Kitabı oku: «Das Schatzhaus des Königs», sayfa 15
Zweites Kapitel
Einige Tage später lag Rebekka auf ihrem Ruhebett; der Tisch trug noch die Überreste eines Mahles – halbgeleerte Geschirre, vergossenen Wein. Das Fenster war geschlossen, träumerische Stille ringsum. Der König hatte sie eben erst verlassen; Müdigkeit senkte sich schwer auf ihre Augenlider herab, kaum vermochte sie den nahenden Schlaf mehr zu verbannen. Sie sah die verlöschende Lampe nur noch wie durch einen Schleier aufzucken, die bunten Ornamente an der Wand verschwammen vor ihren halbgeschlossenen Augen zu schwebenden Schatten, es fehlte nur noch eine halbe Sekunde, so versank ihr Geist völlig in jenem angenehmen Tod, den wir Schlaf nennen. Eben stellte sie noch eine letzte, ihr kaum mehr bewußte Betrachtung über den roten Isiskopf an, der mit schlauem Lächeln vom Getäfel zu ihr herübersah, schon begann der Isiskopf zu nicken, die Augen zu verdrehen, so daß sie fühlte, wie sich jetzt ein bizarrer Traum von verrückt gewordenen, Grimassen schneidenden Göttern ihres Geistes bemächtigen wollte, da – war das Traum oder Wirklichkeit? Da schien es ihr, als ob sich die Wand samt dem Isiskopfe leise bewege, zurückschob, und schließlich eine Öffnung bloßlegte. Noch war sie geneigt, auch dieses Bild für die Vorspielungen eines Traumes zu halten, als in dieser freigewordenen, schwarzen Öffnung ein Mann auftauchte, eintrat, die Wand nieder schloß und dicht bis vor ihr Lager schlich. Nun raffte sie sich aus ihrer Schlaftrunkenheit empor. Einen Schrei ausstoßend, sprang sie auf – die Gestalt zerfloß nicht in der Luft, sie war kein Gebilde entfesselter Phantasie. »Was willst du? Wer bist du?« keuchte die zum Tod Erschrockene.
»Wie, hast du mich schon vergessen, kleines Kätzchen?« sagte die Gestalt. »Und bin ich es doch, der dich hier an den Hof brachte, dein Glück gründete.«
Jetzt erkannte Rebekka den Eindringling; er war es, der sie in Memphis dem König vorgeführt, der sie als Werkzeug benutzt, den Monarchen zu umgarnen.
»Du – Psenophis – der Oberpriester?« frug sie. »Ach! Du hast mich sehr erschreckt! Was willst du von mir in so später Nachtstunde? Du gehst geheimnisvolle Wege, wie es scheint.«
»Ja, mein Kind,« lächelte er. »Wir müssen unsere Zuflucht zu seltsamen Mitteln nehmen, wenn wir unseren Zweck erreichen wollen. Jetzt laß uns aber von der bewußten Angelegenheit sprechen. Du erinnerst dich ja noch, unter welcher Bedingung ich dich hierher beschied, ich dein Glück förderte.«
»Bedingungen?« frug Rebekka.
»Ja! Ja! Ei! schon vergessen,« gab Psenophis schlau-freundlich zurück, ihre Wangen streichelnd. »Gutes Mäuschen! versprachst du mir nicht, zu unseren Diensten zu stehen, wenn ich dich von Memphis nach Theben befördere? Du hast nun mit meiner Hilfe erreicht, was du innig wünschtest. Ein Dienst ist des anderen wert, ich fordere nun den deinigen; jetzt zeige, daß du dankbar bist. Habe ich dir nicht zwei kostbare Armbänder auf unseres Prinzen Befehl geschenkt, damit du – nun, fällt es dir ein –?«
»O Gott! o Gott!« stöhnte Rebekka dumpf, ihre Hand an die erblassende Stirne drückend, »ich dachte nie daran, daß ihr es ernst meintet – ich gab dir mein Versprechen im Wahn, im Traum.«
»Nicht wahr, jetzt besinnst du dich?« sagte er mit dem liebenswürdigen Ton eines gutmütigen Liebhabers. »Nun sage, wie weit bist du mit ihm! Wann wird's geschehen?«
»Du kommst also, mich zu mahnen?«
»So ist's! Ich wollte fragen – wann das Pulver –« er brach ab und deutete mit nicht mißzuverstehendem Augenwink in einen der auf dem Tisch stehenden Becher.
Rebekka schlug die Hände zusammen und drückte sie auf die Brust, starr vor sich niederblickend.
