Kitabı oku: «Der Mime», sayfa 6
Viertes Capitel
Das erste, was man, wenn man auf den Kastortempel zuschritt, wahrnahm, war ein durchdringender Menschenfleischgeruch, der durch die Luft wehend, jede feiner organisirte Nase aufʼs unangenehmste afficirte. Außerdem war es noch ein anderer Umstand, der den Näherkommenden störte, nämlich, ein ohrenbeleidigendes Tosen, ein Geschrei, wie man es kaum im circus maximus zu hören gewohnt war, wenn daselbst die Bestien aufeinander losfuhren.
In der Nähe des Kastortempels wogte an einem Morgen der folgenden Tage eine schwatzende, gestikulirende, feilschende Menschenmenge, indeß von den dort aufgeschlagenen Gerüsten herab, kreischende Stimmen die Vorübergehenden zum Nähertreten einluden. Auf diesen Gerüsten standen zum Verkauf ausgebotene nackte Sklaven, von welchen die frisch über See gekommenen an den weiß gefärbten Füßen kenntlich waren und die, obgleich man sie gesäubert, in der Sonnenhitze die Atmosphäre eines Kuhstalles in der Luft verbreiteten. Die meisten dieser zur Schau Gestellten, zuweilen sehr wohlgebaute Gestalten, hingen die Köpfe auf die Brust herab oder sahen traurig auf die gleichgültig oder vergnügt vorbeiströmenden Käufer, die zuweilen prüfend stehen blieben, zuweilen achselzuckend weitergingen, wenn ihnen der Händler eine, ihrer Ansicht nach, zu hohe Summe genannt. Stumpfe Sklavengesichter, verkniffene Handelsphysiognomien, schwatzende Hausfrauen, reiche junge Stutzer mit glattgeriebenen Armen, Hitze, Staub, Peitschengeklatsch, Wehegeschrei, Schweißgeruch, Gelächter, alles wogte und strudelte in beständiger Bewegung durcheinander und hinter dieser, von den niedrigsten Bedürfnissen hin- und hergezerrten Volksmenge ragten in keuscher Einfachheit die schimmernden Säulen des Tempels auf, mit ihrer stummen Schönheit diese niedrige Welt beschämend. Mitten durch dies tobende Gewirr schritten vom Staat besoldete Aufseher, die darauf zu achten hatten, daß die Kauflustigen nicht allzusehr dem Betrug ausgesetzt waren.
»Gallier, Gallier!« ertönte es von einem Gerüste herab, »zu Pferdeknechten brauchbar.«
»Illyrier!« schrie es von der andern Seite in die wogende Menge herab, »vortreffliche Schafhirten!«
»Hier her, mein Gebieter!« rief eine andere Stimme, »gewiß bedarfst du eines Aufwärters bei Tisch! Damit kann ich dienen!«
»Lydier! Ganz junge Burschen!«
So hallte es unaufhörlich, bis die überangestrengten Kehlen der Schreier nur noch dumpfes Geächz von sich gaben, und die Luft unter dem Einfluß des fortwährenden Geschreis zitterte.
Sobald nun ein Ritter oder Senator eines der Gerüste bestiegen, durfte auch die Menschenwaare nicht mehr theilnahmlos bleiben. Nun galt es den Käufer zu betäuben, ihm die Waare in das gehörig wirksame Licht zu setzen, und über die stumpfen Sklavengesichter huschte in ängstlicher Erwartung die Frage: »Wird er mich kaufen, werde ich einen guten oder einen grausamen Herrn haben?«
»Siehʼ diesen Burschen an, Herr!« hieß es dann, »siehʼ, welche Schultern. Er trägt dir den Atlas von Afrika nach Britannien. Zehntausend Sesterzen, Herr!«
Wenn dann der arme Germane in sich versunken stehen blieb, und der Senator den Kopf schüttelte, mußte die Peitsche nachhelfen.
»Tanze, tanze, du Coloß! Willst du wohl lustig sein!« hieß es, und der seiner Heimath Entrissene mußte tanzen und springen, wobei die Peitsche nicht verfehlte, ihn munter zu halten.
Auf einem dieser Gerüste erkennen wir den rothhaarigen Händler Fabius, der in Bezug auf Stimmkraft und Zungenfertigkeit die meisten seiner ehrenwerthen Collegen weit hinter sich ließ. Seine Sklaven, alle so prächtig als möglich herausgeputzt, standen oder lagen auf ihrem Postament. Hier ein Greis, dort eine ihr Kind säugende Frau, hier ein Knabe, nicht weit davon ein Jüngling, indeß der Kaufherr gravitätisch, mit der Peitsche rasselnd, auf und nieder schritt, in pomphafter Weise seine Waare anpreisend. Dabei spielte indeß das Lächeln süßester Höflichkeit um seine Lippen, seine Bewegungen waren einladend, und wer ihn nicht kannte, hätte sicherlich darauf geschworen, hier das Musterbild eines menschenfreundlichen, gefühlvollen Sklavenhändlers kennen gelernt zu haben.
