Kitabı oku: «Der Reichtagbrandprozess», sayfa 3

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Die Schilderung, die van der Lubbe von seiner Brandstiftung gab, enthält - wie die Kriminalkommissare Heisig und Dr. Zirpins noch nach dem Krieg versichert haben keinen Widerspruch zu seinen ersten Aussagen unmittelbar nach der Verhaftung, die zum Teil stenographisch festgehalten worden waren. Sie stimmen zudem in jedem Punkt mit den Aussagen van der Lubbes vor dem Reichsgericht in Leipzig überein.

Auch über seine Motive hat van der Lubbe vor den Berliner Kriminalkommissaren wie den Leipziger Richtern gegenüber stets die gleichen Angaben gemacht. Im Polizeiprotokoll liest sich das so:


Berlin, den 2. März 1933 DIE MOTIVE: "Von vornherein erkläre ich, dass meiner Handlung ein politisches Motiv zugrunde liegt. Ich habe in Holland gelesen, dass jetzt in Deutschland die Nationalsozialisten an die, Regierung gekommen sind. Ich habe schon immer die Politik in Deutschland mit großem Interesse verfolgt und die Zeitungen gelesen, die über Brüning, Papen und Schleicher geschrieben haben. Als jetzt Hitler, die Regierung übernahm, erwartete ich in Deutschland eine Begeisterung für ihn, aber auch eine große Spannung. Ich kaufte mir alle Zeitungen, die darüber berichteten, die dieselbe Meinung hatten. Ich selbst bin links orientiert und gehörte bis der kommunistischen Partei an. Mir gefiel an der Partei nicht, dass sie innerhalb der Arbeiter die führende Rolle spielen und nicht die Arbeiter selbst an die Führung heranlassen will. Ich sympathisiere mit dem Proletariat, das den Klassenkampf betreibt. Seine Führer sollen an der Spitze stehen. Die Masse selbst soll beschließen, was sie zu tun und zu lassen hat. In Deutschland hat sich jetzt eine nationale Konzentration gebildet, und ich bin der Meinung, dass das zwei Gefahren bildet: 1. werden die Arbeiter unterdrückt und 2. wird sich die nationale Konzentration niemals von den anderen Staaten ducken lassen, so dass es schließlich doch zum Krieg kommen wird. Ich habe noch einige Tage die Entwicklung der Dinge abgewartet und dann den Entschluss gefasst, nach Deutschland zu gehen, um mich hier zu informieren. Der Entschluss stammt von mir ganz allein und ich bin auch allein hier nach Deutschland gekommen. Ich habe hier beobachten wollen, wie sich die nationale Konzentration auf die Arbeiterschaft auswirken werde und wie die Arbeiterschaft über die nationale Konzentration denkt ... Ich habe festgestellt, dass die Anhänger der nationalen Konzentration volle Freiheit in Deutschland haben, der Arbeiter aber nicht. Weiter ist der Kampf der Organisation der Arbeiter nicht der richtige, um die Arbeiter zum Kampf für die Freiheit aufzurütteln. Ich habe nun mit den Arbeitern Mittel und Wege besprochen, wie man das richtig machen muß. Das Recht, das die Nationalsozialisten heute haben, das müssen auch die Arbeiter haben. Ich habe zum Beispiel aufgefordert, eine Demonstration zu machen. Da wurde mir gesagt, man müsse sich zuerst an die Organisation, die KPD, wenden, die sich dann die Demonstration überlegen wird... Meine Meinung war, dass unbedingt etwas geschehen müsste, um gegen dieses System zu protestieren. Da nun die Arbeiter nichts unternehmen wollten, wollte ich eben etwas tun. Für ein geeignetes Mittel hielt ich irgendeine Brandstiftung. Ich wollte nicht Privatleute treffen, sondern etwas, was dem System gehört. Geeignet hierzu waren also öffentliche Gebäude, z. B. das Wohlfahrtsamt, denn das ist ein Gebäude, in dem die Arbeiter zusammenkommen, dann das Rathaus, weil es ein Gebäude des Systems ist, weiter das Schloss. Letzteres, weil es im Zentrum liegt und wenn es gebrannt hätte, hohe Flammen gegeben, hätte, die weit sichtbar gewesen wären. Da diese 3 Brände nun nicht funktioniert haben, also der Protest nicht zustande gekommen war, habe ich den Reichstag gewählt, weil das ein Zentralpunkt des Systems ist. Zu der Frage, ob ich die Tat allein ausgeführt habe, erkläre ich, dass das der Fall gewesen ist. Es hat mir niemand bei der Tat geholfen, und ich habe auch im ganzen Reichstagsgebäude keine Person getroffen..." gez. van der Lubbe.

