Kitabı oku: «Zufrieden alt werden», sayfa 4
Der Mondknoten-Rhythmus
Möglichkeit, der Lebensintention ansichtig zu werden
Dieser astrologisch-astronomisch geprägte Rhythmus sei nur erwähnt, ohne ausführlich auf ihn einzugehen. Er hat sicher seine Bedeutung für das Menschenleben und auch Einfluss auf den Lebenslauf, doch nicht in der gleichen Betonung wie die Jahrsiebte und die Jahrzehnte. Von einem Mondknoten wird dann gesprochen, wenn genau die Konstellation von Sonne, Mond und Sternen, die zum Zeitpunkt der Geburt eines Menschen bestand, erneut eintritt. Das geschieht regelmäßig alle 18 Jahre, 7 Monate und 9 Tage. In dem Zeitabschnitt um einen Mondknoten begegnen wir dem Tor unserer Geburt, und damit dem Eintritt in dieses Erdenleben, erneut. Das ist eine Möglichkeit, der Intention, die uns in dieses Leben führte, ansichtig zu werden und an ihr zu ermessen, inwiefern wir ihrer Realisation gefolgt sind oder uns ihr zumindest angenähert haben. Es sind Augenblicke, in denen wir dem uns begleitenden Engel ganz nahe kommen und mit ihm in den gemeinsam entwickelten Lebensplan schauen können.
Er, unser Engel, ist uns immer ganz nah, doch wir haben ihn aus unserem Bewusstsein verloren, wissen vielleicht gar nichts mehr von ihm, bezweifeln als moderne Verstandesmenschen überhaupt, dass es ihn gibt. Dabei ist er in der heutigen Geistferne der Menschheit eigentlich das Wesen, das die geistige Welt am dichtesten an uns heranträgt. Vor allem in der Nacht versucht er, mit unserem Ich zu kommunizieren, mit uns ins Gespräch zu kommen, uns auf Versäumnisse oder Irrwege hinzuweisen. Am Tag erleben wir etwas davon in dieser besonderen Instanz in unserem Bewusstsein, die wir Gewissen nennen, das eigentlich immer anwesend ist, oft aber nicht gehört wird, ja bei vielen Menschen heute gar nicht mehr gehört wird, bei denen wir eine Gewissenstaubheit erleben können. Ein einziger Blick in das politische Tagesgeschehen zeigt in Überfülle eine Gewissenlosigkeit, die schon erschüttern kann, wenn man den Ursprung des Gewissens in der Sprache unserer Engel erlebt.
Element der Rückschau
Die Zeiten der Mondknoten verbinden sich mit dem Element der Rückschau. Im Menschenleben überwiegt heute der Blick nach vorn, ja oft auch das Vorauseilen oder gar -stürmen. Es mangelt an der Fähigkeit innezuhalten, den Blick zu wenden und wahrzunehmen, wie und wo wir zuletzt oder auch schon vor längerer Zeit gegangen sind. In der Mythologie entsprach diese Zweiheit dem Götterpaar Prometheus und Epimetheus.
Rudolf Steiner hat dieses Problem mit der Empfehlung einer konzentrativen Übung beantwortet: der abendlichen Tagesrückschau.25 Jeden Abend vor dem Schlafen solle man den Tag und seine Erlebnisse, Inhalte und Begegnungen am inneren Auge vorbeiziehen lassen, und zwar rückwärts gerichtet vom Abend bis zum Morgen, zum Aufwachen. Dabei solle man die Position einnehmen, sich selber bei allem zuzusehen, also wie von außen die Tagesabläufe zu bilden. Diese tägliche Übung kann nun auch viel größere Zeiträume umfassen, zum Beispiel einen Jahresrückblick am Ende des Kalenderjahres oder auch des eigenen Lebensjahres. Oder – und dazu eignen sich die Mondknoten in besonderem Maße – einen Lebensrückblick von dem Ort und Zeitpunkt, an dem wir gerade stehen. Wie wichtig dieses Rückschauen für unsere Selbsterkenntnis und Menschwerdung ist, kann auch daraus ermessen werden, dass jeder Mensch in den ersten Tagen nach seinem Tod eine Lebensrückschau erlebt, bei der alle Ereignisse in einem großen Bildpanorama vor unserem geistigen Auge stehen und uns ein Staunen ergreift vor der Fülle des menschlichen Lebens.
