Kitabı oku: «Ängste von Kindern und Jugendlichen», sayfa 3
Fragen beim Verhandeln über Diagnosen
Wirklichkeitsfragen: Wer diagnostiziert was?
•Wer hat bereits eine Diagnose geäußert, und wie hat sich das auf die einzelnen Familienmitglieder ausgewirkt?
•Welche Gedanken, Hoffnungen oder Befürchtungen hat die Diagnose bei allen Beteiligten ausgelöst?
•Ist die Diagnose dem Kind gut bekommen?
Hypothetische Fragen: Nehmen wir einmal an …
•Nehmen wir einmal an, die Diagnose sei nicht gestellt worden. Wem ginge es dann besser, wem schlechter?
•Nehmen wir einmal an, es wäre eine andere Diagnose gestellt worden: Hätte das irgendwelche Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten der verschiedenen Familienmitglieder gehabt?
Zirkuläres Fragen: Über die Diagnose sprechen oder schweigen?
•Wenn Ihre Frau Ihren Sohn auf die Diagnose anspricht, bemüht sie sich dann mehr um ein angemessenes Verhalten oder weniger?
•Wenn deine Diagnose im Freundeskreis bekannt würde, hätten die Freunde dann mehr Verständnis für dich oder weniger? Würde der Kontakt zu ihnen enger, oder würden sie sich eher zurückziehen?
•Um eine möglichst präzise diagnostische Einordnung vornehmen zu können, muss man oft zwei oder drei Diagnosen stellen. Würden Sie das eher als eine große Belastung erleben oder eher als sorgfältiges und hilfreiches Bemühen?
•Inwiefern kann der Patient mit der Entscheidung des Diagnostikers gut leben?
•Was soll der Diagnostiker wem (nicht) mitteilen?
•Was will der Patient wem (nicht) mitteilen?
Problem- und lösungsorientierte Fragen: Wozu nützen und was behindern Diagnosen?
•Welche positiven Wirkungen hat die Diagnose (neue Chancen)?
•Welche negativen Nebenwirkungen hat sie (Einschränkungen, Stigmata)?
•Angenommen, die Diagnose könnte verändert werden: Welche Veränderung würde sie »lebbarer« machen?
2.2Angststörungen
2.2.1 Angststörungen generell
2.2.1.1 »Angststörung« als Oberbegriff für unterschiedliche Störungsbilder
Der Begriff »Angst«, eine auf das deutsche und niederländische Sprachgebiet beschränkte Substantivbildung, ist aus dem indogermanischen angh- (»eng«) mit dem Suffix st (»dazugehörig«) entstanden und bedeutet: »Das, was zur Enge gehört.« Der Ursprung des Wortes liegt im lateinischen angustus (»eng«) bzw. angustiae (»die Enge, die Klemme, die Schwierigkeiten«) (vgl. Dudenredaktion 2007; Blankertz u. Doubrawa 2005). Der Begriff verweist also bereits auf ein wesentliches Merkmal der Angst, nämlich das Gefühl der Enge, des zusammengedrückten Brustkorbs, der Einschränkung des freien Atmens. Gleichzeitig kann er dafür stehen, dass der Blick von Menschen mit Angst sich verengt, dass sie nur noch auf die in der Zukunft erwartete Katastrophe fokussieren und die Fülle alternativer Möglichkeiten nicht sehen. Schließlich symbolisiert das Wort die Enge im Sinne einer engen Pforte, durch die die Betroffenen hindurchgehen müssen, damit sich ihnen wieder der Horizont vielfältiger Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet.
