Kitabı oku: «Ökologie der Wirbeltiere», sayfa 10

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3.6 Nahrungssuche in der Gruppe

Bei der Großzahl der Carnivoren und vielen anderen Arten sind die Individuen einzeln unterwegs, wenn sie Nahrung suchen. Dies war die Prämisse in den bisherigen Kapiteln zur Nahrungssuche: Die Optimierungsmodelle behandelten die Tiere als ökonomisch unabhängige Einheiten. Zahlreiche Arten aber handeln anders: Die Individuen leben sozial und suchen gemeinsam Nahrung, sei es in kleinen Gruppen, sei es in großen Schwärmen oder Herden (social foraging). Betrachten wir ein Beispiel, etwa einen Schwarm von Strandläufern, kleinen Watvögeln (Limikolen), die irgendwo am Meeresstrand Nahrung suchen. Sie bewegen sich schnell vorwärts, picken hier und dort, und immer wieder kommt es während Sekundenbruchteilen zu aggressiven Gesten zwischen Individuen. An einem patch mit erhöhter Nahrungsdichte hält der Schwarm an, und einige Strandläufer erbeuten einen Ringelwurm, wobei die erfolglosen Nachbarn versuchen, ein Stück davon zu stehlen. Immer auch mustern einige der Vögel die Umgebung, und als ein Greifvogel erscheint, fliegt der ganze Schwarm unvermittelt auf. Nun, auch sozial lebende Tiere suchen ihre Nahrungsaufnahme zu optimieren. Wäre es für den einzelnen Strandläufer deshalb nicht vorteilhafter gewesen, er hätte den reichen patch allein ausbeuten können? Hätte er ihn allein gar nicht gefunden? Oder ist er durch den erfolgreichen Versuch, ein Stück Ringelwurm zu stehlen, allenfalls mit geringerem Aufwand zu Beute gekommen? Hätte er auf sich gestellt den herannahenden Prädator gesehen?


Abb. 3.9 Eine landscape of fear des Kapborstenhörnchens (Xerus inauris) in Südafrika, bei der die Kosten des Prädationsrisikos mittels Isolinien von Opportunitätskosten kartiert sind. Die Isolinien bezeichnen die Energieaufnahmerate in Joule pro Minute, bei der die Erdhörnchen ihre Nahrungssuche auf einem patch aufgaben. Je weiter weg vom Bau ein patch war, desto höher war die bei Aufgabe verbliebene Nahrungsmenge, doch formten auch Bäume und andere das Prädationsrisiko beeinflussende Elemente die Karte mit (nach van der Merwe & Brown 2008) (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Oxford University Press, © OUP).

Diese Fragen zu beantworten und dahinter die Gründe für die Vorteile der Nahrungssuche im sozialen Verband zu suchen, ist mit den bisherigen Optimierungsmodellen nicht möglich. Jedes Individuum hat ja das Verhalten seiner Gruppenmitglieder zu berücksichtigen und ist in seiner Entscheidungsfindung nicht mehr frei, sondern auf den Konsens in der Gruppe angewiesen (Conradt & Roper 2005). Es ist die Spieltheorie, die uns die Werkzeuge in die Hand gibt, mit denen wir Taktiken von Gruppenmitgliedern modellieren und Entscheidungen voraussagen können, um sie am realen Verhalten der Tiere zu testen. Die Modelle kommen zu dem Schluss, dass die beste Taktik eines Individuums immer von den Taktiken abhängen wird, die andere Gruppenmitglieder anwenden. Gibt es aber Strategien, die konstant besser sind als andere? Diese Strategien müssten durch die natürliche Selektion favorisiert sein und, falls sie von der ganzen Population angewendet werden, nicht durch eine Alternative verdrängt werden können – sie sind evolutionär stabil (evolutionary stable strategy, ESS; Maynard Smith 1982). Eine ESS braucht kurzfristig nicht unbedingt die vorteilhafteste Strategie für die Population zu sein; die Stabilität ist das entscheidende selektionierte Merkmal. Übersichten zur Theorie des social foraging offerieren Giraldeau & Caraco (2000), Waite & Field (2007), Giraldeau (2008b) oder Hamilton I. M. (2010). An dieser Stelle wollen wir uns nicht mit den Modellen, sondern empirischen Befunden zu den Vorteilen und Nachteilen der Nahrungssuche in der Gruppe beschäftigen; auch dazu gibt es eine vertiefte Darstellung (Krause & Ruxton 2002).