»Nun?« lächelte der Priester mit verliebter Geziertheit, »wir, deine Freunde, warten sehnlichst auf diesen Moment. Es könnte bereits geschehen sein. Du hast alle Tage Gelegenheit. Eben erst aß er bei dir, vielleicht hättest du das Pulver unter seinen Wein mischen können. Hast du's nicht getan? Wie? Schade! Oder hast du vielleicht –«
»Ich habe das Pulver verloren,« stammelte Rebekka.
»Ist es nur das?« sagte er, »da ist leicht zu helfen. Hier ein neues.«
Er legte ein Schächtelchen vor ihr nieder, das, als er es öffnete, schwarze Körner zeigte.
»Diese,« fuhr er lachend fort, »in den Wein gegeben, befördern den Schlaf in auffallender Weise. Dem Schläfer wird so wohl dabei, daß er es für unnötig findet, wieder zu erwachen. Ha! Ha! schlaue Pulver. Treffliches Heilmittel gegen Zahnschmerzen. Aber sage, warum besuchst du unsere Zusammenkünfte nicht mehr, wir haben viele neue Pläne ersonnen. Der äthiopische Königssohn verlangt sehr nach dir. Stellst du dich nur halbwegs klug, so heiratet er dich.«
Es folgte eine Pause; Rebekka starrte das vor ihr liegende Schächtelchen mit wilden Blicken an; der Priester wartete auf eine Antwort. Endlich stieß die Jüdin das Schächtelchen weit von sich.
»Nun, was soll das?« frug Psenophis.
»Nimm es wieder,« sagte sie entschieden.
»Wie? verstehe ich dich recht – Du weigerst dich.«
»Ich weigere mich, länger euer Werkzeug zu sein,« entgegnete ihm die Jüdin mit blitzenden Augen. »Als du mich hierher beriefst, mich in die Geheimnisse eurer Verschwörung einweihtest, da kannte ich noch nicht den, gegen den ihr eure Dolche richtetet, Ramses, meinen guten Herrn. Jetzt, da ich ihn kenne, will ich mit euch nichts weiter zu tun haben, ich sage mich los von euch und euern tückischen meuchlerischen Plänen! Verlasse mich! und rede mir nie wieder von einem Bündnis zwischen euch und mir!«
»Unkluge Dirne,« lispelte Psenophis mit kaum unterdrückter Wut, »so willst du uns hintergehen! Glaubst, man könne sich in eine Verschwörung einlassen und dann sich zu jeder Zeit wieder daraus entfernen? Wer einmal Gift genommen, muß es bis an sein Ende fortnehmen, wenn er sich das Leben erhalten will. Du bist an uns gefesselt mit eisernen Banden, und zerreißest du diese, so zerreißest du deinen Lebensfaden.«
»Gut denn!« rief Rebekka erregt aufspringend, »setzt euer Werk in Gang! Tötet mich! Ihr könnt es vielleicht! Ich habe den König lieben gelernt, ich liebe ihn heiß, innig, ich schütze sein Leben, suche es ihm zu bewahren, nicht aber es zu zerstören. Du magst mir drohen mit was du willst, nicht kannst du mich zwingen, meines Gebieters heiliges Leben anzutasten.«
»Und wenn ich dir sage, daß du den Tod erleiden wirst, ehe die Sonne zweimal aufgeht, wenn du uns feindlich gegenüber trittst – unsere Leute sind gewandt –«
»Versucht es, mich zu töten,« versetzte das Mädchen, »ich werde eure ganze Bande augenblicklich dem König verraten! Ich reiße den geheimnisvollen Schleier von euch weg, der euch bisher bedeckte, kenne ich euch doch alle mit Namen – kenne ich doch euern Versammlungsort. Der König soll erfahren, welche treue Diener er ernährt, ja es ist meine Pflicht, ihm die Augen zu öffnen.«
»So, so! das also beabsichtigst du?«
»Ja, und auf der Stelle!«
»Auf der Stelle?« gab ihr Psenophis lachend zurück. »Glaubst du dich dadurch gerettet? Hast du vergessen, daß ich nur ein Wort zu sagen brauche, um dich zu stürzen? Wer bist du? Eine arme Jüdin von zweifelhaftem Ruf. Wer bin ich? Ein angesehener Mann im Staate. Wem wird man mehr Glauben schenken, mir, wenn ich dich, oder dir, wenn du mich verklagst? Und kann ich dem König nicht sichere Beweise geben, daß du mit dem Plan umgingst, ihn zu vergiften? Sieh! ich nehme hier diese Schachtel, ich eile sogleich an das Lager des Königs, ich brauchte ihm – nicht wahr, du erbleichst? Und selbst, wenn der König dir mehr Glauben schenkte wie mir, glaubst du, wenn er uns straft, gingst du leer aus? Du, die du zu uns gehalten, bis zu diesem Augenblick? Kann er dir noch trauen? Trauen, wenn ihm aus deiner Hand der Tod gedroht? Verbannung ist die geringste Strafe, die dir von ihm wird; darum frage ich dich noch einmal: Bist du uns Freundin oder Feindin?«
Rebekka kämpfte einen heftigen inneren Kampf; es war ihr, als stieße sie eine Hand hinterrücks in einen Abgrund, während eine andere Hand sie gewaltsam von diesem Abgrund hinwegriß.