Dieser Aussage hatten die Kriminalisten Heisig und Dr. Zirpins nichts Wesentliches hinzuzufügen, denn alle ihre Nachforschungen bestätigten die Richtigkeit der Angaben und besonders die Behauptung van der Lubbes, allein gehandelt zu haben.


Im Abschlussbericht der Polizei vom 3. März 1933 heißt es dazu: MITTÄTER? "Die Frage, ob van der Lubbe die Tat allein ausgeführt hat, dürfte bedenkenlos zu bejahen sein. Die Ermittlungen, der objektive Tatbestand und die genauen Feststellungen des Täters selbst beweisen dies. Im Laufe der Ermittlungen ist eine Unzahl von neuen Spuren aufgetaucht, die einer Nachprüfung aber nicht standgehalten haben ... Die Schilderung des Tatortes und der Tatausführungen hat van der Lubbe schon von der ersten Vernehmung an (also vor der Tatortbesichtigung selbst) genau mit allen Einzelheiten, Brandstellen, Beschädigungen und Spuren sowie des Weges, auf dem sie liegen, so angegeben, wie sie ihm noch in Erinnerung waren. Hierzu ist aber nur derjenige in der Lage, der die Tat selbst ausgeführt hat. Einer, der nicht dabei war, konnte dies alles, besonders die nicht planmäßig angelegten kleineren Brandstellen nicht vorher schon beschreiben und nachher praktisch demonstrieren... Über den persönlichen Eindruck, den van der Lubbe macht, ist zu sagen, dass van der Lubbe über eine (allerdings sicher einseitige) Intelligenz verfügt; er ist ein so genannter 'fixer Junge', obwohl er seinem Äußeren nach das Gegenteil zu sein scheint. Er beherrscht die hochdeutsche Sprache, die er aber undeutlich ausspricht, sogar bis in Feinheiten hinein, konnte also nicht nur der Vernehmung folgen, sondern sogar ganze Sätze behalten und inhaltsgetreu, ja sogar wortgetreu wiedergeben. Er verbessert (besonders bei den Motiven) die niederzulegenden Wendungen, die ihm nicht richtig gewählt erscheinen, selbst. Auffallend ist sein Orientierungsvermögen, das er wahrscheinlich bei seinen vielen weiten Wanderfahrten erworben hat. Obwohl er erst acht Tage in Berlin ist, ist er imstande, ganze Straßenzüge zu schildern und Tatorte (nach Anleitung) zeichnerisch darzustellen. Die Rekonstruktion des Tathergangs, die er bei den einzelnen Fällenwahrheitsgetreu schilderte, war, wie die wiederholten Nachprüfungen ergaben, lückenlos... Die Ermittlungen werden von Krim.-Komm. Heisig und Krim.-Komm. Dr. Zirpins geführt." Dr. Zirpins, Krim.-Komm.

Kriminalkommissar Zirpins ist - wie auch sein Kollege Heisig - stets bei der Auffassung geblieben, dass van der Lubbe die Tat allein ausgeführt hat. In seinem damaligen Abschluss Bericht versucht er allerdings auch den Nachweis zu führen, dass van der Lubbe zu seiner Tat "von dritter Seite" angestiftet worden sei. Nachdem die polizeilichen Untersuchungen schon keine Anhaltspunkte für irgendwelche kommunistischen Mittäter van der Lubbes erbracht hatten, glaubte Zirpins offenbar, es seinen Vorgesetzten - die ja doch an die Mittäterschaft der Kommunisten glaubten - nicht antun zu können, eine Verbindung van der Lubbes mit der deutschen KP zu verneinen. Er berief sich dabei vor allem auf die Aussagen jener angeblichen Augenzeugen Karwahne, Frey und Kroyer, die van der Lubbe zusammen mit dem KPD-Fraktionschef Torgler gesehen haben wollten - Aussagen, die später vom Leipziger Reichsgericht durchweg als unglaubwürdig verworfen wurden.