Dass gruppenweises Nahrungssuchen Kosten verursacht, ist intuitiv klar: Prädatoren konkurrieren um dieselbe Beute, und je mehr Individuen einen patch ausbeuten, desto geringer ist die pro Individuum erzielte Aufnahmerate. Ausnahmen können sehr reiche Nahrungsquellen sein, etwa große Fischschwärme, die durch einen Schwarm Seevögel oder eine Robbengruppe nicht merklich dezimiert werden können. Unabhängig von der Rate der Ausbeutung kann es aber zu Behinderungen der Prädatoren untereinander kommen, sogenannten Interferenzen. Individuen geraten sich «in die Quere», wobei sich die Aufnahmerate – mit oder ohne resultierende Aggression – reduziert. Interferenzen nehmen mit der Dichte der nahrungssuchenden Tiere zu und können starke Auswirkungen haben. Oft kommt es zu Kleptoparasitismus, das heißt, erfolglose Individuen versuchen den erfolgreichen Artgenossen Nahrung abzujagen. In der Regel parasitieren dominantere Individuen die untergeordneten, was diese veranlassen kann, kleinere Beute zu fangen, die für die Dominanten weniger attraktiv ist (Sih 1993). Kleptoparasitismus kommt auch zwischen Individuen verschiedener Arten vor (= interspezifischer K.), sowohl unter Säugern als auch unter Vögeln. Arten aus Vogelfamilien, in denen das Verhalten überdurchschnittlich häufig auftritt (zum Beispiel Möwen, Greifvögel, Störche), nutzen eher offene Habitate und zählen auch Wirbeltiere zu ihrer Nahrung. Sie sind nicht unbedingt größer als die von ihnen parasitierten Arten, weisen aber relativ größere Hirnkapazitäten auf, was auf erhöhte kognitive Fähigkeiten schließen lässt (Morand-Ferron et al. 2007b). Kleptoparasitismus kann sich energetisch lohnen: In England überwinternde Lachmöwen (Chroicocephalus ridibundus; Abb. 2.4), die Regenwürmer von nahrungssuchenden Kiebitzen (Vanellus vanellus) stahlen, vermochten damit ihren Tagesbedarf zu decken und sogar einen minimen Überschuss von 5,9 KJ/Tag zu erzielen (Barnard & Thompson 1985).

Offensichtlich übertreffen die Gewinne bei der Nahrungssuche im Sozialverband deren Kosten bei vielen Arten. Drei Aspekte stehen im Vordergrund:

1. Die nahrungssuchenden Tiere müssen sich selbst gegen Angriffe von Prädatoren schützen, was in der Gruppe oft einfacher ist; sie senken so ihr Mortalitätsrisiko.

2. Bei der Nahrungssuche im Verband sind sie erfolgreicher und können Abwehrstrategien der Beute wieder «aushebeln»; insgesamt erhöhen sie die Rate der Nahrungsaufnahme.

3. In der Gruppe kann Nahrung besser gegenüber Konkurrenten verteidigt beziehungsweise schneller konsumiert werden; dies spielt besonders bei sozialen Carnivoren eine Rolle.

Auch wenn nahrungssuchende Gruppen für Prädatoren auffälliger sind als solitäre Individuen, so helfen gruppenspezifische Faktoren, das Prädationsrisiko für die einzelnen Gruppenmitglieder zu senken. Wichtig sind vor allem drei Effekte:

1. Das «Mehr-Augen-Prinzip», das heißt die größere Zahl wachsamer Individuen, die es erlaubt, die eigene Wachsamkeit zu reduzieren, um mehr Zeit für die Nahrungssuche zu gewinnen. Dazu gehört auch das Aufstellen von Wachtposten (sentinel; Abb. 3.10) oder die Verbreitung von Information mittels Warnrufen. Der «Mehr-Augen-Effekt» kann massiv sein. So hatten solitär lebende Männchen der Grauwangenmangabe (Lophocebus albigena), einer regenwaldbewohnenden afrikanischen Primatenart, ein mehrfach höheres Prädationsrisiko als gruppeninterne Männchen (Olupot & Waser 2001).


