Kitabı oku: «Allmächd, scho widder a Mord!», sayfa 6

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Max Schneider, der schon zwei, drei Mal den abgelegenen Ort als Ausgangsbasis für naturnahe Wanderungen nutzte, und sich an das gute und billige Essen der Gaststätte Waldesruh erinnerte, kam auf die Idee, sich bis Ende des Monats hier einzunisten. Hier gab es keine neugierigen Nachbarn, keine Polizeistation und um diese Jahreszeit keine Touristen. Er hatte den VW Passat in der alten Holzscheune geparkt und montierte gerade das ERH-Kraftfahrzeugkennzeichen ab, um es durch ein geklautes Fürther Kennzeichen zu ersetzen. In den nächsten Tagen hatte er noch einige Aufgaben zu erledigen. Da waren die beiden GLORIA-GmbH-Werbeaufkleber und das dazugehörige Fahrzeug. Ihm fiel ein, dass sich die Freiwillige Feuerwehr Obersinn im letzten Jahr einen Opel Omega als Kommandofahrzeug zugelegt hatte. Ein Feuerwehrfahrzeug, mit Blaulicht, auf den Türen einen Aufkleber der GLORIA GmbH, das wäre doch was. Das macht doch Eindruck? Wer würde da noch an einer routinemäßigen Austauschaktion der Feuerlöscher zweifeln? Er nahm sich vor, mit Abu Hassan Akbar zu sprechen. Draußen im Steinbachtal fiel lautlos der Schnee. Hügel, Felder und Bäume lagen bald unter einer dichten, weißen Decke.

Die Tage vergingen, ohne dass sich etwas Aufregendes ereignete.

Das BKA und der BND erhielten immer mehr Informationen über die untergetauchten Terroristen. Das führte sie aber dennoch nicht weiter. Mueselim Ansari war zwischenzeitlich seinen schweren Verletzungen erlegen, und auch um Ibrahim al-Assad sah es nicht gut aus.

Anton und Barbara Stieler wurden immer nervöser. Der Tag ihrer Abreise in eine unbekannte, fremde Welt rückte immer näher. Dann fiel ihnen siedend heiß ein, dass sie die Reise gar nicht antreten konnten. Sie verfügten nicht mal über einen Koffer. Die lästige Frau Hornhaut rückte mit einem roten Hartschalen-Monster auf vier Rollen an. Der einzige Lichtblick, den die Stielers kurz vor der geplanten Abreise genossen, war der warme Geldsegen, der ihnen überraschend ins Haus schwappte. Eintausend Euro zahlten ein paar ausländische Touristen dafür, dass sie zwei Wochen in Barbaras Geburtshaus wohnen durften. „Das sind wichtige Manager aus dem Ölgeschäft“, erklärte ihnen der deutsche Reiseführer mit dem Rauschebart, „die suchen Erholung und Entspannung vor einer kritischen, explosiven Geschäftsbesprechung.“ Anton Stieler konnte mit dem Begriff „Manager“ nichts anfangen. Sein Freund Rudi Haselmann aus Bergsinn war auch im Ölgeschäft tätig. Der betrieb eine Heizölfirma, hatte einen mittelgroßen Lkw und kutschierte damit den ganzen Tag in der Gegend herum. Rudi hatte noch nie geklagt, dass er Erholung und Entspannung brauche. Ob Rudi vielleicht auch ein Manager war? Vielleicht kein richtiger, weil, das wusste Anton ganz genau, Rudi Haselmann nie zu explosiven Geschäftsbesprechungen ging. Rudi Haselmann trank bei allen Kunden, wenn er sein Heizöl abgeliefert hatte, ein Schnäpschen. Davon konnte man doch nicht explodieren? Anton Stieler glaubte die Geschichte nicht. Das waren bestimmt ausländische Gäste, die auch zu der Prunksitzung in Veitshöchheim wollten. Ihre Kostüme trugen sie ja schon. Das verstand er ja gerade noch. Aber dass sie sich jetzt schon die Bärte angeklebt hatten, hielt er doch für etwas übertrieben.

