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Kitabı oku: «Der Mime», sayfa 10

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Achtes Capitel

Im linken Flügel des Palastes befand sich das Badezimmer der Kaiserin, das durch einen Vorhang von dem Ankleidezimmer getrennt, sehr prächtig ausgestattet war. In diesem letzteren marmorschimmernden Gemach stand eine schwarze Sklavin mit nackten Füßen auf dem spiegelnden Mosaik, der von dem Widerschein des Purpurvorhangs geröthet, wie in Blut schwamm. Das Ohr an den Vorhang gedrückt, in der Hand ein purpurnes Wolltuch, lauschte die Zofe auf die Befehle der Herrin, die man in dem Marmorbassin plätschernd schwimmen hörte. Ein gedämpftes »Jetzt« erscholl hinter den Falten des Vorhangs und die Sklavin raffte ihr Tuch zusammen, gleich darauf hinter dem Vorhang verschwindend, worauf man das Wasser des Bassins einmal stark aufrauschen hörte. Nach einiger Zeit wurde der, die beiden Gemächer trennende Teppich zurückgeschlagen, das rauchende Bassin erfüllte die beiden Räume mit einem blauen, aromatischen Duft, so daß die Verzierungen der Wände wie durch einen Schleier erglänzten. Domitia, ganz in die Purpurdecke gehüllt, ließ sich von zwei Dienerinnen an die Toilette tragen, auf welcher der Tagesanzeiger des römischen Volks unter allerlei Schmuckgegenständen lag.

Während nun eine der Dienerinnen aus dieser Zeitung die Tagesneuigkeiten vorlas, kleidete die Andere die Herrin an, was bei dem wetterwendischen Charakter derselben nicht leicht von Statten ging. Indessen sprach sie fast kein Wort, sondern deutete ihre Befehle nur durch Blicke oder Handbewegungen an, auch strafte sie kaum durch einen kleinen Schlag, sondern begnügte sich meist, ihre Unzufriedenheit, mittelst der gerunzelten Brauen an den Tag zu legen.

Ueber ihrem ganzen Wesen, wie sie so bequem in dem breiten Lehnstuhl saß, lag eine kühle, vornehme Ruhe, manchmal gähnte sie träg, als sei dies Leben eine abgeschmackte Beschäftigung, die sie nur aus langer Weile weiterzuführen gedächte, oder sie wehrte nachlässig den Fliegen, die auf den glänzenden Schmuckgegenständen umherschwirrten, oder sie sah in die heitere Pracht dieses Gemachs, als gedächte sie, sogleich einzuschlafen. Und doch verletzte diese Kälte, mit der sie ihre Dienerinnen behandelte, diese Sicherheit, mit der sie sich bewegte, mehr, als es die Heftigkeit und Leidenschaft gethan haben würde.

Jetzt riß sie der Vorleserin den Tagesanzeiger aus der Hand, suchte nach einer Stelle, reichte die Tafeln der Dienerin zurück, und deutete ihr, auf jene Stelle weisend, an, sie möge hier weiter lesen. Dies geschah. Der Abschnitt behandelte die Vorstellung des Paris im Pompeiustheater, welchen Artikel sie sich zweimal vorlesen ließ, ohne indeß ihre Gemüthsbewegung zu verrathen. Kaum, daß sie einmal flüchtig erröthete, als von dem bewunderungswürdigen Tanze des Römerlieblings die Rede war, von dem der Tagesanzeiger behauptete, er habe dem Künstler gewiß auch alle die Sittenstrengen gewonnen, die bis jetzt noch verächtlich über seine Kunst die Achseln gezuckt. Die Toilette war indessen soweit vorgeschritten, daß sich die Kaiserin den harrenden Morgenbesuchern zeigen konnte, weshalb sie sich jetzt, während ihre Haare mit Silbernadeln befestigt wurden, nach diesen erkundigte.

Die Zofe, die mit der Meldung der Besucher beauftragt war, trat ein, aber als die Kaiserin ihr mittelst einer Kopfbewegung andeutete, daß sie sprechen möge, erfolgte keine Antwort. Die Kaiserin betrachtete sich gerade von rechts und links im Spiegel, indem sie sich dabei selbst ein wenig rothe Salbe auf die Wange, ein wenig schwarze Salbe unter die Augen tupfte. Sie bemerkte daher nicht die Verlegenheit der Befragten, die sich bald Hilfe suchend umschaute, bald ihr wiedergespiegeltes Bildniß in dem Mosaik des Fußbodens betrachtete.

Die Kaiserin sah neben dem vorgehaltenen Spiegel vorbei auf die Anmeldende und stieß ein unwilliges »Nun?« heraus.