Angststörungen manifestieren sich in sehr unterschiedlichen Störungsbildern. Angststörungen im Kindes- und Jugendalter werden in den Klassifikationssystemen ICD und DSM unterschiedlich definiert und zugeordnet. Während im DSM-IV-TR nur die Störung im Zusammenhang mit Trennungsangst den Störungen im Kindes- und Jugendalter zugeordnet wird und bei den übrigen Diagnosen die gleichen Diagnosekriterien wie für Erwachsene gelten (eine Unterscheidung, die im DSM-V aufgehoben wurde), werden im ICD-10 als kinder- und jugendspezifische Angststörungen unter F93 Emotionale Störungen des Kindesalters unterschieden:
•F93.0 Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters
•F93.1 Phobische Störung des Kindesalters
•F93.2 Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters (häufig synonym gebraucht mit der generalisierten Angststörung)
•F93.3 Emotionale Störung mit Geschwisterrivalität
•F93.80 Generalisierte Angststörung des Kindesalters.
Unter den Störungen, die für Erwachsene und Kinder/Jugendliche gleichermaßen gelten, werden unter F40 phobische Störungen aufgeführt:
•F40.0 Agoraphobie
•F.40.1 Soziale Phobien
•F40.2 Spezifische Phobien.
Unter den sonstigen Angststörungen:
•F41.0 Panikstörung
•F41.1 Generalisierte Angststörung
•F41.2 Angst und depressive Störung gemischt.
2.2.1.2 Häufigkeit von Angststörungen
Angststörungen treten bei Kindern und Jugendlichen sehr oft auf. Ihre Häufigkeit nimmt im Jugendalter noch deutlich zu. Sie gehören zu den Störungen mit der höchsten Prävalenz bei Jugendlichen. Ungefähr 10 % der Jugendlichen erfüllten irgendwann in ihrem Leben die diagnostischen Kriterien einer Angststörung. Studien über das Auftreten von Angststörungen bei Kindern sind relativ selten durchgeführt worden. In einer neueren Studie erfüllen 9,5 % der Achtjährigen die Kriterien einer Angststörung innerhalb der letzten sechs Monate. In dieser Studie waren die häufigsten Angststörungen die spezifische Phobie mit 5,2 %, gefolgt von Trennungsangst mit 2,8 % (Essau et al. 2004, S. 95 f.). Groß angelegte epidemiologische Studien mit Erwachsenen liefern starke Anhaltspunkte dafür, dass viele Angststörungen in Kindheit und Jugendalter beginnen.
In den meisten Studien weisen Mädchen zwei- bis viermal höhere Raten von Angststörungen auf als Jungen. In fast allen Studien wird berichtet, dass Phobien bei Mädchen etwa sechsmal häufiger beobachtet werden als bei Jungen. Die Panikstörung tritt bei Mädchen doppelt so häufig auf als bei Jungen.
2.2.1.3 Komorbidität
Isolierte Angststörungen trifft man – entgegen dem störungsspezifischen Konzept der ICD-10 – in der Praxis nur selten an. Sie treten in über der Hälfte der Fälle zusammen mit anderen psychischen Störungen auf, am häufigsten zusammen mit Depressionen. Dabei gehen die Angststörungen den Depressionen meist voraus. Komorbidität scheint also eher die Regel als die Ausnahme zu sein. Alloy und Mitarbeiter (1990, zit. nach Essau 2014, S. 134) erklären dies durch eine Veränderung der Kontrollerwartung. Sie zitieren Darwin, der bereits 1872 die Beobachtung gemacht habe: »If we expect to suffer we are anxious, if we have no hope we despair« (»Wenn wir erwarten zu leiden, spüren wir Angst; wenn wir keine Hoffnung haben, erleben wir Verzweiflung«; Übers.: W. R.). Das heißt: Wenn eine Person sich nicht in der Lage erlebt, das Ergebnis ihrer Handlungen zu kontrollieren, ist sie unsicher und reagiert darauf mit Angst. Nimmt der Mangel an Kontrollüberzeugung weiter zu, erlebt die Person einen ängstlich-depressiven Zustand. Geht schließlich die Kontrollerwartung vollständig verloren und besteht die subjektive Gewissheit einer negativen Zukunft, dann erlebt die Person einen depressiven Zustand.
Angststörungen treten im Übrigen auch häufig zusammen mit Störungen des Sozialverhaltens, Störungen mit oppositionellem Trotzverhalten, mit ADHS, Alkoholmissbrauch und somatoformen Störungen auf.
