Kitabı oku: «Abenddämmerung im Westen», sayfa 2
II. Heldengeschichten?
Dass die bisherige Geschichte der Menschheit eben auch eine Geschichte von Kriegen war und ist, kann nicht in Frage gestellt werden. Vor Jahren legten Wissenschaftler ihre Berechnung zum Verhältnis von Krieg und Frieden in der jüngeren Menschheitsgeschichte vor: Für den Zeitraum der zurückliegenden etwa 4000 Jahre fanden sie Belege dafür, dass in der Welt in den meisten dieser Jahre insgesamt 14.000 Kriege geführt worden sind; dagegen gibt es lediglich 300 Jahre, in denen kein Krieg stattfand.
Geschichten über Krieg und Heldentum wurden zu allen Zeiten – von der Antike bis zur Gegenwart – erzählt oder geschrieben und benutzt, wenn es galt, junge Menschen mit kriegerischem Geist zu versehen. Stets gab es mehr als genug Schriften, die den Krieg priesen und soldatisches Tun mit einer Aura der Tapferkeit als einen hohen sittlichen Wert für männliches Handeln zu umgeben. Vorgeblich siegte immer der Tapfere, der für edle Ziele kämpfte, als wäre das Schlachtfeld der Platz für den Beweis hoher Moral. Und wenn dann einer der Edlen fiel, dann wurde dem Leser der Trost zuteil, dass er den Heldentod gestorben war. Tote Helden kann man halt nicht befragen, ob sie sich im Sterben als Helden gefühlt haben…
Es ist Teil dieses unsäglichen Feierns des Heldentums, das bedeutende literarische Zeugnisse, die populär waren, aber keine Heldengeschichten erzählten, verfälscht wurden.
Als zwei der ältesten und zugleich literarisch bedeutendsten gelten „Ilias“ und „Odyssee“. Wovon berichten sie? Was sind ihre Botschaften, worin besteht ihre innere Wahrheit?
Homers Gesänge vom Kampf um Troja, als die griechischen Könige unter Führung Agamemnons gegen das in Kleinasien liegende Troja zogen, um die angeblich geraubte Helena, Gattin des Spartanerkönigs Menelaos und schönste Frau der Antike, vom trojanischen Königssohn Paris „entführt“, zurückzuholen. Zehn Jahre dauert die Belagerung, erbitterte und opferreiche Kämpfe werden beschrieben.*
Bedenkt man, dass Zwietracht selbst unter den Göttern im Olymp herrschte, die sich gegenseitig als Bundesgenossen der Griechen oder der Trojaner bekämpften, verfestigt sich der Eindruck, dass Homer diesen Krieg nicht als Heldenstück besang, sondern als ein von tragischen Ereignissen geprägtes Geschehen. Insbesondere die trojanische Königstochter und Seherin Kassandra, deren düstere Prophezeiungen, auf die niemand hört, sich immer erfüllen, steht dafür. Man kann in ihr durchaus ein ‚alter ego’ des Sängers selbst sehen.*
Zu den – über Jahrhunderte bleibenden – Zeugnissen deutscher Geschichte zählen die als „Heldensagen“ popularisierten Lieder aus der Zeit der germanischen Eroberungen und der Hunnenkriege, als Attila mit seinem Reiterheer bis in das westliche Europa vordrang. Herausragend ist hier das „Nibelungenlied“, das als Heldengesang gefeiert und instrumentalisiert wurde. Die „Nibelungentreue“ galt über Jahrhunderte bis in die NS-Zeit als beispielhaft.
Es beginnt freundlich, als Siegfried, von Xanten kommend, im burgundischen Worms eintrifft und sich in die schöne Kriemhild, Schwester König Gunthers. verliebt Aber Siegfried muss sich die Hochzeit „verdienen“, wofür sich bald schon eine Gelegenheit ergibt: Kriemhilds königlicher Bruder Gunther wirbt nämlich um Brünhilde, die nur einen Mann zu heiraten bereit ist, der sie im Wettkampf besiegt. Und so kommt es zum Betrug, indem Siegfried Gunther mit Hilfe seiner (dem Zwerg Alberich entwendeten) Tarnkappe hilft, Brünhilde in einem Wettkampf zu bezwingen.
