Kitabı oku: «Das Schatzhaus des Königs», sayfa 16
»Er kann nichts mehr verraten,« lachte die Königin, etwas lauter als die übrigen, »mein Trank hat ihn stumm gemacht. Dank diesem köstlichen Kraut!«
»Ihr handeltet gut,« entgegnete Psenophis, »Hui hätte uns gefährlich werden können. Sehr gefährlich! Nun, vor seiner Verräterei sind wir gerettet; der Tod ist ein schweigsamer Bundesgenosse. Aber von anderer Seite droht uns Gefahr.«
»Gefahr? Woher?« fuhr der Prinz auf.
»Wo ist die schöne Jüdin, ich sehe sie nicht?« rief der äthiopische Königssohn dazwischen, »sie besucht unsere Zusammenkünfte nicht mehr.«
»Eben von ihr droht uns Gefahr,« sagte Psenophis.
»Wie? Von ihr? Unmöglich!« widersprach der Äthiopier, »sie liebt mich, sie ist uns treu ergeben.«
»Sie liebt den König,« sagte Psenophis mit einem listigen Seitenblick auf die Königin, welche bei diesen Worten zusammenzuckte; »sie liebt ihn innig, sie hat mir mit großer Kühnheit getrotzt, sie weigert sich ernstlich, ihn zu töten.«
»So töten wir sie!« preßte Urmaa-nofru-râ heraus.
»Die waghalsige Dirne ist imstande, uns alle unter das Beil des Henkers zu liefern,« fuhr Psenophis fort, »der König ist ihr sehr gewogen; ich für mein Teil glaube, daß er, erfährt er, daß sie unserem Bunde angehörte, sie trotzdem begnadigen wird. Die Gefahr wächst von Stunde zu Stunde, rasches Handeln allein kann uns vom Verderben retten.«
»Ich nehme es auf mich, dieser Jüdin das Sprechen unmöglich zu machen,« sagte die Königin mit finsterem Stirnrunzeln, »mein Herz ist an dieser Tat beteiligt, nicht bloß mein Verstand. Sie hat mir den Gatten gestohlen, dadurch allein verdient sie den Tod. Lächele nicht, Priester, über meine Eifersucht und lasse mich gewähren. Es wird mir gelingen, ihr ein Gift beizubringen, wenn sie es am wenigsten erwartet. Ich kenne ein Kraut, das, wenn man es im Zimmer verbrennt, einschläfernd wirkt. Habe ich sie dadurch betäubt, so wird es mir ein leichtes sein, sie für immer schlafen zu machen.«
»Ich bin weit entfernt, Eurer gerechten Entrüstung zu spotten,« gab der Oberpriester zur Antwort, »hohe Frau, Eure Rache ist gerecht, ich selbst rate, der Tänzerin, sobald es möglich, Schweigen aufzuerlegen, da ein Wort von ihr hinreicht, uns alle zu vernichten.«
Mit Befriedigung gewahrte der Oberpriester die Röte des Ingrimms auf dem Gesicht der Eifersuchtgequälten.
»Vor allen Dingen bin ich der Meinung,« sprach nun der Prinz mit heiserer Stimme, »daß wir nicht länger dulden dürfen, wie sich ein fremder, aus Memphis kommender Mensch, jung, unerfahren wie ein Knabe, wie sich dieser Menes in der Gunst des Königs befestigt. Dieser Träumer ist es, der es bis jetzt unmöglich machte, einen Schlag gegen den König zu führen, denn trotz seiner Unerfahrenheit, seinem phantastischen Nichtstun lehrt ihn doch seine hündische Treue, wachsam zu sein. Meiner Ansicht nach muß er vor allen übrigen sich aus der Welt begeben.«
Alle stimmten dem Prinzen bei. Menes in seinem Versteck erkannte mit Schaudern, daß er der Gegenstand des allgemeinen Hasses war, denn sein Name ward nur mit den heftigsten Gebärden der Entrüstung ausgesprochen, er fühlte, daß, wenn ihn diese Menschen in ihre Gewalt bekamen, keine Rettung mehr für ihn möglich war. Sie zerrissen ihn mit Worten, ihm war zumut, als sei eine Herde hungriger Schakale über seinen Leichnam hergefallen, als er diese gräßlichen Verwünschungen gegen sich ausstoßen hörte.