Abb. 3.10 Nahrungssuche in größeren Gruppen verhilft zur Möglichkeit, gewisse Aufgaben untereinander aufzuteilen. Bei bestimmten Vogelarten und kleineren Säugetieren, die in kooperativen Gemeinschaften leben, wie zum Beispiel die Erdmännchen (Suricata suricatta), stellen sich einzelne Individuen für eine gewisse Zeit als Wachtposten auf. Sie handeln aber nicht altruistisch, denn sie übernehmen eine Wache erst, wenn sie gesättigt sind, und sie wachen an sicheren Orten, die gute Fluchtmöglichkeiten offenlassen (Clutton-Brock et al. 1999).

2. Falls es doch zu einem Angriff kommt, spielt zudem das Prinzip der Verwässerung (dilution effect) eine Rolle: Die Wahrscheinlichkeit, selbst Opfer zu werden, ist abhängig von der Zahl der Angreifer und der eigenen Gruppengröße. Weil die Zahl der attackierenden Prädatoren oder die Häufigkeit der Angriffe normalerweise nicht proportional zur Gruppengröße ansteigt, sinkt das Risiko eines Angriffs für das einzelne Gruppenmitglied mit zunehmender Gruppengröße (Cresswell W. 1994; Lehtonen & Jaatinen 2016). Solche Gruppen sind als selfish herd bekannt geworden, wenn die Wahrscheinlichkeit, Opfer zu werden, auch von der räumlichen Position des Mitglieds in der Gruppe abhängt (Hamilton W. D. 1971).

3. Dazu kommt noch ein Effekt der Verwirrung respektive der Ablenkung des Prädators (confusion effect): Bei dichten, sich geschlossen bewegenden Huftierherden oder Vogel- und Fischschwärmen haben Prädatoren mehr Mühe, sich auf ein einzelnes Opfer zu konzentrieren, als wenn sich ein Individuum optisch oder räumlich isolieren lässt.

Diese Effekte favorisieren offenbar auch artgemischte Gruppen und werden zur Erklärung des Phänomens der gemischten Vogelschwärme in tropischen und subtropischen Wäldern (Box 3.2) wie auch der wenig untersuchten Funktion artgemischter Säugetiergruppen (vor allem von Huftieren, Primaten und Walartigen) herangezogen (Stensland et al. 2003). Eine umfassende Übersicht empirisch belegter Beispiele zu diesen Effekten lieferte Caro (2005), während Danchin et al. (2008) neuere theoretische Überlegungen zum Thema beisteuerten.

Die Abwehrmaßnahmen der Beute gilt es auf Seite der Prädatoren zu kontern, und die zweckmäßigste Lösung ist oft dieselbe Strategie: Jagen in der Gruppe oder im Sozialverband. Damit lässt sich zum Beispiel die kompakte Schwarm- oder Herdenstruktur der Beute aufbrechen, der Fangerfolg durch koordinierte Jagd unter den Gruppenmitgliedern steigern und in der Gruppe schnellere oder größere Beute überwältigen. Fischfressende Wasservögel, zum Beispiel Kormorane (Phalacrocorax sp.) oder Tölpel (Morus sp.), erzielen den Effekt bei der Tauchjagd auf schwarmbildende Fische über die Menge der gleichzeitig Angreifenden, aber ohne spezielle Koordination. Kaptölpel (Morus capensis) hatten bei ihrer Stoßjagd auf Sardinenschwärme den niedrigsten Fangerfolg, wenn der angegriffene Schwarm in den vorangehenden 15 s nicht attackiert worden war, und mehr als doppelt so hohen Erfolg, wenn in dieser Zeitspanne zuvor ein oder zwei Angriffe erfolgt waren. Die Störung des Schwarmzusammenhalts erreichte jeweils einige Sekunden nach dem Angriff ihr Maximum (Thiebault et al. 2016). Pelikane (Pelecanus sp.) hingegen, die Fische aus dem Wasser «schöpfen», gehen koordinierter vor, da der Fisch-schwarm eingekesselt werden muss.

