Kitabı oku: «Das Schatzhaus des Königs», sayfa 17
Fünftes Kapitel
Wir verließen Menes unter den Händen seiner Entdecker. Als er wieder aus seiner tiefen Bewußtlosigkeit erwachte, fand er sich in einem Gemach oder besser einem Käfig eingeschlossen, in dem er kaum aufrecht zustehen vermochte und dessen Wände er mit den ausgestreckten Armen erreichte. Wo war er? Die schreckliche Gewißheit, daß der schändliche Prinz seine Drohung wahr gemacht, seinen Rachedurst dadurch befriedigt hatte, ihn in dies elende Gefängnis werfen zu lassen, überdrang ihn kalt. Und hatte er nicht trotz seiner Betäubung gefühlt, wie man ihn in diesen Kasten schob? Klangen ihm doch noch die höhnischen Worte des Tückischen im Ohre nach. Ja, diese Wände waren kein Phantasiegebilde, sie ließen sich betasten, sie hielten stand; er war das Opfer bübischer Rache geworden; das Gefühl innerer Beängstigung, welches uns erfaßt, wenn wir uns in einem bedrückend engen Raum befinden, der uns an der Bewegung hindert, überkam ihn mit solcher Macht, daß er in einem Anfall von Verzweiflung seine Fauste an Boden und Decke des Kastens wund schlug, aber die grausamen Wände gaben sein Gestampf, sein dumpfes Schmerzgestöhne höhnisch zurück, ohne sich zu öffnen; sie ließen ein metallenes Knarren und Summen ertönen, das dem armen Eingekerkerten wie triumphierendes Gelächter seiner Feinde erklang. Sterben? rief es in seinem sich krampfhaft zusammenziehenden und wieder gewaltsam ausdehnenden Inneren, sterben ist nichts! Aber auf diese Art sterben, oder was noch schlimmer, lebenslänglich in diesem Winkel zum Gerippe zusammengekauert hintrauern müssen!! O menschliche Bosheit, deine Erfindungskunst übersteigt die Blutdurst der Tiere. Manchmal glaubte er, der Ingrimm der Verzweiflung müsse ihm Kraft verleihen, den Boden des Käfigs zerstampfen zu können, doch wenn er sich umsonst abgemüht, sank er ermattet nieder, gleichgültig und stumpf auf die eisernen Platten starrend, die mit so unbarmherziger Festigkeit vor ihm aufragten.
Oh! wenn sie es doch wüßten, seine Freunde, welche Schändlichkeit man an ihm verübt! Warum wußten sie es nicht? Er begriff es nicht, daß sie es nicht wissen konnten, es war ihm, als müßten sie es längst erfahren haben, als hielte nur Teilnahmlosigkeit sie ab, ihm beizustehen. Die Trostlosigkeit malte ihm, was er dachte, in verrenkten, übernatürlichen Gestalten. Jede, auch die kleinste Empfindung, schwoll ihm zum Ungeheuerlichen an; die Gedanken überstürzten sich in seinem Hirn, wie ein Rudel losgelassener Hunde zerfleischten sie ihn und fraßen an seiner Seele. War er denn wirklich gefangen? Unmöglich! Er träumte bloß. Er rieb sich die Augen und starrte seine Hände an, er machte ein paar Schritte in dem engen Raum, warf sich in eine Ecke und hielt sich den Kopf mit beiden Händen zwischen den Knien fest, denn es war ihm, als müsse sein kreisender Schädel aus den Fugen brechen. Da reckte sich der Wahnsinn vor ihm auf, wie ein gigantisches, blutrotes, verzerrt lächelndes Gespenst! Er drückte die Augen zu –: »Fort! fort! ihr Bilder! was wollt ihr!