Kitabı oku: «tali dignus amico», sayfa 8

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Im zweiten Teil (72‑95) ist der Verlauf des Verhältnisses bis zum Scheitern zu beobachten. Nach dem Besuch der cena bei Philippus entwickelt sich ein offenes patronus-cliens-Verhältnis zwischen den beiden Figuren: Der Erzähler signalisiert von Anfang an den wiederholten Besuch des Mena bei Philippus als eine Gefahr: Indem er Mena mit einem an einer unsichtbaren Angel gefangenen Fisch vergleicht (occultum … piscis ad hamum, 74), verdeutlicht der Sprecher, dass er das Leben als cliens als eine Freiheitsbedrohung betrachtet.26 Mena gerät nämlich als mane cliens et iam certus conviva (75) früh und abends in die Abhängigkeit des Philippus:27 Zur matutina salutatio verpflichtet, wird mit dem cliens auch als conviva zum Abendessen gerechnet. Wie vorher gezeigt wurde, knüpft das Substantiv conviva an convictor an und weist semantisch auf ein gewisses parasitäres Benehmen hin. Mena sieht die Gefahr nicht, die ihm droht – der Erzähler kennt sie dagegen gut: Mena habe sich durch den anscheinenden Wohlstand anlocken und täuschen lassen, und nun droht er, seine Freiheit zu verlieren.

Folglich wird Mena damit gleich am Versende gezwungen, Philippus auf Landreisen zu begleiten (iubetur | rura suburbana … comes ire, 75f.). Was gelassen und erfreulich beginnt, wird Mena bald zum Verhängnis: Philippus überzeugt Mena, ein Landgut zu erwerben, dafür leiht er ihm Geld und gewährt ihm ein Darlehen (80f.). Mit dem Erwerb des agellum beginnt jedoch für Mena die Katastrophe. Das sonst gelobte Landleben wird nun parodistisch als Verzweiflungsszenario dargestellt (82‑89). War Mena als vir urbanus ein gesunder und eleganter Mann, so ist er zum (abgearbeiteten) Bauern geworden (ex nitido fit rusticus, 83)28, der sich vor Anstrengungen zu Tode schuftet und aus Arbeitswahn und Sorgen zu altern beginnt (85).

Mit verum im Vers 86 wird die Anti-Idylle der vita rustica als Katastrophe präsentiert: Die Schafe wurden gestohlen, die Ziegen sind gestorben, die Ernte ist verhagelt, sogar der Ochse ist beim Pflügen verendet. Frustriert und zornig reitet Mena mitten in der Nacht zu Philippus (88‑89). Der Schluss der Erzählung wirkt humorvoll (90‑95): Schmutzig und mit ungepflegten Haaren (Verzweiflung betonende Elemente, als Gegenbild zur ersten Szene des Menas beim Barbier) lässt er sich plötzlich bei Philippus blicken (90). Scherzhaft deutet der patronus auf Menas offensichtliche Überarbeitung hin (durus … Voltei, nimis attentusque videris | esse mihi, 91f.), worauf die verzweifelte Antwort des cliens folgt (92‑95): Als miser (92) offenbart Mena seine Erschöpfung; die vom patronus gewollte vita rustica sei für ihn nicht geeignet. Pathetisch bittet er Philippus, ihn zurück in sein altes Leben zu lassen (95).

Die Frage ist natürlich, ob diese Bitte so einfach erfüllt werden kann. Sie ist hier zum einen mit der unerfüllbaren Forderung des Horaz an Maecenas, ihm die Jugend wiederzugeben, zu vergleichen, zum anderen ist sie mit der Ankündigung des Horaz in Beziehung zu setzen, dass er die Geschenke zurückgeben könnte. Das Verhältnis hat einen wichtigen Teil der Lebenszeit und Kraft des cliens in Anspruch genommen, die unwiederbringlich sind. Doch das Epimythion, mit der Erzählung und Brief schließen, betont, dass die Geschichte nicht dem Patron die Schuld zuweist, sondern den Beschenkten in die Verantwortung nimmt (epist. 1,7,96‑98):Horazepist. 1,7,96 98

qui semel aspexit quantum dimissa petitis

praestent, mature redeat repetatque relicta.

metiri se quemque suo modulo ac pede verum est.