Der Tag des Aufbruchs war gekommen. Die vier Terroristen verstauten ihr Gepäck im roten Opel Omega. Auf dem Fahrzeugdach strahlte das Glasgehäuse der Blaulichtanlage in der aufgehenden Morgensonne, welche im Osten über die tief verschneiten Hügel kroch. Auf der Fahrer- und Beifahrertür prangten gut lesbare, blaue Werbeaufschriften und versprachen:

GLORIA.GmbH Service für protex-Feuerlöscher Wir garantieren Sicherheit

Abu Hassan Akbar verstaute persönlich seine drei Sprengsätze im Kofferraum und aktivierte sie. In Veitshöchheim hatten sie keine Zeit mehr dazu, denn sie würden die Mainfrankensäle direkt anfahren, ihre Arbeit verrichten und dann noch eine Nacht im Dr.-Bolza-Ring verbringen. Am Abend des darauffolgenden Tages würde Abu Hassan Akbar das größte Feuerwerk auslösen, das Veitshöchheim je gesehen hatte. Er trieb seine Leute an, pünktlich zu sein. Um neun Uhr wollte der Hauseigentümer zur Schlüsselübergabe vorbeikommen.

Anton Stieler tuckerte auf seinem alten Fendt-Traktor das verschneite Steinbachtal hinauf. Er war gedanklich nicht ganz bei der Sache. Veitshöchheim, die anwesende Politikprominenz und die Altneihauser Feierwehrkapelln spukten ihm im Kopf herum. Er und seine Frau mitten drin. Wenn die Sitzung doch nur schon vorbei wäre!

Zwei Minuten nach neun Uhr stoppte sein Fendt vor dem Anwesen seiner Frau Barbara. Der deutsche Reiseleiter stand bereits kostümiert vor einem roten Opel Omega, in welchem die drei ebenfalls maskierten Ölmanager Platz genommen hatten. Der Pkw gehörte der Firma GLORIA-GmbH und auf dem Dach war ein Blaulicht angebracht. So ein Fahrzeug hatte die Freiwillige Feuerwehr Obersinn auch. Die Schlüsselübergabe war schnell vollzogen und Anton Stieler wünschte dem deutschen Reiseleiter und seinen Gästen alles Gute, eine hoffentlich baldige Rückkehr und eine erfolgreiche, explosive Geschäftsbesprechung. Dann startete der rote Pkw und rauschte, trotz Schneelage, mit zunehmender Geschwindigkeit das Steinbachtal hinunter.

Anton Stieler überlegte sich noch, ob er im Haus nach dem Rechten sehen oder gleich wieder zurückfahren sollte. Er entschied sich für einen kurzen Rundgang durch das Haus. Als er die Wohnküche betrat, fiel ihm sofort ein kleines schwarzes Kästchen auf, welches auf dem Küchentisch lag. So etwas hatte er noch nie gesehen.

Der rote Opel Omega war bereits zehn Kilometer von Emmerichsthal entfernt, als Abu Hassan Akbar der Schreck in alle Glieder fuhr. „Stopp!“, schrie er auf dem Beifahrersitz des Opels. „Sofort halten!“ Max Schneider stieg in die Eisen. Yousat Khan und Shakir Yakisan flogen mit den Köpfen gegen die Kopfstützen der Vordersitze. Abu Hassan riss die Beifahrertür auf und rannte zum Kofferraum. Dann warf er sich wieder in den Beifahrersitz. „Zurück!“, rief er, „alles zurück nach Emmerichsthal!“

Anton Stieler überlegte sich, was er mit seinem Fund machen sollte. Mitnehmen oder liegen lassen? Ob die Ölmanager das schwarze Kästchen für ihre explosive Geschäftsbesprechung brauchten? Vielleicht wäre es ratsam, das geheimnisvolle Kästchen erst einmal Rudi Haselmann zu zeigen. Vielleicht konnte der etwas damit anfangen? Anton Stieler besah sich das Teil etwas genauer. On, Off, was hatte das denn zu bedeuten? Ob Rudi Haselmann das weiß? Anton bezweifelte dies. Neugierig wie er war, drückte er auf die Taste Off. Nichts geschah. Dann drückte er auf On. Auf einem winzigen, rechteckigen Fenster erschien eine rote, vierstellige Zahl. Dahinter stand, ebenfalls in Rot, MHz. Bestimmt ein Wort in einer ausländischen Sprache. Die Zahl und das MHz blinkten ständig. Ob sich das so gehörte? Anton Stielers Blick fiel zufälligerweise durch das Küchenfenster nach draußen. Ein roter Opel Omega fuhr mit affenartiger Geschwindigkeit das Steinbachtal herauf. Oh je, die Feriengäste hatten den Verlust ihres schwarzen Kästchens bemerkt, und er stand da, hatte das Ding eingeschaltet und wusste nicht, wie er das Blinken ausschalten konnte. Das musste der rote Knopf sein. Anton drückte mit seinem rechten Daumen so fest er nur konnte.