Endlich berichtete die Angeredete, es befände sich ein Besucher im Atrium, mit dessen Namen sie sehr ungern das Ohr ihrer gnädigen Herrin verletze. Die Kaiserin, die sich hierauf stirnrunzelnd abwandte, frug leise, ob es immer wieder derselbe sei, und die Zofe gab dies kleinlaut zu.

»Dein Gatte, dein armer, verlassener Gatte,« wagte sie sogar zu lispeln, worauf die Kaiserin so hastig und mit so wildem Blick den Kopf nach ihr umwandte, daß die arme Dienerin ganz erschreckt zusammenzuckte.

»Es scheint, er hat dich bestochen,« sagte sie mit kaltem Hohn, die Lippen verächtlich kräuselnd, was die Dienerin veranlaßte tief zu erblassen.

Nach einer Pause murmelte die Herrin vor sich hin: »Der Schwächling!« und setzte gähnend hinzu, »er mag kommen. Doch sage mir, hat er dich bestochen? —«

»Gebieterin, – er – er dauerte mich – ein so treuer —«

»Ich will wissen, ob er dich bestochen!« unterbrach sie barsch.

»Ach! – ja,« stotterte die Zofe.

»Gut! Gehe!« gab man ihr zurück.

Die Kaiserin griff zu dem Tagesanzeiger, in dem sie auch dann noch eifrig zu lesen fortfuhr, als ein abgemagerter, offenbar an der Schwindsucht leidender Mann in das Gemach trat, der, am Eingange stehen bleibend, einen schmerzlichen Blick auf die Lesende warf.

Der Mann trug jene charakteristischen rothen Flecken auf den hervorstehenden Backenknochen, die Adern seines Halses drangen allzu hager aus den Falten seiner abgetragenen Toga, und um seine tiefliegenden Augen zog sich jene blaugrüne Höhlung, die dem Blick ein gespenstisches Feuer verleiht.

Endlich, als der Harrende von einem Hustenanfall, den er nicht länger unterdrücken konnte, geschüttelt wurde, geruhte die Kaiserin über den Rand des Tagesanzeigers einen Blick zu werfen.

»Nur weiter!« rief sie dann der Zofe zu, die ihre Haare aufband, »kümmere dich um dein Werk und zögere nicht. Was ich mit diesem Manne zu reden habe, stört dich wahrlich nicht.«

Dieser Mann war indeß Niemand Anderes als Aelius Lamia, ihr Gatte, den sie, um das Weib des Kaisers werden zu können, schmählich verlassen hatte, der aber in unbegreiflicher Charakterschwäche die ungetreue Ehrgeizige, die ihn wie einen ihrer Hunde behandelte, immer noch liebte, und der es so oft als möglich versuchte, in ihre Nähe zu kommen. Sie trieb dann meistens ein unwürdiges Spiel mit dieser Liebe eines Kranken und erniedrigte den Betrogenen auf alle Art. So wandte sie sich jetzt mit verdrießlicher Miene zu dem Harrenden.

»Ach! was giebt es wieder?« sagte sie den Mund hämisch verziehend.

Der Angeredete trat mit weitläufigen Schritten, die allerdings in komischer Weise an das Sichfortbewegen eines Gespenstes gemahnten, herzu.

»Domitia,« stammelte er, mit einer hohlen, tief aus der Brust hervorgeholten Stimme, indeß die Dienerinnen kaum ein Lächeln zu unterdrücken vermochten, als sie bemerkten, wie am Bart des Unglücklichen ein, einem Schnupfen sein Dasein verdankendes Tröpfchen hing, das jeden Augenblick herunterzufallen drohte.

»Hast du wieder Geld nöthig?« frug die Kaiserin.

»Nein!« stotterte er, »deine Liebe habe ich nöthig.«

»Ach! Unsinn!« warf sie hin, »du weißt längst, daß du mir langweilig bist.«

»Soll ich wieder gehen?« frug er, kleinlaut an seiner Toga zupfend.

»Man soll dir in der Küche Wein und Braten vorsetzen,« sagte sie, vielleicht, plötzlich einem aufsteigenden Mitleid nachgebend, als sie bemerkte, daß ihm ein Hustenanfall drohte.

Er wischte sich indeß mit der Toga den tropfenden Bart ab, und flüsterte dann seufzend, als der Anfall nachgelassen: »Ach! Domitia, ich werde sterben!«

»Nun, was thut das, mein Lieber?« entgegnete sie gähnend, »es geht uns Allen so wie dir, du bist nicht der Erste und wirst nicht der Letzte sein.«

»Und wird dir das nicht leid thun, wenn ich todt bin?« frug er, nach Athem ringend.

