Kitabı oku: «PUBERTÄT», sayfa 3

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Wenn Internatsschüler krank wurden, kam gewöhnlich Doktor Spörker, und man musste im Krankenzimmer liegen. Gott sei Dank durfte ich in meinem Zimmer bleiben und wurde vom Besuch des Arztes verschont. Der Ruf vom Schularzt Doktor Spörker war nicht der beste unter den Internatsschülern.

Am Sonntagabend diskutierten wir im Zimmer über die Evolution. Ich weigerte mich zu glauben, dass der Mensch vom Affen abstammt. Ich war fest davon überzeugt, dass Adam und Eva die ersten Menschen waren und dass es vor ihnen nur Tiere wie Schlangen oder Fische gab. Die anderen zogen Frater Helmut zurate, um mich eines Besseren zu belehren. Ich bat ihn, meine Wahrheit zu bestätigen: “Frater Helmut, sagen Sie den anderen, das alle Menschen von Adam und Eva abstammen!“ Ich war mir sicher, dass ein Ordensmann meiner Meinung ist, da es ja auch so in der Bibel steht. Meine Enttäuschung war groß, als auch er mir erklärte, dass der Mensch vom Affen abstammt. Ich verstand die Welt nicht mehr. Es beschäftigte mich lange, dass ich von einem Affen abstammen sollte. Jedenfalls war ich nicht so leicht von meiner Meinung ab zu bringen, und hielt von den Aussagen und der Erklärung von Frater Helmut nicht allzu viel.

Pater Prinz verkündete zu Mittag, dass in der darauf folgenden Woche eine Rockband nach Dachsberg kommt und im Festsaal live spielen wird. Wir warteten sehr gespannt auf diesen Abend. Pater Prinz wusste den Namen der Band nicht, so rätselten wir, ob es nicht vielleicht eine berühmte Band ist. Da damals die „Münchener Freiheit“ sehr bekannt war, hofften einige darauf, dass es diese Band sein würde. Der Buchbauer Bernhard aus meiner Klasse meinte: “Die würden Dachsberg sicher 50.000 Schilling kosten, die können sie sich nicht leisten!“ Es war endlich soweit, und Pater Prinz verkündete beim Mittagessen, dass die Rockband heute Nachmittag eintreffen werde und im Zimmer 26 übernachtet. Ich freute mich darüber, denn das war in meinem Stockwerk. Um halb acht abends begann das Konzert. Es war zwar nicht die „Münchner Freiheit“, aber die Musik war wirklich beeindruckend. Sie spielten moderne Rock-Musik mit religiösen Texten. Fasziniert waren wir auch über die vielen Scheinwerfer, die über der Bühne im Festsaal leuchteten. Am nächsten Tag warteten wir wie Groupies vor dem Zimmer der Band. Wir konnten hin und wieder einen kurzen Blick durch einen Spalt in der Tür ins Zimmer werfen.

In Dachsberg gab es jedes Jahr ein besonderes Event wie dieses. Im Vorjahr landete ein Helikopter am Sportplatz, in dem sich die Internatsschüler reinsetzen durften. Ich war schon gespannt, was wir im folgendem Jahr erleben werden. Leider wurde in den nächsten Jahren in Dachsberg so etwas Tolles nicht mehr organisiert.

Der Winter neigte sich dem Ende zu, und ich litt an schlimmen Halsschmerzen. Die Älteren schickten mich zu Pater Köckeis. Der wollte mir aber nicht glauben, dass ich Halsweh habe und meinte: “Du willst nur die guten Lutschtabletten bekommen!“ Er gab mir schließlich welche, und ich musste feststellen, dass sie wirklich gut schmeckten.

Leider war die Zeit gekommen, uns von Frater Helmut zu verabschieden. Alle waren traurig, ihn als Erzieher zu verlieren und hätten lieber einen anderen Erzieher statt ihn weggehen sehen. Ich tröstete mich damit, dass mir Frater Vanek erhalten blieb, den ich auch gern mochte.