Jahre später löst der Streit der Königinnen Kriemhild und Brünhilde, wer von ihnen den Vortritt vor den Toren des Münsters zu Speyer beanspruchen darf, die Katastrophe aus; als der treue Vasall Hagen von der Kränkung der im Streit unterlegenen Brünhilde, seiner Königin, erfährt, schwört er, die Schmach zu rächen. Da er Siegfried im offenen Zweikampf nicht besiegen kann, greift er zu einer teuflischen List, indem er Kriemhild rät, zu Siegfrieds Schutz ein Kreuz auf dessen Jagdanzug anzubringen, genau dort, wo er einzig verwundbar ist. So kann er Siegfried töten und die Ehre seiner Königin wieder herstellen. Später heiratet Kriemhild den Hunnenkönig Etzel* und lädt die Burgunder ein, um sich an Hagen zu rächen. Die Tragödie ist nicht mehr aufzuhalten. Immer neue hunnische Heerscharen stürmen den Saal, in dem die Burgunder eingeschlossen sind. Alle Angreifer finden den Tod, bis Kriemhild Dietrich von Bern auffordert, seiner Lehnspflicht zu folgen. Mit seinen Recken stürmt er den Saal. Der Kampf endet erst, als sämtliche Krieger bis auf Dietrich, Hildebrandt, Hagen und Gunther tot in ihrem Blute liegen. Dietrich überwältigt Hagen und Gunther und bringt sie zu Kriemhild, die, als Hagen ihr die Auskunft über den Verbleib des Nibelungenhortes verweigert, zuerst Gunther töten lässt. Dann tötet sie Hagen mit dem Schwert, das einst Siegfried trug, und wird von Hildebrandt enthauptet, der, empört darüber, dass ein Weib einen Helden erschlug, rasend vor Zorn zuschlägt. Am Ende bleiben ganze drei einsame Männer von Tausenden zurück, die im Grunde genommen alles verloren haben, nur das eigene Leben ist ihnen erhalten geblieben, inmitten eines sinn- und trostlosen Blutbades.
Es wird keine Heldensage erzählt, sondern eine bittere Geschichte von maßloser Gefolgschaftstreue und einer Ehrauffassung, die alles rechtfertigt, von Verrat und Hinterlist, von gnadenloser Rache, von eitler Geschwätzigkeit, die zu einer Eskalation rücksichtsloser Gewalt führt, die unaufhaltsam alle erfasst und erst mit dem hundertfachem Tod ein sinnloses Ende findet. Als mein Vater seine Lesart des Nibelungen- und des Hildebrandtliedes Anfang der 50er Jahre herausbrachte, wählte er „Warnlieder“ als gemeinsamen Titel. Gefolgt sind ihm nur wenige.
Was in pseudohistorischen Werken, in Trivialliteratur und Kolportagen im Sinne von Lobpreisen von Krieg und Gewalt wie auch mit dem Ziel der Herabsetzung von Gegnern aus nationalistischen, rassistischen oder anderen niederen Beweggründen heraus geschrieben wurde und wird, hat mit Kunst nichts zu tun. Es dient ausschließlich der Manipulation und Instrumentalisierung der Menschen im Sinne von Krieg als patriotischem Heldentum. Wirkungsvoll war das zu allen Zeiten.
III. Die Toten und die Überlebenden
Es ist nur wenige Jahrzehnte her – man schrieb das Jahr 1942, als sich der polnische Widerstandskämpfer Jan Kozielewski unter seinem Tarnnamen Jan Karski vom besetzten Polen aus auf den Weg machte, der ihn bis in die USA führte. Seine Aufgabe: die polnische Exilregierung und die Regierungen Großbritanniens und der USA über die Hölle des Warschauer Ghettos und den Massenmord an Juden und der polnischen Intelligenzija in den Konzentrationslagern zu informieren. Beim Treffen mit dem amerikanischen Richter Felix Frankfurter, selbst Jude, fiel jener Satz, der Karski auf das schwerste traf. Nach seinem Bericht sagte Frankfurter: „Mr. Karski, jemand wie ich, der zu jemanden wie Ihnen spricht, muß ganz offen sein. So sage ich, ich kann nicht glauben, was Sie mir erzählt haben.“ Auf einen Einwand des anwesenden polnischen Botschafters, antwortete Frankfurter: „Herr Botschafter, ich habe nicht gesagt, dass dieser junge Mann lügt. Ich sagte, ich sei unfähig zu glauben, was er mir erzählt hat.“
Jan Karski konnte damals aus verständlichen Gründen nicht ein einziges Foto oder Dokument vorlegen, das seinen Bericht belegen konnte, denn die unfassbare Wirklichkeit des Krieges und der Konzentrationslager konnte erst mit deren Befreiung und dem Ende des II. Weltkrieges durch Augenzeugen, Fotografien und filmische Dokumente öffentlich gemacht werden.