Entscheidungen
Der 1. Mondknoten um das 18. Lebensjahr herum wird selten so erlebt, dass sich mit ihm schon ein starkes Rückschauen verbindet. Hier treten mehr wie von außen Fragen oder auch Ereignisse an den jungen Menschen heran, die ihn vielleicht überraschen oder Entscheidungen erfordern, zum Beispiel die Berufswahl. Denn natürlich tragen wir auch in uns, haben in den Lebensplan eingeschrieben, in welchem sozialen Umfeld wir unsere Lebensziele verwirklichen wollen. Und da ist der Beruf oder das Arbeitsleben von größter Bedeutung. Wie ratlos erleben wir heute viele der Jugendlichen, wenn es um diese für das Leben so wichtige Frage geht.
Bilanzieren
Beim 2. Mondknoten, um das 37. Lebensjahr herum, kann oder sollte das Rückschauen, das auch immer ein Bilanzieren enthält, stärker erlebt und vollzogen werden. Die eigene Seelenentwicklung geht auf ihr Ende zu und es steht der Lebensabschnitt an, den wir mit dem Ergreifen des Altruismus angesprochen haben.
•Wie weit bin ich mit der Entwicklung gekommen, mich als ein Selbst zu erleben? Als jemand, der aus eigener Urteilsfähigkeit sein Leben führt, der die eigene Entwicklung so weit gebracht hat, dass er seine Eigenverantwortlichkeit nun auf eine Verantwortung für andere, für anderes ausweiten kann?
•Stehe ich stark zu mir, im Sinne der Christusworte »Liebe deinen Nächsten so wie dich selbst«, habe ich also gelernt, mich ganz zu bejahen, dass ich dies auch jedem anderen Menschen gegenüber tun kann? Oder verweile ich im Egoismus, der nur sich selbst sieht und erlebt und die anderen nur insoweit wahrnimmt, wie sie dem eigenen Ego nützlich sind?
Dass das heute eine Komponente des sozialen Lebens darstellt, wird auch daran erlebbar, dass immer mehr Menschen ein sogenanntes Single-Dasein führen. Doch auch der Kapitalismus hat hier seine Wurzeln.
geistiges »Stirb und werde«
Beim 3. Mondknoten, der zeitlich um das 56. Lebensjahr liegt, erleben wir eine große Nähe zu dem später ausführlich dargestellten Beginn des 9. Jahrsiebts (siehe Seite 67 ff.). Hier wird uns ein geistiges »Stirb und werde« gespiegelt. Hier hat im Lebenslauf ein akuter Herzinfarkt sein Maximum, die größte Häufigkeit. Und auch dieses medizinisch definierte Geschehen meint genau dieses »Stirb und werde«.
Das bedeutet nicht, im leiblichen Sinne zu sterben, sondern alles Bisherige des Lebens so infrage zu stellen, dass daraus auch ein Schritt in etwas völlig Neues entstehen kann. Wieder ist es die radikale Bilanz des Lebens anhand der ehrlichen Rückschau, die jetzt ansteht und deren Ergebnis die weitere Lebenszukunft prägen wird. Die Intensität des Rückschauens steigert sich von Mal zu Mal, der erforderliche Mut, zu ihren Ergebnissen zu stehen und Konsequenzen zu ziehen, wird immer größer.
Freiheit und Dankbarkeit
Der 4. Mondknoten um das 75. Lebensjahr fällt bereits in den Lebensabschnitt, den ich zum Hohen Alter rechne, in welchem eine Zeit von immer größerer Freiheit angebrochen ist, wo der eigentliche Lebenslauf sich gerundet hat. Und doch kann auch hier wieder neu auf das Leben zurückgeschaut werden. Und uns begegnet eine Seelenkraft, die uns auch schon vorher zu eigen war, die nun aber mit voller Intensität hervorbrechen kann: die Dankbarkeit. Ähnlich wie für die Gnade gesagt, wird auch die Dankbarkeit in ihrer Besonderheit, ihrer seelischen Wurzel aufgesucht und beschrieben werden (siehe Seite 87 ff.). Sie ist ein Anteil der Seele und im ganzen Leben anwesend, doch ihre größte Intensität erleben wir im Alter.