Beim eigentlichen kooperativen Jagen, der organisatorisch höchstentwickelten Form gemeinsamer Nahrungssuche, übernehmen die Gruppenmitglieder spezifische Rollen (Bailey et al. 2013). Solches Verhalten zeigen einige Caniden und – als Ausnahme unter den Feliden – der Löwe (Abb. 4.30). Wir haben bereits in Kapitel 3.3 gesehen, dass kooperatives Jagen den Löwen erlaubt, Beute zu schlagen, die wesentlich schwerer ist als sie selbst. Kooperation kann sich auch direkt positiv auf die Konstitution auswirken. Bei Fossas (Cryptoprocta ferox), der größten Prädatorenart Madagaskars, erreichten kooperativ jagende Männchen größere Körpergrößen als einzeln jagende Geschlechtsgenossen (Lührs et al. 2013). Nicht immer ist der Vorteil aber direkt auf verbesserten Jagderfolg zurückzuführen. Bei Wölfen zeigte sich, dass Rudelmitglieder zunächst einen geringeren Fleischertrag erzielen als einzeln jagende Tiere. Der Vorteil ergibt sich erst durch die Tatsache, dass solitäre Wölfe oder kleine Gruppen einen größeren Teil der Jagdbeute an schmarotzende Aasfresser verlieren als größere Rudel (Vucetich et al. 2004; Kaczensky et al. 2005). Ähnliches ist bei anderen in Gruppen jagenden Prädatoren, wie Löwen oder Afrikanischen Wildhunden (Lycaon pictus; Abb. 3.12), festgestellt worden (Cooper 1991; Courchamp & Macdonald D. 2001; Carbone et al. 2005b).

Box 3.2 Bird parties: Gemischte Schwärme nahrungssuchender Vögel

Im winterlichen Wald trifft man gelegentlich auf einen rastlosen Schwarm nahrungssuchender Singvögel, der aus verschiedenen Arten besteht. Das Phänomen solcher bird parties oder mixed feeding flocks ist in subtropischen und tropischen Wäldern noch ausgeprägter und weniger jahreszeitenabhängig. Die Schwärme bestehen meist aus Vogelarten mit kleiner und verhältnismäßig einheitlicher Körpergröße (Sridhar et al. 2012). Die Form der Nahrungsaufnahme – das heißt, die Zugehörigkeit zu einer Gilde - kann aber differieren: Einige fangen Insekten aus der Luft, andere lesen sie von Blättern und Zweigen ab (gleaning) oder finden sie durch Stochern in der Rinde, wieder andere nehmen Nektar oder kleine Früchte auf. Schwärme haben oft eine typische Artenzusammensetzung gemäß dem Stratum, das sie bearbeiten (zum Beispiel Unterwuchs oder Laubdach; Srinivasan et al. 2012). Die Hypothesen zur Erklärung des Verhaltens sind dieselben wie zur sozialen Nahrungssuche in artreinen Trupps: erhöhte Effizienz und verbesserte Feindvermeidung, wobei sich die beiden nicht ausschließen.

Die vorhandenen Daten stützen primär die Prädationshypothese: Schwarmteilnehmer rekrutieren sich eher aus Arten, die in den Bäumen Nahrung suchen, und weniger aus Arten, die in der schützenden bodennahen Vegetation aktiv sind; zudem steigt die Häufigkeit des Schwarmverhaltens mit der Vielfalt an vogeljagenden Greifvogelarten im Gebiet (Thiollay 1999). Die regelmäßigsten Schwarmteilnehmer sind gleaners, die kryptische Beute suchen und deshalb der Umgebung weniger Aufmerksamkeit schenken können (Stutchbury & Morton 2001; Abb. 3.11). Obligate Schwarmmitglieder haben tatsächlich höhere Überlebensraten (um 70 % pro Jahr) als Arten, die nur zeitweise oder nie an Schwärmen teilnehmen (58–60 %; Jullien & Clobert 2000). Die Effizienz der Nahrungssuche steigt mit abnehmendem Aufwand für die Wachsamkeit aber ebenfalls an. Hier muss allerdings zwischen den leaders, Arten die den Schwarm initiieren und «anführen», und followers unterschieden werden. Leader-Arten bleiben wachsam und steigern die Nahrungsaufnahme nicht, Follower-Arten gesellen sich den Leader-Arten zu und vermögen zu profitieren (Sridhar et al. 2009).