Ermittlungen

Die Kriminalkommissare Heisig und Dr. Zirpins, die mit der ersten Vernehmung van der Lubbes beauftragt waren, haben sich nie von ihrer Überzeugung abbringen lassen, dass der Holländer den Reichstag allein und ohne fremde Hilfe angesteckt hat. Zwar wies Zirpins in seinem Abschlussbericht über die Vernehmung auf die Möglichkeit hin, dass van der Lubbe von dritter Seite angestiftet worden sei, blieb aber dabei, keinen Anhaltspunkt für irgendwelche Helfer bei der Tat selbst gefunden zu haben - obwohl er wusste, dass seine höchsten Vorgesetzten anderer Meinung waren und von der Kriminalpolizei andere Ergebnisse erwarteten.

Der Untersuchungsrichter Vogt und die Leipziger Richter haben sich um dieses Ergebnis der Kriminalpolizei wenig geschert. Ihrer Meinung nach vermochte ein einziger den Reichstag gar nicht in Brand zu setzen; van der Lubbe musste also Helfershelfer gehabt haben. Die gleiche These vertraten auch die Pariser Braunbuch-Autoren, und sogar der Bulgare Dimitroff erklärte in trauter Übereinstimmung mit Göring und Goebbels am 12. Oktober 1933 in einem Schreiben an den Senatspräsidenten des Leipziger Gerichts: "Ich bin fest überzeugt, dass van der Lubbe in diesem Prozess sozusagen nur ein Reichstagsbrand-Faust ist, hinter ihm stand zweifellos ein Reichstagsbrand-Mephisto. Der klägliche 'Faust' steht nun vor den Schranken des Reichsgerichts, aber der 'Mephisto' ist verschwunden."

Mit unverhohlenem Stolz auf seine Kenntnisse in deutscher Literatur verwandte Dimitroff diesen Vergleich in der Folgezeit immer wieder und verfocht leidenschaftlich die gleiche These wie die Nazis: Lubbe sei nur ein Werkzeug gewesen. Gegen diesen Punkt anzukämpfen, hielt er für töricht. Er wollte die Nazis vielmehr in ihrer eigenen Falle fangen, nämlich: den Nachweis führen, dass van der Lubbe Mittäter hatte und dann die eigene, die kommunistische Unschuld beweisen. Das aber konnte seiner Meinung nach nicht schwer fallen, da zumindest er und seine Landsleute Popoff und Taneff ja nur durch Zufall in den Kriminalfall verwickelt worden waren. Dimitroff handelte als Kommunist; es ging ihm weniger darum, die eigene Haut zu retten, als die Nazis zu entlarven.

Den Gedankengängen Dimitroffs und der Pariser Braunbuch-Verfasser sind denn auch alle jene mehr oder minder prominenten Autoren gefolgt, die sich in den letzten Jahren mit dem Reichstagsbrand beschäftigt haben, unter ihnen der einstige Gestapobeamte und spätere Widerstandskämpfer Gisevius, der Forschungsbeauftragte Dr. Wolff, der vorgebliche Reichstagsbrandspezialist Schulze-Wilde, der auch unter dem Pseudonym H. S. Hegner schreibt, der Ex-Diplomat Hans Otto Meißner und Illustriertenschreiber wie Curt Rieß. Wenn van der Lubbe nur der "Faust" war - und daran zweifelte keiner von ihnen -, dann musste es eben einen zweiten Mann, einen "Mephisto", gegeben haben!

Dieser zweite Mann, der Helfershelfer des - laut Braunbuch I - "kleinen halbblinden Lustknaben" van der Lubbe, spielt seit dem Braunbuch II in nahezu allen Publikationen über den Reichstagsbrand eine zentrale Rolle: Er hat inzwischen auch einen Namen bekommen: Paul Waschinsky.

Die Waschinsky-Legende existiert in vielen, voneinander mehr oder minder abweichenden Versionen; ihr Gerüst aber ist immer wieder dasselbe: Die SA will den Reichstag anstecken, dabei aber den Anschein erwecken, die Kommunisten hätten es getan. Sie lässt daher durch ihren Mittelsmann Waschinsky nach einem Kommunisten suchen, der das Geschäft des Brandstiftens übernehmen soll, sobald SA-Männer den Plenarsaal mit Brandmitteln präpariert haben. Waschinsky macht sich an Lubbe heran, indem er sich als KPD-Funktionär ausgibt, und veranlasst ihn, den Reichstag anzuzünden. Lubbe ist nach der Brandstiftung fest überzeugt, für die Kommunisten gearbeitet zu haben.