Die nachfolgenden Kriege konnten dank Kriegsfotografen wie Robert Capa oder David Douglas Duncan u. v. a. zeitgleich dokumentiert werden, wie auch durch die zahlreichen Wochenschauen in Ost und West. Dokumentarfilmer gingen in die Krisenregionen, um wie die Fotografen unter Einsatz ihres Lebens authentisches Material zu schaffen.
Schon damals wurde die Suche nach der dem wahren Gesicht des jeweiligen Krieges aus politischen Gründen diesseits und jenseits des „Eisernen Vorhangs“ nicht nur eingeschränkt, sondern zensiert und manipuliert. Ein Beispiel dafür findet sich bei David D. Duncan. Er zeigt eine Fünf-Cent-Briefmarke aus der Zeit des Koreakrieges, die eine Gruppe GI’s auf einer Straße auf dem Vormarsch abbildet Heldenhaft und edel sollten diese Soldaten wirken. Duncan stellt der Briefmarke sein Originalfoto gegenüber: darauf sind am Straßenrand neben den marschierenden „Helden“ die Leichen mehrerer Koreaner zu sehen.
Mit Fernsehen und Internet wuchs die Bilderflut zu den Schauplätzen von Kriegen und Bürgerkriegen ins Unermessliche. Mit Handys aufgenommen oder gefilmt, dokumentieren sie nicht nur die Kämpfe sondern ebenso das Sterben von Soldaten, Frauen und Kindern in schrecklichen Momentaufnahmen.
Für die im Folgenden dokumentierten Kriege brauchte ich kein Nachschlagewerk. Sie alle gehören zu meinen Erinnerungen, zu denen neben aktuellen Berichten, Büchern, Filmen auch fotografische Dokumente gehören: Die Aufnahmen, die den gefesselten Lumumba mit zwei Gefährten zeigen, die von einer Soldateska auf einen Lastwagen gestoßen werden; die kaum oder gar nicht bekleideten vietnamesischen Kinder, die versuchen, sich nach einem Napalmangriff in Sicherheit zu bringen, verfolgt von einer Meute US-amerikanischer Fotografen und Kameramänner; eine Aufnahme aus der Zeit des Bürgerkrieges in Bangladesch – ein Flussbett, wahrscheinlich der Ganges, voller nackter Leichen, die von ihren Mördern ins Wasser geworfen wurden, auch hier Männer, Frauen und Kinder... und unzählige andere Dokumente von Krieg und Tod.
Als am 10. Dezember 2012 der Friedensnobelpreis an die EU für ihren „Einsatz für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte in Europa“ überreicht bekam, wurde gern und häufig von einer 60jährigen Friedensperiode des europäischen Kontinents gesprochen und geschrieben. Geschichtskundige waren ob der Begründung des norwegischen Nobelkomitees mehr als erstaunt, da es die genannten Verdienste um den angeblich 60jährigen Frieden so nicht gegeben hat. Dafür waren aber wenigstens Politiker und Apologeten des Neoliberalismus beglückt über das, was ihnen da attestiert wurde…
Die Legende von der 60jährigen Friedensperiode klingt ja sehr schön; einer sachlichen Überprüfung hält sie nicht stand, weil sie ein unfrommer Selbstbetrug ist.
Zum ersten deshalb, weil zwischen dem (tatsächlichen!) Ende des II. Weltkrieges auf europäischem Boden und dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Jugoslawien 1991 eben nur 41 Jahre liegen – denn erst 1950 endete der griechische Bürgerkrieg zwischen dem bürgerlichen Widerstand, ELAM, und der Organisation des kommunistischen Widerstandes, ELAS, mit dem Sieg der von britischen und US-amerikanischen Streitkräften unterstützten ELAM.
Blutige Bürgerkriege gab es nach Kriegsende in Polen (hier siegten die Kommunisten), in der Ukraine und in den baltischen Staaten, als nationalistischen Gruppierungen wie auch Kollaborateure, die den deutschen Eroberern auch als Mordgehilfen zur Seite gestanden hatten, einen Partisanenkrieg gegen die Rote Armee führten, bis sie vernichtet worden waren.
