Kitabı oku: «Abenddämmerung im Westen», sayfa 4
IV. Man wird nicht als Soldat geboren
Es ist schon sehr lange her, dass ich – zum ersten, aber nicht zum letzten Mal – eine Fotodokumentation über den 1.Weltkrieg mit dem Titel „Kamerad im Westen“ in die Hand nahm. Zuerst fand ich Fotos vom Kriegsbeginn: Verlesung der Kriegserklärung in Berlin, Soldatenverbände auf den Straßen, begleitet von einer jubelnden Menschenmenge, oder in Eisenbahnwaggons, die mit kühnen Sprüchen, „Auf nach Paris“ etwa, beschrieben waren. Die folgenden Fotografien dokumentierten die Realität dieses Krieges, wie ihn der Soldat tagtäglich erlebte oder wie er auf dem „Feld der Ehre“ starb.
Ein Foto, aufgenommen aus einem deutschen Schützengraben, zeigt anstürmende französische Soldaten, die im Maschinengewehrfeuer vor den Stacheldrahtverhauen niedergemäht werden. Wie später gesehene Filmaufnahmen bestätigten, kletterten die jeweiligen Angreifer bei einem solchen Sturmangriff aus ihren Gräben und marschierten in Schützenketten, zumeist ohne jegliche Deckung, auf die gegnerischen Gräben zu, wo sie, wenn sie nah genug waren, reihenweise niedergeschossen wurden. Über Monate und Jahre ging das im Stellungskrieg nach diesem Muster. Hunderttausende starben oder wurden verwundet, manche von ihnen von Kameraden oder Sanitätern gerettet. „Geländegewinne“ blieben die Ausnahme. Und das alles nur, weil irgendwo, weit entfernt von der Front, in den Generalstäben wieder mal ein Sturmangriff geplant und befohlen wurde. Wie muss den Soldaten zumute gewesen sein, wenn sie auf Befehl losmarschierten, den fast sicheren Tod vor Augen?
Warum ist es immer aufs Neue möglich, Abertausende Menschen zu einer mörderischen Soldateska zu deformieren?
Wie bringt man einen Menschen, der freiwillig oder per Gesetz zum Soldaten geworden ist, dazu, bedenkenlos, ja sogar mit Stolz zu töten? Auch nach 1945 geschah genau das irgendwo auf der Welt täglich. Von wegen „Frieden auf Erden“ – Hunderttausende wurden zu Mördern in Uniform – und Millionen Soldaten und Millionen Zivilisten wurden ihre Opfer.
Die radikalste Methode wurde in der Zeit der Antike in Sparta durchgesetzt. Alle Knaben wurden noch im Kindesalter aus ihren Familien genommen und kaserniert. Über Jahre lebten sie unter kärglichen Bedingungen, wurden abgehärtet und im Gebrauch der Waffen geschult, bis sie als junge Männer, wenn sie alle „Proben“ bestanden hatten, in das spartanische Heer wechselten. Das Kriegshandwerk zu beherrschen war neben der politischen Führung die einzige Aufgabe der Männer, bis sie zu alt dafür wurden. Totaler kann man Menschen kaum zu Kriegern machen, für die Kampf und Töten selbstverständlich und der einzig zählende Sinn ihres Seins sind.
Angesichts der Formierung und Ausbildung von Kindersoldaten, die seit Jahrzehnten in den Kriegen afrikanischer Diktaturen eingesetzt werden, muss man feststellen, dass die Aktualität von der Geschichte in schrecklichster Weise eingeholt wurde: 10 bis 12Jährige, aufs Töten gedrillt, die mit ihren Maschinenpistolen auf Befehl auf jeden schießen, selbst auf die eigenen Eltern oder Verwandten.
Tötungsbereite und gewalttätige Soldaten fanden sich zu allen Zeiten überall mehr als genug, ebenso Folterknechte und skrupellose Mörder im Dienste von Diktatoren, die jede Bewegung, die es wagte, das Ende der Tyrannei zu fordern, vernichteten.