In dem Forschungsbericht Dr. Wolffs, der heute sozusagen amtlich abgestempelten Geschichte des Reichstagsbrandes, wird als wichtigste Quelle für diesen Paul Waschinsky der Journalist Harry Schulze-Wilde eingeführt - als ein Mann, der seit über zwanzig Jahren umfangreiches Material zum Problem des Reichstagsbrandes gesammelt hat. Dr. Wolff: "Er (Schulze -Wilde) war in der Brandnacht in Berlin verhaftet worden und konnte in dem damals herrschenden Wirrwarr im Polizeipräsidium am Alexanderplatz entkommen. Er flüchtete nach Paris und trat dem Kreis von Willi Münzenberg nahe."

Dr. Wolff gibt dann in zusammengefasster Schilderung wieder, was bei Schulze-Wilde als Ergebnis der "jahrelangen Nachforschungen unter kritischer Verwertung aller einschlägigen Literatur" herausgekommen ist, beziehungsweise, was ihm Schulze-Wilde darüber enthüllt hat:

Zentralfigur in der Darstellung Schulze -Wildes über den Reichstagsbrand ist der politische Agent Paul Waschinsky. Er ist mit dem Holländer van der Lubbe in den letzten Tagen vor dem Brand ständig zusammen gewesen, bat mit ihm die letzte Nacht vor dem Brand im Hennigsdorfer Asyl zugebracht und ihn dann am Brandabend zum Reichstag begleitet. Er ist auch identisch mit jenem Mann, der dem Polizeileutnant Lateit die erste Brandmeldung überbrachte.

Der mysteriöse Helfershelfer van der Lubbes ist nach Schulze-Wilde also jener junge Mann in Schaftstiefeln, der sich vor dem Reichstag plötzlich zu Oberwachtmeister Buwert gesellte, von Buwert aber für den Studenten Flöter gehalten und mit der Brandmeldung zur Polizeiwache am Brandenburger Tor geschickt wurde.

Schulze-Wilde erläutert nicht, warum ausgerechnet Paul Waschinsky die erste Meldung über den von ihm selbst inszenierten Brand zur Polizei brachte, statt sich so schnell wie möglich aus dem Staube zu machen. Denn wenn Waschinsky wirklich Lubbes Helfershelfer war, dann konnte er ja kein Interesse an einem raschen Eintreffen der Feuerwehr haben und riskierte außerdem mit seiner prompten Meldung die Entlarvung seiner Hintermänner. Dass die Polizei ihn - einen wichtigen Zeugen - entgegen den Vorschriften nicht nach Namen und Ausweis fragen würde, das hatte er bei aller guten Regie wohl kaum vermuten können.

In dem Forschungsbericht Dr. Wolffs kann man lesen, wie die Waschinsky-Legende, ein wichtiger Pfeiler für die NS -Schuld-These, zustande gekommen ist:

"Schulze-Wilde", so erzählt Dr. Wolff, "hatte in Paris unmittelbar nach dem 30. Juni 1934 vor dem Eingang zu einem jüdischen Wohlfahrtsbüro einen jungen Mann gesehen, der zweifellos Nicht-Jude war. Er sei mit ihm ins Gespräch gekommen und habe von ihm erfahren, dass er ein aus Deutschland geflüchteter SA-Mann sei. Die beiden Männer kamen dann noch öfter zusammen, und schließlich erzählte der SA-Mann, dass die SA den Reichstag angezündet habe, erzählte ihm alle die genannten Einzelheiten über die enge Zusammenarbeit des nationalsozialistischen Agenten Waschinsky mit van der Lubbe."

Schulze-Wilde, berichtet Dr. Wolff weiter, habe dann den SA-Mann aus den Augen verloren und könne sich unglücklicherweise auch nicht mehr auf dessen Namen besinnen.

Obwohl der eifrige Materialsammler Schulze-Wilde den zutraulichen SA-Mann in Paris wieder aus den Augen verloren und zudem auch noch dessen Namen vergessen hat, erscheint ihm die Sache mit Paul Waschinsky doch so gehaltvoll, dass er sie auch noch selbst - im Juni -Heft 1957 der "Frankfurter Hefte" - publiziert. Seine Studie heißt "Zur Geschichte der Technik der nationalsozialistischen Machtergreifung" und ist ein Vorabdruck aus dem 1958 erschienenen Band "Die Machtergreifung, für den Hans Otto Meißner, der Sohn des verstorbenen Chefs der Präsidialkanzlei, als Mitverfasser zeichnet.