Zum zweiten deshalb, weil Frankreich bis 1962 zwei blutige Kolonialkriege führte: Bis 1954 in Indochina, bis zum Fall der letzten französischen Festung von Dien Bien Phu, und bis 1962 in Algerien, als Frankreich seine letzte große Kolonie in die Unabhängigkeit entlassen musste. Ein Krieg, der die französische Nation spaltete. Gegner dieses Krieges, nicht zuletzt Wissenschaftler und Künstler, wurden verfolgt, hunderte von Büchern, Filmen und publizistischen Arbeiten fielen der Zensur zu Opfer. Es waren zwei Kriege, die, formal gesehen, nicht in Europa ausgetragen wurden, aber trotzdem – alles andere wäre zynisch – die Legende von der 60jährigen Friedensperiode widerlegen.
Auch der Nordirlandkonflikt, der 1969 wieder aufflammte und erst 1998 beendet werden konnte, führte zu einem permanenten Kriegszustand. Von den so hoch gepriesenen 60 Jahren bleiben letztlich ganze sieben Jahre ohne militärische Konflikte. (Eigentlich nur sechs, weil 1968 die Armeen der Warschauer Vertragsstaaten in die ČSSR einmarschierten. Aber wenn man es formal betrachtet, geschah das außerhalb der EU.)
Zum dritten deshalb, weil die Mitgliedsstaaten der EU keine eigenen Verdienste an dieser Friedensperiode hatten. Dass Europa nach 1945 keinen neuen Krieg auf seinem Territorium erleben musste, lag ausschließlich daran, dass die beiden Großmächte USA und UdSSR im Zeichen des „Kalten Krieges“ und der „Nuklearen Abschreckung“ eine direkte Konfrontation nicht riskierten; dafür gab es einige der so genannten „Stellvertreter-Kriege“, wie in Vietnam.
Dass Europa vom großen Krieg mit einem nuklearen Inferno verschont blieb – schließlich wären die Armeen aller NATO-Staaten und der „Warschauer Vertrags“-Staaten in diesen gezogen – verdankt der Kontinent auch zwei Offizieren, die viel riskierten, aber letztlich – glücklicher Zufall – als die richtigen Militärs in entscheidenden Momenten am richtigen Platz waren.
Zwei „Tauben“ unter den „Falken“
Dass es sich um zwei Offiziere der sowjetischen Armee handelt, mag einerseits dem Zufall geschuldet sein, kann aber andererseits in weitem Sinne damit in Verbindung gebracht werden, dass die USA um vieles häufiger direkte und indirekte Interventionskriege führte als die Sowjetunion.
Es gab also – auch solche Widersprüche gibt es – zwei Militärs, die den Friedensnobelpreis mehr verdient hätten, als mancher andere Preisträger.
Der eine, Wassili Archipow, war während der Kubakrise leitender Offizier auf einem mit Nuklearwaffen ausgerüsteten U-Boot, das vor Kuba im Einsatz war, als es von einem US-Kriegsschiff zum Auftauchen gezwungen wurde. Für diesen Fall galt der Befehl, die Atomraketen Richtung USA abzufeuern. Archipow gelang es, den Politoffizier Maslennikow auf seine Seite zu ziehen, während der Kommandant des U-Bootes glaubte, es sei schon Krieg, und feuern lassen wollte. Das wäre aber nur bei einem einstimmigen Beschluss möglich gewesen. Das U-Boot tauchte also auf, und die US-Marine verzichtete auf das Aufbringen des Bootes, sodass sie nicht feststellen musste, dass dieses mit Nuklearwaffen ausgerüstet war.*
Der zweite Offizier war der Oberstleutnant Stanislaw Petrow. In der Zeit der Präsidentschaft Reagans verschärften sich die Spannungen zwischen den beiden Großmächten immens. Das lag weniger an Reagans Definition vom „Reich des Bösen“, als vielmehr daran, dass Marine und Luftwaffe der USA sowohl im Nordmeer als auch vor Wladiwostok Manöver durchführten, mit denen die sowjetische Aufklärung „getestet“ werden sollte. In Moskau wuchs die Besorgnis, dass es sich um die Vorbereitung eines Angriffes der USA handeln könnte. Ausgerechnet in dieser angespannten Situation erschienen auf dem Satellitenbild zuerst eine, danach noch weitere US-Atom-Raketen, die sich auf die Sowjetunion zu bewegten. Petrow wusste, dass für eine derartige Lage der Befehl zum atomaren Gegenschlag galt. Was ihn zweifeln ließ, war die geringe Zahl der anfliegenden Atomraketen. Aus eigenem Entschluss und mit hohem Risiko meldete er der militärischen Führung einen Fehlalarm und blieb bei seiner Einschätzung. Der Gegenschlag, der das atomare Inferno ausgelöst hätte, wurde deshalb nicht eingeleitet. Am Morgen darauf erhielt Petrow dann die endgültige Bestätigung, dass ein Fehler des Überwachungssatelliten den falschen Alarm ausgelöst hatte. Angesichts der ohnehin äußerst kritischen Situation muss man davon ausgehen, dass – bei einer Meldung, dass US-Raketen im Anflug seien – der Befehl zum Gegenschlag unvermeidlich gegeben worden wäre.