2.2.1.4 Verlauf
Längsschnittstudien zeigen, dass Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen keineswegs immer leicht, kurzzeitig oder vorübergehend sind, wie lange Zeit angenommen wurde. Insbesondere das gemeinsame Auftreten von Depression und Angst (hier vor allem der generalisierten Angststörung) ist mit einem erheblich erhöhten Suizidrisiko behaftet. Angststörungen haben zum Teil deutlich negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen im Hinblick auf ihr soziales Umfeld (Kontakt mit anderen Familienmitgliedern, Freunden und Peers), ihr allgemeines subjektives Wohlbefinden und ihre Selbstverwirklichung. Nicht nur das Kind oder der Jugendliche selbst, sondern auch sein unmittelbares soziales Umfeld und damit die Gesellschaft profitieren von einer frühen, effektiven Behandlung.
Häufig beginnen Angststörungen relativ früh und können einen chronischen Verlauf bis ins Erwachsenenalter hinein nehmen, wenn sie unbehandelt bleiben. Es besteht das Risiko, im Erwachsenenalter wiederholt oder anhaltend an Angststörungen zu leiden, was zu Beeinträchtigungen in zahlreichen Lebensbereichen wie bei der Arbeit und bei zwischenmenschlichen Beziehungen führt. Das Risiko, andere Störungen zu entwickeln, ist erhöht (nach Essau 2014, S. 154 f.).
Ein früher Beginn der Angststörungen, eine Beeinträchtigung durch die Störung sowie das Vorliegen weiterer Störungen wie somatoformer Störungen, Substanzmissbrauch und zusätzlich negativer Lebensereignisse gelten als Prädiktoren eines chronischen Verlaufs. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen einem häufigen Konsum von Cannabis und einer Angststörung vor dem Alter von 15 Jahren, allerdings keine direkte Kausalität. Insgesamt resümiert Essau (ebd., S. 161) die aktuelle Studienlage dahin gehend, dass Kinder und Jugendliche mit Angststörungen, die pharmakologisch sowie kognitivbehavioral behandelt wurden, mit der Zeit eine Besserung, aber keine vollständige Remission der Symptome zeigten. Auch Alpers (2012, S. 234) verweist darauf, dass trotz vieler Erfolge
»Psychotherapie dennoch, wie die Behandlung mit Psychopharmaka, häufig nur zur Teilremission führt und mit einem hohen Rezidivrisiko verbunden ist.«
2.2.1.5 Angststörungen und Suizid
Angststörungen stellen offensichtlich einen Risikofaktor für Suizidgedanken und Suizidversuche dar. Eine große Zahl von Studien konnte nachweisen, dass Angststörungen bei Jugendlichen das Risiko des Auftretens von Suizidgedanken und -versuchen erhöhen (In-Albon 2011, S. 26 f.). Möglicherweise wirken Angststörungen jedoch nur indirekt als Mediator, indem sie depressives Erleben und Hoffnungslosigkeit auslösen, die dann wiederum den Hintergrund für die Suizidalität darstellen. In jedem Fall sollte bei anhaltenden Angststörungen das Thema »Suizidgedanken und Suizidpläne« angesprochen werden.
2.2.1.6 Geschwister von Kindern mit Angststörungen
Angststörungen haben nicht nur weitreichende Konsequenzen für das Leben der betroffenen Kinder und Jugendlichen, sondern auch für ihre Eltern und Geschwister. Allerdings sind Studien zu den Geschwisterbeziehungen von Kindern mit Angststörungen relativ selten. Jedoch können Forschungsbefunde zu Geschwistern von Kindern oder Jugendlichen mit chronischen körperlichen Erkrankungen oder Behinderungen teilweise analog eingesetzt werden, die aufzeigen, dass eine chronische körperliche Erkrankung eines Kindes positive und negative Effekte für seine Geschwister haben kann. Negative Effekte beinhalten eine erhöhte Vulnerabilität bezüglich Depression, Angst, somatischer Beschwerden, Verstimmungen, Schuldgefühlen und Aggression. Zu den positiven Effekten zählen erhöhtes Selbstvertrauen, Durchsetzungsvermögen, Empathie, Resilienz und guter Familienzusammenhalt.