»Antwort!« rief der Priester.
Erschöpft sank die Jüdin auf ihr Lager zurück.
»Gehe!« hauchte ihre zitternde Lippe.
Psenophis entfernte sich durch die geheime Türe, der wie betäubt Dastehenden noch einen Zornblick zuschleudernd. Rebekka empfand die Wahrheit seiner Worte, aber sie war mit sich einig, der König mußte gerettet werden, sollte es auch ihr Untergang sein. Lange sann sie der Sache nach; jetzt verwünschte sie ihren unüberlegten Schritt, jetzt erst trat ihr die Zukunft und die Lage, in welche sie sich durch ihre Leichtfertigkeit verwickelt, mit erschreckender Deutlichkeit vor Augen. Die Worte, welche sie eben vernommen, rissen sie aus dem Phantasieleben, in dessen Wonnen sie sich bis dahin gewiegt, grausam in die nüchterne Wirklichkeit herab. Der schmeichelnde Psenophis wußte ihr das Leben am Hofe so blühend auszumalen, er versprach ihr die Hand hoher Beamten, er wußte den Abgrund, über welchen er sie führen wollte, so sauber zu übertünchen, er erregte ihre Genußsucht, er kitzelte ihre Eitelkeit und sie, das unachtsame Weib, ging in die Falle, ehe sie es bemerkt, hingen ihr die Stricke um die Glieder. Was war ihr eine Verschwörung? Ihr war sie nichts als eine kleine pikante Aufregung ohne schlimme Folgen, ein amüsantes Spiel, das man so neben Wichtigerem her betreibt; nun erst ward ihr klar, daß die Sache auch ihre ernste, sehr ernste Seite haben könne, daß die Wellen, die sie sich selbst erregt, nun über ihrem Haupte zusammenschlagen würden; sie hatte lachend an eine Felswand geblasen, ohne daran zu denken, daß die kleine Erschütterung die Felsmasse zum Niederstürzen bringen könne. In den Versammlungen der Verschwörer hatte sie oft das große Wort geführt, hatte mit ihrem Einfluß auf Ramses geprahlt, hatte Pläne ersonnen, die ihr Bewunderer erworben, und bewundert wollte sie sein, um das übrige kümmerte sie sich nicht. Und jetzt – was gäbe sie darum, wenn ihr Fuß nie den Ort betreten hätte, an welchem die Verräter ihre Anschläge schmiedeten. Wie konnte sie auch ahnen, sie, die leichtlebige Tänzerin, welcher die Liebe bisher ein Kinderspielzeug gewesen, daß ihr das Schicksal dieses Königs so nahe gehen würde! Welch tückischer Gott hatte ihr diese tiefe Leidenschaft ins bewegliche Herz gepflanzt? Jetzt erst empfand sie mit Heftigkeit, wie innig sie dem Herrscher zugetan war, wie er durch seine stille Würde ihr flackerndes Naturell gefesselt, sie gebessert habe, wie seine ernste Ruhe zum Teil auf sie übergegangen war. Sie hatte geglaubt, der Verschwörung sich dadurch entziehen zu können, daß sie vermied, mit den Teilnehmern in Berührung zu kommen, und nun umarmte sie die finstere Macht, der sie längst sich entronnen wähnte, umarmte sie die Tückische aufs neue und rief ihr zu: Du bist uns verfallen! Was sollte sie beginnen? Wie sich diesem Dämon entziehen? War es noch möglich, sich seinem geöffneten Rachen zu entreißen?