»Der König wäre längst in seinem Grabmal zur Mumie vertrocknet,« rief Psenophis alle übertönend, »wenn diesem wortkarge Schwärmer nicht stets unsere Pläne durchkreuzte. Der Prinz hat recht: Vor allem müssen wir uns seiner entledigen.«
»Morgen,« sagte Urmaa bestimmt, »dringe ich mit drei Sklaven in sein Gemach, lasse ihm einen Sack überwerfen, fessele ihn und –«
»Nein, liebe Mutter,« widersprach ihr der Sohn, »ich habe ein besseres, schlaueres Mittel ausgesonnen, das weniger Aufsehen erregt und meine Rache glühender befriedigt.«
»Ich lade ihn freundlichst ein, meinen Palast zu besuchen, denjenigen, der südlich eine halbe Stunde von Theben entfernt liegt. Dort zeige ich ihm einen Käfig, den ich angeblich für Nilpferde erbauen ließ. Ich öffne die Eisentüre, lasse ihn hineinblicken und in diesem Augenblicke müssen ihn zwei vorher instruierte Sklaven in das Innere stoßen, woselbst er verhungern mag. Kein Sterblicher wird ahnen, wohin er gekommen, denn dieser Käfig hängt da, wo mein Palast an das Gebirge stößt, über einem Abgrund, in welchen er später versinkt. Diese Strafe mag grausam sein, aber sie ist gerecht.«
Man stimmte ihm freudig bei. In Menes' Busen stieg, als er die Worte des Entsetzlichen vernommen, nebst einem kalten Schauer, der ihn überlief, ein Trotzgefühl auf.
»Du sollst mir büßen,« knirschte er, »du sollst sehen, wie sich der Träumer rächt. Gib acht! Du hast deinen Käfig für dich erbaut, Unmensch! Über euern Häuptern schwebt bereits unsichtbar das Schwert der richtenden Göttin, das schwarze Verhängnis.«
Er vergaß seine gefährliche Lage über diesen Betrachtungen vollständig, bis ihn ein unerwarteter Zwischenfall wieder unangenehm an dieselbe erinnerte. Der Oberpriester stand nämlich plötzlich mit allen Anzeichen des Schreckens auf.
»Was ist das?« unterbrach er die eifrig Redenden, »einen Augenblick stille!«
Man schwieg.
Menes war, als müßten ihm die Sinne vergehen. Sein Fuß, mit dem er zornig aufgestampft, hatte auf den Steinfliesen die Statue zu heftig berührt.
»Was? Warum? Wo?« wurde gefragt.
»Mir war, als hörte ich ein Schlürfen,« entgegnete der Oberpriester, sich umblickend.
»Es wird die Lampe oder der Wind gewesen sein,« meinte einer.
»Du hast dich getäuscht,« sagte ein anderer.
Psenophis leuchtete einmal flüchtig mit der Lampe durch die Zelle, setzte sie dann wieder hin und gab zu, daß er sich geirrt habe. Menes atmete auf, er richtete sich empor und schickte ein stilles Dankgebet zu den Göttern, die den Schein der Lampe an ihm vorübergleiten ließen. Nun beratschlagte die Versammlung, auf welche Art am leichtesten der König beiseite zu schaffen sei, ob durch einen offenen Angriff auf sein Leben oder einen heimlichen Überfall. Der äthiopische Prinz versprach seinen kriegerischen Beistand, der Statthalter Ani sei bereits in Meroë, um Truppen zu werben. Die Königin riet Vergiftung, Cha-em-dyam wollte Schwert und Dolch gebraucht wissen. Es ward lange hin und her gestritten, die Parteien ereiferten sich, immer lebhafter wurde das Wortgefecht, das Menes mit dem Gefühl des tiefsten Abscheus, des bittersten Unwillens belauschte. Manchmal vergaß er sich in seiner edlen Entrüstung so weit, daß er leise Worte vor sich hin flüsterte, die glücklicherweise vom wilden Stimmengewirr ungehört verschlungen wurden, manchmal war er nahe daran, unbesonnen vorzutreten, ein vernichtendes Machtgebot dazwischen zu schleudern. Endlich, nachdem die Gesichter sich kampflustig erhitzt, die Augen der Verräter wild funkelten, erhob sich Psenophis kühl lächelnd von seinem Sitz.
»Toren seid ihr,« rief er mit so dröhnender Stimme, daß die Streitenden verstummten.
»Toren, daß ihr euch in einer Sache bekämpft, bei der nur die tiefste Eintracht zum Ziele führen kann. Doch hört mich an. Ich habe einen Plan ersonnen, den ihr alle als einen außergewöhnlich schlauen anstaunen werdet und vor dessen tiefsinniger Verruchtheit die Bosheit selbst beschämt schweigen müßte. Eure Anschläge, die ich bis jetzt vernommen, dienen nur dazu, die Wut des Volkes gegen uns, als die Täter, die Anstifter zu erregen, mein Anschlag hingegen lenkt den Verdacht nicht nur von uns ab, er vernichtet ihn überhaupt, weil – weil der Nil der Täter sein wird!«
»Der Nil?« hallte es fragend in der Runde wider.