Geschwister von Kindern und Jugendlichen mit Angststörungen schätzen einer Studie zufolge (Fox et al. 2002, zit. nach In-Albon 2011, S. 58) ihre Geschwisterbeziehung als konfliktreicher ein denn Geschwister psychisch unauffälliger Kinder. Des Weiteren gaben die Geschwister an, dass ihr Geschwister mit einer Angststörung weniger emotionale Wärme zeige. Sowohl die Geschwister als auch die Kinder mit Angststörungen übten gegenseitig mehr Kontrolle aus als die Kinder und Geschwister der Kontrollgruppe. Nach Lindhout et al. (2009, zit. nach In-Albon 2011, S. 58) berichten Kinder mit Angststörungen über mehr Kritik und negative Affektivität der Eltern ihnen gegenüber als gegenüber ihren Geschwistern. Die Autoren sprechen von einem »Sündenbockphänomen« und nehmen an, dass das Kind, welches harscher behandelt wird als seine Geschwister, ein höheres Risiko habe, eine Angststörung zu entwickeln. Allerdings müssten dann Kritik und negativer Affekt der Eltern der Angststörung vorausgehen. Wahrscheinlicher scheint zu sein, dass das Verhalten des Kindes, das eine Angststörung zeigt und dies durch Anklammern und Aufsuchen von Nähe und Aufmerksamkeit ausdrückt, die Kritik und den negativen Effekt der Eltern erst auslöst. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass das beschriebene Verhalten der Eltern einen aufrechterhaltenden Faktor für die Angststörung darstellt. Tina In-Albon (2011) leitet aus diesen Befunden die Anregung ab, Geschwister entweder in die Therapie mit einzubeziehen oder zumindest präventiv für ihre Unterstützung Sorge zu tragen.
2.2.1.7 Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch müssen Angstsymptome im Rahmen einer Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion), einer Hyperparathyreose (Überfunktion der Nebenschilddrüse), eines Phäochromozytoms (eines Tumors v. a. im Nebennierenmark), eines vestibulären Syndroms (Schwindelerkrankung), eines zerebralen Anfallsleidens oder einer Herzerkrankung ausgeschlossen werden.
2.2.2 Spezielle Angststörungen
2.2.2.1 Angststörung mit Trennungsangst
Der achtjährige Jannik wird von seinen Eltern wegen seiner Trennungsängste vorgestellt. Schon als Baby habe er sich ungern von seiner Mutter getrennt. Heute klage er morgens vor dem Schulbesuch über Bauchschmerzen und Übelkeit. In der Mittagsbetreuung verweigere er das Essen. Jannik schlafe nie allein in seinem Zimmer. Manchmal übernachte die Mutter in seinem Bett, oder er suche nachts das elterliche Schlafzimmer auf. Inzwischen weigere er sich auch tagsüber, alleine im Zimmer zu bleiben. Die Trennungsängste seien besonders massiv in neuen, unbekannten Situationen oder wenn die Mutter Termine wahrnehmen müsse. In einer solchen Trennungssituation habe Jannik gegenüber seiner Mutter geäußert, dass er nicht wolle, dass sie sterbe.
