besteht aus Harmonie, Licht, Kraft und Weisheit, das Reich des Satans ist chaotisch, laut und ungeordnet. Doch nicht nur im Kosmos, auch im Menschen selbst sind diese beiden Prinzipien vertreten, und zwar in Gestalt einer Lichtseele und einer Leibseele. Der Mensch ist Schauplatz des Kampfes zwischen Gut und Böse.

Das manichäische Denken ist ungemein vielschichtig, in unserem Zusammenhang ist vor allem wichtig, dass es versuchte, Gott von der Verantwortung für das Böse zu befreien. Doch auch wenn der Dualismus zweier entgegengesetzter Prinzipien im Grunde unchristlich ist, so übte er dennoch eine große Anziehungskraft auch im Christentum aus. Er verschärfte die Spannung zwischen Seele und Körper;16 er verfestigte das Denken, dass die Materie, die Welt, das „Fleisch“ unter der Herrschaft des Teufels seien.

Dieser Kampf zwischen Seele und Körper war zu einem wichtigen Thema im christlichen Denken geworden. Er beherrschte das Leben zahlreicher Asketen und Mönche, die den Körper und seine Begierden abtöten wollten, um die Seele rein zu erhalten. Die Kämpfe, die die Mönche in der Wüste mit dem Teufel auszustehen hatten, gehören zum bilderreichen Geschichtenschatz der ersten christlichen Jahrhunderte. Am bekanntesten sind wohl die Bilder, die den heiligen Antonius († 356) zeigen, umringt von Dämonen und Teufeln. Athanasius, Bischof von Alexandria, verfasste um 360 eine Heiligenvita über Antonius, in der er die Anfechtungen des Teufels detailgenau und farbenprächtig beschrieb – und dadurch Maßstäbe für die Ikonografie und die Vorstellung vom Teufel setzte:

„Seine Augen sind wie des Frührots Wimpern. Aus seinem Maul fahren brennende Fackeln, feurige Funken schießen hervor. Rauch dampft aus seinen Nüstern wie aus kochendem, heißem Topf. Sein Atem entflammt glühende Kohlen, eine Flamme schlägt aus seinem Maul hervor.“17

Die Mönche dieser Zeit sahen sich den Angriffen der Dämonen aber nicht wehrlos gegenüber. Das Kreuzzeichen und Jesu Namen waren Mittel, den Teufel abzuwehren. Auch ihr radikal asketisches Leben, Fasten und Nachtwachen ebenso wie Teufelsaustreibungen oder andere Methoden wie Anblasen oder Anzischen waren Waffen im Kampf gegen den Satan. Die Mönche suchten dauerhaft ihre Urteilskraft zu schärfen, um unterscheiden zu können, ob ein bestimmter Impuls von Gott oder vom Teufel stamme. Auch deshalb wurden sie zu Magneten ihrer Umwelt, viele Menschen kamen, um sie um Rat zu fragen.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺352,39
Türler ve etiketler
Yaş sınırı:
0+
Hacim:
200 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783766641243
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

Bu kitabı okuyanlar şunları da okudu