« – Es war so still! Er tat einen Schrei, der lange in dem Metall des Kastens nachzitterte. Umsonst! Die fieberhafte Beengung legte sich bleiern auf seine Stirne, der Atem floh pfeifend aus seiner gequälten Brust; er fühlte, wie seine Augen zu bluten und sich aus den Lidern zu drängen begannen. Endlich zwang er sich zur Ruhe. Du mußt! was nützt diese Aufregung! Fasse dich, halte dir das Herz im zerspringenden Busen fest. Ringe wie ein Zwerg mit dem Riesen Wahnsinn – er muß unterliegen. Er verfiel auf den Gedanken, Stellen aus der Heiligen Schrift herzusagen, und dies Deklamieren ehrwürdiger Sprüche, tiefer Weisheit besänftigte ihn ein wenig. Myrrahs Bild stieg vor seiner Seele empor. Einen Augenblick hindurch vergaß er völlig, wo er sich befand; sein Herz schwoll auf; eine süße Wehmutstrunkenheit durchzog ihn; er konnte weinen. Diese Tränen! o welches Labsal sie für ihn waren, sie flößten ihm eine erhabene Ruhe ein, und sein trauriger Kerker erschien ihm wie sein Grab, in das man ihn gelegt, um ihn ausschlafen und träumen zu lassen. Allmählich ging diese ergebene Ruhe in Schlaf über, den zwar wilde Träume zu einem höchst unerquicklichen machten, der aber immerhin Schlaf war, süße Täuschung, ein Betrug, den der gepeinigte Geist sich selbst schafft. Ja, aber diese Träume! Er fühlte im Schlafe, daß er träumte. Stiehlt sich das tückische Schicksal sogar in unseren Schlaf, um uns zu martern? Mit einem Stöhnen erwachte er. Nun erst, denn es war Tag geworden, bemerkte er deutlicher wie gestern die Luft- und Lichtlöcher, die der Käfig rings an der Wand trug. Aber wie? Waren es gestern nicht sechs Löcher gewesen und jetzt waren es nur fünf? Und da stand auch neben ihm eine Schale mit Wasser nebst einem kleinen Brot! Wo kamen diese Gegenstände her? Es war nirgends eine verschiebbare Öffnung zu sehen. Sein Kerker fing ihm an geheimnisvoll zu werden. Wenn mir Speise gebracht wird, überlegte er, muß sich ein menschliches Wesen dem Gefängnis nähern, ich kann mich also auf jeden Fall mit diesem Überbringer des Brotes in Verbindung setzen, sobald er nahe genug an die Wand herangetreten. Vielleicht, daß dieser Mensch mehr Erbarmen fühlt, als sein Herr und mir einen Weg zum Entkommen öffnet, wenn ich ihm große Versprechungen mache. Menes trank hierauf von dem Wasser, zu essen vermochte er nicht. In trostloser Ergebenheit ward dieser Tag hingebrütet; er fühlte, wie lähmend dieses öde Nichtstun auf Geist und Körper wirkte. Dazu kam eine grenzenlose Abspannung aller seiner Kräfte, die ihm unaufhörlich bald kalten, bald glühenden Schweiß aus allen Poren trieb. Er sagte sich, daß, wenn sich seine Lage nicht bald ändere, er unrettbar völliger Geistesumnachtung anheimfiele, denn schon war er nicht mehr ganz Herr seiner Gedanken, schon begannen sich dunkle, unheimliche Schatten um sein inneres Auge zu legen. Er ertappte sich oft auf völlig sinnlosen Einfällen, unlogischen Gedankenverbindungen, und manchmal war es ihm, als müßte er sich vor sich selbst entsetzen. Wenn er sich so in seinem Käfig umblickte, überrieselte es ihn manchmal, als schüttete man einen Feuerregen über seinen Rücken, sein Gehirn krampfte sich zusammen, doch er kämpfte mannhaft dies vernichtende durchschauernde Angstgefühl nieder. Der Abend kam und er zwang sich, wach zu bleiben, um dem Geheimnis des Brotüberbringers auf die Spur zu kommen. Gegen Mitternacht hörte er ein leises Klingen.
Rasch fuhr er mit der Hand nach der Stelle, von wo ihm der Ton zu kommen schien; trotz der völligen Finsternis bemerkte er, wie ein kleines Türchen geöffnet ward, aus welchem eine Hand Brot und Wasserschale in den Käfig schob.