Jetzt war endlich Frühling und wir erforschten den Wald. Im Internat wurde viel über eine verbotene Schlucht gesprochen. Einige aus meiner Klasse waren auch schon dort. Pater Prinz musste davon erfahren haben, denn bei seiner täglichen Ansprache verbot er uns ausdrücklich, hinzugehen: „Es ist sehr gefährlich, in der Sandschlucht ab zu rutschen und in die Tiefe zu stürzen!“ Aber die Gefahr machte uns erst recht neugierig auf dieses Abenteuer. In der Vier-Uhr-Freizeit bot sich auch mir die Gelegenheit, dorthin mitzugehen. Ich war erstaunt, wie tief der Abgrund in der Schlucht war. Man ging ca. 20 Minuten durch den Wald bis zur Schlucht. Die Waldbäume standen nur auf einer dünnen Erdschicht, darunter war nichts als Sand. Einige Bäume waren bereits die steile Wand hinab in die Tiefe gestürzt. Die unterschiedlichen Farben des Sandes waren beeindruckend. Es gab einen Weg, die Wand hinab, wo sich eine Höhle befand. Wir hatten die Schuhe bald voller Sand beim Hinunterklettern, wobei wir uns ständig an Sträuchern und Ästen festhalten mussten. Guido ging vor mir und ließ die Äste immer ganz plötzlich los, sodass ich jedes Mal einen Hieb ins Gesicht bekam.

Als wir endlich bei der Höhle angelangt waren, war auch unsere Kleidung voller Sand. Jetzt mussten wir noch die Äste eines angelehnten Baumes hinaufklettern. Das war mir aber zu riskant. Ich wagte den Aufstieg erst bei meinem zweiten Ausflug in die verbotene Schlucht. Als ich wieder hinunter wollte, hatte ich große Angst ab zu rutschen, und benötigte Hilfe von Guido. Auch ich berichtete stolz von unserem Abenteuer in der Schlucht, und so war es bald die Freizeitattraktion Nummer eins, dort hinzugehen.

Ostern nahte, und ich werde endlich eineinhalb Wochen frei haben. Am Kino-Mittwoch sahen wir dieses Mal wegen Ostern einen religiösen Schwarz-Weiß-Film. Die Handlung war, dass ein vierzigjähriger Mann mit Anzug und Krawatte samt Aktenkoffer dasselbe durch machen musste wie Jesus Christus in der Karwoche. Da ich mir gerne historische Bibelfilme ansah, war diese „Jetzt-Zeit“-Bibelverfilmung nicht gerade mein Fall. Mir war der Protagonist mit seiner Aktentasche unsympathisch.

Es ging um die Rückkehr des Messias in unsere Zeit. Er musste wieder denselben Leidensweg gehen wie vor 2.000 Jahren. Seine „Jünger“ erkannten aber erst bei seiner Himmelfahrt mit Aktentasche, dass er Jesus Christus war. Auch sein tief religiöser Verräter erkannte ihn erst jetzt. Dieser hatte ihn trotz seines Glaubens an Christus verraten. Am Ende verschwand der Aktenkofferträger in einer Wolke. Nach dem Film diskutierten wir darüber am Weg ins Zimmer. Ich teilte Frater Vanek mit, dass mir der Film überhaupt nicht gefallen hat. Er erwiderte nüchtern darauf: „Wenn er Dir nicht gefallen hat, dann bist Du ein Heide!“ Im Zimmer erzählte Christian Mayrhofer, dass Frater Vanek zuvor auch ihn einen Heiden nannte. Ich war enttäuscht von meinem Erzieher, und mein Vertrauen zu ihm war ab da etwas gestört.

Endlich begannen die ersehnten Osterferien. Wie schon zu Weihnachten freute ich mich auf den Besuch von Florian bei seinen Großeltern. Ich saß oben im Presshaus und hielt Richtung Hager-Haus Ausschau, ob Florian aus Bregenz schon eingetroffen war. Jedes Mal, wenn ich ihn oder seine Eltern beim Haus sah, traute ich mir nicht sofort, ihn zu besuchen. Als ich es endlich schaffte, die Türklingel zu drücken, kam ich mir blöd vor, gezögert zu haben. Wir hatten viel Spaß in den Ferien und spielten mit seinem Onkel Norbert und meinen Geschwistern „Eins-Zwei-Drei-Anschlagen“. Das war unser Lieblingsspiel, bei dem wir uns vor lauter Rennen sehr verausgabten. Leider bremste Florians Mutter ihn jedes Mal ein: “Du darfst jetzt nicht mehr rennen, Du bist ja eh schon ganz nass! Der Walter soll jetzt heimgehen, jetzt ist es genug!“ Sie wollte ihren Sohn vor jeder Anstrengung bewahren oder vor „schlechten“ Einflüssen, wie sie es nannte.

Zu Ostern musste ich oft in der Kirche ministrieren: Am Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Ostersonntag und Ostermontag, aber es machte mir Spaß. Am Ostersonntag besuchte uns wie immer Tante Mitzi samt Familie, ebenso die Familie von Onkel Lois. Am Ostermontag fuhr Florian wieder nach Hause, und das machte mich jedes Mal traurig. Wir fuhren am Ostermontag wie gewohnt zur Pötting-Oma. Nun war meine Schokoladen-Osterhasen-Sammlung vollständig, denn von allen Verwandten und auch vom Pfarrer habe ich welche bekommen. Es war Dienstag und die Ferien waren zu Ende. Ich tröstete mich damit, dass in nicht ganz drei Monaten die Sommerferien beginnen.