Beide Männer nahmen ein hohes persönliches Risiko auf sich. Archipow hätte vor ein Militärgericht gestellt werden können und Petrow gab – im Unterschied zu vielen anderen – die Verantwortung nicht „nach oben“ weiter, sondern entschied in seiner kaum vorstellbaren Extremsituation aus eigener Verantwortung.
Nachrichten von Kriegsschauplätzen oder: Der Abschied von Clausewitz
Seit 1945 hat sich die Kriegsführung stetig und radikal verändert. Aus den Kriegen mit operativer Führung und relativ klaren Fronten, sind längst Kriege ohne Fronten geworden. Erstmals in dieser krassen Form im Indochina- und im Vietnamkrieg. Vietminh und Vietcong operierten unsichtbar, sie trugen oftmals keine Uniformen, schlugen zu und verschwanden im undurchdringlichen Regenwald.
In den zahllosen Bürgerkriegen kämpfen reguläre Armeen und paramilitärische Verbände, Milizen und Bürgerwehren, deren Kriegsführung nicht allein auf den Sieg über den militärischen Gegner ausgerichtet ist, sondern gleichermaßen auf die Vernichtung seiner Anhänger, also Stammesangehöriger oder religiöser Gemeinschaften. Diese Massaker unter der Zivilbevölkerung, an wehrlosen Frauen, Kindern, Männern, sind Teil der Kriegsführung geworden.
Gänzlich andere Kriegsschauplätze ohne Fronten sind seit Jahrzehnten die Städte, in denen Kommandos von Terroristen oder so genannte Selbstmordattentäter Bomben zünden, Gebäude erstürmen und wahllos Zivilisten töten…
Seit Jahren preisen Militärs und unbedarfte Politiker angeblich „intelligente“ Waffen, die mit tödlicher Sicherheit ihre Ziele träfen. So, als würden diese Waffen „saubere“ Kriege ermöglichen. In Wahrheit ist genau das Gegenteil zutreffend. Kam im I. Weltkrieg auf acht gefallene Soldaten ein getöteter Zivilist (im II: Weltkrieg kamen noch vier Soldaten auf einen toten Zivilisten) so ist das Verhältnis heute – im Zeichen „intelligenter“ Waffen – genau entgegengesetzt: auf einen gefallenen Soldaten kommen nunmehr acht getötete Zivilisten.
Einen weiteren tiefgreifenden Wandel erfuhren auch die Ziele von Kriegen. Die letzten großen Eroberungskriege führte Deutschland im II. Weltkrieg in Europa und Japan im Pazifik. Insbesondere der NS-Staat verband bereits seine Eroberungsfeldzüge mit einem Weltanschauungskrieg, der sich gegen die europäischen Juden und gegen die slawischen „Untermenschen“ richtete.
Auch wenn es in den Kriegen der zurückliegenden Jahrzehnte um Macht, Einflusssphären, Sicherung von Rohstoffquellen u. a. ging, so wurden sie primär als Weltanschauungskriege begründet und geführt, deren Ziel nicht die Besetzung fremder Territorien war. Der Einsatz von hochtechnologischen und immer teureren Waffensystemen ließ die Kosten solcher Kriege ins Unermessliche steigen. Gewinne machte naturgemäß vor allem die Rüstungsindustrie. Alle Versuche, in diesen Kriegen den jeweiligen Gegner vollständig zu unterwerfen, waren bislang zum Scheitern verurteilt.
