Kitabı oku: «Gesänge und Inschriften», sayfa 2
Unter Göttern bleibt keiner ungezaust von Momus.
Unter Heroen jagt nach jedweden Ungeheuern Herkules.
Unter Dämonen wütet der König der Unterwelt Pluton gegen alle Schatten.
Unter Philosophen lacht über alles Demokritus.
Dagegen weint über das Ganze Heraklitus.
Nichts weiß von gar nichts Pyrrhon.
Und alles zu wissen dünkt sich Aristoteles.
Verächter des Ganzen ist Diogenes.
Von all dem nichts fehlt hier Agrippa. (Whitmans Myself, Ich.)
Verachtet, weiß, weiß nicht, weint, lacht, wütet, jagt, zaust alles.
Selbst Philosoph, Dämon, Heros, Gott und die ganze Welt.
Aber auch mit uralten indischen Gedichten berührt sich Whitman aufs engste, die ja durchaus nicht alle mit dem Gefühl, daß das Ich eine Weltidentität sei, den Pessimismus oder die Weltflucht verbanden; wie man denn in Amerika gleich sagte, diese Gedichte Whitmans seien wie ein Konglomerat aus der »Bhagavad-Gita« und dem »New York Herald«. Das war sehr witzig, aber sehr falsch, denn die »Bhagavad-Gita« enthält das, was man da den »New York Herald« nennt, nämlich die kataloghafte Aufzählung der konkreten Tatsächlichkeiten der ganzen Welt, schon völlig selbst in sich, und die Dinge, die das indische Gedicht aufzählt, um ein Bild von der unendlichen Mannigfaltigkeit zu geben, waren einmal ebenso modern, wie die Welt der Technik, der Natur und Kultur, die Whitman in seine Gedichte aufnimmt.
Nichts drängt sich beim Lesen dieser Gedichte so auf, wie das Gefühl der Unmittelbarkeit, der gänzlichen Abwesenheit der literarischen Reminiszenz oder irgendwelchen Alexandrinismus. Obwohl Whitman viel gelesen hat, war er doch gar kein Leser und Zusammenleser, nahm nur das in sich auf, was schon vorher in ihm war. Darum ist es so überaus wahr, was er in seinen »Grashalmen« dem Leser als Abschiedswort sagt:
Camerado, dies ist kein Buch,
Wer dies berührt, berührt einen Menschen …
Wie jeder echte Künstler hat auch Whitman die volle Bewußtheit seines Schaffens, und das Beste, was ästhetisch-kritisch über ihn zu sagen ist, sagt er uns selbst. Das Bezeichnende an seiner Poesie ist ihre »suggestiveness«; ihre Suggestivkraft, in der er, wie ein Dirigent eines Orchesters nicht fürs Ohr, sondern fürs Auge, immer neues Gestaltengewoge vor uns hinschweben läßt, uns die »Atmosphäre des Themas oder Gedankens« gibt, in der dann unser eigenes Erleben weiter dahinfliegt. Er ist ein Dichter von ganz ungemeiner Sinnlichkeit und Gegenständlichkeit; er scheint nur mit den Sinnen gedacht zu haben; auch seine ganz im inneren Erlebnis versunkenen Abstraktionen bewahren diesen konkreten Charakter. Auch wenn er das Unsagbare sagen will, und wenn er sagen, fast stammeln will, daß es unsäglich ist, schreit er wie aus tiefster Besinnung zum Beginn des Gedichts etwa auf:
Das da ist in mir – ich weiß nicht, was es ist – doch ich weiß, es ist in mir
und schafft uns dadurch sofort die Stimmung des leibhaftigen Erlebens.
Daß übrigens die konkrete Aufzählung einzelner Wirklichkeiten, die zu einem Ganzen gehören, selbst ohne Ausdruck der Empfindung des Miterlebenden, wenn die angeführten Tatsächlichkeiten nur von starker Sinnfälligkeit erfüllt sind, wie ein Gedicht wirken kann, möchte ich an einem Beispiel zeigen, mit dem ich schon ab und zu Freunde hineingelegt habe. Wie mancher möchte das folgende für ein Gedicht Whitmans halten, das etwa den Titel »Nacht im Feldlager« führen könnte:
Werda! der Schildwache vorm Zelt.
Werda! der Infanterieposten.
Werda! wenn die Runde kam.
Hin- und Wiedergehen der Schildwache.
Geklapper des Säbels auf dem Sporn.
Bellen der Hunde fern.
Knurren der Hunde nahe.
Krähen der Hähne.
Scharren der Pferde.
Schnauben der Pferde.
Häckerlingschneiden.
Singen, Diskurrieren und Zanken der Leute.
Kanonendonner.
Brüllen des Rindviehs.
Schreien der Maulesel.
So, in scheinbare Verse abgeteilt findet sich das bei Goethe. Sind aber keine Verse, sondern ein Versuch, bei Gelegenheit der Belagerung von Mainz, »die mannigfaltigen fern und nah erregten Töne« »genau zu unterscheiden« und aufzuzeichnen. Ich kenne manches »impressionistische« »Gedicht« manches Modernen, das schlechter ist als dieser Tönekatalog Goethes.