»Wie?« frug sie, zerstreut mit einer Goldkette spielend. »Ach! Ja! Gewiß! Doch du bist ja alsdann deinen Husten los, nicht wahr?«

Er antwortete nicht, sondern: betrachtete mit Augen, die sowohl der Schnupfen als auch der Schmerz befeuchtete, die üppige, in den Sessel gegossene Gestalt, wie sie sich die Kette um den Zeigefinger schlang und einen kleinen Affen fütterte, der neben dem Sessel auf einer silbernen Stange saß. Dabei mußte sich der Aermste, zum heimlichen Gaudium der Zofen, wiederholt mit der Toga den tropfenden Bart wischen, wobei er jedesmal auf erbarmungswürdige Art mit der feuchten Nase schnarchte.

»Hast du denn ganz vergessen?« begann er von Neuem mit zitternder Stimme, »wie wir so vergnügt lebten, am Ochsenmarkt in dem kleinen Dachzimmer, wo du dir unsern Bedarf auf dem Markte kauftest, wo du immer so vergnügt sangst, und mit mir über unsere zerbrochenen Töpfe scherztest, – ach! und welche Seligkeit, wenn wir des Abends aus unserm Dachfenster den Mond belauschten, und uns dann, in unserer Armuth glücklich, küßten.«

»Ja, und wenn ich dann vor Wanzen keine Nacht schlafen konnte!« unterbrach sie ihn lachend, »und wenn uns der Regen nächtliche Besuche im Bett abstattete  – — ich danke schön! Das versüßte mir selbst deine Liebe nicht.«

»Ach, Domitia!« seufzte er schnarchend auf, »wenn du diesen Prunk verlassen und mir wieder folgen wolltest in die beglückte Niedrigkeit kleiner, aber nicht vom Laster zerwühlter Verhältnisse, – wenn du – diesen Kaiser, – der mein Glück zerstört —«

»Ich glaube, du bist verrückt!« unterbrach sie ihn, ärgerlich lachend.

Er aber fuhr fort zu bitten und zu betteln, er wolle ihr ihren Treubruch gern verzeihen, sobald sie ihm wieder folgen wolle, ja, schließlich sank er, in Thränen ausbrechend, vor ihr auf die Kniee, ihre Füße umklammernd, worauf sie ihn mit den Worten anfuhr: »Ich bitte dich, werde nicht sentimental – das kann ich nicht leiden!«

Als er aber immer dringender bat, sie, indeß seine Nase in starke Mitleidenschaft gezogen wurde, den »Stern seiner Jugend« nannte, und von jener grausamen Stunde schwärmte, da Domitian ihm sein Kleinod gestohlen, befahl sie ihm, ihre Füße loszulassen, welchem Befehl er so wenig Folge leistete, daß sie gezwungen war, ihn mittelst einiger gnädigst verabreichter Fußtritte bei Seite zu schieben, ja, als er schließlich gar nicht aufhörte zu lamentiren, gerieth sie in Zorn, legte einen Schmuckgegenstand auf den Tisch, den sie gerade in der Hand hielt, und versetzte höchstselbst ihrem verblüfften Gemahl eine weithinschallende Ohrfeige.

»Führt ihn hinaus!« rief sie den kichernden Dienerinnen zu, »und gebt darauf acht, daß er nicht in die Vorgemächer spuckt.«

So ward der sich ganz verdutzt die Wange Haltende abgeführt und verschwand wankend, wie ein vom Sturm zerfetztes Fahrzeug hinter dem Thürvorhang, nicht ohne vorher noch einmal einen schwermüthigen Blick auf die energische Frau geworfen zu haben.

Diese hatte sich kaum wieder mißmuthig in ihren Kissen zurechtgesetzt, als ihr gemeldet wurde, kein Anderer als der berühmte Tänzer Paris habe das Atrium betreten und bitte darum, vorgelassen zu werden.