Als 1096 u. Z. die Ritter Europas – von Papst Urban II. aufgerufen – zum ersten Kreuzzug aufbrachen, sollten sie angeblich den freien Zugang der Christen zu den „Heiligen Stätten“ in Jerusalem wiederherstellen. Ob dieser tatsächlich gefährdet war, ist bis heute umstritten. Als die Heerscharen der Ritter 1099 Jerusalem erstürmt hatten, schützten sie nicht etwa diese Stätten, sondern richteten ein furchtbares Blutbad unter den Einwohnern der Stadt an, bevor sie ihre Wallfahrt zur Kirche des heiligen Grabes antraten. Was hätten Jesus oder Johannes der Täufer bei Anblick dieses Gemetzels empfunden, das ihr Verständnis des christlichen Glaubens geradezu pervertierte? Die enge Verbindung von Kreuz und Schwert war mit den „Kreuzzügen“ noch lange nicht vorbei. Neuen „Auftrieb“ erhielt sie, nach dem Columbus Amerika entdeckt hatte. Mit Cortez und Pizarro begann 1519 die Eroberung und mit ihr radikal und mörderisch die Christianisierung Lateinamerikas und setzte sich bis ins 19. Jahrhundert fort.
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Ob sich diese Wandlung vom Zivilisten zum mordenden Soldaten vollzieht, ist nachweislich keine Frage von höherer geistiger Bildung oder kultureller Entwicklung*. Ob Oradour sur Glane oder Lidiče, der Befehl genügte, die Ausführung offenbarte ein Höchstmaß an unmenschlicher Kaltherzigkeit. Gab es für diese Massaker noch einen Befehl, so war ein solcher Jahrzehnte später nicht einmal mehr notwendig, als eine Gruppe amerikanischer GI’s unter Führung des Lieutenant Colonels Frank A. Barker das südvietnamesische Dorf My Lai besetzte, weil es im Verdacht stand, Stützpunkt des Vietcong zu sein. Obwohl keine Vietcong-Kämpfer im Dorf zu finden waren, brachten diese Soldaten fast alle der über 400 Einwohner des Dorfes, vor allem Frauen und Kinder, um; erst nachdem ein US-Hubschrauberpilot ihnen gedroht hatte, sie von seinen MG-Schützen erschießen zu lassen, wenn sie ihr Massaker nicht beenden würden, sahen sie davon ab, auch noch die letzten 11 Überlebenden umzubringen. Für diese Soldaten genügte der Umstand, dass es Vietnamesen waren, um sie als Feinde einzuordnen, um sie nach Aufforderung ihres Offiziers umzubringen. Und genau das ist bis heute jederzeit und allerorts möglich und geschieht beinah täglich. Der verantwortliche Offizier für den Einsatz, William Calley, wurde, nachdem ein amerikanischer Journalist das Verbrechen recherchiert und eine Zeitung gefunden hatte, die seinen Bericht veröffentlichte, zwar zu lebenslanger Haft verurteilt, die aber dann in „Hausarrest“ umgewandelt wurde, bis er wenig später von Nixon begnadigt wurde. Ein Wort der Reue ist nicht überliefert. Damals war das weltweite Entsetzen groß, aber, wie sich bald zeigte, ohne jede Langzeitwirkung.
Mit den „Pentagon Protokollen“, die „wikileads“ öffentlich machte, genauer aus dem, was davon im „SPIEGEL“ (Ausgabe 30/ 2010 und Ausgabe 43/ 2010) publik gemacht wurde, musste man aber endgültig erkennen, dass in den Armeen der führenden westlichen Demokratien Soldaten dienen, die bereit sind, mit aller Härte Krieg zu führen, Gefangene zu misshandeln und von Geheimdiensten Verdächtigte über Wochen und Monate zu foltern. Ob Demokratie oder Diktatur, ob Geheimdienste oder geheime Organisationen – Kriege gelten als Rechtfertigung für all diese menschenverachtenden Mittel und für jeden Befehl, sie einzusetzen.