Als sich jetzt ein älterer, etwas wohlbeleibter Herr mühselig einen Weg durch die Menge bahnte, eilte Fabius diensteifrig die Treppe seines Gerüstes hinab, um diesem alten Herrn, in dem er einen seiner eifrigsten Kunden zu erkennen glaubte, zuvorkommend die Hand entgegenzustrecken. Er hatte sich nicht getäuscht. Crassus, der reichgewordene Freigelassene, früher Bäckermeister, war es, der mit den Ellenbogen rudernd, seinen Wanst durch die Fluthen der Gaffenden preßte.
»Ich bitte euch, ihr Herrn – ein klein wenig Raum – so —, der reiche Crassus möchte hier durchschlüpfen,« sagte Fabius, indem er mit ungewohnter Sanftmuth die dicht zusammengedrängte Volksmasse mit der Hand zu lichten – versuchte, womöglich ohne den Faltenwurf einer Toga zu zerknittern.
»Hierher! bester Crassus!« rief er zärtlich, »da ist eine Oeffnung – so – hier ist wieder zwischen diesen Kriegern eine Lücke – hier herein und dann hier – so jetzt sind wir gleich an der Treppe dann wird die Sache schon leichter gehen – ach! du glaubst nicht, was man auszustehen hat mit diesem gaffenden Volk, das nicht kauft,« setzte er lächelnd hinzu, während die Volksmenge über den keuchenden, kahlköpfigen Bäckermeister zu lachen begann. Endlich hatte der reiche Bäcker seinen umfänglichen Leib aus der wogenden Menschenmenge gerettet, polterte ächzend die krachende Treppe hinauf, sank erschöpft auf einen Stuhl, und sagte, nachdem er sich den Schweiß von der Stirne gewischt und seine Toga mit tragi-komischer Geberde gelüftet:
»Beim hohen Olymp! mein Faltenwurf ist dahin!«
Crassus, der trotz seiner dreiundsechzig Jahre einen hohen Werth auf sein Aeußeres legte, war sehr verstimmt darüber, als er die Entdeckung machte, daß er sich in einem gänzlich derangirten Zustand befand. Die aufgetragene Schminke begann von der Wange zu tropfen und es stand zu befürchten, daß die kleine Perrücke, die er zu tragen pflegte, nicht mehr ganz an der gehörigen Stelle saß. In der That war sie auf das linke Ohr herabgesunken, welche Abnormität des Haarwuchses der alte Herr rasch durch geschicktes Zurechtrücken zu corrigiren suchte. Dann starrte er auf seine beringten, wurstartig dicken Finger, blies die glattrasirten Hängebacken auf und stocherte sich mittelst eines elfenbeinernen Zahnstochers in den Zähnen.
»Nein, wie es hier riecht!« begann er, »diese Sklavenhunde haben sich nicht in babylonischen Salben gewälzt, man riecht ihnen ordentlich das Ordinäre, das Schwielige, das Arbeitskeuchende an.«
»Bester Herr,« entgegnete der Händler verlegen, »ich habe sie alle waschen lassen – aber sieh – die Menge – die Hitze – der Staub —.«
»Ich glaube, du prügelst die Leute zu hart,« fuhr der Bäcker fort.
»Prügeln? O! ihr Götter, ich bin hierzu zu weichherzig!« versicherte Fabius, »ganz ohne Prügel geht es ja nicht ab – aber siehst du, ich säusele sie gewissermaßen nur an, wie ein Mailüftchen – ganz linde, mit dieser dünnen Peitsche.«
Crassus lachte.
»Den dort,« sagte er, auf einen Liegenden deutend, »scheinst du freilich sehr linde angesäuselt zu haben, er verbindet sich ja den Arm.«
»Wo?« frug Fabius, und als er den Menschen mit dem blutenden Arm entdeckt, entschuldigte er sich, dies habe sich die Bestie selbst zugezogen. Als Fabius hierauf in einige Verwirrung gerieth, zog Crassus einen geschnittenen Stein hervor, durch welchen er die aufgereihten Sklaven einer sorgfältigen Besichtigung unterzog.
»Was ist das dort für ein Alter?« frug er auf einen weißköpfigen Sklaven deutend.