Die Mehrzahl der Bürgerkriege der zurückliegenden Jahrzehnte waren erbitterte „Verteilungskämpfe“. Selten ging es um eine progressive Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse. Es war oft der existentielle Mangel an Versorgungsgütern, Verarmung breiter Schichten, Hungersnöte und Krankheiten, die, da es nirgends für alle reichte, zum Bürgerkrieg führten, sowie die diktatorische Herrschaft einer Bevölkerungsgruppe über alle anderen. Siegten die Aufständischen, so entstand in der Regel eine neue Diktatur, deren „Herrscher“ und ihre Anhänger sich jegliche Privilegien zusprachen und diese zur persönlichen Bereicherung nutzten, wie die Herrschenden zuvor. Gab es keinen „Sieger“, dann zogen sich diese Bürgerkriege über Jahre hin, bis das ganze Land zerstört und entvölkert war.
Nach der Niederlage begann der Horror für die Zivilbevölkerung der Besiegten – die Sieger mordeten und brandschatzten mit hemmungsloser Brutalität und Gier nach allem, was sie an Beute an sich reißen konnten.
Am Ende des II. Weltkrieges im Pazifik wurde die Welt durch die Zerstörung Hiroshimas am 6. und Nagasakis am 8. August 1945 durch Atombomben erschüttert. Der erstmalige und bislang einzige Einsatz einer neuen Massenvernichtungswaffe von ungeheurer Zerstörungskraft, die noch Jahrzehnte danach jährlich Opfer forderte.
Angesichts von Abertausenden toten oder verstrahlten Einwohnern beider Städte ist es erschreckend und abstoßend, wenn in einer deutschen Zeitschrift* unter der obskuren Rubrik „Die dunklen Geheimnisse der Geschichte“ eine in wesentlichen Passagen zynische Rechtfertigung unter der unsinnigen Fragestellung „Bewahrten die Atombomben auf Japan die Welt vor dem Untergang?“ publiziert wird.
Unter Berufung auf einen Militärhistoriker namens Richard B. Frank werden folgende Überlegungen angestellt: Japan kapitulierte nach dem Abwurf der Atombomben. Infolgedessen wurde verhindert, dass die Weiterführung des Krieges Hunderttausende von Toten – darunter auch 800.000 US-Soldaten – auf dem Schlachtfeld zur Folge gehabt hätte. Und man kommt schließlich zu dem Schluss, dass der Krieg noch weitere fünf Jahre angedauert hätte, mit weiteren Millionen Toten. Diese Begründungen, mit denen die Toten von Hiroshima und Nagasaki als notwendig begründet und gleichermaßen marginalisiert werden, sind nichts anderes als absurde Spekulationen zur Rechtfertigung der Abwürfe beider Atombomben. Da bewusst von einer Darstellung der realen militärischen und politischen Weltlage „abgesehen“ wird, sind sie nichts anderes als eine substanzlose und zynisch anmutende Abstraktion. Da Hitlerdeutschland am 8. Mai 1945 kapituliert hatte, stand Japan endgültig allein. Dass die Sowjetunion bereitstand, an der Seite der USA in den Pazifikkrieg einzugreifen, war bekannt. Ob die Amerikaner vorsätzlich die Atombomben einsetzten, bevor die Sowjetunion am 8. August 1945 Japan den Krieg erklärte, kann bis heute nicht beantwortet werden; auszuschließen ist es keineswegs. Gesetzt den Fall, die japanische Armee hätte noch über die vermutete Kampfkraft verfügt, warum nutzte die militärische Führung die Zerstörung Hiroshimas nicht zu einem von Hass getragenen Gegenschlag? Harakiri hatte in Japan eine lange Tradition. Umso größer ist dagegen die Wahrscheinlichkeit, dass Japan schon zu diesem Zeitpunkt zur Kapitulation bereit war. Und schließlich wird ein gravierendes Problem völlig außer Acht gelassen: Wäre es wirklich um die Kapitulation Japans gegangen, warum wurde nur zwei Tage später eine zweite Bombe abgeworfen, statt abzuwarten, wie Japan reagieren würde? Weder Hiroshima noch Nagasaki waren militärstrategisch wichtige Ziele…Mit solchen „Deutungen“ wie weiter oben dargelegt kann man allerdings – und das allein sollte zählen – jeden Abwurf einer Atom- oder Wasserstoffbombe rechtfertigen. Allerdings würde das heute zu dem im Text beschworenen Weltuntergangsszenario führen.