»Erbarmen! Erbarmen!« schrie er mit Anstrengung aller seiner Stimmkräfte, »rette mich, wer du auch sein magst; dein Lohn soll ein ungewöhnlicher sein.«
Die Türe fiel zu; man wollte ihn nicht hören. Zugleich knirschte es in allen Winkeln des Käfigs, als ob ihn ein Erdbeben erschüttert. Was bedeutet das? Diese Beobachtung raubte dem Unglücklichen alle Kraft, noch einmal zu rufen. Er wartete den Morgen zagend ab; eine furchtbare Entdeckung sollte sich ihm, als der erste Strahl der Sonne in seinen Sarg fiel, offenbaren – er bemerkte, daß von den fünf Luftlöchern, die ihm gestern Licht boten, nur noch vier vorhanden waren und – was sich ihm am schrecklichsten aufdrang, – daß sein Behälter sich von allen Seiten aus um zwei Fuß breit verkleinert hatte. Welch entsetzlicher Verdacht stieg in ihm auf! Er sah mit stieren Augen rings an den Wänden umher, er brach in Tränen der Wut und Entrüstung aus. Es war am Tage. Er konnte es sich nicht leugnen, diese unmenschlichen Eisenwände sanken auf irgendeine mit raffinierter Bosheit ausgedachte Weise, von außen in Bewegung gesetzt, jeden Tag mehr in sich zusammen. Das rätselhafte Knirschen, das er vernommen, war die Bewegung, das Rollen der mörderischen Maschine; er sollte bei lebendigem Leibe zerquetscht werden. Nahrung bot man ihm nur, um ihn lebendig einzusargen. Welche Aussicht! Daß man ihn töten wolle, davon war er überzeugt, das hatte er längst erkannt, daß aber der Mensch an der Qual des Menschen so tierische Befriedigung finden könne, das wagte er bisher nicht anzunehmen. Welchem Kopfe mußte dieser Plan entsprungen sein; wie konnten, wenn Götter lebten, sie solches Ungeheuerliche zulassen? Es begannen sich ihm von neuem die Gedanken zu verwirren, bis er schließlich gar nicht mehr fähig war, einen Gedanken zu fassen, eine Empfindung sich klarzumachen. Sein Geist war von der Vorstellung dieser erbärmlichen, unerhörten Todesart erdrückt, seine Seele wand sich wie ein zertretener Wurm unter dem Fußtritt der ehernen Notwendigkeit: zu dulden, zu leiden. »Und das muß ich mir von ihnen gefallen lassen, ich muß es lautlos tragen,« kam es manchmal traumartig über seine blassen Lippen. In lichten Augenblicken fluchte er allem, was da atmete, selbst von den Göttern wollte er nichts mehr wissen, sie schienen ihm von den Menschen geschnitzte, hohle Larven zu sein. Er wendete sich ab von dieser Welt, in der sich solche Ereignisse zutragen dürfen. Ja, selbst an Myrrah dachte er nur wie an ein täuschendes Luftgebilde, einen ausgeklungenen, süßen Ton; es begannen Zweifel in ihm aufzusteigen, ob sie überhaupt je gelebt, ob sie nicht vielleicht ihr Dasein nur seiner erhitzten Phantasie verdanke. Mit dumpfem Grauen erwartete er die folgende Nacht, die seinen Aufenthaltsort wieder um einige Fuß verkürzen, ihn noch sargartiger gestalten sollte. Als sich in dieser Nacht die Decke so weit herabsenkte, daß er nur sitzen konnte, wobei er sie mit dem Kopf berührte und er die Arme kaum mehr auszustrecken vermochte, rang er nach Bewußtlosigkeit. Er hätte den als Freund umarmt, der ihm einen Schlaftrunk gereicht, er wimmerte um Vergessen. Oh, könnte er sich doch töten, aber es fehlte ihm jede Waffe. Warum kann der Mensch nicht zu sich selbst sagen: Ich will sterben! und er fällt als Leiche zu Boden? Warum ist er zum Leben verdammt. Die Götter fesseln ihn herzlos an dies Dasein; er ist geboren, den Tod qualvoll zu erleiden, die Gewißheit desselben vor Augen zu haben. Er hatte, als sich das Brot hereinschob, gerufen – ebenso erfolglos, wie das erstemal. Nun kam die zweite Nacht langsam heran, noch eine und er war zermalmt. Oh, wäre diese Nacht schon da. Es wird dunkler in dem engen Behälter. Der Verlassene, dies Opfer mehr als tierischer Grausamkeit, liegt am Boden, den Kopf teilnahmlos herabgebeugt. Leicht ist's dem Weisen, erhaben zu sterben, wenn der Tod rasch, menschlich und schön an ihn herantritt, aber hier? Wer kann sich hier würdevoll auf die Schauer des Grabes vorbereiten, in diesem pressenden Sarg? Und dennoch wird Menes ruhiger, je näher