Damit bleibt offen, ob die Lehre auf den Horaz-Erzähler, auf Mena oder auf beide zutrifft.29 Ideal und Ziel, die Ruhe und innere Freiheit, gelten trotzdem für beide. Die Erkenntnis der eigenen Bedürfnisse liegt in der Verantwortung des Einzelnen, und die Konsequenzen aus der Erkenntnis zu ziehen, ist seine Pflicht. Damit knüpft der Erzähler zwar an die Aussagen über sich selbst (cuncta resigno, 34 und donata reponere, 39) an, doch diese Möglichkeit müsste Horaz nur dann wahr machen, wenn Maecenas ihm tatsächlich die Freiheit nähme.30 Damit das nicht geschieht, muss Horaz aufrichtig seine Bedürfnisse äußern, wie er es in der Epistel tut. Mena und den Sprecher verbindet, dass ihre angestrebte Ruhe auf der früheren Bescheidenheit basiert und dass die beiden folglich zu ihrer jeweiligen Ruhe zurückkehren möchten (Horaz legt Wert auf die Ruhe des Landes, da er die Kraft der Jugend nicht mehr besitzt, dank derer er in der Stadt gut leben konnte; Mena sehnt sich nach der Stadt, wo er seine Muße genießen darf).31 Zwar sind die Parallelen zwischen der Philippus-Mena-Anekdote und dem Verhältnis zwischen Horaz und Maecenas evident, so dass sich daraus eine gewisse Spiegelung e contrario ersehen lässt; doch dass Mena und Philippus mit dem Sprecher und Maecenas gleichzusetzen sind, ist zu bezweifeln. Dem Leser (und wohl auch Maecenas) wird ein Alternativszenario vor Augen geführt, als wolle der Horaz-Sprecher zeigen, was passieren könnte, wenn der Patron den Klienten überfordert.32

Dabei ist auch an die Landmaus- und Stadtmaus-Geschichte in sat. 2,6 zu denken, selbst wenn die Land- und Stadtthematik dort das Ziel des Diskurses ist: Meinte die vor den Molossi canes, die die insidiae der Stadt darstellten, erschrockene Landmaus: haud mihi vita | est opus hac (115f.), so bittet nun der vor Erschöpfung zusammengebrochene cliens urbanus: obsecro et obtestor, vitae me redde priori (95). Menas Selbstbezeichnung als miser knüpft ebenso an sat. 2,6 an, denn auch dort charakterisiert sich der Sprecher als miser (sat. 2,6,59, s.o.). Es ist dennoch bemerkenswert, wie sich der cliens in dieser Epistel sogar grammatikalisch als Objekt zeigt (redde me, wie früher Mena als quendam dargestellt wurde), während die Maus in sat. 2,6 durch die aktive Absage an diese Lebensweise ihre Selbstständigkeit zu betonen versucht.Horazsat. 2,6

In epist. 1,7 geht es also zum einen um das Selbstverständnis der patroni, die einsehen müssen, dass sie in das Leben der clientes massiv eingreifen, und zum anderen um die Selbstverantwortung der clientes, die erkennen müssen, was für sie gut ist, um notfalls auch unangenehme Konsequenzen aus der Selbsterkenntnis zu ziehen. In beiden Fällen ist es ein Erkenntnisprozess, der multiperspektivische Reflexionen voraussetzt, wie sie Horaz sich und seinem Maecenas auch anhand der Fabeln und Erzählungen spielerisch ermöglicht. Damit erteilt er ihm gerade keine Absage, sondern signalisiert im Gegenteil Vertrauen, weil er ihn in seine Gedankenwelt einbezieht und zeigt, dass die Freundschaftsbeziehung einen wichtigen Teil seiner Reflexionen ausmacht und er darüber eben auch mit dem Freund in angemessener Offenheit, ohne die Hochachtung und die sozialen Unterschiede zu verletzen, sprechen möchte und kann.33 Damit wird die libertas, die Maecenas dem Horaz ermöglicht, als Ideal inszeniert.

ii) Klientelwesen als empfehlenswerter Weg: Episteln 1,17 und 1,18

Aus einer anderen Perspektive stellt der Horaz-Sprecher in den Episteln 1,17 und 1,18 ein Bild der clientela aus der Sicht des erfahrenen Klienten dar, der die für ihn unwiderlegbaren Vorteile des patronus-cliens-Verhältnisses hervorhebt. Dabei spielt Maecenas als Adressat keine Rolle mehr, er fungiert nur als implizite Referenzfigur, die für den potens amicus steht:1 Beide Episteln werden zwei verschiedenen jungen Männern gewidmet, Scaeva und Lollius,2 die offenbar selbst die Vorteile mächtiger Freunde nicht nur für ihre politische bzw. persönliche Karriere, sondern auch für ihr alltägliches Leben sinnvoll nutzen wollten.