Auf der einen Seite also religiös begründeter Fanatismus und systematisch trainierte Brutalität gegen jeden, der als Feind oder Verräter gilt – und junge Männer werden dadurch derartig instrumentalisiert, dass sie sich selbst in die Luft sprengen, nur um andere – ihnen völlig unbekannte – Menschen, zumeist Zivilisten, also auch Frauen und Kinder, zu vernichten.
Auf der anderen Seite junge Amerikaner, die mit einer gnadenlos harten Ausbildung systematisch deformiert werden, bis sie bereit sind, jeden Befehl auszuführen und die ihren Stolz daraus beziehen, dass sie jeden Befehl, auch den Mord an Zivilisten, gewissenhaft durchführen. Bekanntlich beruhte die Kampfkraft der sowjetischen Armee auf einer ebenso gnadenlos harten Ausbildung.
Versucht man sich zu erklären, welche Antriebe gegeben sein müssen, damit bedenkenlos – auch fern vom Kriegsschauplatz – gemordet wird, dann ergibt sich ein bestimmter Rahmen, der in Variationen genau dahin führt. Außer Waffen, als „Werkzeuge“ des Tötens, sind ein autoritärer Führer oder Befehlshaber, ein als Begründung dienendes Feindbild, die Aussicht auf „Belohnung“ und ein pervertierter Glaube an die eigene Überlegenheit die wohl entscheidenden Voraussetzungen für solches Handeln. Der Wechsel vom normalen Zivilisten zum tötenden Soldaten oder zum mordenden Angehörigen einer paramilitärischen Formation vollzieht sich offenkundig um vieles schneller, als man bereit ist zu glauben. Die Bürgerkriege im einstigen Jugoslawien haben mitten in Europa bewiesen, wie unvorstellbar schnell es gehen kann, dass aus Zivilisten Soldaten werden, die morden, plündern, vergewaltigen und sich an Massenhinrichtungen geradezu begeistert beteiligen. Monate zuvor waren sie oft Nachbarn ihrer Opfer…
Es wäre ein gefährlicher Selbstbetrug, wenn man glauben würde, dass selbst demokratisch verfasste Staaten nicht davon betroffen werden könnten.
Dass inzwischen die posttraumatischen Störungen nach Kriegseinsätzen seit dem Vietnamkrieg massiv zugenommen haben, liegt wahrscheinlich weitaus weniger daran, was der Soldat selbst im Krieg getan hat, sondern vor allem daran, dass der Krieg gegen einen unsichtbaren Feind, der aus dem Nichts zuschlägt und nie wirklich rechtzeitig zu erkennen ist, zu einer immer unerträglicheren psychischen Belastung führt.
V. Wann kommt er, der ewige Frieden?
Da der Krieg auch heute allgegenwärtig und überall auf der Welt möglich ist, stellt sich somit die schwierigste aller Fragen: Welche Gründe dafür bestehen vor allem außerhalb des militärischen Bereichs und kann die Allgegenwärtigkeit von Kriegen überhaupt abgebaut werden?