»Ja, der Nil,« lächelte Psenophis, »der heilige Strom wird unser Bundesgenosse sein, den verdammungswürdigen König zu töten, der die verworfene Brut der Ebräer beschützt, der die Macht der Priester eindämmt, der sein Weib betrügt und Fremden sein Vertrauen schenkt. Hört mich an, wie ich es zu machen gedenke: Ich habe am großen Nilkanal nördlich der Stadt ein unterirdisches Gemach erbauen lassen, um der Sonnenhitze entgehen zu können, wenn Festlichkeiten abgehalten werden sollen; solche unterweltliche Prachtsäle sind nichts Seltenes, ihr wißt, daß viele Reiche dergleichen besitzen, oft ganze Monate dort unten zubringen, wenn sie die Sonnenhitze schlecht vertragen oder der Schlaf ihr heißes Lager flieht. In einen solchen Saal werde ich den König zum nächtlichen Gastmahl laden. Nun aber habe ich zuvor – das Werk geht in diesen Tagen bereits seiner Vollendung entgegen – den Nilkanal so dicht an der rechten Wand des unterirdischen Gemaches vorbeiführen lassen, daß das Öffnen mehrerer Riegel, einiger Zapfen genügt, die Wassermasse in das Innere des Zimmers hereinbrausen zu machen, und zwar stürzt sie aus solcher Höhe herab, daß, wie der Baumeister sagt, bis ihr drei zählt, der ganze Raum bis zur Decke mit dem wogenden Naß erfüllt ist. Die Geladenen, beim Weine Sitzenden werden also, kaum zur Besinnung gekommen, schon als Leichen in dem zum Meer gewordenen Gemache umherschwimmen. Auf diese Weise läßt sich der Tod des Königs einfach auf Rechnung des Zufalls schieben – die Wand des Saales konnte nun einmal den Druck des Kanalwassers nicht aushalten. Kein Mensch ist schuld an dem Unfall – der Nil hat es getan.«
Als er geendigt und mit triumphierender Miene, wie ein siegreicher Feldherr um sich geblickt, schwieg die Versammlung noch einige Augenblicke. Ein unbehagliches Gefühl, ein demütigendes Grauen überschlich die Hörer, sie ernannten in dem kahlen Priester ihren Meister. Einige warfen Blicke des Neides, des geheimen Ärgers auf seinen glatten Schädel, der sich so stolz erhob, als gebühre ihm die Königskrone. Dann gaben alle kleinlaut ihre Zustimmung. Der Plan sollte in sechs Tagen, wie Psenophis angegeben, zur Ausführung gelangen, bis dahin werde das unterweltliche Werk, das Graben des Seitenkanals beendet sein. Nachdem man noch einige Bestimmungen festgesetzt und sich gegenseitig Treue gelabt, erhob sich die Versammlung. Psenophis nahm eine solche herablassende Herrschermiene an, als man sich trennte, daß Cha-em-dyam ihn mit mißtrauischen Blicken beobachtete, doch als der Oberpriester ihm ins Ohr flüsterte: »Wann dürfen wir dich den Sohn der Sonne nennen?« verklärten sich die düsteren Züge des Prinzen zu einem unheimlichen Grinsen.
»In sechs Tagen, hoffe ich,« flüsterte er.
»So hoffe auch ich,« erwiderte Psenophis, »und deiner Huld werde ich gewiß sein?«
Statt aller Antwort drückte ihm der Prinz gnädigst die Hand. – Indessen hatten alle das Gemach verlassen; Menes war allein, befreit von dieser Meute; er atmete auf. Er trat aus seinem Versteck. Das also war das finstere Werk, das dem König drohte? Auf diese hinterlistige Weise wollte man ihn vernichten? Er ballte die Fäuste gegen die Türe und schwur ihnen alle die grimmigste Rache.
»Sogleich zum König,« sagte er sich, »jeden einzelnen genannt. Eine Abteilung Krieger in das Haus eines jeden von ihnen abgeschickt und sie dann öffentlich vor den Augen des Volkes hingerichtet, ohne Verzug, ohne Gericht, ohne Verhör!« Er glühte innerlich, er mußte sich den Kopf mit beiden Händen halten, so schlug ihm das entrüstete Herz bis ins Gehirn hinauf, so wälzten sich ihm die Gedanken wild unter der brennenden Schädeldecke. Doch jetzt galt es handeln. Rasch weg von diesem Ort des Verbrechens, rasch zum König, er mußte aus dem Schlummer der Nacht geweckt werden. Keine Minute durfte verloren gehen, dies Bubenstück vor ihm zu entlarven. Der Jüngling kämpfte seine Erregung nieder, schwang sich auf den Sockel des Steinbildes und hatte eben das vom Dach herabhängende Seil mit der Hand erreicht, als er näherkommende Schritte auf dem Gange vernahm. Was tun? Herabspringen? Sich wieder verbergen? Er lauschte. Vielleicht gingen die Schritte vorüber. Nein! sie hielten vor der Türe. Das Schloß ertönte dumpf. O ihr Götter! Sie haben vergessen, die Lampe mitzunehmen, diese soll geholt werden. Rasch der Lampe einen Stoß gegeben, damit sie erlöscht. Sein Fuß erreicht sie, sie liegt zerschmettert am Boden; der Docht brennt aber noch matt im schwimmenden Öl. Er flieht hinter die Bildsäule; zu spät; die Türe wird geöffnet.