Abb. 3.11 Streifenkopf-Laubsänger (Phylloscopus reguloides; links) und Scharlachmennigvogel (Pericrocotus speciosus; rechts) sind beide stete Teilnehmer in gemischten Schwärmen in den Wäldern des östlichen Himalajas. Der Laubsänger als gleaner ist eher in Schwärmen der unteren Straten anzutreffen, der Mennigvogel erhascht Insekten nach kurzem Flug von einer Warte aus (sallying) und zieht vorzugsweise durch das Kronendach. Die Gilde dieser Fluginsektenjäger profitiert davon, dass benachbarte gleaners Insekten aufscheuchen (Sridhar & Shanker 2014).


Abb. 3.12 Welche Gruppengröße Afrikanischer Wildhunde bei der Jagd als optimal betrachtet werden kann, hängt auch davon ab, welche currency zur Berechnung benutzt wird. Im Bereich der häufigsten Größe (etwa 8–12 Individuen) erreichten die Wildhunde zwar die geringste Ausbeute pro Tier und Tag, bei Umrechnung auf den zurückgelegten Weg – und damit der Berücksichtigung der energetischen Kosten – hingegen den höchsten Ertrag (Creel & Creel 1995). Wildhunde können täglich große Strecken zurücklegen: im Bild ein Mitglied einer Männchengruppe im schnellen Trab auf der Suche nach Beute.

Die Frage, ob die Notwendigkeit kooperativen Jagens zur Evolution sozialer Strukturen bei Prädatoren geführt hat, ist wie andere Aspekte anhand spieltheoretischer Modelle erkundet worden (Packer & Ruttan 1988). Es zeigte sich, dass mit zunehmender Gruppengröße mit Profiteuren (scroungers) gerechnet werden muss, nämlich Individuen, die vom Jagderfolg anderer Gruppenmitglieder (producers) Nutzen ziehen, selbst aber wenig dazu beitragen. Deshalb nimmt der Jagderfolg bei Wölfen schon ab einer Rudelgröße von vier Tieren nicht mehr weiter zu (McNulty et al. 2012), während Afrikanische Wildhunde die besten Erfolge in größeren Gruppen erzielen (Creel & Creel 1995). Profiteure sind dann erfolgreicher als die producers, wenn deren Zahl gering ist, während sie in deren Überzahl weit unter dem zu erwartenden Erfolg bleiben (Barnard & Sibly 1981; Giraldeau & Dubois 2008). Dieses Muster ist auch im Feld bei Trauergrackeln (Quiscalus lugubris), einer neotropischen Stärlingsart, gefunden worden, doch erzielten «unter dem Strich» alle Individuen etwa denselben Nutzen, weil sie zwischen den Strategien wechselten (Morand-Ferron et al. 2007a).

Ein letzter möglicher Vorteil sozialer Nahrungssuche ist noch nicht erwähnt worden: der allfällige Gewinn von Information über Nahrungsquellen. Eine ganze Anzahl von Experimenten, viele von ihnen mit Vögeln, hat gezeigt, dass manche Tiere aus dem Verhalten ihrer Nachbarn Schlüsse ziehen können, wie sie selbst an versteckte und nur kurzzeitig vorhandene Quellen herankommen können (Krause & Ruxton 2002). Ward & Zahavi (1973) entwickelten die Idee, dass Ansammlungen von Vögeln, etwa am Schlafplatz oder in Brutkolonien, auch als Informationszentren dienen (information centre hypothesis). Demnach sollen erfolglos gebliebene Tiere aus dem Verhalten ihrer zu- und wegfliegenden Artgenossen (Bringen sie Nahrung mit? Fliegen sie anschließend zielstrebig in eine bestimmte Richtung weg?) auf deren Sucherfolg schließen können und den erfolgreichen, über die Nahrungsquellen informierten Individuen dorthin folgen. Die empirische Beweislage ist nicht eindeutig, doch gibt es einige gut belegte Beispiele für die Existenz eines solchen Mechanismus bei sozial lebenden Vögeln, etwa der nordamerikanischen Fahlstirnschwalbe (Petrochelidon pyrrhonota; Brown C. R. 1986) oder des Kolkraben (Corvus corax; Marzluff et al. 1996). Zudem lässt sich auch spieltheoretische Unterstützung finden (Danchin et al. 2008). Die Untersuchungen an Brutkolonien von Meeresvögeln machen im Allgemeinen aber eher folgendes Szenario plausibel: Die Tiere kennen die Hotspots, die Zonen mit guten Nahrungsvorkommen, auf einer größeren Skalenebene und steuern einen Hotspot unabhängig vom Verhalten anderer Individuen an; sobald sie aber irgendwo Artgenossen sehen, die gerade einen Fischschwarm ausbeuten, schließen sie sich an (Davoren et al. 2003). Das Szenario entspricht dem Suchverhalten von Geiern, die große Flächen im Suchflug bestreichen, zugleich aber ihre entfernt fliegenden Artgenossen im Auge behalten und ihnen folgen, sobald deren Verhalten auf die Entdeckung von Aas schließen lässt. Dieser Effekt wird als local enhancement bezeichnet.