Kaum schlug diese Nachricht an das Ohr der erstaunten Herrin, als sie aus ihrer kühlen Vornehmheit erwachend, heftig erröthete, um darauf tief zu erblassen. Sie erhob sich, gab mehrere unverständliche Befehle, setzte sich alsdann wieder und erhob sich zum zweiten Male, indem sie ihrer Zofe zu verstehen gab, sie wolle sich auf das an der Wand stehende Ruhebett legen. Auf diesem streckte sie sich nun der Länge nach aus, legte den Kopf unter den entblößten, von Locken überhangenen Arm, zog die Füße herauf und ließ ihre Kleidung möglichst malerisch ordnen, nicht ohne vorher alle die Reize zur Schau zu stellen, mit deren Fülle man ein männliches Auge, ohne den Anstand zu verletzen, an sich fesseln darf. So versuchte sie es, die Augen zuweilen affektirt schließend, ein bezauberndes Lächeln auf ihrem erhitzten Gesicht zu erkünsteln, welches Lächeln mit ihrer aufrichtigen Beklommenheit so sehr im Widerspruch stand, daß Paris, als er nun eintrat, sie anfangs erstaunt betrachtete, dann, als er den Kampf bemerkte, den sie mit ihrer unsicheren Stimme kämpfte, eine Art Mitleid mit der Verlegenen empfand. Eine Kaiserin in solch sprachlose Verwirrung gesetzt zu haben, mußte selbst seinem verwöhnten Künstlerherzen schmeicheln, ihre Verwirrung dämpfte daher auch sogleich die seinige, die ihm, ehe er das Gemach betreten, das Herz zusammengekrampft; ja, er brachte es als routinirter Schauspieler fertig, sich zwanglos zu verbeugen und suchte ihr den Uebergang von der conventionellen Begrüßung zu einem ruhigen Gespräch dadurch zu erleichtern, daß er sich, wie um eine Statue zu bewundern, nach dem Hintergrunde des Gemaches wandte. Immerhin dauerte es eine Weile, bis es Beiden möglich wurde, das Außergewöhnliche dieses Besuchs als selbstverständlich zu betrachten. Die Kaiserin zerknitterte noch immer mit nervösen Fingern die Goldfransen ihres Ruhelagers und suchte, nach Worten ringend, das Wogen ihres Busens zu unterdrücken.

Paris stand vor ihr, vergebens bemüht, seine Gedanken zu ordnen und wartete, bis ihm die Zofe den Sessel zurechtschob.

Endlich überwand Domitia die zitternde Schwere, die sich auf ihre Zunge zu legen begann, winkte der Zofe zu gehen, hob den Kopf ein wenig und ließ mit berechneter Anmuth ihren nackten Arm vom Ruhelager bis fast auf die Erde herabgleiten.

»Ich habe immer erwartet,« sagte sie graziös lächelnd, »daß du mich eines Tages aufsuchen würdest, denn du kennst mein Wohlwollen schon lange, es war von deiner Seite nur nöthig, mich zu besuchen, und ich sollte es dir sogar übelnehmen, daß du diesen Besuch so lange verzögert.«

Paris hatte sich gesetzt, und konnte nicht umhin, die Grazie zu bewundern, mit der dies Weib die Lippen beim Sprechen kräuselte. Unwillkürlich verglich er diese einstudirte Liebenswürdigkeit mit der natürlichen Frische Lydiaʼs, konnte aber in diesem Augenblick der inneren Spannung zu keinem Resultat gelangen.

»Verzeihe, hohe Frau,« entgegnete er, sich leicht verneigend, »ich muß offen gestehen, deine Art, sich zu geben, flößte mir von jeher ein gewisses Unbehagen ein, das ich mir nicht zu erklären wußte.«

Dieser Freimuth, den an den Tag zu legen er sich fest vorgenommen, um der Kaiserin sogleich seine Empfindungen anzudeuten, schien die hohe Frau einen Augenblick zu verblüffen, dann faßte sie sich und versuchte, die Wunde, die Parisʼ Derbheit ihrem Stolze geschlagen, mit gesellschaftlichem Anstand zu verheimlichen, was ihr indeß bei ihrem krankhaft nervösen Wesen nicht leicht gelang. Sie sah einmal mit leeren Blicken inʼs Weite, drehte dann den schönen Hals, dessen Weiße von einer Perlenkette unterbrochen, wie Elfenbein glänzte, nach ihrem Besucher um, nickte und sagte, sich zu einem Lächeln zwingend: »Ich danke dir für dies Wort.«

»Inwiefern?« frug Paris, dem die vornehme Ruhe ihres Gesichts imponirte.

»O! Paris!« lächelte sie, alle ihre Zähne blicken lassend, »wie selten hören wir die Wahrheit, und wie selten hören wir sie aus so liebenswürdigem Munde. Daß mein Benehmen dir nicht gefällt, gefällt mir. – Immerhin wünschte ich indeß, dir zu gefallen,« setzte sie hinzu, indem ihre Lippen bald ein heiterer, bald ein schmerzlicher Zug überschlich.