Ohne recht zu wissen, was sie in ihrer Betäubung tat, schlich sie sich auf den Zehen zum Schlafgemach des Monarchen, das unweit des ihren lag. Sie eilte durch die Nebengemächer, deren Steinböden mit schlafenden Kriegern bedeckt waren. Vorsichtig flog sie zwischen den Füßen und Armen der Schnarchenden hindurch, wie die Göttin des Traumes. Unbeobachtet gelangte sie in das Schlafgemach des Herrschers; da lag er im Purpurschein der Lampe auf den Polstern ausgestreckt, ruhig atmend, ein Bild männlicher Macht; sein kraftstrotzender Arm war herabgesunken; Majestät lagerte um ihn her, wie ein schlummernder Löwe. Sie betrachtete ihn mit Rührung, drückte hastig einen Kuß auf seine halbgeöffneten Lippen und eilte, wie von den Dämonen des Gewissens verfolgt, weiter. Zufällig kam sie an Menes' Schlafgemach vorüber. Diese Tür erschien ihr, als sie einige Augenblicke davor stehengeblieben, wie die Pforte zum Paradiese. Sie fühlte ihre Angst weichen, sie war erlöst, sie hatte es gefunden, was sie suchte, sie wußte nun, wem sie sich in ihrem Zweifel mitteilen durfte. Leise klopfte sie an. Sie hörte ein Sichrecken; Polster rauschten, das Gestell des Lagers knirschte. Nach einigen Augenblicken rief es: »Was soll's!« Ohne zu antworten, schlüpfte sie in das unverschlossene Gemach, wo sich Menes langsam von seinem Lager erhob, seinen Besuch eine Zeitlang schlaftrunken anstarrend.
»Rebekka,« sagte er matt.
»Höre mich an,« flüsterte sie, mit Mühe ihre Bewegung verbergend, »ich habe dir wichtige Mitteilungen zu machen, die Verschwörung gegen des Königs Leben betreffend.
Dies Wort gab dem Jüngling sogleich seine Frische wieder; er sprang auf, verschloß die Türe und setzte sich dann erwartungsvoll auf sein Lager. War ihm Rebekka auch verhaßt, er wußte, daß sein König sie liebe, das war für ihn Grund genug, um sie ehrerbietig zu behandeln; er bot ihr einen Sitz an und hieß sie reden. Rebekka ging mit sich zu Rate, ob sie ihm ihre ganze Verwicklung in diese Verräterei kundtun solle, doch nach einigem Überlegen schien ihr dies unratsam. Ihre Erfindungsgabe reichte ihr ein Mittel, sich selbst vor Entdeckung zu schützen, ohne jedoch Menes etwas zu verheimlichen, was zur Rettung des Königs beitragen könnte.
»Ich verlange erstlich von dir,« sagte sie, »daß du das, was ich dir nun mitteile, keinem Sterblichen anvertraust.«
Menes versprach es. Sodann spiegelte sie ihm vor, sie habe zufälligerweise ein Gespräch belauscht, das zwei ihr Unbekannte vor ihrer Tür geführt. So sei sie in Besitz eines Geheimnisses gekommen, welches für die Freunde des Königs von großem Nutzen sein könne, sie habe nämlich dadurch erfahren, wo sich allabendlich die Verschworenen versammelten.
Menes frug, begeistert von dem Gedanken, vielleicht seinem Herrn einen außerordentlichen Dienst leisten zu können, nach diesem Versammlungsort, und Rebekka beschrieb ihm denselben. Dieser Versammlungsort war die östliche Zelle des großen Amuntempels, zu dessen Verschönerung Ramses viel beigetragen. Sie konnte ihm den Weg nach dieser Zelle genau beschreiben, denn sie hatte dieselbe oft besucht, um an den Verhandlungen der Königsmörder teilzunehmen. Sie beschwor Menes, am nächsten Abend sich dorthin zu begeben, er würde gewiß in alle Pläne der Schändlichen eingeweiht, wenn es ihm gelänge, ihre Gespräche zu belauschen.
Menes ergriff im Taumel des Entzückens die Hände Rebekkas, drückte ihr seine Dankbarkeit lebhaft aus und versprach, am Abend dieses Tages sich nach der bezeichneten Stelle zu begeben. Der Morgen glomm bereits rot in das Zimmer, als sich Rebekka erleichterten Herzens erhob. Nun, sagte sie sich, wird das Schwert der Rache auf meine verruchten Verführer so rasch niedersausen, daß sie nicht Zeit haben, mich zuvor zu vernichten. Nochmals bat sie den Jüngling, dem Könige nicht eher Meldung von dieser Entdeckung zu geben, als bis er die Namen und Pläne dieser Abscheulichen kenne, dann aber möge er rasch und ohne Aufschub handeln. An der Türe blieb sie einen Augenblick sinnend stehen.
»Hast du mir noch Weiteres mitzuteilen?« frug Menes.
»Ich – nein –« sagte Rebekka, deren Auge sich umflorte.
»Deine Belohnung wird eine außerordentliche sein,« beteuerte der junge Mann, »du hast uns einen großen Dienst erwiesen.«
»Das meine ich nicht,« flüsterte Rebekka; »ich wollte dich eigentlich fragen, ob du Nachricht von Memphis hast.«
»Von Memphis? Ja!«
»Nun? Diese lautet?«
»Gut! Myrrah fühlt sich glücklich!«
»Wirklich?« sagte Rebekka gedehnt.