Einhundert Meter vor dem Ortseingangsschild Emmerichsthal stieg mitten auf der Straße eine gewaltige Stichflamme in die Höhe. Der Knall, der ihr folgte, war ohrenbetäubend. Die Druckwelle traf das Küchenfenster, und hunderte kleiner Glasscherben flogen Anton Stieler um die Ohren. Von der Druckwelle verbogene und von der Hitze zerschmolzene Kfz-Teile prasselten auf die Dächer des Stielerschen Anwesens herab. Anton meinte gar, er habe einen menschlichen Arm durch die Luft wirbeln sehen. Als sich der Rauch um den Explosionsherd verflüchtigt hatte, gähnte ein fünf Meter tiefes Loch in der Straße. Auf einen Durchmesser von zehn Metern gab es keine Teerdecke, keinen Straßengraben und keine Verkehrsleitpfosten mehr. Das Ortseingangsschild lag demoliert vor Anton Stielers Hauseingang.

Aus dem Ausflug nach Veitshöchheim wurde verständlicherweise nichts. Leopold Hornhaut war es nicht möglich seine Polizeiuniform auszuleihen. In den nächsten Tagen war er berufsbedingt zu sehr engagiert. Das gab es bei Leopold noch nie. Aus den besagten Gründen war es ihm auch nicht möglich, das Ehepaar Stieler mit dem Dienstfahrzeug nach Veitshöchheim zu kutschieren. Ohne Kostüm und ohne angemessene Anreise wollte Adam Stieler aber nicht in die Foosenachd-Hochburg. Zudem, auch er war viel zu sehr beschäftigt: Er war einziger Augen- und Ohrenzeuge der gigantischen Explosion in Emmerichsthal. Warum sich der rote Opel Omega laut knallend in seine Bestandteile aufgelöst hatte, war ihm noch immer ein Rätsel.

Das BKA und der BND hielten eisernes Schweigen über die Angelegenheit. Offiziell handelte es sich bei dem „BÄNG“ im Steinbachtal um den Einschlag eines kleinen Meteoriten.

MI6, CIA und der Mossad strichen fünf gefährliche Al-Qaida-Terroristen von ihren Fahndungslisten.

Am ersten Februar feierten die bayerischen Politikpromis und die Veitshöchheimer Foosenachdsgäste eine rauschende Prunksitzung. Die anti-fränkische Altneihauser Feierwehrkapell’n aus der Oberpfalz bekam Gegenwind von einer Pro-Franken-Stimmungskapelle. Die sprechende Nilpferddame Amanda eroberte wieder einmal die Herzen der närrischen Besucher. Heißmann und Rassau schlüpften in die Rollen von Präsident Obama und der deutschen Bundeskanzlerin, und der bayerische Finanzminister entzückte als Marilyn Monroe. Nur sein bayerischer Kollege vom Innenministerium war offensichtlich noch immer auf Verbrecherjagd. Zumindest hatte er seinen schwarzen Sheriffhut und seinen Colt, mit denen er jedes Jahr zur Prunksitzung kam, noch nicht abgelegt. Mehr als viereinhalb Millionen Fernsehzuschauer verfolgten an den Bildschirmen die Veitshöchheimer Prunksitzung.

Am 4. Februar meldete der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Ostsinn das Kommandoführungsfahrzeug, einen roten Opel Omega, als gestohlen.

Fastenzeit – Bamberg

Stolz und mächtig überragt das Wahrzeichen Bambergs, der Dom St. Peter und St. Georg, die Dächer der weiter unten liegenden Altstadt. Nur oben, auf dem Michaelsberg, genießt das ehemalige Benediktinerkloster St. Michael einen noch schöneren Ausblick auf die alte Stadt am Main. Die Luft war noch eisig an diesem 15. Februar 2013. Das Thermometer zeigte um die null Grad an. Schneereste waren überall in der Stadt verteilt. Noch waren wenige Touristen unterwegs, die sonst in Scharen das altehrwürdige Rathaus mitten in der Regnitz umlagern, im Schlenkerla das berühmte, nach geräuchertem Schinken schmeckende, dunkle Rauchbier probieren und zum Dom hochziehen, um schließlich oben auf St. Michael einen herrlichen Blick über die Stadt zu genießen. Doch mit den ersten Frühlingsstrahlen würden die Besuchermassen bald wieder in die Altstadt einfallen – aus ganz Europa, den USA, aus Japan und aus China, um Deutschlands größten, mittelalterlich erhaltenen Stadtkern zu bewundern. Das ist sicher, wie das Amen in der Kirche. Dann zücken sie wieder ihre Fotoapparate und Filmkameras, um Klein-Venedig, das alte Rathaus und die alten Gassen der Stadt auf ihre Chipkarten zu bannen.