Daher, daß sein poetisches Empfinden, sein rhythmisches Verklären und sein Wahrnehmen immer beieinander sind, daher kommt es, daß es nichts in der Welt gibt, was sich unter Whitmans Hand nicht zu Dichterischem wandelt, daß er auch ganz und gar nicht auf die literarisch überlieferte Mustertafel der Gleichnisse angewiesen ist, sondern ihm in einer wahrhaft homerischen Fülle Neues und Ungewohntes zum Bilde wird. Ist aber dieses Beisammenwohnen des Sehens und des Empfindens, des Denkens mit allen Gegenständen der Welt nicht dasselbe, was er aus den Menschen herausholen will: Liebe?
Denn wer hundert Meter ohne Liebe wandelt, der wandelt in seinem Totenhemd mit seinem eignen Begräbnis.
Die Form Whitmans, die so wenig improvisierte Begeisterungsrede ist, wie ein impressionistisches Bild, das den Eindruck der Augenblicklichkeit schafft, mit ein paar Pinselhieben hingeworfen wird, ist ein streng rhythmisches Gefüge, das aber nur das Gesetz des Tempos anerkennt, im übrigen sich durch keine Traditionen der Poetik binden läßt. Das Chaotische und Massenhafte, das nicht objektiv gebändigt dargestellt werden sollte, sondern in aller Gegenständlichkeit immer ein Erleben der Empfindung, ein Ausfluß der Subjektivität ist, hat zu dieser Form geführt, die wie ein gewaltig fortreißendes Heraussprechen und Herausbrechen aus einem Erleben wirkt, das mehr als ein schmales, isoliertes Menschen-Ich ist, das vielmehr alles, was draußen vorgefunden wird, aus der eigenen Universalität herausgeholt zu haben scheint.
Eines Tages, in der Zeit, als er die Kriegsverwundeten pflegte, schrieb Whitman in sein Tagebuch: »Es ist seltsam: solange ich bei den entsetzlichsten Szenen zugegen bin, Sterben, Operationen, ekelhafte Wunden (vielleicht voller Maden), bleibe ich ruhig und fest und energisch, wenn auch mein Mitgefühl sehr erregt ist; aber oft, stundenlang nachher, vielleicht wenn ich zu Hause bin oder allein spazieren gehe, wird es mir schlecht, und ich zittere tatsächlich, wenn ich mich an den bestimmten Fall wieder erinnere.« Das hat er nur so aufgeschrieben, um die Tatsache zu verzeichnen; es ist ihm nichts dabei eingefallen, was die Tatsache zum Sinnbild gemacht hätte. Aber es kann einem dabei seine ganze Natur und die ganze und besondere Größe seines Dichtertums aufgehen. Denn daß die Erlebnisse, wenn sie schon vorbei sind, auf einmal mit verstärkter Wucht wiederkehren, daß die Erinnerungen mit der vollen Kraft des Erlebens auf ihn einstürmen, das ist ein Zeichen seiner manchmal bis ins Visionäre gesteigerten Phantasie, ebenso wie sein Verhalten in der Mitte des Geschehnisses von seiner unverbrüchlichen Sachlichkeit, seiner geborenen Tapferkeit, seiner beherrschten Menschenliebe Kunde gibt.
DAS SELBST SING ICH
Das Selbst sing ich, schlechtweg den Einzelmenschen,
Doch äußere dazu das Wort Demokratisch, das Wort En- masse.
Physiologie sing ich von Kopf zu Fuß,
Nicht Physiognomie noch Hirn allein ist würdig der Muse, falls völlige Form die würdigste ist,
Das Weibliche sing ich gleichen Rangs mit dem Männlichen.
Weiten des Lebens, Gluten, Drang und Macht,
Freudig um freieste Tat, erstanden aus Gottesrecht,
Den modernen Menschen sing ich.
ALS ICH SCHWEIGEND BRÜTETE
Als ich schweigend brütete,
Von meinen Gedichten nicht loskam, erwägend, verweilend,
Erhob sich vor mir ein Gespenst unheimlichen Anblicks,
Furchtbar in Schönheit, Alter und Macht,
Geist von Dichtern alter Lande,
Als werfe es auf mich seine Augen wie Flamme,
Und mit dem Finger auf viele unsterbliche Dichtungen deutend,
Und drohender Stimme Was singst du? sprach es,
Weißt du nicht, daß es für Sänger, die dauern, ein Thema nur gibt?
Und das ist das Thema des Kriegs, das Glück der Schlachten,
Die Zeugung vollkommner Soldaten.
Sei's drum, gab ich zur Antwort,
Ich, hoffärtger Schatten, singe auch Krieg, längern und größern, als je einer war,
Angehoben in meinem Buch mit wechselndem Glück,
Mit Flucht, Vormarsch und Rückzug, vertagtem und schwankendem Sieg,
(Sicherm doch, dünkt mich, oder so gut wie sicherm, am Ende,) das Schlachtfeld die Welt,
Um Leben und Tod, um den LEIB und um die ewige SEELE,
Siehe, auch ich bin gekommen im Singen des Schlachtgesangs,
Ich vor allem bringe tapfre Soldaten hervor.