»Gewiß,« bestätigte Menes, dessen Augen zu leuchten begannen.
»Du solltest vorsichtig sein,« warf sie hin.
»Vorsichtig? Wie meinst du das?« frug er.
»Ich meine, deine Mutter – darfst du ihr trauen?«
»Warum fragst du so seltsam?«
»Ich weiß selbst nicht. Sende einen Boten nach Memphis, dies kann unmöglich schaden,« sagte die Jüdin mit einem Anflug von Hast.
»Unnötige Sorge,« lachte Menes vergnügt; »ich danke dir übrigens, daß du mein Verhältnis zu Myrrah meiner Mutter verraten, glaube nicht, ich zürne dir, du wolltest Böses stiften, aber die Götter wandelten es in Gutes um, du bist die Begründerin unseres Glückes.«
Über das Gesicht des Mädchens glitt eine schmerzliche Wolke. Sie schloß die Türe, aber vor derselben blieb sie noch einmal stehen.
»Ich muß es ihm sagen, dem guten Menschen, wie sein erhofftes Glück in Trümmer geschlagen wurde,« lispelte sie traurig. »Er dauert mich! Man hat ihn schändlich betrogen. Arme Myrrah! Armer Menes! Und meinen Bruder? . . . Pah! was liegt an ihm. Er ist feig und schlecht.«
Sie ging weiter durch die dunklen Hallen. Ihre Gedanken wurden immer trüber; sie fühlte, daß sie unter Umständen sich selbst das Messer in das Herz gedrückt hatte, indem sie sich dem Willen ihrer mörderischen Verführer entzogen, ihre Anschläge verraten. Ihr ward so leicht und doch so ernst ums Herz! Sie wollte lächeln und mußte weinen. Ein schwermütiger Friede durchhauchte ihre Seele.
»Was tut es,« murmelte sie, auf ihrem Zimmer angekommen, »lasse ich doch mein Leben für ihn, den König aller Könige, den Sohn der Sonne!«
Sie sank schluchzend auf ihr Lager nieder, sie verstand sich selbst nicht mehr, ihr ganzes früheres Leben ekelte sie an, sie hätte ihm entfliehen mögen.
Drittes Kapitel
Menes erwartete unruhvoll den Abend dieses Tages. Er hatte Mühe, nichts von dem, was in ihm arbeitete, zu verraten, als der König, da er sich zur Jagd rüstete, ihn freundlich ansprach, fragend, warum ein so eigentümliches Feuer aus seinen Augen leuchtete. Er gab hastig dem ihn Bestürmenden zu verstehen, daß er den Verschwörern auf der Spur sei, könne aber bis jetzt nichts Näheres darüber sagen.
Der König drang nicht weiter in den Wortkargen, da er ihm zu sehr vertraute. Nichts wollte unserem Menes heute gelingen, er ging in den Sälen des Palastes auf und nieder, unterhielt sich mit den Kriegern, gab den Sklaven zwecklose Aufträge und warf sich dann auf sein Lager nieder, umsonst nach Schlaf verlangend. Der Morgen war unter Nichtstun hingegangen, der Mittag kam mit seiner brütenden Glut. Er eilte an den Nil, ein Bad zu nehmen; das frische, schilfumrauschte Wasser kühlte sein erregtes Blut; als er darauf langsam am Ufer hinwandelte, überlegte er nochmals im Geiste den kühnen Schritt, den er zu tun vorhatte. Einige Benommenheit beschlich ihn freilich, wenn er daran dachte, diesen Verruchten allein gegenüberzustehen, möglicherweise entdeckt zu werden, jedoch die begeisternde Aussicht, der ganzen bübischen Verschwörung endlich auf den Grund zu kommen, zum zweitenmal der Retter des Königs sein zu können, überwog alle Gedanken an Gefahr. Wie er sich so zögernd, mitunter stehenbleibend, nach Theben zurückwendete, bemerkte er vor sich eine leichte Staubwolke, aus der glänzende Gewande hervorwehten. Er hielt an. Es schien ein königlicher Zug zu sein, dem er da begegnete; voraus schritten mehrere Bewaffnete. Inmitten desselben schwankte eine Sänfte, überdacht von schillerndem Schirm, dessen vergoldeter Stab in der Sonne blitzte; die schwarzen Träger waren geschmückt, neben ihnen gingen halbnackte Dienerinnen, den Schluß machten wieder Krieger. War dies die Königin, die in dieser Sänfte ruhte? Menes zog sich hinter den Stamm einer Sykomore zurück; das hohe Gras ringsum verdeckte ihn völlig. Der Zug kam näher; gerade an der Stelle, die sich Menes zum Versteck ausersehen, hielt er an.