1) Ein philosophisches regibus uti: Epistel 1,17

Horazepist. 1,17Epistel 1,17 leitet auf ungewöhnliche Weise den Adressaten Scaeva als Schüler und Horaz als Berater ein. Scaeva befindet sich offenbar in der Position eines cliens.1 Dabei wird ihm gleich zu Beginn schon ein ausreichendes Wissen bestätigt. Der Sprecher führt sich dagegen mit einem humorvolles Hypokoristikon als bescheidener Freund und beinahe inkompetenter Ratgeber ein (epist. 1,17,1‑5):Horazepist. 1,17,1-5


Quamvis, Scaeva, satis per te tibi consulis et scis,
disce, docendus adhuc quae censet amiculus, ut si
caecus iter monstrare velit; tamen aspice, siquid
et nos, quod cures proprium fecisse, loquamur. 5

Es wird also die Frage aufgeworfen, ob die Beziehung zu mächtigen Gönnern und das Leben als cliens, das als maioribus uti (2) umschrieben wird, wirklich das Richtige für Scaeva sind. Offenbar stellt sich Scaeva die Frage, ob eine solche Abhängigkeit den Verlust der inneren Freiheit bedeuten kann. Aus seiner Erfahrung heraus will Horaz daher in einem freundschaftlichen Gespräch die Gründe zu bedenken geben, aus denen eine solche Abhängigkeit auch positiv und sogar empfehlenswert sein kann.3 Formulierungen wie deceat (2) und proprium fecisse (5) signalisieren, dass es sich um eine moralphilosophische Bewertung handeln wird.

Zwei entgegengesetzte Möglichkeiten, wie eine glückliche Lebensführung zu erreichen sei, werden in der Epistel philosophierend besprochen. Dabei handelt es sich, meint der Sprecher, um eine persönliche Entscheidung, die zu Beginn getroffen werden muss: Einerseits sei ein ruhiges Leben im epikureischen Ideal des λάθε βιώσας zu finden, andererseits wirke sich das Ziel sozialen Aufstiegs für die Familie ebenso wie für den Betroffenen persönlich zunächst harmlos aus und bringe tatsächlich den erhofften Vorteil (epist. 1,17,6‑12):Horazepist. 1,17,6 12


si te grata quies et primam somnus in horam
delectat, si te pulvis strepitusque rotarum,
si laedit caupona, Ferentinum ire iubebo;
nam neque divitibus contingunt gaudia solis
nec vixit male, qui natus moriensque fefellit: 10
si prodesse tuis pauloque benignius ipsum
te tractare voles, accedes siccus ad unctum.

Den Ausgangspunkt bilden, wie etwa in carm. 2,18,Horazcarm. 2,18 die Lebensbedingungen als pauper. Einerseits wird derjenige pauper vorgestellt, der den Großstadtlärm nicht erträgt (6‑8): Topische Ruhe betonende Elemente wie grata quies oder primam somnus in horam werden damit Szenen entgegengesetzt, die für den Stadtlärm typisch sind, wie strepitus rotarum oder caupona. Als Lösung wird das unauffällige Landleben vorgeschlagen, das sich im Namen der entlegenen Landstadt Ferentinum niederschlägt.4 Dort ließe sich ein beinahe philosophisches bene vivere erreichen (per Litotes nec vixit male, 10), das ein unbemerktes Leben ermögliche. Dies stellt ein gaudium (9) dar, das nicht nur Reichen (die sich das leisten können) zustehe, sondern auch pauperes, die Ruhe suchen, betont der Sprecher nicht ohne Humor. Andererseits gibt es eben doch die Alternative eines pauper, der sich sozialen Aufstieg wünscht – und zwar nicht nur für sich, sondern auch aus Pflichtbewusstsein für seine Familie (11f.). Der Vorwurf des egozentrischen Verhaltens, der in dem Aufstiegsstreben liegen könnte, wird so von vornherein zurückgewiesen. Damit ist aber auch die Entscheidung für das klienteläre Verhältnis gefallen. Denn es wird klar ausgesagt, dass der Aufstieg ausschließlich durch die Beziehung zu einem mächtigen patronus möglich ist.5