Die Redaktion der "Frankfurter Hefte" wirbt dafür mit den Worten: "Für Leser, die jene Monate von 1933 miterlebt haben, wird die Wiedergabe eine Gedächtnisauffrischung sein, für Jüngere, so hoffen wir, ein Anreiz, ihre Kenntnisse der jüngsten deutschen Vergangenheit zu vervollständigen, damit sie keiner Verschweigens- oder Verharmlosungstaktik zum Opfer fallen können."

Paul Waschinsky, der Mann in Schaftstiefeln, ist auch in der neuen, jugendbildenden Schrift der eigentliche Held des Reichstagsbrands. Schreibt Harry Schulze -Wilde in den "Frankfurter Heften":

"Einer der ungezählten V-Männer, die es zu dieser Zeit in Berlin gibt und die ihr Brot durch Zusammentragen von mehr oder weniger richtigen Nachrichten verdienen, ist der Dauererwerbslose Paul Waschinsky, noch keine fünfundzwanzig Jahre alt. Er arbeitet sozusagen hauptberuflich für Graf Helldorf und nebenberuflich noch für andere, darunter für den 'Hellseher Erik Jan Hanussen ... Für Hanussen war Waschinsky früher einmal als 'Medium' und 'Mann aus dem Saale' tätig gewesen. Auf der Suche nach einem geeigneten 'Attentäter' hatte sich Dr. Goebbels Anfang Februar an Graf Helldorf gewandt und dieser hatte ihm Waschinsky empfohlen. Aber Dr. Goebbels lehnte ihn ab: Der Mann war ihm einerseits zu wach, anderseits nicht fest genug."

Schulze-Wilde weiß nicht nur Bescheid über das, was Dr. Goebbels und der nach dem 20. Juli 1944 von den Nazis hingerichtete Graf Heildorf dachten und taten; er kennt sich auch in den Gedankengängen Waschinskys aus:

"Waschinsky überlegt: Warum ließ ihn Goebbels zu sich kommen? Warum stellt Graf Helldorf Listen von Kommunisten Juden und Katholiken zusammen, die verhaftet werden sollen? Warum wird immer wieder verlangt, nach 'terroristischen Kommunisten' Ausschau zu halten, und warum ist man so enttäuscht, wenn er nichts zu melden hat?"

Der "wache" Waschinsky "kombiniert aus dem, was er erfährt, ziemlich mühelos einen Attentatsplan und spricht mit Hanussen ... Dem passt das für seine Seancen sehr in den Kram, ein Propaganda-Genie ist auch er, und so äußert er die Idee, bei etwas Derartigem müssten, wenn man es schon starte, Tausende zusehen können wie bei einem Großfeuer, zum Beispiel im Rathaus oder im Schloss, oder gar im Reichstag.

Nicht Goebbels wäre damit also der Erfinder der Idee, den Reichstag anzustecken, sondern der jüdische Hellseher Erik Jan Hanussen, der sich - nach Schulze-Wilde "als Spross eines uralten dänischen Adelsgeschlechts vorgestellt hatte, in Wahrheit Herrschel Steinschneider hieß und in Wien geboren wurde".

Es gibt zahlreiche Varianten darüber, wie Hanussens geniale Idee dann zu Goebbels gelangte. Eine davon hat Schulze -Wilde als "H. S. Hegner" in der "Frankfurter Illustrierten" vom 17. Januar 1959 mit dem entsprechenden Lokalkolorit beschrieben:

Waschinsky bestellt Helldorf, was ihm Hanussen aufgetragen hat. Dann setzt er zu einer kleinen Rede an: "Gruppenführer, ick hab' mir det übalecht. Da muß wat brennen, det Rathaus, oda det Schloß, ooch der Reichstach wär jut. So'n Großfeuer sieht janz Berlin, det macht ooch die Leute wild."

"Helldorf lacht laut auf. 'Du bist wohl verrückt, Reichstag anzünden ..."

"Der Graf spielt mit dem Federmesser. Überlegt. Verzieht den Mund. Starrt auf den Schreibtisch. Springt auf. 'Ein toller, ein verwegener Gedanke!'

"'Melde dich morgen früh wieder', befiehlt er und eilt aus dem Zimmer. Seine Sekretärin blickt erschreckt auf. Rufen Sie gleich bei Goebbels an, dass ich auf dem Wege zu ihm bin', ruft er ihr zu. Ganz dringende Sache."