»Was ist das?« hörte er den keuchenden Psenophis rufen. »Herbei! Es war jemand hier, wir sind belauscht!«
Ferne Stimmen geben Antwort. Der Docht am Boden legt sich um und erlischt. Dem armen Menes schwinden die Sinne.
»Herbei! Herbei!« dröhnte es durch die Hallen. Die kaum Gegangenen kehren lärmend zurück und sehen furchtsam, zweifelnd in das nunmehr dunkle Gemach.
»Ich sah ihn im Schein der Lampe,« beteuert der Oberpriester.
»Unmöglich!« ruft die Königin.
»Er war's! Menes war's! Er hat sich versteckt.«
»Wer warf die Lampe zu Boden?« schreit es im Chor.
»Er! Er tat's, um sich zu retten,« entgegnet, am ganzen Leibe zitternd, der Priester.
»Du träumst,« hallt es ihm zurück.
»Da ist er; seht ihr dort das Seil vom Dache herabschweben?« stößt er auf einmal frohlockend heraus.
»Bei Gott! Das ist ein Seil!«
»Er hat recht, wir sind belauscht. Folgt mir, es soll sich sofort offenbaren.«
Der Prinz stürzt in den dunkeln Raum, fällt über die Lampe und ruft wütend: »Wer hier?«
»Tor! er wird wohl Antwort geben,« höhnt die Königin.
Der Prinz gelangt bis an die Bildsäule. Da schreit er auf und flieht mit blutendem Arm zurück.
»Ich erhielt einen Dolchstoß,« ächzt er, den Arm haltend.
»Es ist am Tag,« schreit Psenophis, »wer folgt mir hinter die Bildsäule?«
Einige der Verschworenen fassen ihre Dolche und dringen zögernd ein; Menes rafft seinen ganzen Mut zusammen, die Verzweiflung leiht ihm Riesenkräfte. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, er stürzt sich wie ein rasender Löwe mitten in die verblüfften Verschworenen, um auf diese Art durch Überrumpelung den Ausgang zu erzwingen. Vergebens! Sie fassen ihn! Ein paar Dolchstöße machen ihn wieder frei. Er rennt zurück, springt auf den Sockel und schwingt sich an dem Seile in die Höhe. Schon hat er den Rand des Daches erreicht, schon glaubt er sich hinaufschwingen zu können, da fühlt er eine Hemmung am Fuße, man hat ihn gefaßt und zieht ihn unter Gelächter und Triumphgeschrei zurück.
»Ho! Ho!« brüllt der Prinz, »die Jagd ist zu Ende, die Antilope ist gefangen.«
»Schneidet ihm die Lauscherohren ab!« schrien die übrigen.
»Nein! Habt ihr meinen Käfig vergessen?« lacht der Prinz, »dahinein gehört das seltene Tier.«
»Seht, wie es um sich beißt, wie es die Augen verdreht, wie es die Fäuste gebraucht. Wirst du uns nun dem König verraten?« tobt es wild um den Daliegenden.
Menes ist es, als versänke er im Meere. Vor seinen Ohren rauscht's, vor seinen Augen ziehen flimmernde Bilder vorüber; die Gedanken: verloren zu sein; Myrrah in dieser traurigen Welt allein zu lassen; den König nicht retten zu können – zucken noch einmal wie qualvolle Blitze durch sein zitterndes Hirn, dann ist eine tiefe Bewußtlosigkeit die Folge seiner Anstrengungen und Aufregungen.
Viertes Kapitel
Wir kehren zu Myrrah nach Memphis zurück. Ihr glühender Liebhaber hielt sie in strengem Gewahrsam, zeigte sich ihr jedoch von dem Augenblick an, wo sie den Dolch auf ihn gezückt, nicht mehr. So lebte die Unglückliche in einem Zustand fortgesetzter Unruhe, denn, sobald sie Tritte vor ihrer Türe vernahm, vermutete sie den zudringlichen Isaak eintreten zu sehen. Und konnte sie sich auf die Dauer gegen seine Angriffe schützen? Wenn er ihr den Dolch wegnahm? Wenn er Gewalt brauchte! Sie traute ihm alles zu! Schon oft hatte sie die Spitze des Dolches auf ihre Brust gesetzt, jeden Tag nahm sie sich vor, zu sterben, zu jeder Nacht sagte sie: Dies muß die letzte sein; aber der Gedanke an Menes ließ ihren zum Streich erhobenen Arm jedesmal wieder sinken. Auch glomm selbst in dieser verdüsterten Seele noch ein Fünkchen Hoffnung, denn konnte nicht Menes plötzlich vor ihr erscheinen? Oder Isaak, gerührt von ihrer Standhaftigkeit, abstehen von seinem Trachten?
Eines Abends trat Hadsa, die äthiopische Sklavin, die ihr Isaak gegeben, zu ihr ein.