Sucht man nach den tieferen Ursachen für die andauernde Präsenz von Kriegen insbesondere nach dem Ende des Kommunismus, dann rückt der radikale Paradigmenwechsel in der Reagan-Ära unvermeidlich ins Blickfeld. Unter Berufung auf den Neoliberalismus, dessen geistiger Urheber der Österreicher Hayek war, gab die Politik ihre legitime Aufgabe dort, wo es erforderlich gewesen wäre, die Wirtschafts- und Finanzpolitik regulierend zu steuern, ohne Notwendigkeit auf und setzte auf die so genannten Selbstregulierungskräfte der freien Märkte. Infolgedessen wurde in den modernen Industrienationen die demokratisch legitimierte Politik zum ersten „Diener“ der Märkte, die alle Möglichkeiten zur Profitsteigerung hemmungslos nutzen konnten, weil Unternehmertum und Finanzkapital außerhalb der demokratischen Verhältnisse agierten, was eben diese vielbeschworene Demokratie in ihren Grundlagen erheblich beschädigen musste. Diese so genannten „Märkte“, von den einen als das „Nonplusultra“ gepriesen, von den anderen aber als eine das politische Handeln dominierende „Macht“ kritisiert, können als ein absurd-abstraktes, rechtsfreies Phänomen bezeichnet werden, in dem unvorstellbar große, mehr oder weniger virtuelle Geldmengen von letztlich anonymen Akteuren bewegt werden, einzig und allein zum Zwecke der grenzenlosen persönlichen Bereicherung. Dass die vorgeblich produktiven „Selbstregulierungskräfte“ radikal in ihr Gegenteil umschlagen können, bewies 2008 die globale Finanzkrise.
Eine weltpolitisch folgenschwere Konsequenz des Agierens der „freien Märkte“ besteht unübersehbar darin, dass die „Entwicklungsländer“ in Afrika und Asien endgültig keine Möglichkeit mehr haben, ihre wirtschaftliche Basis voranzubringen. Vielmehr vergrößert sich der ohnehin schon riesige Abstand zu den führenden Industrienationen immer weiter. Damit verschärfen sich die oben dargestellten innerstaatlichen Konflikte. Jene als „Schwellenländer“ bezeichneten Staaten wie z.B. Indien oder Brasilien haben sich als Industrienationen immens entwickelt, der Preis dafür ist eine Existenzen bedrohende Verarmung breiter Schichten.
Alle vorliegenden Statistiken zur Lage in den führenden Industrienationen belegen, dass die Schere zwischen Armut und Reichtum stetig immer weiter auseinander klafft. Auch reiche Staaten sind längst immens verschuldet, nicht allein durch die Bankenrettung 2008 oder durch Kriege, die Billionen verschlangen, sondern ebenso deshalb, weil die Politik eine höhere Besteuerung der Reichen und Superreichen fürchtet, „wie der Teufel das Weihwasser“, weil ihr Machterhalt vom Wohlwollen der Großunternehmen, des Finanzkapitals und deren Propagandisten in Publizistik und Massenmedien abhängig ist.
Rückständigkeit, andauernde Armut, Sklavenarbeit sind Ursachen schwerer innenpolitischer Konflikte, die zu Diktaturen führen, welche mit ihrer Gewaltherrschaft „Ruhe und Ordnung“ sichern und somit ihre Länder für die „Märkte“ wieder interessant machen. Und jeder Krieg war, ist und bleibt ein profitables Geschäft.
Der Triumph des Neoliberalismus über die Demokratie
Bedenkt man, dass die Politik auch nach der globalen Finanzkrise bis heute keine wirksamen Regularien durchgesetzt hat, um wenigstens die krassesten Auswüchse der „Märkte“ einzudämmen, dann muss man zweifeln, ob sie das wirklich will oder – noch schlimmer – ob sie es noch durchzusetzten vermag.