das Furchtbare, Unaussprechliche an ihn herantritt. Es ist ja bald überstanden. Das Leben hat jeden Reiz verloren, es steht vor ihm wie ein magerer, ausgehungerter Sklave, den man mit einem Handwink entläßt. Geduldig erwartet er das metallene Knirschen des Kastens, das ihn um zwei Fuß enger schiebt, nur zuweilen steigt eine wilde Empfindung in ihm auf, als müsse er, die Eisenplatten auseinandersprengend, sich Luft machen. Er überwindet die Anfalle von Verzweiflung jedoch, indem er sich selbst laut Trost zuspricht, sich ermahnt und tadelt. Er will würdig sterben. Stirbt er doch für den König im Triumph der höchsten Pflichterfüllung. Das begeistert ihn, er kommt sich selbst größer vor, eine edle Trauer breitet sich über seine ermattenden Züge. Kommt der peinliche Augenblick immer noch nicht? Krachen die Dielen nicht? Er lauscht ergeben und stemmt die Ellbogen an die Wände. So verrinnt Minute auf Minute; das Luftloch verdunkelt sich, es wird Nacht. »Armer König, dein Schicksal wird noch trauriger sein als das meine,« flüstert er noch einmal seufzend vor sich hin, dann überfällt ein dumpfer Schlummer seinen Geist. Da läßt sich ein leises Krachen dicht neben ihm vernehmen, er fährt empor, er atmet schwer auf; sein Auge rollt kraß an den Wänden seines Kerkers empor, denn jetzt naht es; der letzte Augenblick naht. »O ihr Götter!« schreit der Erbarmungswürdige »steht mir bei!« Ein dumpfes Rollen, dem ein heftiger Knall folgt, betäubt sein Ohr; er fühlt, wie die Wände aneinanderrücken, wie die Decke sinkt. »Gnade!« kreischt er auf im Wahn, der hartherzige Maschinist würde ihn vernehmen. Darauf schwindet ihm glücklicherweise die Besinnung; er hat nur noch die dunkle Vorstellung davon, als ob ihn die sinkende Decke an die Schläfe getroffen, und als ob er samt dem ganzen Behälter in die Tiefe hinabglitte. Ein ohrzerreißendes Dröhnen, wie von zerbrochenen Ketten, Rollen und Stangen raubt ihm den letzten Rest von Bewußtsein.
Sechstes Kapitel
Indessen entfaltete sich im Hause des Oberpriesters ein ungewöhnlich reges Treiben, eine nie gesehene Pracht. Dies sonst finstere Haus leuchtete heute durch die Nacht; aus Türen und Fenstern strömte der Glanz unzähliger Lampen, seine sonst allbekannte Ruhe ward zur wimmelnden Emsigkeit; Sklaven huschen über die Treppen, verschwinden in Kellern, tauchen hinter Teppichen hervor, tragen Schüsseln, Becher, stellen Stühle, ziehen Polster herbei. Andere geben Anordnungen, wieder andere sehen zu, während es in der ferngelegenen Küche raucht, duftet, sprüht, rasselt und prasselt, wie in einem Bergwerk. Mitten durch diese fliegenden Tafeldecker, brottragenden Bäcker, dampfenden Köche, weinbespritzten Mundschenke, schreitet gravitätisch Psenophis im Ornat, mit dem gefleckten Leopardenfell geschmückt. Er spricht wenig, seine Mienen drücken glühende Erwartung aus. Zu ihm stößt die Königin nebst ihrem Sohne; bald hat sich ein Kreis um den Priester versammelt, alle Umstehenden stecken scheu die Köpfe zusammen, ihre Unterhaltung wird in flüsterndem Tone geführt, scheue Blicke deuten an, daß die Behaglichkeit, die heitere Geselligkeit von diesen Gästen fern geblieben sind.
»Das Fest konnte seinen Anfang nehmen,« flüstert Psenophis, »die Tische sind mit Speisen besetzt, es ist alles Nötige in Bereitschaft, nur der König läßt noch auf sich warten.«
»Geduld,« murmelt die Königin finster, »man kommt immer früh genug zu seinem Tode.«
Diesen Worten folgt allgemeines Schweigen; die Verschwörer stehen vor ihrem Ziele, aber die Schatten, die dem furchtbaren Ereignis voranschreiten, legen sich beängstigend auf ihre Herzen; auch der Geringste unter ihnen fühlt die Wichtigkeit, den Ernst dieser Stunde – morgen trägt die Erde ein anderes Antlitz, morgen durchbebt die große Kunde ganz Ägypten, morgen liegt ein Gewaltiger zu Boden, seinen Fäusten entsinkt die Geißel, die er über die Völker schwang, morgen werden alle Felsentempel widertönen von Klaggeheule und schon öffnet das Königsgrab seinen steinernen Mund und spricht: tritt ein, Ramses, du bist mir verfallen!