Beginnend mit einem Alter von sieben Monaten bis weit in die Vorschulzeit, sind die meisten Kinder nicht gern von ihren Eltern und Geschwistern getrennt. Erst wenn sie in höherem Alter wiederholt in übertriebener Form und mit schwer nachvollziehbarer Verzweiflung auf Trennungen von ihren nahen Familienangehörigen reagieren und wenn es dadurch zur Beeinträchtigung sozialer Aktivitäten kommt, kann man von einer Störung mit Trennungsangst sprechen. Kinder mit Trennungsangst äußern eine überwältigende Angst davor, eine wichtige Bezugsperson zu verlieren. Sie äußern die Befürchtung, einer wichtigen Bezugsperson könne etwas Schlimmes zustoßen, ein Elternteil könne auf der Fahrt zur Arbeit verunglücken oder es könne sonst etwas Schreckliches geschehen, sodass sie ihre Bezugsperson nie wieder sehen würden. Manche Kinder äußern die Befürchtung, sie könnten selbst gekidnappt werden oder verloren gehen. Sie weigern sich dann nicht selten, in den Kindergarten oder in die Schule zu gehen. Andere Kinder weigern sich, tagsüber allein ohne Bezugsperson zu Hause zu sein, abends ohne die Bezugspersonen einzuschlafen oder sind überhaupt nur bereit, mit der Bezugsperson im selben Bett zu schlafen. Eltern berichten über langwierige Zubettgehsituationen, ein altersunangemessenes Einschlafen im elterlichen Bett und das Fehlen altersentsprechender Erfahrungen mit Übernachtungen bei Freunden. Zuweilen treten Albträume auf, die eine Trennung zum Inhalt haben. Andere Kinder klagen über körperliche Symptome wie Herzklopfen, Schwindelgefühle, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Übelkeit, wenn eine Trennung von der Hauptbezugsperson bevorsteht.
Kinder mit Trennungsangst haben häufig eine ausgeprägte Angst vor Krankheiten, dem Sterben und vor dem Tod. Von ihren Eltern werden sie oft als fordernd und aufmerksamkeitsbedürftig beschrieben. Nicht selten zeigen sie eine hohe Impulsivität sowie eine Schutz- und Pflegebedürftigkeit.
Symptomatik im Altersverlauf
Störungen mit Trennungsangst haben unter den Angststörungen im Kindes- und Jugendalter den frühesten Beginn. Sie treten vorwiegend bei Kindern vor der Pubertät auf. Eine retrospektive Befragung von Kindern mit Trennungsangst oder Überängstlichkeit ergab, dass bei 46 % der Kinder die Störung über eine Dauer von mindestens acht Jahren anhielt und bei etwa einem Drittel der Kinder mehrere Episoden klinischer Angst auftraten (Keller et al. 1992, zit. nach Schneider u. In-Albon 2004, S. 111). Kinder mit Trennungsangst zeigen häufig weitere psychische Störungen, etwa ein Drittel der Kinder eine Komorbidität mit Depressionen; und etwa ein Fünftel der Kinder weist gleichzeitig eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung oder eine Störung mit oppositionellem Trotzverhalten auf. Etwa 10 % der betroffenen Kinder zeigen eine Enuresis. Störungen mit Trennungsangst scheinen im Vergleich zu anderen Angststörungen im Kindes- und Jugendalter einen relativ ungünstigen Verlauf zu nehmen. Kinder mit Trennungsangst zeigen im Erwachsenenalter besonders häufig eine Panikstörung und/oder eine Agoraphobie.
2.2.2.2 Spezifische Phobie
Die siebenjährige Amelie, die die zweite Klasse der Grundschule besucht, wurde wegen verschiedener Ängste vorgestellt, die sie seit gut einem halben Jahr entwickelt habe, nachdem sie mit ihrer Oma im Aufzug stecken geblieben sei und eine halbe Stunde im Aufzug habe verbleiben müssen. Seitdem zeigt Amelie Angst, mit Aufzügen oder öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren sowie sich in geschlossenen Räumen alleine aufzuhalten. Da der Aufzug in der Arbeitsstätte der Mutter gewesen sei, mache Amelie sich jetzt ständig Sorgen, dass ihrer Mutter das Gleiche widerfahren könne. An diesen Gedanken knüpfe sie dann die Sorge, ob ihre Mutter sie auch von der Schule abholen werde. Während sie früher ihre Mutter gerne zu ihrer Arbeitsstätte begleitet habe, verweigere sie dies in den letzten Monaten, da ihr bereits der Anblick des Aufzugs Angst bereite. Auch seien Familienausflüge derzeit mit vielen Schwierigkeiten verbunden, da nie ganz klar sei, ob Amelie Angst entwickeln werde. In den Angstsituationen zeige sie erhebliche körperliche Reaktionen wie Herzklopfen, Zittern, Atemnot bis hin zu Erbrechen.