»Rastet ein wenig, Asa-Termutis fühlt sich angegriffen,« rief eine Stimme.
Menes sah, wie sich die alte Dienerin Huassa über die offene Sänfte niederbog, besorgt fragend, wie sich die Herrin fühle; er erkannte, als sie sich umwendete, Asa-Termutis. Die Königstochter lächelte müde, sie schüttelte den Kopf, als man ihr Wein anbot. Der Jüngling fühlte das tiefste Mitleid mit der gebrochen auf den Polstern Ruhenden; sie schien von düsterer Schwermut umfangen, kein Wort kam über ihre Lippen, ihr heiterer Schmuck schien ihrem ernsten Gesichtsausdruck Hohn zu sprechen. Eine Handbewegung der Kranken genügte, um den Zug wieder in Bewegung zu setzen; er schwebte wie ein Traumbild vor den feuchten Augen des jungen Mannes vorüber, um am Gestade des Nil zu halten, wo Asa-Termutis auf Anraten des Arztes ein Bad nehmen sollte.
»Sie könnte glücklich sein, Reichtum umfließt sie, Macht umstrahlt sie,« sagte Menes traurig, »und dennoch flieht das Glück von ihr. Wollten es die Götter, daß ich nicht die Ursache ihres Grames bin. Was ist es nur um die Liebe,« grübelte er im Weiterschreiten. »Warum empfinde ich nichts, wenn dieses schöne Weib mir ins Auge sieht, während mich ein Blick Myrrahs durchbebt wie Feuer. Warum sieht dies Königskind mehr in mir, als in jedem anderen Manne.«
Als er den Hof des königlichen Palastes erreicht hatte, trat ihm der von der Jagd zurückgekehrte König in Begleitung eines älteren Mannes entgegen, welcher der Leibarzt zu sein schien. Der Arzt sprach mit bedächtigem Tone, während er die Runzeln seiner Stirn von Zeit zu Zeit bewegte oder seiner Rede mit einer ernsten Gebärde Nachdruck verlieh. Als er sich verabschiedet hatte, schritt Ramses gedankenvoll seinen Gemächern zu. Ehe er das Portal erreicht, ward er Menes ansichtig, stand still, bis dieser nahe herangekommen und schüttelte dann schmerzhaft sein ehrwürdiges Haupt.
»Mein Freund, mein Retter,« sprach er, tief bewegt, »mein Leben hast du mir gerettet – oh! könntest du mir auch dieses Leben retten.«
»Welches, mein hoher Gebieter?« frug Menes beklommen, ob er gleich wußte, wessen Leben gemeint sei.
»Menes! ich fürchte – o, ihr Götter! wie werde ich's ertragen,« zitterte es von des Königs Lippen, »ich fürchte, die Götter wollen sie mir rauben –«
»Mein hoher Herr! – faßt Euch –« wagte Menes abgewendet hervorzustammeln.
»Der Arzt – sagt mir – o, meine Tochter! – sie stirbt.«
Mit diesen Worten sank das Haupt des Herrschers auf die Schultern des jungen Mannes; eine Träne sah Menes über seinem Arm am Boden blitzend zerschellen. Doch nur einen Augenblick gab der Gewaltige seiner Schwäche nach, er raffte sich auf und schnitt langsam seinen Gemächern zu, Menes in der peinlichsten Mißstimmung zurücklassend. Zum Glück hatte der Jüngling nicht lange Zeit, über das Unheil, das er ohne seine Absicht heraufbeschworen, nachzugrübeln; der Abend sank auf die Gefilde nieder, das gefahrvolle Werk harrte des Vollführers. Nachdem er sich ein wenig ausgeruht, steckte er, um für alle Fälle vorbereitet zu sein, einen Dolch nebst einem aus starken Fäden gedrehten Seile zu sich und begab sich sodann klopfenden Herzens auf den Weg nach dem Tempel. In der Stadt war es bereits stille geworden; die Gewerbe ruhten, nur noch zuweilen ertönte der Hammerschlag des Schreiners. Türen und Fenster wurden der Abendkühle erschlossen; die Fischer kehrten vom Nile, die Krieger eilten zum Wein. Auf den Dächern der Häuser, unter bauschenden Vorhängen saßen die Bürger, die Abendluft zu genießen oder ihre Milch mit Datteln zu verzehren. Junge Mädchen warfen den Ball vor den Treppen der Wohnungen, oder man sah hinter den Fenstern zwei alte Leute vor einem kleinen Tische knien, die Steine des Brettspiels schiebend. Hastig eilte unser Freund quer durch die Stadt, ihrem nordöstlichen Ende zu, ohne in seiner Aufregung das Treiben der Menschen (was er sonst so gerne tat) zu beobachten. Bald ragten die riesigen Pylonen des Amun-Tempels vor ihm auf und bald war sein banger Fuß eingetreten in den ersten Hof des gewaltigen Gotteshauses, das wie ein lebendig gewordenes Gebirge unter dem zitternden Sternhimmel ruhte. Er schritt von Hof zu Hof, die letzte Zelle zu suchen, wo die nächtlichen Zusammenkünfte der Verschwörer statthaben sollten. Die Gegenstände waren kaum mehr zu unterscheiden, die weiten Höfe lagen weiß im Glanz des Mondes, wie ausgebreitetes Linnen, rings von