Die Forderung, dass die patronus-cliens-Beziehung differenziert bewertet werden muss und nicht von vornherein als Unfreiheit und als moralisch unvertretbar abgelehnt werden darf, wird im Folgenden durch eine bekannte Anekdote noch einmal unterstrichen, bei der der Kyniker Diogenes ausnahmsweise einmal nicht das letzte Wort behält (epist. 1,17,13‑22):Horazepist. 1,17,13 22


‘si pranderet holus patienter, regibus uti
nollet Aristippus.’ ‘si sciret regibus uti,
fastidiret holus, qui me notat.’ utrius horum 15
verba probes et facta, doce, vel iunior audi,
cur sit Aristippi potior sententia. namque
mordacem Cynicum sic eludebat, ut aiunt:
‘scurror ego ipse mihi, populo tu: rectius hoc et
splendidius multo est. equus ut me portet, alat rex, 20
officium facio: tu poscis vilia – verum
dante minor, quamvis fers te nullius egentem.’

Ausgangspunkt der Anekdote ist ein Gespräch zwischen Diogenes, dem Kyniker, und Aristipp, der sich am Hof von Dionysios I. von Syrakus aufhält.6 Im Vordergrund stehen die Angst vor Freiheitsverlust und die Streitfrage, was bene vivere bedeutet. Aristipp vertritt den Menschentyp, der sich in ein Abhängigkeitsverhältnis zu mächtigen Menschen begibt und dessen Vorteile hervorhebt. Diogenes kritisiert den Verlust der Freiheit – wobei sich das Kynikerleben im Nachhinein als wahrhaft unfrei entlarvt. Natürlich scheint der Kyniker zunächst die moralisch bessere Position zu vertreten. Denn nach Diogenes gibt der cliens seine Freiheit auf, nur um sich etwas besseres Essen zu sichern7. Doch Aristipps Replik entkräftet den Vorwurf, der in der Formulierung regibus uti liegt, indem er gerade die Aktivität betont, die eben nicht Abhängigkeit, sondern eigenständiges Handeln bedeutet: Der verständige cliens setzt die reges für seine Bedürfnisse ein. Zwei Positionen werden jeweils mit dem Freiheitsmotiv verbunden, indem dieselbe Formulierung unterschiedlich nuanciert wird: Bescheidenheit macht zwar unabhängig von reges; die Kunst, reges für sich einzusetzen, führt dagegen zu Wohlstand. Aristipp dreht aber das Abhängigkeitsverhältnis um, indem er erklärt, dass er die Könige für seine Zwecke einsetzt – nicht sie ihn (vgl. auch Vers 20).

Dies wird im Kontrast zwischen scurror mihi und scurror populo gezeigt (19ff.). Denn Diogenes macht sich in aller Öffentlichkeit durch seine auffällige Lebensweise lächerlich, indem er sich wie ein Bettler verhält. Er macht sich vor dem populus zum Narren, indem er für die vermeintliche Freiheit (im Sinne von Unabhängigkeit) seine Würde aufgibt. Aristipp bleibt innerlich unabhängig, weil er durch sein geschicktes Handeln im Umgang mit den reges die eigene Situation bestimmt.8