Phobos, der »Gott der Furcht«, ist Sohn des Kriegsgottes Ares und der Liebesgöttin Aphrodite. Ihm wird in der griechischen Mythologie die Fähigkeit zugesprochen, aufgrund seiner Erscheinung Feinde einzuschüchtern. So malte man sein Abbild auf die Schilder der Krieger, um den Gegner abzuschrecken. Sein Zwillingsbruder ist Deimos, der »Gott des Schreckens«. Üblicherweise dargestellt als Jugendliche, repräsentierten die beiden Brüder als Söhne der Liebesgöttin Aphrodite auch die Angst vor dem Verlust (Dictionary of Greek and Roman Biography and Mythology).
Von einer spezifischen Phobie spricht man, wenn Kinder oder Jugendliche eine ausgeprägte Angst vor bestimmten Objekten (z. B. Spritzen), Situationen (z. B. Dunkelheit) oder Tieren (z. B. Hunden) zeigen, auch wenn seitens außenstehender Beobachter keine Gefahr zu erkennen ist. Sie beginnen dann, die gefürchtete Situation in zunehmendem Maße zu vermeiden oder aus ihr zu flüchten. Die häufigsten Inhalte spezifischer Phobien bei Vorschulkindern sind Fremde, Dunkelheit oder Tiere, bei Grundschulkindern Stürme, Gewitter und die Bedrohung der eigenen Sicherheit, bei den 12- bis 17-jährigen Tiere, Naturkatastrophen und spezifische Situationen wie enge Räume, Fahrstühle, Tunnel, hohe Brücken und Ähnliches. Bei genauerem Nachfragen sehen die Kinder, besonders die Jugendlichen, oft ein, dass ihre Angstreaktion unangemessen und übertrieben ist; diese Einsicht bringt aber keine Erleichterung. Sie kann bei jüngeren Kindern auch noch nicht vorhanden sein.
Während der phobischen Reaktion kommt es bei den Kindern und Jugendlichen zu starken körperlichen Reaktionen wie Herzklopfen, Zittern, Schwitzen oder Bauchschmerzen. Sie nehmen schreckliche Konsequenzen, die im Zusammenhang mit dem befürchteten Reiz erwartet werden, gedanklich vorweg. Die Kinder suchen die Nähe ihrer Eltern oder sonstiger Bezugspersonen, die ihnen Sicherheit geben. Sie klammern sich an sie an, weinen oder reagieren wie gelähmt. Manche Kinder zeigen auch ein aggressives Verhalten; sie schreien, haben Wutanfälle oder schlagen um sich.
Symptomatik im Altersverlauf
Eine zuverlässige Aussage über den Verlauf von Phobien im Kindes- und Jugendalter kann nach derzeitigem Forschungsstand nicht gemacht werden. Schneider (2004c, S. 136) sieht einen Grund hierfür darin, dass früher angenommen worden sei, die meisten Kinderängste würden sich ohnehin schnell wieder verlieren. Dabei sei aber möglicherweise unberücksichtigt geblieben, dass sich in vielen Fällen lediglich die Angstinhalte geändert hätten. Würde man die Häufigkeit spezifischer Phobien unabhängig vom spezifischen Inhalt betrachten, wiesen jüngere Untersuchungen darauf hin, dass spezifische Phobien in höherem Alter eher zunehmen würden. Phobien im Kindes- und Jugendalter scheinen ein Risiko für eine zweite Störung darzustellen und zumeist chronisch zu verlaufen. Das stimmt mit dem Befund überein, dass Phobien Erwachsener in der Regel bereits im Kindes- und Jugendalter beginnen.