Zurück in der Schule kamen während des Deutsch-Unterrichts zwei Gendarmen in unsere Klasse und fragten, wer von uns die Fahrradprüfung machen möchte. Wir waren etwas verwundert, denn wir hatten alle schon unseren Fahrradschein.

Vorm Sportunterricht ging ich auf die Toilette. Rene hing sich über die Trennwand und sah mir wieder einmal dabei zu. Ich meldete das dem Sportlehrer Professor Heinz Söllinger, dem das wenig interessierte. Aber wegen lächerlicher Vergehen musste man meistens mit Konsequenzen rechnen. Man bekam richtig Angst, wenn Schulkollegen drohten: „Ich melde Dich!“

Nun ging es wieder einmal Guido an den Kragen. Ein Mädchen aus der Vierten kam mit Frau Professor Söllinger in unsere Klasse, weil ihr ein Junge am Gang ins Gesicht gespuckt hat. Die Beschreibung passte auf Guido. Da sich das Mädchen nicht mehr ganz sicher war, wie der Junge aussah, fragte die Söllinger Guido, ob er sie angespuckt hat. Guido antwortete überraschend: „Ich kann mich nicht mehr erinnern.“ Wegen dieser Antwort bekam er eine saftige Strafe von der Söllinger. Sie drohte ihm eine zweite Mahnung an, wenn er keine bessere Antwort findet, und wies ausdrücklich darauf hin, dass er bei der dritten Mahnung von der Schule fliegen wird. Sie ließ es aber dann doch bleiben. Ich fragte Guido, warum er nicht geantwortet hat, dass er es nicht war. „Ich kann ja nicht einfach lügen! Ich weiß eben nicht mehr, ob ich es getan habe oder nicht!“ War seine verzweifelte Antwort.

Einige Wochen später konnte ich vor der Studierzeit meine Federschachtel nirgends wo finden. Auf einmal entdeckte ich sie völlig zerfetzt in der Altpapierkiste. Ich fragte Guido, ob er sich einen dummen Streich erlaubt hat. Er antwortete wieder, dass er sich nicht erinnern kann, ob er es getan hat. Ich war überzeugt, dass er es nicht war, ebenso bei der Spuck-Attacke. Was machte er wohl gerade durch, dass er sich durch sein „Nicht-Erinnern“ selbst in große Probleme brachte?

Die Söllinger wollte endlich mit Rene abrechnen! Sein Vater kam aber nie zu einem Elternsprechtag oder Elternnachmittag. Pater Prinz lud seinen alten Schulfreund „Francesco, den Meisterzauberer“ alias Mitter Franz, zufällig Renes Vater, ins Internat ein, um seine Zaubershow zu zeigen. Auch die Söllinger saß im Publikum unter uns Schülern, um die Gelegenheit zu nutzen, mit Rene´s Vater zu sprechen. Wir staunten darüber, dass sie plötzlich eine Brille trug. Wahrscheinlich wollte sie so die perfekten Zaubertricks von „Francesco“ durchschauen. Bei der Show wurde alles geboten, was einen tollen Zauberer ausmacht: durchtrennte Körper, abgetrennte Köpfe und Hände usw. In der Pause marschierte die Söllinger auf den Zauberer zu, und sie verschwanden hinter der Bühne. Leider verbesserte sich das Verhalten von Rene nicht, obwohl die Söllinger ihm wiederholt androhte, dass er „gegangen werde“. Bei den Mitschülern wurde er wegen seines Vaters noch beliebter.

Rene hatte nun Thomas als seinen neuen besten Freund auserkoren. Auch Christian und Bernhard gehörten zur Rene-Clique, weshalb man sich vor ihnen in acht nehmen musste. Fast jeden Tag in der Vier-Uhr-Freizeit hörte man Rene im ganzen Haus rufen: „Obermüller, Würstelessen gehen!“ Er lud immer seine Freunde zum Wirt ein. Da es meistens um die fünf Burschen waren, fragten wir uns, wie viel Taschengeld er wohl bekam. Einer von uns durchsuchte sein Nachtkästchen. In seiner Geldtasche befanden sich ungefähr tausend Schilling. Er prahlte auch damit, dass er jede Woche einen Tausender von seinem Vater bekommt. Pater Köckeis durfte nichts davon wissen, denn jeder Betrag über 25 Schilling musste in seiner Geldkasse landen. Nur bei seiner Geldausgabe konnte man wieder 25 Schilling daraus bekommen. Da der Thomas und ich Freunde waren, lud Rene auch mich einmal zum Würstelessen ein. Nachdem alle gegessen und ausgetrunken hatten, sagte Rene zu Christian: “So, heute musst Du bezahlen!“ Er war schon den Tränen nahe, denn er hatte ungefähr zwanzig Schilling dabei. Es fiel ihm ein Stein vom Herzen, als Rene sagte, es war ein Scherz.