»Wie muß ich mich verändern, um dir gefallen zu können?«

»Hohe Frau,« entgegnete er, um es nicht ganz mit ihr zu verderben, galant, »erprobe, ich bitte dich, nicht die Macht deiner Reize an einem Sterblichen.«

»So besitze ich also doch eine Macht der Reize?« entgegnete sie heiter, »und eben flößte ich dir noch ein gewisses Unbehagen ein.«

»Der höchste Genuß führt oft eine gewisse Schwermuth mit sich,« erwiderte Paris zerstreut.

»Ah!« machte sie, »und ist es dir ein solcher Genuß, mich zu betrachten?«

»Gewiß, gewiß,« stieß der Tänzer mit theatralischem Tone hervor, einen gekünstelt schwärmerischen Blick über das ruhende Weib gleiten lassend.

»Wie mich das freut, Paris,« entgegnete sie leise, den Kopf erröthend senkend.

»Du bist schön,« flüsterte der Schlaue, der jetzt nur an seinen Plan dachte.

»Bin ich das wirklich?« lächelte sie mit reizendem Augenaufschlag.

»Und, wenn dein Gemahl nicht der Kaiser wäre, bei Jupiter!« – stammelte der Jüngling.

»Nun?« frug sie mit entzückender Grazie.

»Ich – ich – würde,« fuhr er zögernd fort, »ich würde mich unterstehen, dich zu lieben.«

Als die Kaiserin dies Wort vernommen, streckte sie ihrem Liebhaber mit verständnißinnigem Blick die Hand entgegen, die dieser an die Lippen drücken sollte, was er jedoch, mit andern Gedanken beschäftigt, verabsäumte, indem er zugleich, um über diese ungern erfüllte Höflichkeitspflicht rasch hinwegzugelangen, hervorstieß:

»Darf ich dir vielleicht den Grund meines Hierseins verkünden?«

Sie stutzte. Anfänglich gedachte sie die ablehnende Schroffheit zu übersehen, sie mittelst eines freundlichen Blickes zu ignoriren, dann erschien es ihr vortheilhafter, die Gekränkte zu spielen, um hierdurch einen Stachel im Busen ihres Liebhabers zurückzulassen, und dabei alle ihre Verführungskünste in Thätigkeit zu setzen. Sie nickte, die Lippen, die immer noch nervös zitterten, auf einander pressend.

Paris, als er nun bemerkte, wie sie von der Art seiner Entgegnung gekränkt, das Haupt von ihm abwendete, wie sich ihre Augen allmälig mit Thränen füllten, und sie nur mit Anstrengung gegen den Ausbruch eines leidenschaftlichen Schmerzes ankämpfte, vermochte es nicht, sein Anliegen vorzubringen, er schwieg und ärgerte sich über seine unnöthige Härte, obgleich er sehr deutlich fühlte, daß man hier eine Komödie mit ihm aufführte.

»Hohe Frau, wenn ich dir wehe gethan —« begann er endlich zaghaft.

»O nein! nein!« lächelte sie während sie ihren Thränen den Lauf ließ.

Einestheils hatte die Gefallsüchtige das herbe Benehmen des Tänzers thatsächlich verwundet, anderntheils bemerkte sie immer deutlicher, wie günstig es in Bezug auf die Entfaltung ihrer Reize wäre, die Tiefbeleidigte zu spielen, einerlei ob der geliebte Mann den Betrug errieth oder nicht. Sie wußte, daß edlere Männer mit den weiblichen Schwächen, auch wenn sie dieselben durchschauen, Mitleid empfinden, ja sogar durch Fehler oft inniger angezogen werden, als durch auf die Dauer ermüdende Tugenden.

Als sie nun sah, daß er, obgleich ihre Kriegslist ahnend, bereits anfing unsicher zu werden, stand sie nicht länger an, sich völlig ihrer kaiserlichen Würde zu entkleiden, preßte die Hände vor das Gesicht und überließ sich ganz ihrem theilweise nicht geheuchelten, aber sehr übertriebenen Schmerz. Weibliche Thränen, auch wenn sie geheuchelt wurden, übten von jeher auf das empfindliche, so sehr jeder Stimmung unterworfene Gemüth des Tänzers eine quälende Wirkung aus, und nun hier, da er gar selbst der Veranlasser dieser Thränen – der Thränen einer Kaiserin – war, empfand er sich so sehr als der schuldige Theil, daß er sich mehrmals frug, ob dies Weib seine rauhe Behandlung verdiente. Zugleich zog die elegante »Schauspielermache,« mit welcher die hohe Frau ihren Schmerzensausbruch zur Darstellung brachte, seinen Kunstsinn auf wunderliche Weise an; die Art, wie sie mit dem vorgestreckten Arm den Näherrückenden abwehrte, wie sie seine Entschuldigungen anhörte, ablehnte und dann lächelnd billigte, nöthigte ihm Bewunderung ab, verblüffte ihn geradezu. Er saß und staunte wie in einem Rausch befangen und sog das süße, babylonische Parfum ein, das aus ihren Locken strömend die Luft ringsum durchwürzte.