3.7 Nahrung horten

Vor allem Tiere in saisonalen Klimazonen sehen sich damit konfrontiert, dass zu gewissen Zeiten Nahrung im Überfluss da ist, zu anderen Zeiten – meist im Winter – jedoch nicht. Eine Möglichkeit, Nahrung für später verfügbar zu machen, haben wir in Kapitel 2.7 kennengelernt: Hyperphagie. Die täglich aufgenommene Nahrungsmenge liegt über dem Bedarf für den normalen Gesamtumsatz, und die Differenz wird in Form von Körperfett angelagert. Diese Form der Nahrungs- respektive Energiespeicherung bringt allerdings vielfältige Kosten mit sich, nicht zuletzt durch die energetische Verteuerung der Fortbewegung und teilweise auch Erhöhung des Prädationsrisikos, wenn die Manövrierfähigkeit durch die Fettanlagerung beeinträchtigt wird. Am Rotkehlchen (Erithacus rubecula; Abb. 6.5) wurden solche Effekte experimentell untersucht: Schwerere Vögel können zwar bei einem Angriff eines Prädators gleich schnell starten wie jene ohne Fettpolster, doch ist ihr Abflugwinkel geringer und weniger an jenen des Angreifers angepasst (Lind et al. 1999).

Eine andere Möglichkeit ist die externe Speicherung von Nahrung als Vorrat (food hoarding), die als Strategie auch mit Fettspeicherung und Energieeinsparungen mittels Torpor kombiniert werden kann. Vorratshaltung eignet sich nur bei sedentärer Lebensweise und nur für Ware, die nicht verderblich und auch geruchlich schlecht lokalisierbar ist. Carnivoren können Beute deshalb höchstens kurzfristig aufbewahren; eine Ausnahme ist möglicherweise der Vielfraß (Gulo gulo), der in seinen arktischen Lebensräumen ganzjährig mikroklimatisch günstige Stellen zum Horten von Fleisch vorfindet (Inman et al. 2012). Getrocknetes Pflanzenmaterial ist ebenfalls schlecht zur Aufbewahrung im Freien geeignet, kann aber von überwinternden Nagetieren und Hasenartigen, besonders Pfeifhasen (Ochotona sp.) in ihre Baue eingetragen werden. Bei Insektenfressern geschieht dies auch mit Invertebraten (Merritt 2010). Prädestiniert zum Horten sind hingegen fettreiche Samen und ganze Nüsse, da sie nicht nur lange haltbar sind, sondern mit ihrer hohen Energiedichte auch die Kosten für Eintragen, Verstecken und Wiederfinden rechtfertigen. Vorratshaltung wird deshalb hauptsächlich von Samenfressern in gemäßigten und hohen Breiten betrieben, zumeist kleineren Nagern und gewissen Vogelarten aus den Familien der Meisen (Paridae), Kleiber (Sittidae) und Rabenvögel (Corvidae; Pesendorfer et al. 2016). Die gehortete Nahrung muss versteckt werden (caching), damit sie nicht an Konkurrenten fällt. Dies kann an einem Ort geschehen (larder hoarding), oft im Bau selbst. Doch viele Nager und die hortenden Vögel verteilen die Nahrung dezentral (scatter hoarding), indem sie sie in kleinen Ritzen oder Löchern an Bäumen, im Boden, unter Steinen oder ähnlich verstecken. Allenfalls muss verhindert werden, dass Samen frühzeitig keimen. Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) beißen etwa den Embryo aus Eicheln heraus; diese Fähigkeit scheint angeboren zu sein (Steele M. A. et al. 2006). Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes; Abb. 3.13) präferieren Mikrostandorte als Verstecke, die ungünstige Keimbedingungen bieten (Neuschulz et al. 2015). Übersichten über die vielfältigen Formen mit spezifischen Verhaltensweisen bei der Vorratshaltung von Tieren findet man bei Vander Wall (1990), kürzere Zusammenfassungen für die Säugetiere bei Feldhamer et al. (2007), Merritt (2010) oder Vaughan et al. (2011).