Pünktlich um fünfzehn Uhr nachmittags erwachte hoch oben im Glockenstuhl des Nordostturms die mächtige Heinrichsglocke zu neuem Leben. Wie jeden Freitag um diese Zeit, schickte sie ihr Geläut von selten schöner Fülle und Tragfähigkeit hinunter in die Altstadt, über den Main und hinauf zu St. Michael, um an die Sterbestunde Jesus zu erinnern. Nur freitags und an hohen Feiertagen war sie zu hören. Seit dem Jahr 1442 hängt sie dort oben im Glockenstuhl und ist mit ihren fünftausendzweihundert Kilogramm die schwerste der zehn Glocken im Dom. Am 13. August 1311 wurde sie gegossen und zählt heute zu einem der bedeutendsten Glockengießerwerke Deutschlands. Sie ist beileibe nicht die älteste der Bamberger Glocken. Einhundertsechsundzwanzig Jahre älter ist die Kunigundenglocke, welche ebenfalls im Nordostturm hängt.

Drinnen im Innern der stattlichen Kirche, in der sich architektonisch spätromantische mit frühgotischen Stilelementen verbinden, leitete der Diözesanbischof einen Gottesdienst für das Domkapitel. Von der Geistlichkeit waren der Domprobst, der Generalvikar, der Domdekan, fünf weitere Bamberger Würdenträger sowie zwei Gäste aus dem Bistum Regensburg anwesend.

„Gedenke Mensch, dass du Staub bist und zu Staub zurückkehren wirst.“ Wenige Tage vorher, am 11. Februar – zwei Tage vor Beginn der vierzigtägigen Fastenzeit, welche bis Karsamstag dauerte – hatte ein wahrer Paukenschlag die katholische Kirche erschüttert. Papst Benedikt XVI. hatte für Ende des Monats seinen Rücktritt angekündigt. Altersbedingt fühle er sich nicht mehr in der Lage, den Petrusdienst auszuüben, hatte er der Welt verkündet.

Der Gottesdienst im Bamberger Dom war nur spärlich besucht. Die anwesenden Gläubigen verloren sich in den Kirchenbänken des riesigen Gotteshauses. Ein eiskaltes, graues Augenpaar verfolgte mit äußerstem Interesse den Gottesdienst. Doch nicht die Riten, Gebete und Inhalte der Gottesanrufung waren es, die den Besucher interessierten. Seine Blicke fixierten abwechselnd die beiden Geistlichen aus Regensburg. Er kannte sie. Sehr gut sogar. Er konnte sich genau an sie erinnern. Wie oft war er in den letzten Jahrzehnten nachts aufgewacht? Schweißgebadet! Immer wieder träumte er von den Szenen, damals vor neununddreißig Jahren. Sie hatten sich in sein Gehirn gebrannt. Ganz tief. Er war vierzehn Jahre alt gewesen, damals in Regensburg. Kurz vor dem Stimmbruch. Wenig später verließ er die Regensburger Domspatzen. Nun sah er die beiden wieder. Er war extra ihretwegen gekommen. Aufgestiegen in der Hierarchie der katholischen Kirche waren sie grau und alt geworden und hatten sich dicke Wänste angefressen. Einer von ihnen trug den päpstlichen Ehrentitel Monsignore, Kaplan seiner Heiligkeit. Der andere Verbrecher – das waren sie in seinen Augen noch immer – nannte sich Ehrendomherr und war Ehrenmitglied des Domkapitels in Regensburg. Ihre persönlichen Missbrauchsfälle waren bisher nicht untersucht worden, wie so viele nicht. Wie auch? Es gab keine Ankläger, keine Anschuldigungen, heile Welt. Es machte auch keinen Zopf. Den alten Dreck aufzuwühlen, brachte nichts. Viele dieser alten, geilen Böcke waren bereits verstorben. Was passierte denn schon mit den noch lebenden Sexualverbrechern, deren Taten Jahrzehnte später aufgedeckt wurden? Sie wurden vom Dienst suspendiert, entlassen oder versetzt, aus dem Klerikerstand entfernt, verwarnt, zeitweise beurlaubt, zu spirituellen Einkehren geschickt, zeitweise krankgeschrieben oder psychisch behandelt. Na und? Waren das angemessene Strafen für das, was sie sich in früheren Zeiten zu Schulden hatten kommen lassen? Beileibe nicht! Er war heute zweiundfünfzig Jahre alt, und die beiden heiligen Fettsäcke da vorne vielleicht siebzig. Sie hatten damals sein Leben zerstört und taten heute noch immer so, als wäre Nächstenliebe eine Tugend, welche sie ständig ausüben. Sie hatten gelobt, in Armut zu leben, und führten doch ein Scheinleben in Saus und Braus. Irgendetwas ist da kaputt. „Das System ist es“, dachte er, „das ganze scheinheilige, veraltete und verkrustete System der katholischen Kirche ist kaputt. Völlig am Arsch. Vogel-Strauß-Politik! Affen-Syndrom. Nichts sehen, nichts hören, nichts sprechen. Heile, heilige Welt. Nur das Nötigste zugeben, wenn es denn gar nicht anders geht. Schwamm drüber und nicht mehr darüber reden. Alles vergessen. Lasst uns weiter heucheln.“