»Die Krane des Wasserwerkes,« fährt Psenophis leise fort, »sind gestellt, ein Kind kann den Saal unter Wasser setzen. Wenn wir ihn hier haben, gebe ich keine Dattel für sein Leben. Doch in mir steigt eine bange Ahnung auf! Ich weiß nicht warum! Dies Ausbleiben des Königs – wenn es nur nichts zu bedeuten hat. Zwar frug ich den Gott, und dieser versicherte mir durch sichtliche Zeichen, Ramses würde erscheinen – o ihr Götter, täuscht uns nicht! Wenn wir einen Verräter unter uns gehabt, wenn dem König eine Andeutung –«
»Unsinn,« fällt Cha-em-dyam barsch ein, »der einzige Verräter, den wir zu fürchten hatten, ist vernichtet; heute ist der Tag, an dem er ausgelebt; während wir sprechen, zerdrückt ihn die Maschine, die meine Rache ersonnen.«
»So ist er tot,« fragt Psenophis gespannt, »wirklich tot?«
»Sicherlich! Wie könnte er entkommen.«
»Ich gäbe viel für die Gewißheit seines Todes.«
»Du kannst dich darauf verlassen,« lachte der Prinz hämisch, »er atmet nicht mehr, er kann uns nicht mehr schaden.«
»Sahst du ihn tot vor dir liegen?« fragt Psenophis.
»Das nicht!«
»Nicht?«
»Nein,« entgegnet der Prinz, »ist auch nicht nötig, ist sogar unmöglich, denn das Futteral, in dem er zerquetscht liegt, läßt sich nicht öffnen. O, eine köstliche Erfindung meines Baumeisters, ein wahres Meisterwerk der Mechanik. Hältst du es für möglich; von meinem Schlafzimmer aus konnte ich durch den Druck auf eine Feder das Ineinanderschieben der Metallplatten leiten.«
Psenophis zollte der Maschine seine Bewunderung. Ihm wollte es augenscheinlich nicht gefallen, daß er nicht greifbare Beweise von Menes' Tod in Händen hatte, dies beunruhigte sein Gemüt, doch sprach er nicht weiter darüber. Die Verschworenen suchen nun ihr Unbehagen hinter erkünstelter Heiterkeit zu verbergen. Einige lachen über die Maschine des Prinzen, andere treiben mit den Dienern und Dienerinnen Scherz, andere besichtigen mit dem Baumeister die Wasserwerke. Noch ist immer keine Spur von dem Nahen des Geladenen zu erblicken.
»Ich fürchte, Ramses hat Wind erhalten von unserem Werk,« seufzte der Priester, »er könnte längst hier sein, er sagte so freundlich zu, als ich ihn einlud, und nun bleibt er aus.«
Man wartet lange vergebens; die Befürchtung, daß der König von dem Plan unterrichtet sei, den man gegen sein Leben geschmiedet, greift immer mehr um sich; die Gesichter der Verschworenen nehmen einen immer ängstlicheren Ausdruck an, einige geben sogar nicht undeutlich zu verstehen, man solle ohne Zögern fliehen, jedoch dem widerspricht die Königin eifrig: Flucht rette sie nicht, errege aber sogleich Verdacht. Man schickt mehrere Boten nach dem Königspalaste aus. Diese kommen mit der Antwort zurück, dem Könige sei plötzlich unwohl geworden, er habe sich beim Reiten den Fuß verstaucht, er werde aber trotz seiner Schmerzen das Fest mit seiner Gegenwart zieren, denn wortbrüchig wolle er nicht werden, er werde erscheinen, und wenn man ihn sterbend in den Festsaal tragen müsse. Diese Nachricht trägt viel zur Beruhigung der Harrenden bei; der Plan wird gelingen, nur etwas später, als man gehofft. Endlich ertönte ein langgezogener Trompetenschall durch die Nacht. Freudiges Aufatmen fliegt durch die ganze Versammlung. »Der König! Der König!« brauste es durch die Hallen. »Das Ziel ist erreicht, er ist da, die Schlinge ist ihm bereits um den Hals geworfen.«
Alle eilten stürmisch an das Portal, den Herrscher zu empfangen, der arglos in sein Grab schreitet. Der Oberpriester gibt dem Architekten rasch noch einige Andeutungen, die dieser pünktlich auszuführen verspricht. Der Prinz ist der erste, der den Sohn der Sonne begrüßt.
»Wo bleibt mein königlicher Vater,« spricht er einschmeichelnd; »die Gäste unseres freundlichen Wirtes harrten deiner lange.«
Der König steigt aus der fackelumleuchteten Sänfte. Allen fällt seine Blässe auf, sein starrer Blick, die Hast seiner Bewegungen, doch schreiben sie solches auf Rechnung seines Unwohlseins. Er sieht sich rings um und bemüht sich dann zu lächeln. Es ist ein seltsames, geheimnisvolles Lächeln.
»Wo ist unser freundlicher Wirt?« sagt er mit mühsam sich abgerungener Milde.
Psenophis tritt, sich verbeugend, vor.
»Unser Herr, den die Götter vor Unfällen bewahren wollen,« schmunzelt er, »sei willkommen unter seinen Dienern. Ich weiß, du liebst die unterweltlichen Säle, die Stille, die Kühle, die daselbst herrscht, tut dir wohl; aus diesem Grunde lud ich dich in ein solches Gemach.«
Der Herrscher reicht ihm die Hand.