Es war Mai, die Bäume blühten und der Fotograf kam, der uns im Februar einen Diavortrag zeigte, um Klassenfotos zu machen. Jedes Jahr wurde ein bestimmter Platz ausgewählt, vor dem alle Klassen und Lehrer posierten. Dieses Mal war es ein blühender Baum vor der Kuhweide an einem herrlichen Maitag. Im Mai war auch mein Geburtstag, den ich erstmals in Dachsberg verbringen musste.

Die vierte Klasse machte eine Klassenzeitung, die wegen ihrer originellen Witze reißenden Absatz fand. Darin war ein Kapitel mit fiktiven Heiratsanträgen unserer Lehrer und Patres an Lehrerinnen. Besonders lustig war der von Pater „Peppo“ Prinz. Aus der Schülerzeitung war ersichtlich, wer der Star der Schule war, nämlich Michael Empacher. Mike war für die meisten in Dachsberg ein Idol. Bei den Junior-Landesmeisterschaften in Tischtennis, die jedes Jahr in Dachsberg stattfanden, erreichte er den ersten Platz. Nach diesem Jahr verließ er Dachsberg leider. In den Sommerferien traf ich ihn am Badesee in Weibern, und meine Schwester Sabine hat sich gleich wieder verliebt. Beim Zurückfahren war sie sehr erfreut, weil er uns zuwinkte, als wir ihn mit dem Auto überholten. Einmal sah ich ihn beim Schuhe-Kaufen. Er hatte sich stark verändert. Als er uns einmal in Dachsberg besuchte, waren wir schockiert, denn er war ein richtiger Punk geworden.

Nach dem Boom mit den Aufziehautos „Flitzer“ wollte nun jeder „Jogging High“ Turnschuhe, mit denen sehr angegeben wurde. Sogar Guido hatte plötzlich welche. Nach kurzer Zeit war fast der ganze Schuhputzraum voll mit Jogging High. In diesem Raum war immer ein furchtbarer Geruch, eben nach verschwitzten Füßen.

Auf die zweite Englisch-Schularbeit bekam ich ein unglaubliches „Sehr Gut“! Leider, wie mir die Söllinger mitteilte, wird sich das aber nicht auf meine Jahresnote zum Positiven auswirken. Als sie mir das Schularbeitenheft übergab, meinte sie: “Nur ein Glückstreffer!“ Ihr Lieblingsschüler Christof Bauer hatte ein „Nicht Genügend“, genau wie ich auf meine vorige Schularbeit. Zu ihm sagte sie: “Christof, Du sollst nicht immer nur lernen, das ist nicht gut. Geh auch mal hinaus und spiel!“ Ich hätte vor Wut platzen können. Das war also mein Lob, obwohl ich wie verrückt gelernt hatte! Im Herbst schon sagte die Söllinger zu meiner Mutter, dass sie nicht weiß, wie ich je Englisch sprechen werde können, ohne das englische „r“ richtig auszusprechen. Meines klang laut Söllinger, wie von unserem Bundeskanzler Fred Sinowatz. Das hatte sich mittlerweile aber gegeben. Meine Mutter fragte sie diesen Elternsprechtag, ob ich mich verbessert hätte. Die Söllinger meinte, sie kann sich nicht erklären, wie ich ein „Sehr Gut“ schaffen konnte: „Es war jedenfalls nur Glück!“. Deswegen überlegte ich, ob sie annahm, dass ich geschummelt hätte. Sie saß während der Schularbeit hinter mir und las Zeitung. Ich war mir sicher, sie hatte ein Loch in die Zeitung gemacht, durch das sie uns beobachtete. Ich nahm mir jedenfalls vor, der Söllinger bei der letzten Schularbeit dieses Jahres zu beweisen, dass es nicht nur Glück war. Leider schaffte ich nur ein „Befriedigend“. Sie sagte darauf, dass ich im Zeugnis nur ein „Genügend“ bekommen werde. Ich war total frustriert. Obwohl Christof Bauer, ihr Lieblingsschüler bei allen Schularbeiten dieselben Noten hatte wie ich, bekam er ein „Gut“. Das war mir dann zu viel der Ungerechtigkeit, und ich suchte Hilfe bei meinem Präfekten Pater Angleitner. In der Abendstudierzeit, während er sich ein Fußballspiel ansah, fasste ich den Mut und schilderte ihm mein Anliegen. Er antwortete, er werde mit ihr reden. Ich glaubte ihm tatsächlich, dass er sich für mich einsetzen wird. Leider bekam ich keine Chance, mein Genügend im Zeugnis auszubessern.