Bis heute ist es nicht gelungen, die Spekulation mit Grundnahrungsmitteln, die für Millionen der Armen dieser Welt eine tödliche Bedrohung ist, auch nur in Frage zu stellen, geschweige denn als kriminelles Verhalten zu bestrafen. Um nur ein Beispiel zu nennen. Da appelliert man seitens der Politik an die Spendenbereitschaft der Menschen, deren Geld dann in Teilen die Konten der Spekulanten füllt. Schließlich müssen die Existenz sichernden Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter genau von jenen gekauft werden, die darüber verfügen…
Ohne im Einzelnen darauf einzugehen, ist es für das Gesamtbild notwendig, auf andere existentielle Problemfelder hinzuweisen, deren Lösung „dank“ der Herrschaft der „Märkte“, Banken und Großunternehmen bis auf Weiteres unmöglich bleiben wird: Vernichtung von Ressourcen für maximale Rendite, fehlender Klimaschutz, völlig unzureichende Ernährung der Weltbevölkerung und so weiter…
Wenn die Hilfsorganisation „Oxfam“ in einem Bericht* zur Verteilung des Wohlstandes feststellt, dass die 85 reichsten Menschen das gleiche Vermögen angehäuft haben, wie es die arme Hälfte der Weltbevölkerung insgesamt besitzt, dann ist dem hinzuzufügen, dass sich auch dieses Missverhältnis immer weiter verändern wird – und nicht zugunsten der Armen.
Man muss wahrlich kein Prophet sein, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass – solange die unkontrollierbaren globalen Unternehmen und Großbanken und ihre „Märkte“ die weltweiten Entwicklungen beherrschen und nach ihren „Gesetzen“ regulieren – grundlegende Veränderungen ausgeschlossen sind. Es wird weiter Kriege und Bürgerkriege geben, wahrscheinlich mehr als heute. Ohne wirksame Aufgabenverteilung und strategische Planungen können weder die Zerstörung von Umwelt und Klima noch Elend und Tod durch Hunger oder Krankheit als Folge globaler Armut überwunden werden. Auf ein „Good Will“ der heute mächtigsten Gruppierungen zu hoffen, zeugt von einem „Glauben“ fern der Realität und der Kenntnis der inneren Gesetzmäßigkeiten, die deren Agieren bestimmen.
Was sollte, müsste, könnte getan werden, um einen sinnvollen wie dringend notwendigen Wandel herbeizuführen?
Legt man die globalen Verhältnisse und ihre ungelösten Problemfelder zu Grunde, dürfte ein tiefgreifender Paradigmenwechsel unumgänglich sein, was aus heutiger Sicht undenkbar erscheint.
Der an erste Stelle zu setzende Wechsel wäre die Emanzipation der Politik von der Hegemonie der Großunternehmen und –banken und die der „Märkte“, indem sie sich ihre legitimen demokratischen Rechte (und Pflichten) als Volksvertretung zurückerkämpft. Nicht nur der Widerstand der Oligarchie wäre zu überwinden, sondern auch die auflagenstarken „Kampfblätter“ des Neoliberalismus würden vor nichts zurückschrecken, um eine solche Emanzipation unmöglich zumachen. Schließlich sind sie mehr oder weniger das Eigentum oder werden beherrscht von Reichen, Besitzenden und Managern – wie etwa das Medienimperium des Milliardärs Ruppert Murdoch, das mehr als genug Beispiele seiner Wirkungsmacht abgeliefert hat.
Es muss ernsthaft bezweifelt werden, dass die heutigen politischen Eliten willens und fähig sind, einen derartigen Paradigmenwechsel als notwendig oder gar realistisch zu erkennen. Für sie, verflochten und verstrickt in die Netzwerke von Kapital und Wirtschaft, würde das einen radikalen Bruch mit ihrem Verständnis von Politik bedeuten.
Ohne einen solchen Paradigmenwechsel wird die Armut des größten Teils der Weltbevölkerung mit ihren Auswirkungen – Verelendung, Hungersnöte, Perspektivlosigkeit und Ausbeutung – stetig zunehmen. Ebenso wird es keinen wirksamen Klimaschutz geben und die Zerstörung der Umwelt wird immer weiter und Existenz bedrohender fortgesetzt werden.
Das Fehlen einer wirksamen Sicherheitsarchitektur hat – wie dargestellt – bis heute zur Folge, dass es unmöglich war und ist, militärische Konflikte, Bürgerkriege u. a. möglichst umgehend zu beenden oder gar präventiv zu verhindern.