»Ach! gute Herrin,« sagte sie verwirrt.
»Was bringst du mir,« entgegnete ihr Myrrah erschrocken, »du siehst mich so verstört an. Rede! Hast du mir Schlimmes zu melden?«
»Ich sollte es verschweigen – wenn er mich hörte – es wäre um mich geschehen,« stammelte Hadsa, ängstlich die Türe schließend.
»Aber du liebst mich, Hadsa, ich weiß es,« sagte die Gefangene, »du hast mich während dieser schmählichen Gefangenschaft oft getröstet, mir manche Stunde durch dein Geplauder erleichtert – nicht wahr, du sagst deiner Herrin, was ihr droht? Hat Isaak beschlossen – oh! sprich! mich mit Gewalt – du errätst –«
Hadsa, deren Anhänglichkeit an Myrrah während der Zeit ihrer schlimmen Behandlung eine große geworden war und die der Hilflosen manchen Dienst geleistet, sank in die Knie und umarmte weinend ihre Gebieterin.
»Rede, gutes Mädchen, hat er beschlossen, mich zu töten?« frug Myrrah gefaßt, das Furchtbarste zu hören.
Hadsa schüttelte traurig ihr schwarzes Haupt und drückte der Jüdin weiße Hände auf ihre braune Brust.
»Foltere mich nicht, Hadsa,« flüsterte die Jüdin, »rede! was hat man beschlossen?«
Die Schwarze wendete ihr Haupt ab.
»Man will,« kam es nun zögernd über ihre Lippen, »man will Euch – betäuben.«
»Wie? Was will man?«
»Euch betäuben – einschläfern –«
»Du träumst – ich verstehe dich nicht – oder du wählst nicht die rechten Worte.«
»Ich träume nicht! Ich belauschte sie! O Herrin, meine arme Gebieterin, Menes wird schändlich betrogen. Ihr habt mir ja oft erzählt, wie sehr Ihr ihn liebt, wie nur er Euch noch an dieses elende Leben fesselt, und nun will man das, was Ihr ihm mit soviel Mut bewahrt, will man Eure Treue ihm listig stehlen. Oh! auch ich kenne die Liebe, und ich würde mich lieber töten, als meinem Geliebten, wenn er auch nur ein armer Sklave ist, die Treue zu brechen.«
»Aber ich begreife deine Worte noch nicht, Hadsa,« rief die zitternde Myrrah ahnungslos. »Was will Isaak tun? Erkläre mir seine Absicht deutlich.«
Nun erzählte Hadsa mit keuchender Hast, wie sie Isaak belauscht, als er mit einem alten Weibe verhandelte, die ihm einen Schlaftrunk gebraut. Diesen gliederlähmenden Trunk solle er, habe die Alte gesagt, dem Mädchen in den Wein mischen, sie werde alsdann seinem heißen Verlangen nicht mehr widerstehen können, worauf Isaak die Alte reichlich bezahlt. Myrrah begriff nun endlich die ganze Verruchtheit des Planes. Aber war es denn möglich, konnte ein menschlicher Geist sich so tief erniedrigen? War, mit einer solchen Handlung verglichen, der Mord nicht eine ehrliche, achtbare Tat? Welch ein Abgrund von Scheußlichkeit gähnte sie an! Sie betrachtete ihren Leib und schauderte; Ekel, Entrüstung, unsäglicher Jammer durchwühlte sie; blutige Rachegedanken stiegen wie die Träume einer Wahnsinnigen vor ihrer inneren Seele auf. Stumm und starr saß sie auf ihrem Lager, keinen anderen Freund und Helfer, als ihren Dolch in der Nähe. An ihm hing ihr gebrochener Blick, an ihn klammerte sich der letzte Trost der Verzweifelten.