Es war der 30. April, als eine schreckliche Meldung in den Nachrichten kam: In der Ukraine ist in einem Atomkraftwerk namens Tschernobyl ein Atomunfall passiert. Da ich im Internat war, bekam ich nichts davon mit. Wir hatten ein paar Tage frei um den 1. Mai, und Thomas besuchte mich zu Hause. Wir probierten unsere Katamaran-Boote im Schmiedgraben-Teich im Wald aus. Wir hatten die kleinen Segelboote im Werkunterricht aus Tropenholz gebastelt und wollten sie in See stechen lassen. Als Thomas mit dem Rad nach Hause fuhr, setzte ich mich auf die Schaukel und genoss den warmen Regen. In den Abendnachrichten hörte ich danach, man sollte nicht mehr nach draußen gehen, vor allem nicht bei Regen. Einige Wochen zuvor sah ich im Fernsehen den Film „Der Tag Null“, der von den Auswirkungen einer Atombombe handelt. Darum war ich mir sicher, dass wir alle nicht mehr lange leben werden. Zuerst würden alle Tiere sterben, dachte ich, dann bekommen wir alle orange Haare und werden immer magerer bis zum Tod. Ich fragte mich, ob man nicht ein Zimmer im Haus mit Blei verkleiden könnte, um die Strahlung abzuhalten? Als ich merkte, dass es nicht ganz so tragisch verlaufen wird, machte ich Zeichnungen und schrieb ein Referat darüber, das ich nach Pfingsten meinen Zimmerkollegen vortrug.

In Dachsberg fand ein großes Fest statt: Frater Herbert legte seine ewige Profess ab. Damit trat er lebenslang ins Kloster ein. Ich stellte es mir wie im Film „Die Dornenvögel“ vor, wo der Priester in der Kirche am Boden liegen musste. Frater Herbert legte sein Gelübde weniger dramatisch im Knien ab. Es kam extra ein auswärtiger Koch, damit die Festgäste etwas Besseres speisen konnten, als das übliche Essen der Küchenschwestern. Wir bekamen zu Mittag ein Fruchtjoghurt als Nachspeise, was uns lieber war als die sonstigen Nachspeisen. Aber als ich das Buffet für die Gäste sah, packte mich der Neid. Es wurde bis zum Abend gefeiert. Der Ordensneuzugang kam danach in jedes Schlafzimmer und gab uns seinen Segen. Dieser Tag hat uns allen sehr gut gefallen.

Ich wurde auf einmal immer mehr von eitriger Akne befallen und schämte mich dafür. Christian meinte: “Du hast ja eh die Haare über die Stirn, da sieht man es nicht so.“ Leider hatte ich die Akne bald überall im Gesicht und auch am Rücken. Meine Eltern kamen nicht auf die Idee, einen Hautarzt aufzusuchen und so wurde es immer noch schlimmer.

Für unseren Deutschprofessor Lehner wurden Renes Störungen im Unterricht untragbar. Als ihm die Geduld endgültig riss, befahl er ihm: “Setz Dich in die letzte Reihe, nimm Dir ein Matchbox-Auto mit und spiel damit! Ist mir doch egal, was Du machst.“ In der Freizeit wollte mich Rene mit seinen Jogging-High-Schuhen treten. Ich hatte richtig Angst vor ihm und verschwand sofort, wenn ich ihn kommen sah.

Die Schulnoten standen bereits fest, und in Religion bekamen wir unsere Mappen nach Benotung durch Frater Vanek zurück. Er lobte meine Religionsmappe wegen meiner Heiligen-Illustrationen: “Walter ist sein eigener Künstler!“ Leider wurde er vom Orden unerwartet in ein anderes Kloster versetzt. Meine Vorfreude, ihn in der zweiten Klasse als Präfekten zu bekommen, war dahin. Das machte mich traurig, und ich schrieb zur Erinnerung eine Seite über ihn in meiner Religionsmappe.