Der Zweiundfünfzigjährige hatte beschlossen, dieses Spiel nicht mehr mitzumachen. Sie hätten nicht kommen dürfen. Nicht nach Bamberg. Er würde sie bestrafen, diese beiden nichtsnutzigen Säcke, angemessen bestrafen, wie es sich gehörte und wie sie es verdient hatten. Er war nicht der Einzige, dem sie geschadet hatten. Sein bester Jugendfreund, Berti Dollinger, hatte sich im Alter von achtzehn Jahren aufgehängt. Selbstmord! Aus, basta, vorbei! Jedermann, der Berti einigermaßen gut kannte, dachte: Der macht seinen Weg schon in jungen Jahren. Ein eiskalter, talentierter Managertyp! Dabei hatte Berti bereits mit sechzehn beschlossen, seinem Leben ein Ende zu setzen. Eine Abi-Note von 1,0, das war es, was Berti sich noch vorgenommen hatte. Was er sich selbst noch beweisen wollte. Trotz Missbrauch. Er schaffte es. Einen Tag, nachdem er seine Abi-Note erfuhr, erhängte er sich auf dem Dachboden seines Elternhauses. Sein Tagebuch war anklagend und schockierend zugleich, aber er nannte keine Namen, er schützte die Täter noch im Tod. So war Berti. Doch er, der ein ähnliches Schicksal wie Berti erlitten hatte, dachte anders. Er hatte sich nicht umgebracht, obwohl er schon daran gedacht hatte. Die Zeit für eine endgültige, gerechte Abrechnung war endlich gekommen. Ja, Strafe musste sein, wenn auch spät. Er würde sie hart bestrafen, die beiden geilen Böcke. Sie sollten bald am eigenen Leib erfahren, was sie ihren Opfern vor fast vierzig Jahren angetan hatten. Sie hatten kein Recht mehr auf Leben. Zu dieser Meinung hatte er sich endlich durchgerungen.

„Oh Gott, komm mir zu Hilfe!“, verkündete der Domprobst.

„Herr, eile mir zu helfen“, antworteten die anderen Geistlichen sowie die anwesenden Gläubigen.

„Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.“

„Wie im Anfang so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.“

Die Geistlichen teilten sich in zwei Gruppen auf und sangen im Wechsel Psalm 147: „Gut ist es, unserem Gott zu singen; schön ist es, ihn zu loben. …“

Nach dem Psalm ergriff der Erzdiözesanbischof das Wort: „Die Rede vom Weltgericht wendet sich an diejenigen, die nichts von Jesus Christus gewusst haben und – ihrem Gewissen folgend – richtig gehandelt haben. Durch die beispielhafte Aufzählung menschlichen Sorgens füreinander deutet Jesus auch sein eigenes Handeln, Leiden und Sterben für alle Menschen.“

„Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich“, übernahm erneut der Domprobst.

„Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst“, antworteten die anderen Kleriker.

„Ich werde euch auch bald erlösen“, ging es dem Zweiundfünfzigjährigen aus Strullendorf durch den Kopf.

„Wie Weihrauch steige mein Gebet zu dir auf.“, betete der Domprobst weiter, und alle antworteten:

„Wie das Abendopfer sei das Erheben meiner Hände.“

Der Strullendorfer verfolgte aufmerksam den restlichen Gottesdienst, dann verließ er mit anderen Besuchern den Dom durch die Adamspforte.