»Oh! er soll mich schlafend finden, der Schändliche, tief schlafend und soll mich sehr still, geduldig und schön finden,« flüsterte sie mit irrem Lächeln, ein übers andere Mal, als die Äthiopierin gegangen war, da ein nahes Geräusch ihr Furcht vor Entdeckung eingeflößt. So saß Myrrah im Leben schon tot auf ihrem Lager. Zuweilen hob sie mechanisch die Spitze des Dolches und ließ sie dann wieder schwer, als wäre sie von Blei, herabfallen. Ein Sklave trat ein, das Abendmahl auf den Tisch stellend; sie regte sich nicht. Dort stand der tückische Becher, der das betäubende Mittel enthielt. Sie sah starr auf denselben; er dehnte sich vor ihren Blicken aus, er nahm die Züge Isaaks an. In einem Anfall von Wut ergriff sie ihn und schleuderte ihn auf den Fußboden. Dann warf sie sich ermattet, an Körper und Geist zerrüttet auf das Lager, geduldig den schrecklichen Augenblick erwartend, wo der Entmenschte zu ihr eintreten würde, im Wahn, sie liege, jedem seiner Wünsche ein willenloses Opfer, in tiefem Schlaf. Nur der eine Gedanke lachte sie mit gräßlichen, verzerrten Zügen an: Stelle dich schlafend und, wenn er dich in entwürdigender Umarmung an sich preßt, stoße ihm den Dolch ins Herz. Sie umklammerte das Eisen so fest, daß sie nicht bemerkte, wie es ihr in die Finger drang. Ein Tropfen nach dem anderen ihres jungfräulichen Blutes fiel zur Erde; dies Sickern des Blutes war der einzige Laut, welcher in dem Gemach zu vernehmen war. Draußen war es dunkel geworden. Der Vollmond quoll hinter den Sykomoren des Gartens empor; manchmal schwirrte mit schwermütigem Summen ein smaragdener Käfer in das Gemach, um das Haupt der Daliegenden; manchmal streifte ein leichter Wind ihr aufgelöstes Haar. Minute auf Minute verstrich, noch war Isaaks Schritt nicht zu vernehmen. Immer einsamer ward es um die Einsame, immer dunkler. Da – hörte sie nicht Klopfen? An die Türe klopfte eine leise Hand. Nein! Das Schloß ward geöffnet. War es der Schändliche? Wähnte er sie schlafend und wollte er jetzt an sein Verbrechen gehen? Sie hielt mit der zitternden Hand ihr hochaufschlagendes Herz – langsam vergrößerte sich jetzt die Türspalte – sie wagte nicht hinzusehen. Doch das waren keine Männerschritte. Eine weiche Hand legte sich auf ihre Schulter; wollte er sie umfassen? Sie zückte den Dolch, bereit zum tödlichen Stoß.
»Herrin,« lispelte es neben ihr, »gute Herrin, hört mich an.«
Die Gequälte sah empor, sie sah in das schwarze Gesicht ihrer Hadsa.
»Kommt er jetzt?« wimmerte sie.
»Hört mich, Gebieterin,« entgegnete die andere, »ich habe einen Weg gefunden, Euch zu retten – vielleicht für immer zu retten.«
»Wie? Zu retten? O du gute, treue Seele, rede! – Doch du täuschest dich gewiß selbst; mein Gott hat mich verlassen, ich kann gerettet werden – ja! aber nur durch den Tod.«
»Nein, gute Herrin, verliert den Mut nicht, Ihr habt noch treue Helfer,« ermahnte die Dienerin, »Ihr wißt, daß ich die Schließerin Eures Gemaches bin. Nun denn, ich habe beschlossen, Euch trotz allen Strafen, die mir drohen könnten, aus dem Zimmer entfliehen zu lassen; auch habe ich ausgespäht, wie die Türe des Hauses geöffnet werden kann. Wenn Ihr es wünscht, fliehe ich mit Euch.«
Bei dem Gedanken an Flucht erhellten sich die Züge Myrrahs.
»Aber hast du die Wachen vergessen, die das Haus umgeben,« sagte sie, »dein Plan wird unausführbar sein, denn wie gelangen wir durch die Wachen?«
Nun setzte Hadsa mit fliegender Hast ihrer Herrin folgenden abenteuerlichen Plan auseinander. Die Sklavin Petafa war gestern gestorben; sie hatte sich, wie man annahm, aus unglücklicher Liebe ertränkt und lag nun in einem hinter dem Haus gelegenen Stalle auf der Bahre, von wo aus sie noch in dieser Nacht nach Memphis zum Mumienverfertiger gebracht werden solle, um daselbst einbalsamiert zu werden.
Nun ging der Rat Hadsas darauf hinaus: Myrrah solle sich statt der Leiche der armen Petafa auf die Bahre legen; die Träger würden auf diese Weise unbewußt die Lebendige aus den Mauern ihres Gefängnisses tragen, denn selbst, wenn es ihnen einfallen sollte, das Tuch, mit welchem man die Leiche bedeckt, zu heben, wäre anzunehmen, daß sie in der Dunkelheit der Nacht ihren Irrtum schwerlich bemerkten. Als Hadsa geendet, erwartete sie, Myrrah würde sich sträuben, sich in ein solch gefährliches, ja schauriges Wagnis einzulassen, doch was war dieser Unglücklichen in diesem Augenblick Gefahr, Schrecken? Sie kannte nur die eine Gefahr, mit der betrachtet alle übrigen geringfügig erschienen, von Isaak überrascht zu werden. Nur fort von hier, rief es in ihrem Inneren, einerlei, auf welche Art, und so gab sie sogleich ihre Zustimmung zu diesem seltsamen Rettungsmittel, ja, sie fiel sogar der treuen Schwarzen um den Hals, ihr reiche Belohnung versprechend. Nun schlichen beide auf den Zehen durch die stillen Gänge des Hauses. Hadsa schob behutsam den Riegel von der Haustüre, lauschte, ob niemand ihre Schritte beachtete, zündete rasch eine kleine Laterne an und führte dann die entschlossene Jungfrau in den über dem Hofe gelegenen Stall. Sie traten zögernd ein. Der Raum war nicht groß. Dort hing ein ungestaltetes Stück nassen Segeltuches über einer Bahre, unter dessen harten tropfenden Falten ein menschliches Haupt wie im Spott verzogen hervorgrinste. Myrrah schauderte trotz aller ihrer Festigkeit zurück, als sie das triefende Haar der Unglücklichen erfaßte und als sie ihr, wie sie das Tuch zurückstreifte, in das gläserne Auge sah, von dem nur noch das Weiße leer in die Luft starrte. Aber sie faßte sich ein Herz. Es mußte sein. Mit Hilfe Hadsas gelang es, die Leiche von der Bahre zu heben und sie in einer alten Truhe, die im rechten Winkel des Stalles stand, zu verbergen. Bis hierher hatte der Mut Myrrahs standgehalten, nun aber, als sie sich auf die Bahre legen sollte, auf der die Tote ihren kalten Hauch zurückgelassen, befiel sie ein heftiges Frieren; sie bebte zurück.