Zwei Wochen vor den Ferien wurde im Festsaal unser sympathischer Direktor Pater Biregger ebenfalls verabschiedet. Alle Klassen führten auf der Bühne kleine Sketche auf. Für meine Klasse traten Thomas und die beliebte Irene mit Lockenwickler auf. Die Handlung war ein Telefonat: Thomas trieb dabei Irene mit ihrem nicht existenten Sohn Dennis in den Wahnsinn! Eine andere Klasse sang „We are the World“. Pater Biregger war sehr gerührt, und alle waren traurig, ihn zu verlieren. Wegen seines Krebsleidens wurde er in die Wallfahrtskirche auf den Pöstlingberg nach Linz versetzt.

Endlich war Sommer und es wurde richtig heiß. Beim Umziehen vor der Sportstunde meinte ich: “Eigentlich sollte man nackt gehen, wenn es so heiß ist!“ Thomas antwortete: “Du hast kein Schamgefühl!“ Ich fragte, was das denn ist? Er erwiderte: “Wenn Du das nicht weißt, ist eh alles zu spät! Ich sags Dir nicht!“ Aber er erklärte es mir dann doch.

Am Sonntag war der zweite Elternnachmittag dieses Schuljahres, an dem es im Freien immer ein reichhaltiges Kuchenbuffet gab. Von der Dachsberger Theatergruppe wurde jedes Jahr ein Stück aufgeführt. Dieses Jahr wurde „Tingel-Tangel“ von Karl Valentin gespielt. Ich war beeindruckt von den schauspielerischen Fähigkeiten der älteren Schüler. Danach fand ein Fußballspiel Lehrer gegen Väter statt. Meinen Vater hätte ich nie dazu überreden können, mitzumachen. In der letzten Schulwoche wurde immer ein Sportwettkampf veranstaltet. Alle Klassen hielten sich deswegen draußen am Schulgelände auf. Dort sah man ständig Rene mit seiner vier Jahre älteren Freundin Karin, die er ständig küsste. Plötzlich sahen wir, wie er ihr ins Gesicht schlug. Da war es dann vorbei mit der Liebe. Rene suchte Trost bei ihrer um zwei Jahre jüngeren Schwester Doris.

Jetzt, am Schulschluss fand ich einen neuen Freund, den Reitinger Bernhard. Er sagte mir, dass er im nächsten Jahr nicht mehr da sein wird, wegen seiner schlechten Schulnoten. Wir vereinbarten, dass er in den Ferien zu mir nach Hause zum Zelten kommt, aber leider wurde nichts daraus. Ich kopierte mir zur Erinnerung ein Foto, das gemacht wurde, als der Landeshauptmann Dachsberg besuchte. Er war in Wirklichkeit wesentlich fülliger als auf den Fotos. Ich behielt Bernhard in Erinnerung auf dem Foto, wo er neben Landeshauptmann Ratzenböck stand.

Am letzten Tag im Internat gab es wieder einmal „Pferdeleberkäse“ zu Mittag. Man konnte lediglich den Kartoffelbrei essen, denn die Suppe war ebenfalls ungenießbar. Unser Tischmeister Peter Glas sah nicht ein, dass wir nur die Beilage essen wollten, und gab Thomas und mir nur einen kleinen Schöpfer davon. Am Nachmittag bekamen wir riesen Hunger und beschlossen, nach Kirschbäumen zu suchen. Da wir keine fanden, mussten wir uns mit bitteren Wildkirschen aus dem Wald begnügen. Dieser letzte Internatstag der ersten Klasse wird mir wegen meines Hungers und Übelkeit immer im Gedächtnis bleiben. Am nächsten Tag nach der Messe bei der Grotte im Wald, empfing ich mein nicht besonders erfreuliches Zeugnis und wurde von meiner Mutter abgeholt. Ich freute mich sehr darauf, endlich lange zu Hause zu bleiben und nicht lernen zu müssen. Ich dachte gar nicht daran, dass die Schule in neun Wochen wieder beginnt.

Am nächsten Tag traf Florian aus Bregenz ein. Ich konnte endlich auch wieder etwas mit meinen Freunden aus der Volksschule unternehmen. Abgesehen von der anstrengenden Arbeit bei der Ernte am Bauernhof war ich sehr glücklich. Mein zukünftiger Firmpate Onkel Walter aus Wien besuchte uns mit seiner Frau. Sie nahmen Sabine und mich zum Schwimmen mit und schenkten uns aufblasbare Polster. Wir hatten viel Spaß und haben anschließend Würstel in ihrem Haus in Grieskirchen gegessen. Mit meinem Dachsberg-Kameraden Christoph war ich öfter in Bad Schallerbach schwimmen. Leider litt unsere Freundschaft etwas wegen verschiedener Interessen im Internat. Diesen Sommer blieb ich zum letzten Mal bei ihm über Nacht. Seine Eltern überließen uns ihr Schlafzimmer und schliefen in ihrem „Hobbyraum“ im Keller.