"Der Gauleiter ist mitten im Diktat, aber er schickt seine Stenotypistin auf Helldorfs Wunsch hinaus."

Soweit "H.S. Hegner". In den "Frankfurter Heften" spinnt Schulze-Wilde diesen Fäden so weiter: "Über Waschinsky und Helldorf kommt das Stichwort zu Goebbels, der es sofort aufgreift. Unwahrscheinliche Möglichkeiten, die in dem Gedanken stecken, den Reichstag anzuzünden ... Hunderttausende, ja Millionen, die in den Wochenschauen der Kinos den Brand zu sehen bekommen, werden entsetzt sein...

"Noch an den Nachwirkungen einer Grippe leidend, beauftragt Goebbels um den 12. Februar Graf Helldorf, der Reichstagsabgeordneter ist wie er, das Gebäude auf die Möglichkeit (der Brandstiftung) hin zu inspizieren. Der Graf meldet sich alsbald im Palais des Reichstagspräsidenten Göring, ohne diesen selbst jedoch getreu der Anweisung von Goebbels in die Überlegung einzuweihen. Dass allerdings für den 27. Februar etwas geplant ist, weiß auch Göring; darüber wurde im Führergremium ja bereits ganz offen gesprochen. Und Göring selbst bereitet für den Tag X Verhaftungslisten vor."

Einigermaßen unverständlich ist die Geheimnistuerei gegenüber Göring. Bei Waschinsky war Helldorf nicht so zurückhaltend; ihm erzählte er sogar, dass "Kommunisten, Juden und Katholiken" verhaftet werden sollten.

Schulze-Wilde fährt fort: "Das Reichstagsgebäude wird von einer Stabswache der SA beschützt. Die Leute unterstehen dem direkten Kommando von Oberführer Ernst, einem Untergebenen des Grafen Helldorf."

Dieses Beschützen muss sehr heimlich vor sich gegangen sein. Denn das Reichstagsgebäude war nach wie vor den altbewährten Pförtner und Amtsgehilfen aus der Zeit der Weimarer Republik anvertraut. Auch im Reichstagspräsidentenpalais - falls Schulze-Wilde dieses meint - gab es keine Stabswache, denn Göring wohnte damals ja noch in seiner Wohnung am Kaiserdamm.

Im weiteren Ablauf ähnelt die Handlung der Waschinsky-Legende stark der Darstellung, die der, frühere Assessor der Staatspolizei Hans Bernd Gisevius 1946 in seinem Buch "Bis zum bittern Ende" dargeboten hat.

Was Gisevius über die Vorgeschichte der Brandstiftung berichtet, ist zum klassischen Bestandteil aller Varianten der Reichstagsbrandlegende geworden: Der Berliner "SA-Brigadeführer" Ernst empfängt Ende Februar zehn Mann: "Karl Ernst hatte sie vorerst einmal tüchtig angebrüllt. Das war so üblich in der braunen Soldateska. Wer den Brülljargon gut beherrschte, galt 'ganz groß' ... Dann aber war der Brigadeführer plötzlich nett geworden, sehr menschlich. Er hatte gemeint, man würde jetzt ein 'Ding drehen'. In den nächsten Tagen wolle man zum vernichtenden Schlag gegen die Marxisten ausholen. Alles sei vorbereitet. Was fehle, sei der Anlass. Den müssten sie jetzt schaffen. Wie sie wussten, wollten die Kommunisten ganz Deutschland in Schutt und Asche legen. Sie, die Nazis, würden bloß den Reichstag, diese elende Quasselbude, anzünden. Hinterher würden sie behaupten, die Kommune hätte das Feuer gelegt. "Polizei? Um die brauchten sie sich keine Sorge zu machen. Notfalls werde man die Untersuchung in die gewünschte Bahn lenken. In dieser Hinsicht habe der 'Doktor' - das war Goebbels - alles mit Göring durchgesprochen.

"Der Befehlsempfang hatte damit geendet, dass sie so etwas wie einen Räuberhauptmann erhielten. Karl Ernst wollte nur das Oberkommando führen; den Stoßtrupp sollte ein anderer befehligen: dafür fühlte sich der Brigadeführer zu prominent. Und so wurde dem Sturmbannführer Heini Gewehr die hohe Ehre zuteil, in historischer Stunde seine Gefolgschaftstreue und seine pyrotechnischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen."