Draußen hatte sich eine Gruppe Chinesen aufgestellt, Hände erhoben und Mittel- und Zeigefinger gespreizt, dicke Pudelmützen auf den Köpfen. Sie kicherten, und alberten wie eine Kindergartengruppe herum. Eine breitgesichtige Chinesin hatte einen Fotoapparat in der Hand und versuchte, etwas Ruhe und Ordnung unter ihre Landsleute zu bringen, die sich zwischen den sechs Sandsteinfiguren von Heinrich II., Kaiserin Kunigunde, dem Heiligen Stephanus, Adam und Eva und dem ersten Papst Petrus aufgestellt hatten.

Monsignore Karl Diezinger aus Regensburg und sein geistlicher Mitstreiter, Ehrendomherr Helmut Brunnhuber, waren auf eigenen Wunsch im Hotel Brudermühle untergebracht worden. Fünf Tage, bis zum 19. Februar, waren für sie in dem malerisch gelegenen Hotel direkt an den Ufern der Regnitz zwei Zimmer gebucht worden. Monsignore Diezinger, der schon häufig Gast im Hotel war, bestand wie immer auf ein Zimmer der Kategorie Klein Venedig, mit direktem Blick auf das alte Rathaus. Das Hotel hat einen großen Vorteil, fand er: Es liegt nur wenige Gehminuten vom Dom entfernt. Die beiden brauchten nur die Karolinenstraße hinunterlaufen bis zur Herrenstraße, rechts abbiegen und schon waren sie da. Zudem, am anderen Ende der Herrenstraße, nur ein paar Schritte in die Dominikanerstraße hinein, liegt das Lieblingslokal der beiden, das weithin bekannte Schlenkerla. Auch im Cafe am Dom hielten sie sich zuweilen gerne auf, wenn sie nicht gerade die nachmittägliche Kaffeepause im Eiscafé Bassanese verbrachten. „Erfahrungsaustausch mit dem befreundeten Erzbistum Bamberg“ nannten sie so einen Kurzausflug in die Stadt am Main. Sie kamen gerne hierher. Die Bamberger hatten es schon immer verstanden, ein hervorragendes Bier zu brauen. Auch die fränkische Küche mit den bekannten Nürnberger Rostbratwürsten und dem besten Schweinebraten, dem Schäuferle, war jedes Mal für eine neue Überraschung gut. Am Sonntagabend hatte der Diözesanpriester mit ihnen einen Ausflug in den Aischgrund geplant. Noch war Karpfensaison. Sie hatten schon viel von dieser fränkischen Spezialität gehört, die Fische aber noch nie probiert. Sie würden sich überraschen lassen.

Monsignore Diezinger sah auf seine Uhr. Noch eineinhalb Stunden bis Mitternacht. Zeit, ins Bett zu gehen. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Die fünf fränkischen Bratwürste mit Sauerkraut und dem frischen Bauernbrot lagen ihm noch im Magen. Sie schwammen in eineinhalb Liter Schlenkerla-Rauchbier und drei doppelten Schnäpsen William-Christ-Birne. Vor allem das Sauerkraut rumorte und gärte in seinem Magen. Er spürte die Blähungen in seinen Gedärmen. Schon zwei Mal musste er geräuschvoll Luft ablassen. Eigentlich war ja Fastenzeit, sagte ihm sein Glaube, und er hatte sich tagsüber auch daran gehalten. Heute Abend war ihm aber im Magen ganz flau geworden. Richtig schlecht. Sein Hunger meldete sich und grummelte in den Gedärmen. Er zog sich bequeme Freizeitkleidung an. Der Weg zum Schlenkerla war nicht weit, er hätte ihn blind gefunden.

Monsignore Diezinger nahm gerade seinen Schlafanzug aus einer Kommodenschublade, als von außen dezent an seine Zimmertür gepocht wurde. „Monsignore, entschuldigen Sie die späte Störung“, vernahm er eine männliche Stimme, „ich habe eine Nachricht des Diözesanbischofs für Sie.“ Der Regensburger Kleriker öffnete neugierig die Zimmertür.