»Ich kann nicht,« jammerte sie, »das Tuch ist so naß und riecht so übel. O gute Hadsa, was soll ich beginnen?«
Hadsa legte sich auf die Bahre, zog, ohne ein Wort zu erwidern, das Tuch über sich und erklärte, nachdem sie eine Weile gelegen, nur die Vorstellung davon sei so gräßlich. Dann stand sie wieder auf, der in Tränen ausbrechenden Myrrah Mut zusprechend.
»Ich will es tun, um seinetwillen,« sagte diese endlich sich fassend, »was täte ich nicht, um mit Menes vereint zu werden und ihm diesen Leib unbefleckt entgegenbringen zu können. Ja, du hast recht, gute Hadsa. Es bleibt mir nichts anderes übrig, ich muß meinen Ekel, meinen Abscheu überwinden. Und was ist schließlich diese grauenvolle Lage, verglichen mit der anderen, die mir gedroht.«
Kaum hatte sie geendet, als sich Schritte dem Stalle näherten. Sie hatte also keine Zeit, sich zu besinnen, einen Seufzer ausstoßend, warf sie sich auf die Bahre; die Schwarze zog sodann rasch das Segeltuch über ihren Körper.
»Nun, wer da?« ließ sich an der Türe eine rauhe Stimme vernehmen. Mehrere Männer, von denen einige Fackeln trugen, traten ein.
»Was suchst du hier bei der Toten, schwarze Ziege?« rief einer der Sklaven.
»Ich –« entschuldigte sich die erschrockene Hadsa, »ich wollte die Arme noch einmal sehen. Ihr wißt, wir waren Freundinnen.«
»So, so,« sagte der andere.
»Aber beeilt euch,« entgegnete die schlaue Äthiopierin, indem sie aus dem Raum trat. »Die Tote riecht bereits. Ihr tut gut, sie ohne Zögern zu Hotep, dem Mumienverfertiger, zu bringen.«
»Soll besorgt werden,« hörte Myrrah einen der Männer sagen, während sie zugleich fühlte, wie man sie in die Höhe hob. Bald darauf merkte sie am taktmäßigen Schwanken ihrer Unterlage, daß sich der Zug in Bewegung gesetzt. Ihre einzige Befürchtung war die, es könnte einem der Träger einfallen, das Tuch zu heben, sie wagte es nicht auszudenken, was ihr alsdann drohte; krampfhaft hielt sie sich an den Sprossen der Bahre, fest die Augen zudrückend, den Atem anhaltend und sich selbst Mut zu sprechend. Die Tropfen des nassen Tuches liefen ihr kalt den Nacken hinab; die Bewegungen der Träger wurden manchmal so ungleichmäßig, daß sie fürchtete, abgeworfen zu werden, doch als sie nun hörte, wie der Zug durch das Tor ins Freie schritt, wurde es ihr etwas leichter ums Herz. Wenn sie die Augen öffnete, sah sie vor sich das graue Tuch; doch gelang es ihr, unbemerkt den Kopf nach der rechten Spalte zu wenden, die ihr den Blick auf die nächtliche Mondlandschaft gewährte. Auf diese Art ließ sich auch besser Atem holen. Nach kurzem Marsch stellten die Träger die Bahre nieder und einer der Leute setzte sich ermüdet neben das Mädchen auf den schmalen Teil des Gerüstes, welchen ihr Körper freigelassen. Jeden Augenblick glaubte sie, dieser Mensch müsse ihre Atemzüge hören. Sie litt unbeschreiblich. Ihre Qual erreichte aber den höchsten Gipfel, als sie folgendes Gespräch mit anhören mußte.
»Warum hat sie sich ertränkt?« hörte sie neben sich fragen.
»Aus Liebe, sagt man,« versetzte ein anderer.
»War sie hübsch?« frug der vierte Träger.