»O ihr Götter,« schluchzte sie wiederholt, »wie sehr freute ich mich auf diese Begegnung und welches Ende muß sie nehmen?«

Paris wußte hierauf nichts zu erwidern, er biß sich auf die Lippen und starrte mit einem fast anʼs Komische streifenden Verlegenheitsausdruck auf die Reize dieser bestrickenden Heuchlerin, welche Reize sie gleichsam, als geschähe es wider Willen, in unbewußtem Schmerztaumel entblößte.

Als sie dann, hastig ihre Thränen trocknend, sich selbst als allzu weichherzig tadelte und mit leiser Stimme, die auf eine durchgemachte Krankheit schließen lassen konnte, um Verzeihung ihrer Schwäche bat, athmete er auf. Als sie dann aber mit gezwungener müder Heiterkeit sagte: »Bitte, kommen wir auf den Grund deines Hierseins zurück!« schlug er vor ihr, die er doch verachtete, beschämt die Augen nieder. Sie mußte ihn mehrmals auffordern, bis er zu verstehen gab, daß er es, nachdem er sich so ungezogen – er mußte dabei über sein eigenes Lügentalent lächeln, so unverantwortlich herzlos benommen, nicht wage, seine Bitte vorzubringen. Sie jedoch, als sie von einer Bitte gehört, that als pflege sie nie eine Bitte abzuschlagen, setzte sich aufrecht auf die Kissen und bat ihn mit wirklich herzgewinnenden, von tiefer Leidenschaft diktirten Worten um näheren Aufschluß.

»Du machst mich glücklich,« sagte sie freundlich,« »wenn du mir gewährst, dir einen Wunsch erfüllen zu dürfen.«

»Trotzdem ich mich gegen dich so schwer versündigt?« frug er zu Boden blickend und sich als den Mitspieler dieser Posse herzlich verachtend.

»O, das ist man von euch Männern gewohnt,« lächelte sie, »was habt ihr anderes zu thun in der Welt, als uns unglücklich zu machen. Uebrigens weißt du nicht, wie sehr es mich rührt, dich jetzt so beschämt zu sehen.«

Da er sie so ganz umgewandelt sah, faßte sich Paris ein Herz. Wie er sich schämte, als er nun begann von Lydia zu reden, sein Verhältniß zu dem Kinde erschien ihm wie eine lächerliche verspottungswerthe Jugendverirrung. Mitten in dem Prunk, der ihn umgab, diesem glänzenden Weibe gegenüber von Lydia reden, kam ihm gar zu romantisch- albern vor, er hielt sich für einen recht abgeschmackten Schwärmer und erzählte stockend seine Liebesgeschichte zu Ende, immer fürchtend, er werde durch eifersüchtige Bemerkungen unterbrochen werden.

Dies geschah jedoch keineswegs; zu seinem größten Erstaunen belobte die Kaiserin sogar seine Wahl, klatschte in die Hände und schien das rührende Verhältniß der Beiden ganz allerliebst zu finden.

»Das sieht dir ähnlich,« sagte sie erregt, »ich will deine Kleine in Schutz nehmen.«

»Hohe Frau,« stammelte Paris, »du beschämst mich immer mehr.«

»Da sieht man es wieder,« lachte sie, »wie kleinlich ihr Männer von uns Frauen denkt. Also du glaubst, ich sei eifersüchtig auf deine liebe Kleine?«

Hohe Frau – o bitte! lassen wir das,« stotterte er in tödtlichster Verwirrung – »sie ist so kindisch —«

»Nein, lassen wir das nicht!« fuhr sie muthwillig fort, »und lerne erkennen, daß wir uneigennütziger sind, als ihr denkt! Warum es nicht eingestehen? Du hast es längst errathen. – Ja – ich liebe dich, Paris,« sagte sie mit einer gewissen Größe im Blick, ihm die Hand hinreichend, die er an die Lippen führte, »ich liebe dich; doch soll mich diese Liebe daran verhindern, mich über dein Glück zu freuen? Wohlan, die kleine Sklavin erfreut dein Herz – sage selbst, giebt es für mich ein besseres Mittel, dein Herz zu gewinnen, als wenn ich dir zu dem Besitz dieses von dir so sehnlichst begehrten Wesens verhelfe?«

»Meine Dankbarkeit wird eine grenzenlose sein,« entgegnete Paris mit aufrichtiger Wärme.