Die Brandstiftung selbst spielte sich nach Gisevius dann so ab: "Gegen sechs Uhr fuhren sie vor dem Palais des Reichstagspräsidenten vor, das gegenüber dem Hauptgebäude lag und durch einen unterirdischen Gang mit diesem verbunden war. Es standen dort so viele Autos herum, dass ihre Ankunft überhaupt nicht auffiel ...

"Sofort gingen sie in den Keller hinunter. Dort mussten sie eine ziemliche Weile warten ... Aber plötzlich kam mit lautem Gepolter Karl Ernst herunter. Heini Gewehr schon den Namen finde ich köstlich, ich beneide Goebbels um seine Improvisation meldete, alles sei in Ordnung, und von da an ging alles wie der Wind. Sie jagten durch den vielberedeten unterirdischen Gang. Natürlich vermieden sie es, unnötigen Lärm zu machen. Anderseits hatten sie weder ihre klobigen SA -Schuhe ausgezogen, noch liefen sie auf Gummisohlen, noch hatten sie sonstige Vorkehrungen getroffen, etwa ihre SA -Kluft mit Räuberzivil vertauscht oder wenigstens ihre Ausweise weggesteckt"

Trotz der mangelnden Umsicht der SA-Männer läuft bei Gisevius alles "wie am Schnürchen" ab: Die SA verschwindet, nachdem sie die Brandmittel verteilt hat. Schulze-Wilde hat diese Version in den "Frankfurter Heften" noch weiter ausgesponnen. Bei ihm führt nicht Heini Gewehr, sondern Oberführer Karl Ernst den brandstiftenden SA-Trupp an. Er weiß auch, wie der Brennstoff der Brandstifter beschaffen war: Benzol, Phosphor und "eine Mischung aus Sangajol", ein Brandstoff, der "sich selbst entzündet" und "genau auf 20 Minuten eingestellt" war.

Der Einfall mit dem geheimnisvollen Brandstoff, "der sich selbst entzündet", war nicht eben originell. Das "Sangajol" ist nämlich nichts anderes als Terpentin -Ersatz und spielte im Prozess vor dem Reichsgericht - nur als Bestandteil eines Möbel-Putzmittels für das Gestühl im Plenarsaal - eine absolut harmlose Rolle. Durch eine anonyme Postkarte war nämlich die Behauptung aufgestellt worden, dass durch die ständige Anwendung des mit "Sangajol" verdünnten Putzmittels die Brennbarkeit der Möbel erhöht worden sei.

Nach Schulze-Wilde hatte die SA also ganze Arbeit geleistet. Alles war glatt gegangen. Und: "Zum gerade noch geeigneten Zeitpunkt fand sich auch noch ein unmittelbar greifbarer 'kommunistischer Attentäter!'" Waschinsky hatte ihn beschafft: Marinus van der Lubbe.

"Wie van der Lubbe mit Waschinsky in Verbindung kam, ist nicht sicher bekannt." Das hatte Schulze-Wilde noch am 25. Februar 1956 in einer Zuschrift an die "Süddeutsche Zeitung" geschrieben. Obwohl er seinen geheimnisvollen Informanten aus Paris doch niemals wieder getroffen hat, weiß Schulze-Wilde sechzehn Monate später genau Bescheid. Da schreibt er nämlich in den "Frankfurter Heften":

"Am 18. Februar taucht er (Lubbe) in Berlin auf, im Männerheim in der Alexandrinenstraße. Die Gäste: Erwerbslose, Exmittierte, die ihre Miete nicht bezahlen konnten, Tippelbrüder, verkrachte Existenzen, hören dem Mann aus den Niederlanden amüsiert zu ... Unter den Zuhörern sitzt ein Bursche mit schwarzem Mantel und schwarzen Schaftstiefeln: Paul Waschinsky. Er hat den Auftrag, 'kommunistische Aufrührer' beizubringen . . . Schnell schließt er mit van der Lubbe Freundschaft. Am nächsten Morgen machen sie sich zusammen auf den Weg in die Stadt."

Eine eigene Fassung hat Schulze-Wildes Ko-Autor Meißner über das Bündnis des "Mephisto" Paul Waschinsky mit dem holländischen "Faust" van der Lubbe gegeben. In seinem "Tatsachenbericht" im "Weltbild" Nr. 2/1958 "Ein Toter spricht" wurde "Paul - ein heller Berliner Junge aus Neukölln" - Nachrichtenmann der SA und avancierte bereits im Frühjahr 1932 zu einem der persönlichen Agenten und Begleiter des SA-Führers Karl Ernst. Dann suchte Hanussen einen zuverlässigen jungen Mann für sein Vorzimmer. Die Wahl fiel auf Paul Waschinsky.