Am nächsten Morgen, am Samstag um sieben Uhr, betraten an der Weinschänke Bischofsmühle ein Rentner und sein Kurzhaardackel die Untere Mühlbrücke. „Langsam, langsam Benedikt. Was zerrsdn so? Mier hamm doch Zeid!“ Benedikt wedelte mit dem Schwanz, schnupperte hier und da und wartete mit langer Leine auf sein Herrchen. Kurz vor dem Hotel Brudermühle blieb Benedikt auf seinen krummen Beinen stehen und sah vom Steg hinunter auf das Wasser der Regnitz. Dort unten, in der Ecke des steinernen Wehrs, zwischen angeschwemmten Ästen und sonstigem Unrat hing etwas Großes, Weißes. Benedikt konnte sich nicht daran erinnern, dieses Ding schon jemals vorher dort gesehen zu haben. Das Ding gehörte da nicht hin, das wusste der Kurzhaardackel ganz genau. Er verharrte an Ort und Stelle. Ein unfreundliches Knurren entrann seiner Kehle. „Was isn los Benedikt? Erschd ziehgsd wie a Büffl, und dann mogsd auf amol nemmer weider“, beschwerte sich Michl Baumüller bei seinem Hund. Aber Benedikt wollte tatsächlich nicht weiter. Nun begann er zu bellen, Schnauze und Blick auf das Wasser des Flusses gerichtet. „Ja, was isn nacherdla edz dees?“, fragte Michl Baumüller seinen Hund. Der sah ihn mit einem Blick an, als wollte er seinem Herrchen sagen: „Alder Debb, was fragsdn edz do miech? Ohne Benedikt häsd du gor ned gmergd, dass do undn was lichd, was do gor ned hie gherd“.

Fünfundzwanzig Minuten später wimmelte es vor Polizeibeamten, Feuerwehrleuten, Mitarbeitern der Kriminaltechnischen Untersuchung und des BRK. Auch Kriminalkommissar Bertram Hofinger war ein Teil des Gewusels.

Unten auf der Regnitz tuckerte ein Motorboot der DLRG heran, welches zuvor den Notarzt aufgenommen hatte. Taucher machten sich bereit, mit Neoprenanzügen in den kalten Fluss zu steigen. Auf der Oberen Brücke drängten sich die Schaulustigen bis an die rot-weißen Absperrbänder der Polizei heran und deuteten auf den nackten Leichnam, der im Fluss lag und dessen weißer Bauch wie die Spitze eines Eisbergs aus dem Wasser ragte.

„Heiliche Scheiße“, knurrte Bertram Hofinger, „ausgrechned heid am Samsdooch! Scho widder a Wochnend fudsch! Hädd der alde Feddsagg do undn ned bis Mondooch a nu wardn kenna? Muss der ausgrechned am Samsdooch ins Wasser schbringa?“

Doch da täuschte sich der Kommissar. Es handelte sich bei dem Fettsack in keinster Weise um einen Selbstmörder oder gar um ein Unfallopfer. Monsignore Karl Diezingers Schädel war mit einem schweren Gegenstand eingeschlagen worden. „Aa dees nu, a Mord“, klagte der Kommissar, als der Notarzt unten im Boot ihm seinen ersten Befund zurief, „dees had mer edz grod nu gfehld wie a Grobf im Hals.“

Während am frühen Samstagmorgen der ewige Junggeselle Kommissar Hofinger sich fluchend auf ein arbeitsreiches Wochenende einstellte und Ehrendomherr Helmut Brunnhuber bereits zum dritten Mal an die Zimmertür von Monsignore Diezinger anklopfte, um ihn zum Frühgebet abzuholen, saß der zweiundfünfzigjährige Mörder in seiner Küche in Strullendorf, schenkte sich eine große Tasse Kaffee ein und schmierte sich ein knusprig frisches Brötchen mit angeräucherter Geflügelleberwurst. Den ersten Teil seiner Aufgabe hatte er erledigt.

Wie einen Film ließ der Mörder die Geschehnisse des gestrigen Abends noch ein Mal vor seinem geistigen Auge ablaufen. Als der geistliche Würdenträger seine Zimmertüre öffnete, ging alles ganz schnell. Der überraschte Monsignore wusste gar nicht wie ihm geschah. Das mit Chloroform getränkte und auf Nase und Mund gepresste Geschirrtuch setzte den Kirchenmann sehr schnell außer Gefecht. In tiefe Bewusstlosigkeit versunken bekam er nicht mit, dass er vollständig entkleidet und an Armen und Beinen mit Kabelbindern gefesselt wurde. Ein strapazierfähiges Klebeband verschloss seinen Mund.

Es dauerte, bis der Kleriker wimmernd und mit angstvoll aufgerissenen Augen aus seiner Ohnmacht erwachte. Der Eindringling ließ ihm Zeit, bis der auf dem Fußboden liegende, nackte Geistliche mit erschreckender Realität die Aussichtslosigkeit seiner misslichen Situation erkannte. Er rüttelte und zerrte an seinen Fesseln. Ohne Erfolg. Dann erzählte der Strullendorfer dem Monsignore mit ruhigen, aber deutlichen Worten eine Geschichte, welche bis in das Jahr 1974 zurückreichte. Der Geistliche lauschte den Worten, und als er endlich kapiert hatte, wer da vor ihm auf dem Stuhl saß und mit frostigen Augen auf ihn herabblickte, traten ihm dicke Schweißperlen auf die Stirn, und er zerrte erneut an seinen Fesseln.