»Kann's nicht sagen.«
»Wartet, ich sehe sie hier durch die Öffnung des Tuches – nein, es sind ihre Haare.«
Myrrah glaubte, der Zeitpunkt ihrer Entdeckung sei gekommen; das Bewußtsein begann ihr langsam zu schwinden.
»Laßt die Decke liegen,« vernahm sie jetzt, »ich sehe nicht gern einem Toten ins Angesicht; die Kerls haben Augen, die einem noch tagelang anstarren und reißen den Mund auf, als wollten sie einen verschlingen.«
Myrrah fühlte, wie das Tuch ein wenig hinweggerückt wurde. Der Zustand der Armen ward immer bedrohlicher, sie hatte mit übermenschlicher Anstrengung gegen ein aufsteigendes Krampfgefühl zu kämpfen, dessen Zuckungen ohne Zweifel zu Verrätern geworden wären; sie vermochte sich nicht mehr in dieser regungslosen Lage zu erhalten.
»Bei allen Löwen Lybiens, sie war schön,« hörte sie dicht neben sich ausrufen, »sie hat eine prächtige Schulter, weiß, wie die Wüste im Mondschein.«
»Du verliebst dich wohl gar in tote Reize, du Unmensch, und verlangst Süßes vom Tod. Pfui! halte dir die Nase zu,« entgegnete ein anderer.
Alle lachten und der neben ihr Sitzende schlug mit der flachen Hand auf ihre Schulter, daß es klatschte. Ein Glück, daß die Verzweiflung all ihr Blut nach dem Herzen getrieben, wodurch sich ihr Körper leichenhaft kalt anfühlte, daß der Schrecken ihre Glieder lähmte und sie in einen Zustand von todähnlicher Bewußtlosigkeit versenkte, aus dem sie erst wieder erwachte, als die Gefahr vorüber war. Endlich, endlich, nachdem ihr Ohr noch durch viele unlautere Witzworte beleidigt worden, nachdem sie fast glaubte, sie könne es nicht länger ertragen, sie müsse aufschreien oder die gewaltsame Anstrengung, ihre Erregung zu verbergen, koste ihr das Leben, endlich hoben die Träger die Bahre und gingen weiter. Bald vernahm sie, daß die Sandalen der Männer Pflaster traten; sie waren in Memphis angelangt. Nach einem kurzen Weg hielten sie vor einem Hause, verhandelten mit einem aus demselben tretenden Manne und trugen, wie das Mädchen deutlich merkte, die Bahre in ein großes Mumienmagazin.
Noch hörte sie, wie die Gehenden dem Mumienverfertiger sagten, die Leiche solle die einfachste, billigste Art der Einbalsamierung empfangen, wie der Mumienverfertiger mit dem Preis einverstanden war, und wie sich die Schritte der Träger verloren; dann verfiel sie in ein krampfhaftes Weinen, das ihr erst nach längeren, vergeblichen Bemühungen zu unterdrücken gelang. Als sie die Decke hinweghob, fühlte sie sich so matt, daß sie kaum aufrecht zu stehen vermochte, und dennoch galt es fliehen, fliehen, so rasch wie möglich, da die Arbeiter und Ausbalsamierer früh mit ihrem unsauberen Werke anfingen. Sie schluckte ihre Tränen hinab, beherrschte ihr Schluchzen und eilte auf die Türe der dunklen Werkstätte zu, durch deren Glasfenster ein müdes Mondlicht in die Halle drang. Im Weitergehen den Weg suchend, tastete sie auf einem naßkalten, glatten Gegenstande herum – – Was war das? Entsetzt fuhr ihre Hand zurück; im fahlen Trauerglanz des Mondes sah sie, daß sie zufällig einer Leiche in den Mund gekommen war. Nun erst bemerkte sie, daß sie unter sechs einzubalsamierenden Toten die einzige Lebende war; ringsum lagen die stummen Schläfer, dort ein reich Gekleideter in einem halbfertigen kostbaren Sarg, duftend von Wein und arabischem Balsam, hier eine arme Frau, deren Körper bereits zur Hälfte mit Myrrhen ausgefüllt war, während man ihre Arme mit Binden umwickelt hatte. Ringsum standen Geschirre, gefüllt mit Salpetersäure oder Kolophonium, lagen Masken, hingen Bissusbinden, hingen die Messer und Gerätschaften, deren man bei dieser traurigen Arbeit bedurfte. Ein Schauer überlief die von Gott und Menschen Verlassene, als ihr Auge diese schweigsame Gesellschaft überflog; es war ihr, als müsse die braune Mumie, die sie eben berührt, aufstehen, um Rechenschaft von ihr zu verlangen. Sie floh wie eine verfolgte Gazelle aus der Werkstatt auf die Straße nach dem Nil zu, um sich dort so lange im Schilfe zu verbergen, bis sich ein Schiff fände, das sie mit nach Theben nähme. Als sie so eilend dahinschritt, war es ihr mehreremals, als vernähme sie in der Ferne hinter sich das Rufen und Antreiben einer sie verfolgenden Meute.