»Deine Dankbarkeit ersetzt mir deine Liebe,« erwiderte die Kaiserin, ihm abermals die Hand reichend.

Auf Paris machte die rührende Offenheit Domitiaʼs, die mit eminentem schauspielerischen Geschick zum Ausdruck gebracht wurde, einen solchen Eindruck, daß er momentan die Schauspielerin in diesem Weibe vergaß und sich zwang, in ihr eine großmüthige Verbündete zu sehen. Daß sie ihm ziemlich unverblümt ihre Liebe gestanden, was ihn zu anderer Zeit beleidigt haben würde, schmeichelte diesmal ein wenig seiner Eitelkeit. Er gab sich Mühe, ihr durch schöne Armbewegungen zu gefallen und um sie völlig für sich zu gewinnen, griff der Schlaue zu einem nicht ganz würdigen Mittel, er kam ihrer Leidenschaft ermunternd entgegen, gab dunkle Andeutungen betreffs der Zukunft und stellte sich, als habe ihm diese Unterredung offenbart, wie sehr doch die Liebe einer gebildeten Vornehmen derjenigen einer unkultivirten Sklavin vorzuziehen sei.

Dann stand er auf, sich zu verabschieden, indeß ihm die Kaiserin mit glühenden Wangen nachblickte.

»Ach! ich habe ja das Wichtigste vergessen!« sagte der Diplomat, an dem Thürvorhang angekommen.

»Und das wäre?« frug sie.

»O ihr Götter, hohe Frau! – dies Mädchen« – die Kniee zitterten ihm vor Erregung.

»Nun? Du weißt, daß du vor mir keine Geheimnisse haben darfst.«

»Sie ist noch im Besitz des Sklavenhändlers.«

»Ah.«

»Eines rohen Menschen« . . .

»Oh – da muß man sie befreien!« rief die Kaiserin lebhaft.

»Nicht wahr?« sagte Paris aufathmend, »jedoch dieser Unmensch verlangt fünfundachtzigtausend Sesterzen, – ist das nicht zum Verzweifeln?«

Die Kaiserin lachte.

»Ich errathe«, fuhr sie schalkhaft fort, »du Schelm! Deine Kasse erlaubt dir eine solche Ausgabe nicht, und da soll ich der Magerkeit deiner Börse entgegenkommen, soll fünfundachtzigtausend Sesterzen zahlen?«

»Ach, ich weiß, es ist unverschämt von mir!« stotterte Paris, halb auf den humoristischen Ton seiner Gönnerin eingehend.

»Nun, das will ich nicht sagen!« lachte Domitia, »doch wenn ich eben nicht im Besitz des Geldes wäre?«

»Morgen ist der letzte Termin!« stammelte der Tänzer mit nicht mißzuverstehendem Tonfall der Stimme.

»So, hm  – —« sagte sie, sich besinnend. »Es ist keine Kleinigkeit, dies Geld zu zahlen, mein Gatte hält mich knapp, – er ist fast geizig – du kennst seine Launen . . .«

Paris seufzte auf.

»Doch ich will es dir zu Liebe bezahlen, dieses Geld,« fuhr sie fort.

Paris eilte auf sie zu, ihr nochmals zu danken, sie aber knüpfte eine Bedingung an ihre Gefälligkeit. Man müsse vorsichtig zu Werke gehen, sie habe so viele Spione, Domitian sei überdies unberechenbar mißtrauisch, – kurzum —, damit kein Mensch ahne, daß sie diese Summe gezahlt, solle Paris nach Bajä reisen, um daselbst Gastspiele zu geben. Sie selbst werde die dortigen Spiele veranlassen, dies sei nicht schwer, da gerade jetzt die Badesaison ihren Anfang nehme. Alsdann möge Paris dreist behaupten, er habe sich die Summe von neunzigtausend Sesterzen in Bajä erspielt. Man werde ihm Glauben schenken und nicht allzusehr darüber erstaunen, wie ein unbemittelter Tänzer sich eine so theure Sklavin anschaffen könne.

Paris fand diesen Plan sehr klug ersonnen, er stimmte freudig bei, da es auch in seinem Interesse lag, daß der Name seiner hohen Gönnerin der Welt unbekannt blieb. Er versprach, in diesen Tagen abzureisen und gab es in seiner unbedachten Weise zu, daß, auf den Wunsch der Kaiserin, Lydia im kaiserlichen Palast Aufnahme fände.