»Verzeihe mein Verspäten, ein kleiner Unfall, der weiter keine Beachtung verdient, hielt mich zurück,« sagt er mit sich überstürzender Eile, »doch nun laß uns den Festsaal betreten, ich bin begierig, deine neuen Einrichtungen zu sehen.«
Mit sichtlicher Hast drängt Psenophis seine Gäste nach dem unterirdischen Gemach, man sieht ihm an, daß er die Beute, die er nun einmal in den Klauen hält, sich nicht entgehen lassen will. Die Königin hält sich im Hintergrund der Säulenreihe verborgen, von wo aus sie stille, düstere Blicke auf ihren Gemahl schleudert. »Da schreitet er hin, der Judenliebhaber,« murmelt sie zwischen den Zähnen hervor. »Ich bin begierig, ob er in den Gefilden der Seligen auch schöne Jüdinnen findet, die ihm ihre Schönheit zum Opfer bringen. Jetzt wird ihn bald eine andere Geliebte umarmen – die tödliche Welle.«
Der König ergreift seines Oberpriesters Hand, beide wandeln, anscheinend in gleichgültige, ja freundschaftliche Gespräche vertieft, dem unterirdischen Festsaale zu. Der König lobt die Anordnungen des Festes, die helle Beleuchtung des kühlen Raumes, den duftenden Blumenschmuck, den man auf den Boden gestreut, er lobt mit eigenem Lächeln die reichbesetzten Tische; die Malerei der Wände scheint seine Blicke zu erheitern.
»Gute Gemälde,« sagt er lebhaft, als alles sich gesetzt. »Schöne Gemälde sehe ich da an den Wänden – wie lange mögen sie dauern?«
»Wie lange, mein königlicher Gast? Welche Frage!« entgegnet Psenophis. »Solange wie diese Wände, dauern auch die Gemälde.«
»Glaubst du?« fragt Ramses gleichmütig, einen stechenden Blick auf Psenophis schleudernd, der diesen erbleichen läßt. »Nun! mir scheint, diese Wand ist schlecht gebaut, ihr mischtet den Kalk zu dünn. Doch nun laßt uns zum Weine greifen.«
Betroffen sehen sich die Verschworenen nach diesen Worten an. Der Prinz fixiert mißtrauisch seinen Vater, der mit auffallender Hast einen Becher voll Weines hinabgießt. Das Gespräch kommt schwerfällig in Fluß, nur scheues Geflüster, erkünsteltes Lachen ist vernehmbar, eine unheimliche Befangenheit lähmt die Lippen der Gäste. Psenophis flüstert der Königin leise zu: »Er schöpft Verdacht,« während die übrigen mit ihren Tellern spielen, von den aufgetragenen Speisen kaum kosten und scheu auf ihren Herrscher blicken.
»Was flüstert ihr?« fährt der König die Königin an, die sich die Miene gibt, als ob sie sich langweile.
»Nichts, Gebieter,« antwortet der Oberpriester. »Ich sagte: du liebtest den Wein.«
»Den Wein? O gewiß, und ich hasse das Wasser,« ist des Königs kühl hingeworfene Antwort.
»Herr, ich hoffe, daß Ihr den Wein nicht mehr gewässert findet, als ihn die Natur mit Wasser vermischt hat,« witzelt Psenophis, »bei Gott, wenn es sich anders verhielt, mein Mundschenk, der alte Weinschlauch, müßte vor Euren Augen geöffnet werden, damit sich bestimmen ließe, um wieviel er meine Schläuche erleichtert hat.«
Der Mundschenk wird gerufen und beteuert seine Ehrlichkeit.
»Laß ihn leben, guter Psenophis,« bittet der König, »er hat deinen Wein nicht verwässert. Aber sage mir: Was ist kostbarer, Wein oder Nilwasser?«
»Ihr stellt schwer zu beantwortende Fragen, Herr!« versetzt der Verlegene, »ich denke, uns Ägyptern ist das Wasser des Nil die kostbarste Flüssigkeit.«
»Stimmen damit alle überein?«
»Meine Gäste – seid ihr nicht derselben Ansicht?«
Alle sind derselben Ansicht.