Das Beispiel Syrien beweist erneut, dass eine globale Sicherheitsarchitektur ohne Russland und China wirkungslos bleiben muss.
Es mag apodiktisch klingen und für die westliche Welt wenig angenehm, aber bislang – und vor allem angesichts der Misserfolge der jüngeren Zeit – dürfte es für eine wirksame Strategie zur möglichst weitreichenden Friedenssicherung keine andere Alternative geben. Allerdings hängt der Erfolg zweifelsfrei ebenso von der Neugestaltung der globalen Wirtschaft ab.
Geht man davon aus, dass die westlichen Industrienationen, in ihrem Selbstverständnis als Demokratien und Verfechter der Menschenrechte, sich selbst als führende Kraft in der globalisierten Welt bestimmt haben, dann wird es unvermeidlich sein, dass sie ihre Führungsrolle endlich als eine weitreichende Verantwortung für das Ganze begreifen. Bislang trifft man sich als G8 oder G20 im elitären Kreis, alle anderen sitzen nicht einmal am „Katzentisch“, wenn man davon absieht, dass derselbe symbolisch inzwischen für den ungeliebten Putin reserviert ist*. Auf Dauer wird die USA – wenn sie als Friedensmacht wirken will – nicht umhin können, auf China und Russland in dieser Frage mit der notwendigen Glaubwürdigkeit zuzugehen.
Europa – wenn es sich als ernst zu nehmende Gemeinschaft formieren würde – könnte dann in diesen Prozessen durchaus eine wichtige Rolle übernehmen. Gerade Deutschland müsste sich nur auf die politischen Erfolge der „Neuen Ostpolitik“ Willy Brandts und Helmut Schmidts besinnen, um einen außenpolitisch wirkungsvollen Beitrag zu leisten. (Was allerdings notwendig machen würde, zu einer inhaltlich klaren und strategisch durchdachten Außenpolitik zurückzukehren, die von wirklich überzeugenden Persönlichkeiten vertreten werden müsste.)
Breshnew, seines Zeichens der mächtigste Mann des östlichen Bündnisses, war mit Sicherheit alles andere als ein „angenehmer“ Gesprächspartner, vielmehr war er der Repräsentant der Gegenseite im „Kalten Krieg“ und verantwortlich für den Einmarsch in die ČSSR und die Zerschlagung des „Prager Frühlings“. Ohne die Gespräche mit Breshnew, die damals trotz aller Gegensätzlichkeit geführt wurden, wäre die Unterschrift Breshnews und der anderen Parteiführer der sozialistischen Staaten unter die Schlussakte der KSZE 1974 undenkbar gewesen. „Für Frieden und Sicherheit in Europa“ war das erste und einzige gesamteuropäische Dokument, das schließlich die weitere Entwicklung maßgeblich beeinflusste.
Es geht nicht darum, Putin unkritisch zu sehen, aber eine geradezu maßlos einseitige politische Beurteilung dürfte niemals die einzige Basis für die Gestaltung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland sein. Ob Russland mit dem schweren Erbe der kommunistischen Herrschaft und seiner Größe und etwa 120 Millionen Einwohnern so stabil ist, dass ein Wandel hin zu demokratischen Verhältnissen nicht in ein neues Chaos führen wird, sollte bedacht werden. Aus diesem Betrachtungswinkel scheint vieles wenig hilfreich, was von der deutschen Politik bislang praktiziert wurde. Nicht jeder, der Putin kritisiert, ist gleich ein beispielhafter Demokrat. Egal, wer einmal Putins Nachfolger wird, er wird nicht viel anders herrschen können. Und dass ein Oligarch wie Chodorkowski außer „Kremlkritiker“ auch Steuerhinterzieher war, hält weder Medien noch Politiker davon ab, ihn geradezu zum Ausbund eines Demokraten zu machen (wie auch die Milliardärin Timoschenko in der Ukraine; es wäre doch ein „Wunder“, wenn ausgerechnet diese beiden ihr Riesenvermögen mit redlicher Arbeit erworben hätten).