»Ich werde thun als gehöre sie zu meinem Dienstpersonal,« sagte die Kaiserin, »mein Gemahl, der so leicht Verdacht schöpft, mag sich alsdann, wenn du Lydia besuchst, davon überzeugen, daß seine Gattin von dir, du Grausamer, verschmäht wird.«

Paris verabschiedete sich hierauf, indeß die Kaiserin ihm sogleich einen Sklaven mit der gewünschten Geldsumme in seine Villa nachschickte.

Domitia blieb noch einige Zeit, in Nachdenken verloren, auf dem Ruhebett liegen, ehe sie sich entschloß, ihrem Gemahl, der, wie sie vernommen, seinen einsamen Schießübungen obzuliegen gedachte, den Morgenbesuch abzustatten. Sie schloß die Augen, spielte mit einem als Fächer dienenden ägyptischen Palmblatt, suchte allerlei schöne Armlagen und gab sich ganz dem trunknen Siegesgefühl eines Weibes hin, das sich der Macht seiner Reize bewußt, in der Erinnerung noch einmal die Wirkungen dieser zerstörenden Macht prüft. Sie kam dadurch zu dem Resultat, daß sie immerhin einen gewissen pikanten Eindruck auf den leicht bewegten Paris hervorgebracht, daß sie ihn beunruhigt. Ob er sie liebe? Nein! Bis jetzt noch nicht; das gestand sie sich ohne Selbstbetrug. Aber es liegt ein eigenartiger Reiz darin, ein Herz, das sich von uns abwendet, das uns wohl gar verachtet, allmälig zu bestricken, das widerstrebende hierdurch vor sich selbst zu erniedrigen, – ja! sie fühlte, daß er sie fürchtete, – in gewissem Sinne verachtete! Aber seine Verachtung, anstatt sie abzustoßen, wirkte im Gegentheil wie ein süß berauschendes Gift auf ihre Sinne, es zitterte in dieser seiner Verachtung soviel unterdrückte Gluth, diese Verachtung entsprang, wie sie selbst fühlte, mehr dem urtheilenden Verstand, als dem begehrenden Herzen, und so malte sie sich die Minute, in der er sie, die er wie eine Schlange fürchtete, verabscheute, widerwillig umarmen würde, bereits als den Gipfelpunkt aller Seligkeit aus. Eifersucht hegte sie indeß nicht die geringste, sie betrachtete das Verhältniß des Tänzers zu Lydia als eine Phantasieverirrung, von der sie ihn rasch heilen zu können glaubte, sobald er dies Verhältniß einige Zeit durchgekostet, und langweilig befunden haben würde.

Endlich erhob sie sich, frug nach ihrem Gemahl und fand den hohen Herrn in seinem Arbeitsgemach, woselbst er sich damit beschäftigte, einem an der Wand stehenden Knaben Pfeile geschickt zwischen den Fingern hindurch zu schießen. Der arme, todtblasse Kleine hielt die ausgespreizten Finger gegen die Wand empor, sah zitternd mit irren Blicken nach der Pfeilspitze und zuckte jedesmal zusammen, sobald die todtdrohende Waffe, deren Schwungkraft das Gemach unheimlich durchschwirrte, von der Sehne schnellte. Manchmal schloß der Knabe die Augen und begann zu wanken, aber man achtete nicht auf ihn. Ein Sklave, der hinter dem Kaiser stand, mußte den Bogen spannen, den Pfeil auflegen und das Geschoß überreichen, während der Kaiser, in eine Art Schlafrock gehüllt, in seinem Sessel saß, zuweilen an einem neben ihm stehenden Becher nippend und die Berichte des Polizeipräfecten in Empfang nehmend, der mit lauter schnarrender Stimme aus einer Rolle vorlas. Als die Kaiserin gemeldet wurde, geschah es, daß der Kaiser, hierdurch gestört, nicht genau genug zielte, gerade als er abdrückend sagte: »Sie trete ein!« stöhnte der Knabe, den der zu weit nach links geschnellte Pfeil an der Wange verletzt, schmerzlich auf. Das Kind, dem das Blut den Hals herunter tropfte, begann erblassend in die Kniee zu brechen.

Die Kaiserin, die eingetreten war, bemerkte dies und befahl dem Sklaven, den Kleinen hinaus zu tragen, sie könne kein Blut sehen. Der Kaiser lachte, und als die Kaiserin den ohnmächtig im Arm des Sklaven Liegenden mit ein paar Worten bedauerte, befahl er, der Mutter des Kindes zweihundert Sesterzen auszuzahlen und seinem Leibarzt den Verwundeten in Behandlung zu geben.

Domitia wußte das Gespräch auf Paris zu lenken und deutete, indem sie sich entrüstet stellte, an, Paris sei in eine ihrer Sklavinnen verliebt, sie habe die unumstößlichsten Beweise davon in Händen.

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