Wissen um die Rhythmen
So können wir den ganzen Lebenslauf von Rhythmen durchzogen sehen, die ihn gestalten und deren Aufgabe wir kennen sollten, um ihnen Gestaltungsmöglichkeiten zu geben, die uns zugute kommen. Sie sind uns einverwoben, gestalten auch, ohne dass wir uns ihrer bewusst sind. Doch gehört es zum modernen Menschsein, mehr und mehr von ihnen zu wissen und sich aus Freiheit mit ihnen zu verbinden. Das gilt im Besonderen für alle Berufe, die sich der Hilfe für die Menschwerdung verpflichtet haben, ob Pädagogen, medizinische Berufe, Seelsorger oder auch Eltern, Großeltern und Paten. Denn in der Nichtachtung der Rhythmen oder ihrer Störung liegen viele Wurzeln für Erschwernisse oder Krisen des Lebenslaufs bis hin zu Krankheiten. Es wirken Kräfte mit, die uns bei der Entwicklung helfen wollen, doch auch solche, die sie behindern oder verfälschen wollen. Darauf sei im Folgenden kurz geschaut.
Hemmende Kräfte im Lebenslauf
Doppelgänger
Im Gegenüber zu der göttlichen Trinität von Vater, Sohn und Heiligem Geist bildet der Mensch eine Dreiheit, die wiederum quasi eine Mitte darstellt, welche die Fähigkeit entwickeln sollte, ein Gleichgewicht der rechts und links, oben und unten oder vorne und hinten von ihm wirkenden kosmischen Kräfte in jedem Augenblick des Lebens neu herzustellen. Diese Kräfte leben von der Geburt bis zum Tod mit dem Menschen und bilden einen Teil von ihm, ohne den er nicht existieren könnte. Deshalb werden sie auch von alters her Doppelgänger genannt, denn sie sind durch uns Menschen spezialisiert worden, haben sich unserer Persönlichkeit angepasst, gehen in gewissem Maße unsere Individualisierung mit. Sie werden so ein ähnlich dem Engel uns begleitender Teil von uns. Es begleitet den Menschen also nicht nur sein Engel, sondern auch ein ahrimanischer und ein luziferischer Doppelgänger.
Ahriman und Luzifer
Ahriman und Luzifer sind geistesgeschichtlich alte Namen, die jeweils ein Weltenwesen unserer Schöpfung benennen, das in seiner Einheit vielfaches Wesen vereinigt, vergleichbar den göttlichen Hierarchien, die auch ein Teil der göttlichen Trinität oder auch Leib Gottes sind. Diese Vielheit der ahrimanischen und luziferischen Doppelgänger hat C.S. Lewis in seinem britisch-humorvollen und dennoch Realitäten schildernden Buch Dienstanweisung für einen Unterteufel köstlich zum Ausdruck gebracht.26 Das große imaginative Bild zeigt den Menschen zwischen Ahriman und Luzifer. Das haben Rudolf Steiner und die englische Bildhauerin Edith Maryon in einer großen Holzplastik zur äußeren Anschauung gebracht. Diese Plastik findet sich im Goetheanum in Dornach in der Schweiz nahe Basel. Goethe wiederum hat beide in Mephistopheles als Gestalt in eins gefasst. Er unterscheidet sie dann allerdings in zwei Charakterisierungen, die Mephistopheles von sich selber gibt: Er bezeichnet sich als Teil von einer Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, und er nennt sich zugleich einen Geist, der stets verneint (siehe Seite 17 f.).