finsteren Mauern umrahmt, die ihre schwarzen Schatten auf den schimmernden Sand gossen. Unser Wanderer störte durch seine Schritte zwei Geier von ihrem blutigen Mahl auf; in seinem hoch erregten Gemütszustande wollte ihm das häßliche Gekreisch der beiden wie eine Abmahnung erscheinen; er blieb einige Augenblicke stehen, bis zwei dienende Priester, die an ihm vorübergingen, nach seinem Begehren frugen. Hastig gab er zur Antwort, er habe noch ein Gebet zu verrichten, und eilte weiter. Heute imponierte ihm der mächtige Säulenwald, durch den er wandeln mußte, wenig, auch die Sphinxe ließen ihn gleichgültig, er hatte nur sein Ziel vor Augen, das ihn für alles übrige blind und taub machte. Bald war die letzte Zelle gefunden, deren Türe jedoch verschlossen war, ein sicheres Zeichen, daß die Stunde der Versammlung noch nicht gekommen; auch im Inneren ließ sich keine Stimme hören. Wie aber hineingelangen? Es war wichtig, vor allen übrigen in den Raum zu schleichen, da im anderen Falle die Entdeckung hätte unausbleiblich sein müssen; auch war das Tor zu massiv, um den Schall der Sprechenden deutlich nach außen dringen zu lassen. Was tun? Eile war nötig, jeden Augenblick konnten die ersten erscheinen. Halt! vielleicht hatte diese Zelle, wie viele des Tempels, keine Decke. Vielleicht war von oben in sie einzudringen. Der Jüngling stahl sich klopfenden Herzens eine Stiege hinauf. Richtig, die Decke der Zelle beschränkte sich auf ein von Säulen getragenes, sechs Fuß breites Steingesimse; durch den offenen Mittelpunkt konnten Sonne und Mond hineinscheinen. Aber wie hinuntergelangen? Er sah über den Rand in die Tiefe hinab. Zu erlauschen, was unten gesprochen wurde, war unmöglich; er mußte in das Innere der Zelle gelangen. Das mitgebrachte Seil ließ sich wohl an einer der hervorspringenden Dachverzierungen befestigen, reichte aber kaum bis in die Hälfte der Höhe. Doch dort stand eine Bildsäule Amuns, deren Haupt noch vielleicht acht Fuß vom Rande der Decke entfernt war; soweit reichte das Seil. Erfreut über diese Entdeckung, schlang Menes das Seil um eines der Ornamente; es berührte, hinabgelassen, die Steinschulter des im Sternlicht grünlich schimmernden Gottes.
»Der Gott wird mir seine Entweihung verzeihen,« murmelte Menes aufgeregt, als seine Sandalen erst des Steinbildes Haupt berührten, dann auf seinen Schultern ruhten, dann auf seinen Armen hinabglitten und schließlich auf seinen Knien festen Boden suchten. Ein Sprung ließ ihn von dort die Steinfliesen der Zelle erreichen. So war er also im Mittelpunkt der Verschwörung, konnte hinter dem Rücken des Gottes, unsichtbar wie ein Geist, ihre Schändlichkeiten mit anhören. Die Säulen der Zelle standen regungslos, wie alte Krieger; über der Öffnung des Daches flimmerte der Sternhimmel; grün, wie eine Eidechse, schimmerte der Gott. Nun galt es ausharren. Ein Frösteln der Erwartung überlief Menes, die Knie zitterten ihm so heftig, daß er sich niedersetzen mußte. Es war eine seltsame Lage, er verhehlte es sich nicht. Die tiefe Stille ringsum regte die beängstigte Phantasie tief auf; er mußte zuweilen nach Atem ringen, so schwer legte sich ihm die Nacht und die spannungsvolle Erwartung auf die Brust. Er hatte vielleicht eine halbe Stunde voll Unruhe und Beklommenheit verbracht, als er draußen auf dem Gange näherkommende Schritte hörte. Mittels eines geschickten Schlages verbarg er das herabhängende Seil hinter dem Haupte des Gottes und lauschte. Was sollte sich ihm jetzt entschleiern? Welche Pläne schmiedeten die Gottvergessenen! Er war am Ziel, ihm war es vorbehalten, der Retter des Reiches genannt zu werden, und diese Gedanken erfüllten ihn mit Stolz. Die Türe ward geöffnet; Psenophis, der Oberpriester, schlich behutsam herein. Er trat auf den Altar zu, auf welchen er eine mitgebrachte Lampe stellte, deren Schein das grünliche Steinbild nebst den Säulen matt erhellte; dann winkte er nach der Türe; durch diese trat ein Sklave, mehrere Stühle hereintragend, die er im Kreise umherstellte. Kaum war dies geschehen, so hallte der Gang von neuen Schritten wider. Menes fühlte nun erst vollständig das Gefahrvolle seiner Stellung. Hoffentlich kam keiner der Eintretenden auf den Einfall, zwischen die Bildsäule und die Wand zu blicken. Hier stand oder besser stak der Tollkühne, still wie eine Leiche, selbst den Atem unterdrückend, soviel es gehen wollte.