Diese Stellung scheint dem hellen Jungen aber nichts eingebracht zu haben, denn er findet sich freitags in der Stempelbaracke in Neukölln ein, um sein Geld abzuholen. Er wird Zeuge, wie am 24. Februar 1933 "ein merkwürdiger Kauz ... mit beiden Fäusten in der Luft herumfuchtelte und schrie: 'Protest! Protest! Deutsche Arbeiter ... Steckt die Bude an!' Dazu rollte er die Augen in seinem gutmütigen Kindergesicht."

Laut Meißner lernt Waschinsky den Holländer also erst am 24. Februar - und nicht am 18., wie bei Schulze-Wilde - kennen. Er begleitet van der Lubbe, wenn der Holländer einkaufen geht, um sich für die Brandstiftungen mit Kohlenanzündern einzudecken, und später sogar bei den Brandstiftungen selbst.

Da sich Meißners Version mit der Darstellung Schulze-Wildes nicht deckt, muss der Leser annehmen, Meißner habe die Einzelheiten selbst recherchiert. Überraschend ist dann freilich Meißners Erklärung: "Die Geschichte von Paul Waschinsky, wie sie hier in großen Zügen berichtet worden ist, wurde ... Harry Wilde um 1935 herum von einem Mann aus Karl Ernsts Gefolge in Paris erzählt."

Bei H. S. Hegner in der "Frankfurter Illustrierten" (der ja mit Harry Schulze -Wilde identisch ist) treffen Lubbe und Paul Waschinsky noch anders - nämlich an einer Tankstelle in Glindow - zusammen. Lubbe bittet einen Freund Waschinskys, der Chauffeur ist, ihn mit nach Berlin zu nehmen. Als Beifahrer sitzt bereits Waschinsky im Wagen. Lubbe hält revolutionäre Reden, spricht von Häuseranstecken, und "Paule" spitzt die Ohren. Das muß er Helldorf melden. Womit denn auch in dieser Version der Kreis geschlossen wäre: Der Brandstifter und die Nazis haben sich gefunden.

In dem Bericht Schulze-Wildes, bei dem Lubbe und Waschinsky sich also bereits seit dem 18. Februar kennen, hat Lubbe am 25. Februar nicht übel Lust, nach Holland zurückzukehren, denn für eine Revolution sieht er keine Chance mehr. "Da erzählt ihm Waschinsky, eine kommunistische Gruppe werde in den nächsten Taden 'das Signal zum Aufstand' geben. Wenn er, van der Lubbe, der erfahrene Revolutionär, dabei sein wolle, dann könne er mitmachen. Nur: Die Gefahr, verraten zu werden, sei groß, die Gruppe verlange eine Art Mutprobe.

"Infolgedessen kauft Marinus in mehreren Geschäften Kohlenanzünder, einige Pakete, und wirft sie, angezündet, am Mittelweg in eine Baracke, es qualmt, und die Feuerwehr wird alarmiert - anschließend in der belebten Königstraße in ein offenes Kellerfenster des Rathauses, wo der Maschinenmeister Kiekbusch den Brand bemerkt und mit ein paar Eimern Wasser löscht -, schließlich auf dem Dach des kaiserlichen Schlosses in eine Bauhütte -, dorthin wird ebenfalls die Feuerwehr geholt."

Die Sache mit der Mutprobe ist zweifellos ein gelungener Einfall. Nur wurde die städtische Feuerwehr tatsächlich in keinem der drei Fälle bemüht.

Am Sonnabendabend gegen 21 Uhr - zwei Tage vor dem Brand - "kommen Waschinsky und van der Lubbe ins Männerheim Alexandrinenstraße ... Van der Lubbe legt sich sofort schlafen. Waschinsky geht noch einmal weg; er informiert seine Auftraggeber. Der Propagandameister der NSDAP hält das Ganze für zwar recht mager, aber mangels jeglicher, sonstiger 'kommunistischer Terrorversuche' gibt er der Redaktion des 'Angriff' die Anweisung durch, die beiden Brandstiftungsversuche, die durch die Alarmierung der Feuerwehr aufgefallen sind, 'ganz groß' aufzumachen." Besonders solle herausgestellt werden, "dass im Schloss eine Menge Brandmaterial gefunden worden sei".

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