Da ohne Russland künftige Friedensbemühungen kaum Aussicht auf Erfolg haben, wäre es Aufgabe auch und gerade deutscher Politik, die Beziehungen zu Russland in diesem Sinne zu gestalten. Was nur möglich sein wird, wenn man Putin, ohne Verzicht auf eine kritische Sicht, als politischen Repräsentanten Russland ernst nimmt.
Ein historisch gebildeter chinesischer Politiker wird sich bei typisch deutschen „Einlassungen“ zu Demokratie und Menschenrechten wahrscheinlich denken: Ihr habt gut reden. Wir müssen über eine Milliarde Menschen regieren, die noch nie Erfahrungen mit Demokratie gemacht haben. Auf die Kaiserzeit folgte die japanische Besetzung im II. Weltkrieg, nach der Befreiung die Revolution mit Maos Diktatur, bis schließlich mit Deng Xiao Ping Reformen – von oben – begonnen wurden, die China zur Weltmacht aufsteigen ließen. Und wie endete Euer erster Versuch in Demokratie? Mit einer verbrecherischen Diktatur und dem größten aller bisherigen Kriege.
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Ohne eine Neugestaltung der Verhältnisse zwischen den westlichen Staaten zum Islam werden die globalen Probleme und Konflikte nicht zu lösen sein. Da die Beziehungen historisch belastet sind, auch und gerade im 20. Jahrhundert, machen die besonderen Schwierigkeiten und bislang nicht zu lösenden Gegensätze dies zu einer immensen Herausforderung.
Um überhaupt eine Ebene für eine sinnvolle Kommunikation zu schaffen, müssten der Islam und die Millionen Muslime nicht mit den Maßstäben des einst christlichen Abendlandes gemessen werden. Zum anderen wäre die allzu oft dominierende Fokussierung auf terroristische oder radikale islamistische Gruppierungen insofern zu korrigieren, dass die in der Mehrzahl ihren Glauben lebenden Muslime, die ihrer Arbeit nachgehen und ihre Kinder großziehen, in ihrer Religiosität als weitaus größter Teil des Ganzen wahr- und ernst genommen werden.
Wie bereits dargelegt ist der Islam Staatsreligion und keinesfalls homogen (Sunniten, Schiiten, Salafisten, Alawiten…) und besitzt keine Machtzentrale. Auch wenn es durchaus Kräfte gibt, die für mehr Demokratie, Aufhebung der traditionellen Frauenrolle u. a. eintreten, bleiben solche Entwicklungen regional beschränkt. Im Nachbarland können durchaus die so genannten „Gotteskrieger“ ihr Reich geschaffen haben. Im Kern geht es um die Einsicht, dass der Weg der islamischen Staaten zu demokratischen Strukturen ihr eigener ganz spezifisch auch von der Realität des Islam beeinflusster Weg sein wird; die wohlfeile, unrealistische Forderung des Westens – wie in der Zeit des „Arabischen Frühlings“ erhoben – möglichst umgehend Demokratie durchzusetzen, wird aber denen am meisten schaden, die sich dort dafür engagieren.. Nur ein der Realität aus ideologischen Gründen völlig Entrückter, konnte solche Erwartungen bzw. Forderungen formulieren. Es war doch von Beginn dieses „Frühlings“ an völlig klar, dass anstelle der lange vom Westen unterstützten Diktatoren die organisierten muslimischen Kräfte die Macht übernehmen würden.
Von besonderer Einfalt – und für jede strategische Planung „tödlich“ – ist das Prinzip, stets und ständig in „Gut“ und „Böse“ einzuteilen. Dabei reicht es, um als „Gut“ zu gelten, schon aus, dass man gegen einen – aus westlicher Sicht - als „Böse“ Eingeordneten auftritt.