Abb. 3.13 Tannenhäher und Arvenkeimling. Es ist noch nicht lange her, dass Tannenhäher als Samenprädatoren und vermeintliche Verursacher eines Rückgangs von Arven vom Menschen verfolgt wurden. Auch wenn Tannenhäher bei ihren Suchgrabungen in alpinen Arvenbeständen um 80 % der Verstecke wiederfinden, bleiben bei der Menge der vergrabenen Arvensamen sehr viele keimfähige Samen zurück. Am Baum hängen gebliebene oder auf den Boden gefallene Samen werden hingegen fast vollständig von Nagetieren und Vögeln konsumiert. Dazu kommt, dass der Tannenhäher die Samen bis 15 km weit und über Höhendifferenzen von 600 m transportiert. Da er Samen vor allem auch an und über der bestehenden oberen Waldgrenze versteckt, trägt er so zu einer räumlichen Ausbreitung der Arve bei, welche der Baum selbst nicht leisten könnte (Mattes 1982; dazu auch Pesendorfer et al. 2016).

Wie schon kurz erwähnt wurde, ist auch das externe Speichern von Nahrung mit Kosten verbunden. Die damit verbundenen Leistungen und Probleme sind intensiv und vor allem an Vögeln studiert worden. Kleine Arten wie Meisen verstecken Nahrung nur für kurze Zeit und holen sie nach Stunden bis wenigen Tagen wieder, offenbar als Strategie zum Überleben kalter Winternächte. Entsprechend können sie sich bis etwa 28 Tage an die Stellen erinnern, wo Samen versteckt sind. Häher belassen die Samen jedoch über Wochen oder gar Monate in den Verstecken. Im Experiment konnten sich nordamerikanische Kiefernhäher (Nucifraga columbiana) bis über 280 Tage an die Stellen erinnern (Balda & Kamil 1992); im Freiland waren es beim eurasischen Tannenhäher etwa 150 Tage. Meist geht es um riesige Mengen gehorteter Samen. Kiefern- und Tannenhäher können bis zu 98 000 Samen an 7 700 Stellen respektive 172 000 Samen an 9 500 Stellen deponieren. Meisen sind nach verschiedenen Untersuchungen imstande, bis zu 170 000 Samen einzeln zu verstecken (Brodin 2005). Bei der Suche erreichen manche Arten hohe Wiederfundraten, wobei die Raten mit zunehmender Versteckdauer abnehmen (Balda & Kamil 1992). Solche kognitiven Leistungen benötigen entsprechende neuronale Strukturen, die sich offenbar in einem vergrößerten Hippocampus, der für das räumliche Erinnerungsvermögen zuständigen Gehirnregion, niederschlagen (Krebs J. R. 1990; Lucas et al. 2004). Allerdings dürfte die Größe allein noch kein aussagekräftiges Maß für die benötigten Hirnleistungen sein (Raby & Clayton 2010). Jedenfalls sind energetische Investitionen vonnöten, doch muss externes Speichern von Nahrung in vielen Fällen kostengünstiger sein als eine interne Lösung über Fettanlagerung, damit es sich als Strategie evolutiv durchsetzen konnte. Eine Übersicht über entsprechende Modelle präsentieren Brodin & Clark (2007).

Aus dem Samenverstecken durch Tiere haben sich nicht nur koevolutive Beziehungen zwischen dem Verhalten, den Gedächtnisleistungen und der Entwicklung von Gehirnstrukturen ergeben, sondern auch solche zwischen Tier und Pflanze (Pravosudov & Smulders 2010). Eines der bekanntesten, im Detail aber noch wenig untersuchten Beispiele ist jenes der Beziehung zwischen Tannenhäher und Arve (Pinus cembra), deren Keimerfolg und Ausbreitung fast gänzlich vom Samenhorten des Tannenhähers abhängt (Abb. 3.13). Pflanzen haben sich offenbar in mehrerer Hinsicht derart angepasst, dass das Samenhorten gefördert wird, unter anderem auch mit der Produktion von fast geruchlosen Samen, die schlecht gefunden werden können, nachdem sie versteckt wurden (Vander Wall 2010).

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