kosmischer Verneiner Skepsis und Zweifel Verlangsamung der Entwicklung
Ahriman ist der große kosmische Verneiner. Er will nichts gelten lassen, was nicht von ihm stammt. Er wirkt in uns, wenn wir einem anderen Menschen, der uns etwas von sich erzählt, kaum richtig zuhören, weil sich in uns schon eine Gegenmeinung bildet und darauf drängt, »geäußert« zu werden. Und wenn der andere dann einen Augenblick schweigt, kommt unser »Ja, aber …« und eine Kette von Argumenten, warum es so nicht sei, letztlich, weil wir selber es nicht so sehen. Ahriman ist der Quell aller Skepsis und allen Zweifels, er hasst Fortschritt und liebt alles Berechenbare. Er spottet über unsere Vorstellung von Unsterblichkeit, fürchtet jedoch die Ungeborenheit, alles, was eben nicht berechenbar ist, was ein unberechenbares Potenzial hat. Er ist der Verlangsamer, will die Zeit zum Stillstand bringen. Die Zeiträuber in Michael Endes Roman Momo sind ahrimanische Wesen, »graue Männer«. Ahrimans Welt ist kalt, sein Intellekt überragend, sein Wille extrem stark, ja brutal. Doch hat er keinerlei Gemüt, das Wort Bedauern ist ihm fremd. Und doch verfügt er auch über Anteile, die das Menschsein fördern. Dazu gehören die Schwere und Dichte, die unser Leib braucht, um Festigkeit und auch Dauer in sich zu haben. Ohne Ahriman gäbe es nicht das Knochenskelett, wie es heute ist, von großartiger Bauweise und Statik. So kann nicht erstaunen, dass Künstler zu allen Zeiten ein Skelett darstellten, wenn sie den Tod verbildlichen wollten. Ahrimans Kräfte sind die Ursache aller Festigkeit der Gewebe, ins Pathologische gewendet der Sklerose, und der Tendenz zur Wiederholung immer des Gleichen, was auf der zellulären Ebene zur Geschwulstbildung führt. Seinem Wesen entströmt die Angst, aus der jedoch auch die Vorsicht entsteht. Er kann unsere Entwicklung, wie sie von der Schöpfung veranlagt ist, nicht gänzlich stoppen, doch kann er sie verlangsamen und so beeinflussen. Seine »Wohnung« im Menschen ist der Leib, und sein Bestreben ist es, uns Menschen auf den Leib zu reduzieren. Steiner nennt das leiblich determiniert, und ein Aspekt davon ist die Sucht bzw. alle Formen von Süchten.27
Luzifer als Versucher
Luzifer ist ihm in vielem polar, sie sind so gegensätzlich, dass sie sich ständig bekämpfen – und doch nicht voneinander lassen können. Luzifer ist im Bild der Schlange zuerst an den Menschen herangetreten, er ist der Versucher oder Verführer in der Geschichte vom Paradies (1. Mose 3). Er lockt, er zaubert, er ist von verführerischer Schönheit, »Lichtträger« oder »-bringer«, allerdings von einem Licht, das nicht sehend macht, sondern das blendet. So kann man ihn auch im Wortsinne einen Blender nennen. Er ist Beschleuniger, treibt uns an, macht uns zu Phantasten, schürt alles Wünschen. Er ist Feuer und Flamme, im Organischen Bewirker von Entzündung und Allergie. Wo Ahriman bannt und beharrt, löst Luzifer auf und verflüchtigt. Er mag alles Leibliche nicht, weshalb er uns Menschen erdflüchtig machen möchte. Seine »Wohnung« im Menschen ist die Seele, im Besonderen die Empfindungsseele. Auch ihm ist Entwicklung zuwider, es soll alles so bleiben, wie es war, als er an den Menschen herantrat. So ist sein Lieblingswort, entsprechend Ahrimans »aber«, das sozial gefährliche »früher«, wo eben alles besser war. Und natürlich sehnt sich die Menschheit immer noch nach einem Paradies, das es in der ursprünglichen Form nicht mehr gibt und auch nicht mehr geben wird.