»Näher, nur näher,« rief Psenophis. »Ah! unsere Königin mit ihrem erlauchten Sohn.«
»Wir sind es,« sagte Urmaa-nofru-râ, ihr Tuch zurückschlagend, »wir stahlen uns aus dem Palast. Noch niemand sonst hier?«
»Es scheint, wir sind die ersten,« erwiderte Cha-em-dyam, finster um sich blickend.
»Die ersten und die besten, nicht die ersten besten,« witzelte Psenophis, »doch da kommen auch die übrigen pünktlich. Nur herein,« rief er den Gang hinab, »ihr braucht eure Schritte nicht zu dämpfen. Wie könnte hier ein Lauscher in der Nähe sein, ich habe alle Priester längst entfernt.«
Menes sah nun, wie einige ihm Unbekannte eintraten, die Anwesenden grüßten und sich zu ihnen setzten. Unter diesen befand sich ein dunkelfarbiger Jüngling, der, wie Menes aus den Anreden der übrigen erfuhr, ein äthiopischer Königssohn aus Meroë war. Nachdem alle Platz genommen, schloß Psenophis die Türe, holte die Lampe vom Altar – wobei ihr flackernder Schein vorüberhuschend den Winkel unseres Freundes streifte – und stellte sie mitten in den Kreis der Verschworenen. Als die Türe ins Schloß fiel, war es unserem Freund, als habe sich die Welt hinter ihm geschlossen. Er strengte alle seine Sinne aufs äußerste an. Nun galt es sehen, hören, behalten, nun saß er in der Höhle der Löwen – Umkehr unmöglich – er mußte ausharren, bis es jenen beliebte, zu gehen.
»O großer Amun-râ, der du zornig auf diese Elenden herabblickst,« betete er inbrünstig, »leihe mir deinen Schutz. Wenn du mich wieder glücklich aus den Klauen dieser Schurken befreist, will ich, was ich vernommen, zum Wohl deines Sohnes, meines guten Königs, verwerten.«
Das Durcheinanderreden der Versammelten ging in ruhigeres Gespräch über, als der Oberpriester, der Lenker des Rates, Stille gebot; der Lauscher hinter der Säule konnte jede Silbe vernehmen. Zuerst las Psenophis eine Liste ab, welche die Namen aller Königsfeinde enthielt; jeder antwortete, als er aufgerufen wurde, mit »Hier!« Es fehlte keiner. Sodann sprach Psenophis gewandt und schlau über den Zweck des ganzen Unternehmens. Er stellte Ramses den Zweiten als einen Unwürdigen hin, der die Fremden, die Juden zu sehr begünstige und die Kraft des Volkes in nutzlosen Kriegen vergeudete. Er hastete über jeden einzelnen Punkt geschickt hinweg, wußte die kleinen Fehler des Monarchen zu wahren Riesen auseinanderzutreiben und drückte die großen Eigenschaften des Gewaltigen zu Zwergen herab, tat dies aber mit solch verblüffender Zungengewandtheit, daß man ihm oft im Augenblicke recht geben mußte, und man erst später die Falschheit seiner Schlüsse durchschaute. Nachdem er lange genug als Sandkorn den Koloß Ramses bemäkelt, schloß er mit zündenden Worten, die ein lebhaftes Zustimmen seiner Schar hervorrief. Nun besprach man sich flüsternd, so daß unserem Lauscher der Beginn der Unterredung verloren ging.