Weitere Aufgaben für gemeinsames Handeln wären auch der Kampf gegen Drogenkartelle und andere Formen global vernetzter organisierter Kriminalität, insbesondere der Handel mit Waffen, Piraterie und seit jüngerer Zeit die Ausbreitung von Cyberkriminalität und -spionage.
Wofür das alles? Die Antwort verweist auf das Kernproblem der Menschheit. Milliarden Menschen, die täglich hart und oft für einen kargen Lohn arbeiten, die ihre Kinder ebenso oft in armseligen Behausungen und unsäglicher Armut großziehen, die sich sozial und kulturell engagieren, auch wenn ihnen vielerorts keine Chancen auf Bildung gegeben sind, deren Existenz durch Hungersnöte und Naturkatastrophen ebenso bedroht ist, wie durch mordende Marodeure und andere meist paramilitärische Verbände, durch Vertreibung, durch Millionen Landminen und Seuchen …
Sie alle haben ein Recht auf ein menschenwürdiges Dasein, ein Leben ohne ständige existentielle Ängste. Ist das zu viel verlangt?
Es geht – man kann es so nennen – um ein Jahrtausendprojekt, dessen Möglichkeiten für einen erfolgreichen Verlauf nur dann zunehmen können, wenn es bald in Angriff genommen wird. Die Alternativen bleiben furchtbar in ihren Folgen.
Was aber wäre möglich, wenn etwa das transatlantische Bündnis und weitere Industriestaaten nur ein Jahr lang ganze 5% ihrer Rüstungsausgaben für ein Welternährungsprogramm zur Verfügung stellen würden – und die notwendigen Fachleute, die alle notwendigen Projekte mit entwickeln und umsetzen würden?
Täglich reden und schreiben Politik und Medien über die Menschenrechte, verurteilen Organisationen deren weltweite Verletzung.
Wenn man das zuletzt aufgeführte auf einen Punkt bringen will, geht es im Kern ausschließlich darum, für alle Menschen zumindest ihre elementaren Menschenrechte durchzusetzen.
‚Träum schön weiter’ dürfte wahrscheinlich freundlichste Kommentar sein, mit dem ich rechnen dürfte, falls dieser Text überhaupt in der Öffentlichkeit wahrgenommen würde. Schließlich dominieren bis heute – zumindest in Deutschland – die Apologeten, gleich ob Theoretiker des Neoliberalismus, Publizisten in Presse und Fernsehen die öffentliche Meinung ganz im Sinne der Herrschenden in Wirtschaft, Finanzwesen und Politik.
Wer Veränderungen erhofft oder fordert und sich realitätsfremd auf die Wirkungsmöglichkeiten utopischer Entwürfe stützt, darf heutzutage nicht darauf hoffen, Gehör zu finden – obwohl es für die Gesellschaft eigentlich noch immer gelten sollte, was dem Einzelnen zumindest rhetorisch zugestanden wird: „Seinem Traum zu folgen.“
In der UN-Charta der Menschenrechte steht seit Jahrzehnten der Leitsatz: „Jeder Mensch hat das Recht, im Land seiner Wahl zu leben.“
In Deutschland und anderswo sind also „Armutsflüchtlinge“ – wie sie zur Vermeidung der eigentlichen Bezeichnung „Sozialschmarotzer“ jetzt genannt werden – demnach keine Menschen die ihrem Recht Gebrauch machen, im Land ihrer Wahl leben und in der Mehrzahl arbeiten wollen, selbst in unterbezahlten, schweren Jobs.
Aber dafür wissen deutsche Politiker und die „Herolde“ von Kapital und Politik in atemberaubender Selbstgefälligkeit ganz genau, was andere Länder eigentlich zu tun hätten oder müssen sollten. Wer dem nicht folgt, den trifft der Bannstrahl. Wie konnte man darauf hoffen, dass jener unheilvolle Satz: ‚Am deutschen Wesen soll die Welt genesen’ aus der Welt sei.
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