Doch die semantische Nuancierung von scurror ist nicht einfach festzulegen. Wie Damon (1997, 109f.) bemerkt, wird scurra in dieser Horaz-Stelle zum ersten Mal in der römischen Literatur in einem Sinne eingesetzt, der auf die Gleichstellung mit einem Parasiten hindeutet.9 Horaz vermeide absichtlich den griechischen Begriff parasitus, um eine Differenzierung zur Νέα Κωμῳδία zu schaffen, und setzt dafür scurra ein. Tatsächlich wird scurra zu einem Begriff, der im folgenden Brief noch einmal eine zentrale Rolle spielt: als Gegensatz zu der Figur des aufrichtigen amicus im Rahmen eines patronus-cliens-Verhältnisses, vor allem als Schmeichler (dazu s.u.). In der vorliegenden Stelle deutet scurror aber offenbar auf eine gewisse parasitäre Abhängigkeit hin, die lächerlich wirkt. Aristipp wird vorgeworfen, scurra im eigentlichen Sinn (als Parasit an den Tischen der Mächtigen) zu sein; seine Replik macht Diogenes zum Parasiten des ganzen Volkes, nicht nur einzelner Mächtiger. Dass dabei Aristipps Wahl die bessere sei (rectius hoc et | splendidius multo est, 19f.), betont er selbst – und dass er Recht hat, wird im restlichen Teil der Epistel exemplifiziert.10

Da Aristipp mit seiner Lehre als Hedonist verschrien ist, muss der Horaz-Sprecher in der Ausdeutung der Anekdote explizit den Standpunkt des Kyrenaikers verteidigen (23‑32). Denn das ist der Überraschungseffekt der Epistel, dass Diogenes in der ethischen Diskussion einem Lehrer der Lust unterliegt. Der Vorteil von Aristipps Haltung liegt in der Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, die Horaz hier als innere Freiheit zur Bewertung und Entscheidung für die Lebenssituation deutet, indem er umgekehrt die Rigidität des kynischen Wertesystems als Zwang zur Prinzipientreue auch in Äußerlichkeiten, wie der Wahl der Bekleidung und der Lebensumstände, entlarvt (epist. 1,17,23‑32):Horazepist. 1,17,23 32


omnis Aristippum decuit color et status et res,
temptantem maiora, fere praesentibus aequum.
contra, quem duplici panno patientia velat, 25
mirabor, vitae via si conversa decebit.
alter purpureum non exspectabit amictum,
quidlibet indutus celeberrima per loca vadet
personamque feret non inconcinnus utramque;
alter Mileti textam cane peius et angui 30
vitabit chlanidem, morietur frigore, si non
rettuleris pannum. refer et sine vivat ineptus.

Die clientela wird im folgenden Abschnitt (33‑42) neu bewertet, und zwar nicht als passive Unterstützung und Abhängigkeitsverhältnis, sondern als eine aktive Leistung: principibus placuisse viris wird als ruhmvolle Tat (non ultima laus est) beinahe mit den prestigeträchtigen Betätigungen und dem Gipfelpunkt im Leben eines römischen Staatsmanns gleichgesetzt: Taten zu vollbringen und einen Triumph feiern zu dürfen. Das sind patrizische Werte, die nur der Elite zustehen.11 Diesen Vergleich, der den Widerspruch eines jeden Lesers herausfordern müsste, soll ein verbreitetes Sprichwort plausibel machen12Diogenianus7,16Zenobios5,37Aulus Gellius1,8,4(33‑37). Die Reise nach Korinth kann mit der Lebensreise verglichen werden: Der Aktive wird ans Ziel kommen, wer aus Angst daheimbleibt, erreicht nichts. Mit einer logischen Schlussfolgerung wird die Deutung der clientela als Lebensleistung vorbereitet.13 Grundlage ist die Definition von virtus. Sie wird etymologisch als viriliter facere (38) gedeutet; mit der semantischen Festlegung auf die Aktivität kann der Begriff auch inhaltlich gefüllt werden, er bleibt kein ungreifbares Abstraktum aus der Philosophie, kein nomen inane (41), sondern zeigt sich auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Lebensbereichen, nämlich bei jedem, der etwas leistet, indem er onus auf sich nimmt (subit et perfert). Schlussfolgerung aus dieser Definition ist: Ein experiens vir, ein aktiver Mann, kann in jedem Bereich decus und pretium erwerben, auch als Klient.14

Pausanias39,1Strabogeogr. 12,3,36Nach dieser moralphilosophischen Rechtfertigung und theoretischen Vorbereitung folgen im letzten Teil der Epistel praktische Ratschläge für die erfolgreiche Betätigung als cliens. So ist das offene Betteln zu vermeiden (epist. 1,17,43‑45):Horazepist. 1,17,43 45


coram rege suo de paupertate tacentes
plus poscente ferent – distat, sumasne prudenter
an rapias –: atqui rerum caput hoc erat, hic fons. 45