Auch hier gilt, was schon immer galt: Gibt man Militärs neue Waffen, dann werden sie diese bedenkenlos einsetzen, um den „Feind“ zu besiegen.
*
1953 begann der Koreakrieg, als das kommunistische Nordkorea mit Unterstützung Chinas Südkorea angriff und zu großen Teilen besetzte. Mit dem Mandat der UNO griffen die USA und weitere Staaten auf der Seite Südkoreas ein und beendeten in einem blutigen Kampf diesen Krieg zu Gunsten Südkoreas. Was bestehen blieb, war die Teilung Koreas bis heute. Kaum Beachtung fand dagegen das erbarmungslose, für die nordkoreanische Zivilbevölkerung folgenschwere Flächenbombardement des Nordens mit dem ersten Einsatz von Napalmbomben, die unvorstellbare Schäden sowohl bei der Zerstörung der Hütten auf dem Lande als auch in den Städten anrichteten und die Ernten vernichteten. Nach heutigen Erkenntnissen wurde mehr als ein Viertel der nordkoreanischen Zivilbevölkerung zu Opfern dieser Flächenbombardements.
Um die Dimension dieses Sterbens deutlich zu machen: um im II. Weltkrieg einen ebenso großen Verlust unter der Zivilbevölkerung anzurichten, hätten durch die Luftangriffe der Alliierten 20 Millionen Deutsche ums Leben kommen müssen.
Wer heute die Zustände des von Diktatoren beherrschten Nordkoreas kritisch oder gar fassungslos verurteilt, sollte bedenken, dass es sich um ein schwer traumatisiertes Volk handelt, dessen drei Diktatoren genau das skrupellos ausnutzen. Nicht zufällig gelten die Tiraden der Vergeltung den USA, denn genau das verfängt bei den Opfern von damals und bei ihren Nachfahren und führt zu einer, von außen gesehen, scheinbar absurden Instrumentalisierung.
Im Vietnamkrieg wiederholten die USA den Einsatz von Napalm. Durch pausenlose Flächenbombardements und den Einsatz von Giftgasen wurden Südvietnams Dörfer und die Landwirtschaft systematisch vernichtet, die Böden kontaminiert, sodass noch lange nach Kriegsende Menschen starben und Missgeburten zum Alltag gehörten. Als die USA 1974 den Krieg als Verlierer beendeten, hatten weit über eine Millionen vietnamesischer Zivilisten den Tod gefunden. Es war ein Krieg, der so grausam und mitleidlos geführt wurde, dass viele der heimkehrenden US-Soldaten schwer traumatisiert waren. Vietnam, das war auch der erste totale Krieg ohne Fronten, aber nicht der letzte. Im Gegenteil.
*
Nach dem Ende der Kolonialherrschaft in Afrika sprach man von den jungen Nationalstaaten. Ein verhängnisvoller Glaube. Denn ihre Grenzen waren die künstlichen Grenzziehungen der Kolonialzeit und trennten ethnische und religiöse Gruppen oder Stämme, die nun in zwei oder mehr der neuen Staaten lebten – eine der Ursachen für die bis heute konflikthaltigen Spannungen, Verfolgungen und Bürgerkriege in afrikanischen Staaten wie auch massenhaftes Elend, Existenz bedrohende Armut, innere Kämpfe um Macht und Besitz, die von mörderischer Gewalt gegen alle und jeden begleitet sind
1960 fand im Kongo, zuvor belgische Kolonie, die erste Parlamentswahl statt. Die neugewählte Regierung unter Patrice Lumumba entschied sich für eine Verstaatlichung der in ausländischer Hand befindlichen Industrieanlagen. Der Kongo galt damals als das Land mit den meisten natürlichen Reichtümern des Kontinents. Deshalb war dieser Schritt für die einstige Kolonialmacht nicht hinnehmbar. Mit Hilfe der CIA und politischer Gegner Lumumbas im Kongo wurde er entmachtet, mit zwei Gefährten verhaftet, gefoltert und im Beisein belgischer Offiziere erschossen. Am folgenden Tag wurde sein Leichnam wieder ausgegraben und mit Säure zersetzt und „verstreut“. Es war ein unmissverständliches Signal des Kapitals. Der Kongo war – wie schon gesagt – ein an Bodenschätzen und Industrieanlagen reiches Land. Schon lange ist das seither von Bürgerkriegen und Machtkämpfen zerrissene Land eines der Ärmsten in Afrika.