Verfrühung von Entwicklungsschritten
Luzifer ist somit ein Verfrüher, er verführt zu Entwicklungsschritten, die zu einem späteren Zeitpunkt richtig wären, verfrüht jedoch Schaden stiften. Ein praktisches Beispiel: Das immer frühere Wahlalter ist so eine luziferische Inspiration. Es wird die gesellschaftliche Entwicklung nicht fördern, sondern ihr schaden oder sie zumindest hemmen. Denn es braucht eine bestimmte Zeit der Entwicklung, bis der Mensch sich selbst bestimmen und für seine Entscheidungen und Handlungen voll und ganz eigene Verantwortlichkeit übernehmen kann (siehe Seite 33).
Ermöglichung von Freiheit
Wieder muss gesagt werden, dass hier keine grundlegende Darstellung dieser Weltenkräfte und ihres Verhältnisses zum Menschen und seiner Entwicklung angestrebt wird. Doch kann man den Lebenslauf und das Menschwerden nicht verstehen, wenn diese beiden Kräfte und ihre Einflüsse auf uns nicht durchschaut werden. Man nennt sie traditionell das Böse. Es sollte jedoch immer bewusster werden, dass sie Teil der Schöpfung sind und ihre Aufgaben zugeteilt erhielten, um einen wesentlichen Aspekt der Entwicklung des Menschen zu ermöglichen: die Freiheit.
Das Alter
Das aber ist des Alters Schöne,
dass es die Saiten reiner stimmt,
dass es der Lust die grellen Töne,
dem Schmerz den herbsten Stachel nimmt.
Ermessen lässt sich und verstehen
die eigne mit der fremden Schuld,
und wie auch rings die Dinge gehen,
du lernst dich fassen in Geduld.
Die Ruhe kommt erfüllten Strebens,
es schwindet des Verfehlten Pein –
und also wird der Rest des Lebens
ein sanftes Rückerinnern sein.
Ferdinand von Saar
Der Traum von der ewigen Jugend
negatives Bild des Alters
Das Alter als Abschnitt des menschlichen Lebensgangs wird heute überwiegend negativ gesehen. Besonders in der sogenannten westlichen Welt, zu der ja weitgehend auch Mitteleuropa gehört, ist der anscheinend nie verlöschende Traum von der ewigen Jugend so auf das Alter projiziert worden, dass eine besondere Lebensart oder gar Lebenskultur gar nicht mehr entstehen kann. Kosmetik und prothetische Chirurgie mögen Beispiele sein, wie stark der Versuch, das Alter nicht stattfinden zu lassen, bereits realisiert wird. Das Verhalten alter Menschen ist überwiegend unterschiedslos zu dem junger Menschen oder der Erwachsenen. Auch hat natürlich auf der anderen Seite in einer Leistungsgesellschaft ein alter Mensch keinen Platz, da ja gerade das Leistungsvermögen allmählich nachlässt und Höchstanforderungen im Beruf oder im sonstigen Leben nicht mehr gestellt werden können. Immer weniger wird der alte Mensch noch produktiv wertvoll, immer mehr dafür ein reiner Kostenfaktor.
Aussonderung alter Menschen
Unter solchen Gesichtspunkten muss es nicht verwundern, wenn die Gesellschaft einen starken Drang entwickelt hat, alte Menschen aus sich herauszusondern, in besonderen Einrichtungen zu asylieren. Äußerlich betrachtet sind dies unabdingbare Notwendigkeiten, weil beispielsweise heute kein Wohnraum mehr so gestaltet ist, dass in ihm innerhalb der Familie der Jungen und der Erwachsenen noch ein alter Mensch Platz hätte. Auch scheinen die verschiedenen Generationen in ihren Auffassungen vom Leben so extrem unterschiedlich geworden zu sein, dass ein harmonisches Zusammenleben meist kaum möglich ist.
Natürlich kann man zu Recht an dieser Stelle einwenden, dass es auch in früheren Zeiten Generationsprobleme gab, dass auch damals alte Menschen keinen ausreichenden Platz in der Wohngemeinschaft fanden. Es ist auch in der Tat immer gefährlich, frühere Zeiten zu glorifizieren. Und doch darf man davon ausgehen, dass das Alter – gehen wir hundert oder mehr Jahre in der Entwicklung zurück – einen positiveren Aspekt hatte und besser in die Gesellschaft integriert war, als das heute der Fall ist. Die Ideologie einer Leistungsgesellschaft war noch nicht so ausgeprägt und damit die scheinbare produktive Nutzlosigkeit alter Menschen nicht so eindeutig definiert.