Der Ratgeber bietet also dem neugierigen Leser eine ars placendi. Wiederum verblüfft er in einem Paradoxon mit dem Hinweis, dass das Hauptziel (rerum caput) zwar das poscere ist, dass es aber nicht ausgeführt werden dürfe, weil sonst die finanzielle Unterstützung zur Überwindung der paupertas15 ausbliebe. Man dürfe sie also nicht offen ansprechen.16 Eine dialogische Szene, in der zunächst die Perspektive des cliens eingenommen wird, veranschaulicht, was dabei passiert. Der pauper trägt seine familiäre Notlage vor. Der Ratgeber zeigt, wie dieses Jammern auf andere wirkt: Der pauper degradiert sich zum Bettler (qui dicit, clamat: ‘victum date’, 48). Er sinkt noch tiefer als der scurra: Das ist ein Nachteil auf der Ebene der Selbstachtung (decus). Aber sogar auf der materiellen Ebene ist dieses Vorgehen unvorteilhaft. Denn durch sein Vorbild lässt er auch alle anderen pauperes in seinem Umfeld in den Bettelchor einstimmen. Das bedeutet, dass er die Almosen, die er beim Betteln erhält, sogar teilen muss. Horaz resümiert den Rat zum Verhältnis von tacere und plus habere mit einer Art Epimythion, indem er den cleveren Raben einführt, der sein Futter heimlich verzehrt (epist. 1,17,46‑51):Horazepist. 1,17,46 51


‘indotata mihi soror est, paupercula mater
et fundus nec vendibilis nec pascere firmus’
qui dicit, clamat: ‘victum date.’ succinit alter:
‘et mihi.’ dividuo findetur munere quadra.
sed tacitus pasci si posset corvus, haberet 50
plus dapis et rixae multo minus invidiaeque.

Nun wird der entscheidende Perspektivenwechsel inszeniert: Aus dem Blickwinkel des patronus ist der bettelnde cliens natürlich ebenfalls lästig, vor allem aber wird die Einschätzung des Vertrauensverhältnisses zum Thema gemacht. Unabhängig davon, ob die Erwähnung einer Reise nach Brundisium selbstreferentiell zu verstehen ist oder nicht,17 zeigen diese Verse (52‑62), wie das poscere und plorare auf den patronus wirken. Wieder wird die Komödie als Bezugspunkt gewählt: Die typischen Tricks der meretrix, um ihren Liebhabern Geschenke abzupressen, werden auf das Verhalten des cliens übertragen. In beiden Fällen wird das Vertrauen (fides) beschädigt. Noch schlimmer wirkt die letzte Szene des Briefs, denn der cliens wird noch einmal daran erinnert, wie nahe er den Bettlern kommt, indem er mit einem Landstreicher (planus) gleichgesetzt wird, der mit einem scheinbaren Gebrechen bettelt, im tatsächlichen Notfall aber keine Hilfe mehr findet.

Horaz muss kein Resümee an den Schluss stellen. Das Thema der Epistel ist die Würde, die ein cliens in einem patronus-cliens-Verhältnis selbstverantwortlich wahren kann und muss. Der cliens hat es mit seinem Verhalten und seinem Selbstwertgefühl in der Hand, seine eigene Lebenssituation durch das Verhältnis lebenswert zu gestalten oder sich zum Bettler zu degradieren. Aristipp und Diogenes werden als emblematische Figurationen bis zur letzten Szene bestätigt.

Einen Schritt weiter in der philosophischen Analyse des clientela- (oder clientela-ähnlichen-)Verhältnisses zu mächtigen Gönnern geht der Sprecher im darauffolgenden Brief, der die Thematik wieder aufgreift und als Fortsetzung des Diskurses markiert ist, indem gleich zu Beginn bestimmte Stichwörter, die bereits in epist. 1,17 wichtig waren, erneut eingesetzt werden: Die libertas begegnet im ersten Vers in der Anrede des Lollius als liberrime. Das Beharren auf der libertas erinnert an die Extremposition des Diogenes;18 auch dort gab es zunächst nur die Entweder-oder-Entscheidung zwischen scurra und libertas. Erweitert wird die Thematik in dieser Epistel durch den Begriff der amicitia, der innerhalb des philosophischen Diskurses eine zentrale Bedeutung erhält.

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