Thomas übernachtete auch bei mir, ebenso wie ich bei ihm. Seine Mutter fuhr mit uns nach Feldkirchen zum See, wo ich auch mit meinen Eltern öfter war. Mit Thomas ließ ich mein Katamaran wieder in See stechen. Wir glaubten ein Ungeheuer zu sehen, als eine Ringelnatter mit erhobenen Kopf im Teich schwamm. Schnell flüchteten wir nach Hause und wagten uns einige Zeit nicht mehr zum Schmiedgraben-Teich.

Die zweite Ferienhälfte musste ich für die Schule lernen. Langsam wurde es Zeit, Schulsachen einzukaufen, denn schnell gingen die Ferien zu Ende. Es war Zeit für die Abreise ins Internat, und ich war den Tränen nahe. Wir machten noch halt beim Lebensmittelladen in Pollham, damit ich als Trost Süßigkeiten mitnehmen konnte. Wir nahmen statt einer Tragetasche meist eine Schachtel. Diesmal sah ich eine, die wie ein barocker Kasten aussah. Ich habe mich nicht getraut, sie zu nehmen. Deswegen sagte meine Mutter zur Ladenbesitzerin, dass die Schachtel sehr schön sei. Darauf hin durfte ich sie mir nehmen.

Im Internat angekommen wurde ich in ein Zimmer auf der Straßenseite zugeteilt. Es war viel Verkehrslärm zu hören, was ich schrecklich fand. Wenigstens hatte ich dieses Mal mehr Glück mit dem Bett. Es war eins an der Wand und nicht wie im Vorjahr in der Mitte des Zimmers. Ich bekam neue Zimmerkollegen. Nur der Guido blieb mir erhalten. Als Bettnachbarn hatte ich nun Bernhard. Er war ein Halbstarker, der gern Schwächere schikanierte. Den Burgi kannte ich vorher noch gar nicht. Er musste die zweite Klasse wiederholen, und wir schlossen schon bald Freundschaft.

In der Schule ging der Stress gleich wieder los. In der Freizeit war ich jetzt oft mit Burgi im Wald unterwegs. Hinter der Kuhweide fanden wir einen jungen Laubwald, den wir „Märchenwald“ nannten. Wir mussten auch heuer wieder bei der Kartoffelernte schuften. Die älteren Schüler wurden beauftragt, acht zu geben, dass jeder fleißig arbeitete. Mein einziger Verwandter in Dachsberg, Hubert Weickinger aus der Vierten, wurde im Sommer operiert und durfte den Nachmittag anderwertig genießen.

Uns wurde ein neuer Präfekt angekündigt, auf den wir schon gespannt warteten. Es gab nun auch zwei Erzieher, die nicht Ordensangehörige waren: ein junger Mann namens Wolfgang und die hübsche Angelika. Pater Prinz wies ausdrücklich darauf hin, die Erzieher nicht mit „Du“ anzusprechen. Am nächsten Tag in der Vormittagspause, die wir immer im Speisesaal verbringen mussten, hatte ein fremder hagerer Mann die Aufsicht bekleidet mit altmodischer Jacke und Kappe. Er beobachtete das Geschehen im Speisesaal sehr kritisch. Er musterte jeden, sprach aber kein Wort. Zu Mittag präsentierte Pater Prinz endlich unseren neuen Präfekten. Zu unserer Enttäuschung war es der hagere Mann: Pater Pichler. Er wollte, dass wir ihn mit „Pater Josef“ ansprechen. Es wurde am Schwarzen Brett ab nun informiert, wie man die Erzieher ansprechen musste. Zu unseren Erziehern Angelika und Wolfgang sagten wir „Du“ bis der Wolfgang eines Abends den Guido zurechtwies, dass er mit „Sie“ angesprochen werden wollte. Guido erwiderte: “Wolfgang, warum darf man zu Dir nicht „Du“ sagen?“ Wolfgangs Antwort an Guido war eine Strafaufgabe. Angelika, die für die erste Klasse zuständig war, erlaubte uns „Du“ zu ihr zu sagen, nur sollte es Pater Prinz nicht erfahren. Angelika war wie ein Engel zu uns. Abends las sie in einem Zimmer der ersten Klasse oft Märchen vor, wozu auch wir eingeladen waren. Alle wurden ganz still und waren wie verzaubert von Angelikas Stimme.