Nigeria und Biafra, der Sudan, Äthiopien, Mozambique, Ruanda, Somalia, Mali, Zentralafrika – Länder, in denen entweder Konflikte zwischen unterschiedlichen Volksgruppen oder aggressive, radikalisierte islamische Gruppierungen immer neue Bürgerkriege auslösen, die zu mörderischen Machtkämpfen und Vernichtungsfeldzügen werden, zu Massakern unter der Zivilbevölkerung, wo Millionen Menschen zu flüchten versuchen vor den todbringenden Formationen mit und ohne Uniform…
Lateinamerika oder: Der wahre Wert westlicher Menschenrechte
Der Subkontinent war nach 1945 ein Eldorado US-amerikanischer Firmenimperien, die (mit Unterstützung einheimischer Latifundienbesitzer) geradezu modellhaft die Ausbeutung der Bauern und der Arbeiter in der Weiterverarbeitung betrieben. Da die Länder aber über eine längere nationalstaatliche Geschichte verfügten, traf die Herrschaft der US-Monopole auf Kritik und Widerstand von Seiten der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter wie auch der Landarbeiter, der Intelligenz und der Kunst- und Kulturschaffenden. Dort, wo sich diese Kräfte vereinigten (unter Mitwirkung der meist kleinen kommunistischen Parteien), ihre Forderungen erhoben und damit auf die Straße gingen, geschah immer das Gleiche. Ob Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien oder kleinere Staaten von Bolivien bis El Salvador: Wuchs der Widerstand, den die bürgerlichen Regierungen nicht zerschlagen konnten oder wollten, dann war umgehend – mit dem stillen Segen oder mit Hilfe der CIA – eine Militärjunta „bereit“ die Macht zu übernehmen und diese mit größtmöglicher Brutalität zu sichern. Die „Todesschwadronen“ und die mörderischen Geheimdienste wurden zum Synonym dieser Diktaturen, willkürliche Verhaftungen, Folter und spurloses Verschwinden von Inhaftierten gehörten zum Alltag.
Mit allen Diktatoren – ob Stroeßner, Duvallier oder Pinochet –, die in ihren Ländern als „Bollwerke gegen den Kommunismus“ skrupellos, korrupt und mörderisch agierten, fühlten sich die USA, der „Hort der Freiheit“, über Jahrzehnte eng verbunden. Und so waren die alltägliche und radikale Missachtung der Menschenrechte auch für die westeuropäischen Demokratien völlig bedeutungslos. Heute will sich in der freien Welt der Industrienationen kaum jemand an die Mitschuld allein durch das Schweigen erinnern. Der Kampf gegen den Kommunismus rechtfertigte jedes Mittel. Dabei waren schließlich auch nicht wenige Angehörige des Klerus der katholischen Kirche, die sich dem mit ihrer „Theologie der Befreiung“ entgegenstellten.* Und niemand benennt die Zahl der Toten und für immer Verschwundenen oder das mörderische Schuldkonto der CIA.
Der Widerstand formierte sich in Guerillakämpfern wie den Sandinisten in Nicaragua oder einer Gruppierung wie „Der leuchtende Pfad“. In Kolumbien herrschten seit den 50er Jahren ein ständiger – nur zeitweise unterbrochener – Bürgerkrieg und ein blutiger Kampf der Drogenkartelle.
Nach 1990 schienen sich die politischen Bedingungen in Lateinamerika zu verändern, war doch die Gefahr kommunistischer „Infiltration“ gebannt und Diktaturen „nicht mehr notwendig“. Dafür sahen sich einige Staaten einer neuen Gefährdung des inneren Friedens ausgesetzt: Drogenkartelle und ihr alltäglicher Krieg untereinander und gegen die Staatsmacht führten zu Destabilisierung, Mord, Korruption. Drogenkriege machten aus einem Staat wie Mexico, einst ein ungewöhnliches Beispiel für Liberalität, kulturelle und künstlerische Vielfalt, ein Land, dessen Bürger im permanenten Ausnahmezustand überleben müssen.