»Und dennoch,« lächelt der König, »wenn man mir die Wahl ließe, würde ich vorziehen, in einem Fasse voll Wein zu ertrinken, nicht in dem kostbaren Nilwasser – oder haltet ihr es umgekehrt? Ihr schweigt? Ich sehe euern erstaunten Gesichtern an, daß ihr Nilwasser vorzieht. Nun, nun, ich spreche ganz im allgemeinen, aber wenn ich einmal in die unangenehme Notwendigkeit versetzt würde, euch ertränken lassen zu müssen, glaubt mir, ich würde euch den Gefallen tun und euch in euer geliebtes Nilwasser setzen, dann mögt ihr die Fische spielen solange ihr wollt. Ich für mein Teil liebe das Trockene.«
»Eure Laune Herr, ist eine sonderbare,« wagt der betroffene Prinz zu entgegnen.
»Steh' auf, mein Sohn,« ruft der Herrscher plötzlich mit ernster Stimme.
Dieser erhebt sich.
»Auch du stehe auf, Psenophis – so! Und nun verbeugt euch vor mir – tiefer – noch tiefer. Gut so! Und merkt euch – noch bin ich König! Jetzt mögt ihr euch wieder setzen!«
Verwundert sehen die Anwesenden auf dieses seltsame Spiel; in mehreren taucht der Gedanke auf, Ramses habe schon, ehe er den Festsaal betreten, zu viel des süßen Weines genossen oder sein Unwohlsein sei ernsterer Natur, es habe sich in ein heftiges Fieber verwandelt.
Hierauf verrinnt eine Viertelstunde ohne außergewöhnliche Ereignisse. Der König scheint sehr aufgeräumt, er weiß durch seine lebhafte Unterhaltung die Gesellschaft zu fesseln. Da es alle bemerken, wie er öfter voll Unruhe nach der Türe des Saales blickt, wagt der Prinz ihn zu fragen: ob er irgend etwas vermisse.
»Ich? Ja,« antwortet sein Vater, »ich erwarte jemand.« Psenophis will eben dem eintretenden Baumeister ein Zeichen geben, damit er die Krane in Bereitschaft setze, als an der Saaltüre ein Zusammenlauf entsteht. Dann nähert sich ein Sklave dem Stuhl des Oberpriesters mit zitternden Knien und flüstert diesem etwas in die Ohren, das er bebend vernimmt und das sogleich die Runde durch die ganze Versammlung macht. Alle stecken die Köpfe zusammen, allgemeine Beklommenheit malt sich auf den Zügen der Gäste, deren Augen sich angstvoll auf den König richten. Einige stehen auf, andere lassen erbleichend ihre Becher aus den Händen fallen.
»Was setzt die ehrenwerte Versammlung also in Unruhe!« fragte der König, erstaunt um sich schauend.
»Nun, gibt mir niemand Antwort? Was fiel vor?«
Keiner wagt zu sprechen. Ramses wartet.
»Psenophis, ich befehle dir zu sprechen.«
»Herr,« stammelt dieser, »du scheinst uns in irgendwelcher Weise zu mißtrauen, mein Sklave berichtet mir: Rings um mein Haus habe sich eine Abteilung deiner Krieger versammelt. Zu welchem Zwecke? muß ich fragen. Wenn es meinem hohen Herrn gefällt, möge er gnädigst die Krieger aus dem Bereiche meiner friedlichen Wohnung entfernen.«
»Erstaunt Euch das?« fragt der König mit bemerkbarer Ironie.
»Was? Hoher Herr?«
»Daß Krieger meine Begleitung bilden?«
»Es ist – ich muß es gestehen – während eines –«
»Leichenmahles wolltest du wahrscheinlich sagen,« fällt ihm der König ins Wort.
»Hoher Herr –«
»Nun?«
»Festes! wollte ich sagen, nicht üblich, daß Krieger –«
»Des Königs Leben bewachen?« endigt der Herrscher den Satz.
»Dein Leben, Herr? Ist es nicht sicher?«
»Nun hört mir diesen schlauen Kahlkopf,« lacht Ramses, wilde Blicke unter die Bestürzten werfend. »Mein Leben sicher? Würdiger Diener der Götter, könnte ich nicht an einer Gräte ersticken? Oder könnten mich nicht die eifersüchtigen Blicke meines liebevollen Weibes vergiften? Wer weiß, woher ihm Gefahr droht! Mein Leben ist nicht sicherer als das einer Maus, nicht sicherer als das Eure. Um einen fast unmöglichen Fall anzunehmen, könnte nicht diese Decke herabkommen, mich zu erschlagen? Zufall! werdet Ihr sagen – nicht wahr? Ich will Antwort!«
»Hoher Herr! – Ihr fiebert.«
Tiefe Stille, man hört die keuchenden Atemzüge der Gäste im Saale widertönen.