„Und nun zu dir, du Schwein“, vernahm er die Stimme, „du hast schwer gesündigt, und das weißt du auch. Du hast dir damals nichts daraus gemacht, wie es deinen Opfern erging, nachdem du sie missbraucht und dich befriedigt hast. Wir waren deine Schutzbefohlenen im Reigen der Regensburger Domspatzen. Du solltest uns beschützen, auf uns aufpassen. Wir sollten mit unseren Sorgen, unseren Nöten jederzeit zu dir kommen, hatte es geheißen. Deine Aufgabe war es, uns immer als Ansprechpartner zur Seite zu stehen, notfalls zu trösten und uns zu helfen unsere Probleme zu lösen. Hast du das getan? Nein, hast du nicht! Im Gegenteil, du hast unsere damalige heile Welt in ein Inferno verwandelt, in ein sexuelles Inferno, voller Schmerzen, schlechtem Gewissen, Ängsten und Demütigungen. Es hat dich nicht gekümmert, nicht interessiert, wie wir uns danach fühlten. Einzig und allein um deine Geilheit ging es dir, die Befriedigung deiner abartigen sexuellen Gelüste. Wie oft haben wir dir die Pest an den Hals gewünscht, das glaubst du gar nicht. Nie bist du angeklagt worden, nur weil unsere Eltern sich schämten und auf Stillschweigen bestanden. Wie viel Geld hast du Ihnen für ihr Schweigen gegeben, du Verbrecher?

Aber nun, nun habe ich dich gefunden, du Drecksau, und du wirst büßen. Du hättest nicht hierher kommen dürfen. Es stand ganz groß in der Zeitung. Erfahrungsaustausch nennt man das bei euch, eure Völlerei und Fressorgien? Hat die Fastenzeit nicht längst begonnen? Ich habe dir heute Abend im Schlenkerla zugesehen, wie du deine fünf Bratwürste in deinen Wanst hineingefressen hast. Es war deine Henkersmahlzeit, das kann ich dir jetzt schon verraten.“

Monsignore Karl Diezinger zerrte an den Kabelbindern und wimmerte vor Todesangst.

„Geht dir schon die Muffe?“, wollte sein Peiniger höhnisch wissen. „Du hast allen Grund dazu, das kann ich dir sagen.“ Mit diesen Worten griff er in seine Jacke und holte eine Kerze heraus. „Ich habe dir etwas Schönes mitgebracht. Eine Kerze. Eine Trauerkerze, genauer gesagt. Sieh sie dir genau an. Ich lese dir vor, was darauf steht. ‚Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag‘. Schön, nicht wahr? Und so passend. Ich habe mir gedacht, dass es dich vielleicht doch interessiert, was wir, damals vor neununddreißig Jahren gefühlt haben, als du mit deinem dreckigen Schwanz in uns eingedrungen bist.“ Mit diesen Worten drehte er den nackten, auf dem Boden liegenden Priester und rollte ihn auf den Bauch. Dann zog er sich ein Paar Latexhandschuhe über, nahm die Kerze in die Rechte und spreizte mit der linken Hand die mächtigen Arschbacken von Monsignore Diezinger auseinander. Er setzte die Kerzenspitze am Anus des Klerikers an und schob sie mit brutaler Gewalt in seinen Darm, bis sie verschwunden war. Der stöhnte mit schmerzverzerrtem Gesicht, riss die Augen auf und zitterte am ganzen Körper. „Gefällt es dir? Macht es dir Spaß?“, hörte er die hasserfüllte Stimme. Dann wurde er wieder auf den Rücken gedreht. „Schön drin behalten“, vernahm er den klaren Befehl, „sonst schiebe ich sie dir wieder rein. Wieder und wieder, bis du mein kleines Geschenk behältst. Keine Sorge, für deinen scheinheiligen Kumpan, den Ehrendomherr habe ich auch noch eine.“ Der Monsignore sah den Mann mit schmerzvollen, ängstlichen Augen an. Dann registrierte er mit glasigen Blicken, wie dieser sich im Zimmer umsah und nach einem schweren, gusseisernen Kerzenständer mit scharfen Kanten griff. „Bete nochmal für dich, dein letztes Stündlein ist längst angebrochen. Es ist Zeit für dich, von dieser Welt Abschied zu nehmen.“

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Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
410 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783954885947
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