Hilflosigkeit
In Wirklichkeit offenbart sich aber in diesem Phänomen der Aussonderung die ganze Hilflosigkeit unserer heutigen Lebensauffassung speziell mit Bezug auf das Alter und alte Menschen. Wir möchten uns von diesem scheinbar negativen Anblick alter Menschen mit ihren ganzen Einschränkungen, Behinderungen, Degenerationen befreien, um den Traum ewiger Jugend fortträumen zu können. Wir wollen einfach nicht wahrhaben, dass das allmähliche Welken und schließlich Dahinsiechen des Leibes zur Wirklichkeit Mensch gehört, so wie in jedem Jahr Pflanzen verwelken, Tiere sterben. Das scheinbare Paradoxon, dass der Tod zum Leben gehört, will von uns heute nicht verstanden werden.
Bestreben, das Altern »abzuschaffen«
Asylierung der alten Menschen oder der Versuch, sich als alternder Mensch äußerlich eine Jugendlichkeit zu erhalten, was vor allem durch sogenanntes Anti-Aging oder – noch eingreifender – durch Schönheitschirurgie angestrebt wird, wird abgelöst werden von dem Bestreben, das Altern überhaupt abzuschaffen. Wie bereits erwähnt, sind die für das Altern verantwortlichen Gene oder bestimmte Eiweiße längst herausgearbeitet und Experimente begonnen worden, um diese ab- oder auszuschalten. Unvorstellbare Geldsummen werden investiert, um hier auch für den Menschen verlässliche Vorgehensweisen zu etablieren und damit das investierte Kapital in mehrfacher Höhe wieder zurückzugewinnen. Forschungsinstitute im Silicon Valley haben als vorläufiges Ziel vorgegeben, die Lebenszeit des Menschen auf 200 Jahre zu verlängern, 500 Jahre und mehr werden als keineswegs utopisch bezeichnet.28
Ein gesundes Empfinden gerät ins Grübeln, ob diese Planungen eigentlich sinnvoll für die Menschheit sind, ob wir uns nicht auf ein Experiment einlassen, dessen Ausgang höchst ungewiss ist. Es ist zum Beispiel ein ganz wichtiger Aspekt der Krebszelle, dass es ihr gelingt, die für die Zellalterung verantwortliche Apoptosefähigkeit zu unterbinden. Apoptose bedeutet, dass eine alternde Zelle, die nicht mehr ausreichend ihre Funktion im Organ erfüllen kann, abstirbt und durch eine junge, neue Zelle ersetzt wird. Aus diesem Geschehen resultieren alle Regenerationsvorgänge im Organismus, die bis zum Lebensende andauern. Die Krebszelle macht sich durch Abschalten der Apoptose unsterblich, und tatsächlich erreichen die aggressiven Strategien ihrer Vernichtung weder von Chemotherapie noch von Bestrahlung die Krebsstammzelle, die ihre Produktion immer neuer Zellen unbeeindruckt fortführen kann.
Frage nach dem Sinn menschlichen Alterns
Eine viel tiefergehende Frage verbindet sich mit dem Schöpfergedanken und dem von ihm gegebenen Sinn menschlichen Alterns. Sind wir berechtigt, die wohl unbestreitbare Weisheit des Geschöpfes Mensch nach unserem Gutdünken zu manipulieren? Was soll oder wird der Mensch, der 200 Jahre alt wird, mit der gewonnenen Zeit anfangen? (Ganz zu schweigen davon, wie die Frage der Überbevölkerung bzw. der Ernährung all dieser Menschen gelöst werden soll.) Ist es wirklich erstrebenswert, so lange weiterzuleben?
Diese sich damit verbindenden Fragen sollen hier gar nicht vertieft werden, leiten jedoch unmittelbar über in die Beschreibung des Lebensabschnitts, der jetzt ausführlich dargestellt werden soll und dessen tiefe Sinnhaftigkeit dabei deutlich werden wird.