»Oder könnte nicht der Nil plötzlich wahnsinnig werden,« fährt der König mit steigender Erregung fort, »und in diesem Anfall von Wahnsinn hier in dies Gemäuer einbrechen? Haha! ich muß lachen. Warum lacht Ihr nicht mit? Zufall, sagt Ihr? Wie, ist auch das Zufall, Priester, oder Berechnung? Antwort!«
»Zufall, gnädiger Herr,« keucht dieser, am ganzen Leibe zitternd.
»Nun, dann ist auch dies Zufall« – und hier steht Ramses auf, schleudert dem wie vernichtet dasitzenden Psenophis den vollen Becher mit wütender Gewalt ins Gesicht und springt mit einem Satze an die Türe des Saales. Eine lähmende Erstarrung hat sich bei der Entwicklung dieses Auftrittes der Verschworenen bemächtigt, sie sitzen wie Mumien, keiner wagt zu reden, keiner aufzustehen, die meisten sehen auf den König, der heftig atmend an der Türe steht, ein Bild edler Entrüstung. Sie fühlen schaudernd, daß sie verraten sind, jedem bangt für seine Zukunft, das Richtbeil hängt über ihren Häuptern. Um aber das Maß des Übels voll zu machen, die Gewißheit, daß sie entlarvt, sicherzustellen, erscheint nun plötzlich neben dem König eine Gestalt, deren sanfter Blick Psenophis ins Herz schneidet, wie ein Schwert, dessen traurige Gesichtszüge der Prinz anstiert, als seien es die eines Geistes. Wahrlich, wäre in dieser Versammlung der Gott Osiris im vollen Pomp seiner Majestät erschienen, das Erstaunen hätte nicht größer, die Zerknirschung nicht tiefgefühlter sein können, als es beim Auftauchen dieses Jünglings der Fall war. Der Prinz stöhnte auf, als er ihn erblickte, die Königin hielt sich die Augen zu, denn der totgeglaubte Menes stand neben dem König, dessen Hand die seines Retters ergriff.
»Ja, er ist's!« donnerten des Königs Lippen unter die zu Bildsäulen Versteinerten.
»Er ist's, den ihr auf wahrhaft wahnsinnig grausame Art vernichten wolltet; die Götter retteten ihn, damit er mich errette aus euerm verfluchten Wassergrab.«
Nun erklärte Ramses kurz, wie Menes' Gefängnis, als es ihn zerdrücken sollte, aus den Fugen gegangen, wie der Boden, statt zu widerstehen, gewichen sei, und er der nachlässigen Bauart der Maschine sein Leben zu verdanken habe. Die Eisenwände, barmherziger als die Menschen, ließen ihren Raub entweichen, Menes stürzte in eine Felsenvertiefung herab, von wo aus er eiligst seinen Herrn aufsuchte, um ihm noch zur rechten Zeit von dem ihn erwartenden Verderben Kenntnis zu geben; der Herrscher hatte bereits den Fuß in die Sänfte gesetzt, als sein Freund atemlos bei ihm eintraf. Daher die Verspätung des Königs. Als der Herrscher mit dieser Erklärung zu Ende war, nahmen seine Züge einen ernsteren Ausdruck an, er betrachtete die zitternden Zuhörer einen Moment mit mitleidigen Blicken, dann aber, sich selbst zurechtweisend, rief er: »Nein! keine Gnade, ich muß hart sein!« Menes wollte ein gutes Wort für die wie Leichen Dasitzenden einlegen, aber der Gewaltige sah ihn strenge an, wenigstens gab er sich Mühe, seine aufsteigende Weichheit zu verbergen.
»Ich weiß, was ich zu tun habe, Menes!« unterbrach er ihn, »deine Herzensgüte macht deinem Verstande keine Ehre, sie ist hier nicht am Platz. Menschen wie diese verdienen das Leben weniger wie die Tiere, mein großer Vater Râ würde mir zürnen, wenn ich länger seine heiligen Strahlen auf diese Sünder fallen ließe, wenn ich duldete, daß ihre verfluchten Sohlen die Erde länger beflecken.«
»Aber dein Sohn, o Herr!« wagte Menes zaghaft einzuwenden.
Über das strenge Gesicht des Fürsten glitt ein unendlich schmerzhafter Zug, er biß sich auf die Lippen.
»Ich habe keinen Sohn!« sagte er tonlos. »Ich habe kein Weib!«
Dann mußte sich der starke Mann an der Schulter seines Freundes halten, um nicht umzusinken.
»Hört mich, ihr Unwürdigen,« begann er dann mit bebender Stimme die Verbrecher anzureden, die nun durch deutliche Zeichen ihre innere Angst verrieten. »Hört mich! Euer Leben ist beendet, schließt mit euern Göttern den Bund, ihr verlaßt diesen Saal nicht mehr.«