Auf Wunsch meiner Eltern begann ich beim neuen Erzieher Wolfgang Froschauer mit dem Gitarrenunterricht. Ich teilte mir die Gitarrenstunde mit einem Erstklassler: dem Schwaiger Alois. Nach einiger Zeit wollte ich alleine Unterricht bekommen, was meinen Eltern mehr Geld kostete. Ich konnte abends im Internat schwer einschlafen und war morgens zu früh wach. Allmählich wurde das zum Problem, denn ich konnte mich in der Schule nur schwer konzentrieren. Tagsüber war ich beim Lernen so übermüdet, dass ich mir fast nichts merken konnte.

Am Samstagnachmittag übte ich zu Hause eifrig auf meiner Gitarre, als plötzlich mein Vater laut schrie. Ich dachte mir nichts dabei, denn ich war gewöhnt, dass er oft laut wurde. Plötzlich raste er mit dem Auto davon. Ich sah Mama und meine Schwester Ulli im Garten weinen. Mein Bruder Thomas war vom Traktor gefallen, und das große Traktorrad hatte ihn überrollt. Mein Vater brachte ihn ins Krankenhaus, und Sabine musste dabei seinen Kopf stützen. Meine Mutter informierte mich darüber, und ich dachte, er würde sterben. Ich hatte wieder so ein Weltuntergangsgefühl wie bei Tschernobyl.

Mein Vater hatte es gerne, wenn ihm jemand beim Traktorfahren Gesellschaft leistete. Als er Thomas und Ulli mit den Fahrrädern am Feld vorbei fahren sah, fragte er sie, ob sie mitfahren wollen. Im Traktor gab es nur einen zusätzlichen Sitzplatz, den die kleine Ulli benötigte. Thomas musste an der Tür stehen. Beim Pflügen war es sehr wackelig im Traktor, weshalb sich Thomas an der Türklinke festhielt. Plötzlich sprang die Traktortür auf, und Thomas fiel hinaus. Papa reagierte erst, als Ulli laut schrie. Er sah, dass Thomas unter dem großen Rad eingeklemmt war. Papa setzte sofort zurück, sprang aus dem Traktor und rannte mit Thomas zum Auto. Sabine musste mitfahren, um seinen Kopf zu stützen, der immer mehr anschwoll und blau wurde.

Thomas lag nach der Operation seiner Arme und Beine auf der Intensivstation und war immer noch nicht außer Lebensgefahr. Auch unsere Oma aus Pötting war zur selben Zeit im Krankenhaus und sah so oft es ging nach ihm. Das Weiße von seinem Augapfel war völlig rot geworden, was mehrere Wochen anhielt. Thomas kam erst nach drei Wochen völlig eingegipst wieder nach Hause. Er hatte großes Glück, noch am Leben zu sein! Er war Gott sei Dank in eine gepflügte Furche gefallen, sodass ihn der Traktor nicht völlig zerdrücken konnte. In der Schule versäumte Thomas sehr viel. Noch dazu war er ohnehin schon ein Jahr zurückgestellt worden, da er eine Frühgeburt war. Meinem Vater wurde die Vormundschaft über Thomas entzogen. Das Gericht fragte Thomas irgendwelche Dinge, die er nicht verstand. So antwortete er auf alles einfach mit „Ja“. Onkel Lois war nun sein neuer Vormund.

Im Internat war die Gefahr gejagt und geschlagen zu werden, jetzt nicht mehr so groß, denn es gab neue Erstklassler. Denen wurde von den Älteren schnell beigebracht, Guido mit „Fido“ anzusprechen. Guido war sehr damit beschäftigt, die kleinen Plagegeister zu jagen. Er drohte ihnen Schläge an, wenn sie ihn so nannten. Es nützte nicht viel.

In fast jeder Freizeit stand Dobi aus der dritten Klasse in der Aula. Er packte mich plötzlich am Kragen und fragte: „Was bin ich?“ Ich antwortete, dass er brav ist, damit er mich in Ruhe lässt. Dobi ließ mich nicht los und fragte nachdrücklicher: „Was bin ich?“ Ich bat ihn, mich endlich loszulassen. Er verlangte von mir zu sagen: „Du bist schwul!“ Ich sagte also, dass er schwul ist, und er gab Ruhe. Dasselbe machte er mit fast jedem, der an ihm vorbei kam, vor allem mit den Neuen. Dobi wurde allgemein als komisch bezeichnet. Ich war mir sicher, sein Name sei Tobias und er kommt aus Wels. Er fuhr immer mit der Welser Fahrgemeinschaft mit. Später erfuhr ich, dass er Martin heißt und aus Thomasroith kam.

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