»O! ein gelehrter Assyrer, Herr,« berichtete Fabius, »er ertheilt Unterricht in der Philosophie.«
Kaum hatte der Bäcker dies Wort vernommen, als er eine höchst verächtliche Grimasse zog. »Philosophie,« sagte er wegwerfend, »was soll ich damit anfangen? Ich bin Millionär geworden, ohne jemals Philosophie gehört zu haben.«
»Nun, vielleicht suchst du einen Poeten?« frug der Händler, »sieh dort, jener sehr magere Sklave, der den Kopf in die hohle Hand stützt, kann den ganzen Homer auswendig und macht Verse, über die deine Tischgäste staunen werden – freilich, fünfzigtausend Sesterzen mußt du schon dran wenden.«
»Ich glaube, du willst dich über mich lustig machen?« entgegnete ihm der dicke Herr mit Würde, »was soll ich mit einem Verseschmied anfangen; Kinderei!« setzte er verächtlich hinzu und schwieg dann einige Zeit.
»Nichts Sonderliches!« murmelte er darauf, nachdem er die Sklaven gemustert. »Laß sehen, was du Neues hast?«
»Deute mir deine Wünsche an, Gebieter,« sagte der Händler, mit vorgebeugtem Oberkörper vor ihm stehend, die Hände reibend, als wolle er sie, statt mit Wasser, mit Luft waschen.
»Nun, du erräthst meine Wünsche doch sonst,« lachte Crassus behaglich, so daß die Fettmasse seines Körpers gallertartig zu erzittern begann. »Wenn du dem Olymp ein paar Götter gestohlen hast und sie hier zu Markte bringst, bin ich vielleicht befriedigt.«
»Nun, wollen sehen, wollen sehen,« grinste der Händler, übertrieben liebenswürdig, »wir haben feine Waare, da ist ein Herkules —«
»Nichts da, nichts da!« unterbrach ihn der Alte. »Was Weibliches!«
»Ach,« machte Fabius, das Gesicht gen Himmel richtend, »freilich, erst in deinem Alter lernt man das Weibliche schätzen, und umgekehrt lernt die Weiblichkeit das Gediegene deiner Jahre von dem Windbeutelartigen jüngerer Leute unterscheiden. Du hast vollkommen Recht, Herr, sieh, wie ich an dich denke, was sagst du dazu?«
Er beugte sich zu Crassusʼ Ohr hinab:
»Ein Mädchen von sechzehn Jahren, gerade erst von Griechenland bezogen.«
»Wie? Von Griechenland?« fuhr Crassus auf, der, die Hände über dem Magen, seine Daumen um einander gewirbelt, »ach, eine Griechin! Aber – aber – ich sehe mich vergebens um.«– »Nicht hier, nicht hier!« unterbrach ihn Fabius, »habe die Güte, mir zu folgen.«
Es war damals Sitte, daß die Händler ihre besonders kostbare Menschenwaare in einem Bretterverschlage den Augen der schaulustigen Menge entzogen, einerseits, um die Neugierde zu steigern, andrerseits, um den Bemittelteren die Prüfung und Bewunderung der Kostbarkeit zu erleichtern. So führte jetzt Fabius den reichen Bäckermeister in eine hinter dem Gerüst aufgeschlagene Holzhütte, deren Inneres, mit Teppichen geschmückt, einen ziemlich wohnlichen Eindruck machte. Der Lärm des Marktes drang durch die Teppiche sehr gedämpft in diesen kleinen Raum wie fernes Meeresbrausen, sein Licht empfing das niedliche Gemach durch eine, durch einen Vorhang geschlossene Oeffnung, so daß eine grünliche Dämmerung ihren mystischen Schimmer auf das Lager warf, auf dessen Polstern langausgestreckt eine weibliche Gestalt ruhte. Kaum wurde der schwere Vorhang, der den Eingang schloß, zurückgeschoben, als auch schon der eintretende Crassus bemerkte, wie die ruhende Gestalt zusammenzuckte und den Kopf in die Kissen vergrub.
»Nimm es ihr nicht übel,« entschuldigte Fabius das Benehmen des Mädchens, »weißt du – sie war guter Leute Kind – ihr Götter! – schlechte Verhältnisse! Trunksucht des Vaters – Tod der Mutter! – was weiß ich?«
Crassus setzte sich und räusperte sich erwartungsvoll. »Ich bin begierig,« sagte er, »ob du mich wieder einmal zu betrügen gedenkst, wie du es damals mit der Syrerin thatest, der alle Haare ausgingen, als ich sie kaum drei Wochen mein nannte.«
»Betrügen?« stammelte der Händler verlegen, »Götter! kann ich dafür, wenn einer Dirne die Haare ausfallen?«
»Die Zähne fielen ihr später ebenfalls aus,« fuhr Crassus, jovial lächelnd, fort.
»Beim Olymp! ich habe ihr nicht auf den Zahn gefühlt, als ich sie kaufte,« entschuldigte sich der Kaufherr.
»Hier aber, mein Gebieter, wirst du nicht betrogen, hier siehst du das volle, blühende Leben vor dir – siehʼ selbst – ächtes Haar, keine Schminke —, hollah, Lydia, steh auf! Willst du wohl den Kopf heben, Kreatur!« setzte er hinzu, an die Abgewendete herantretend, »man will dich sehen, – hörst du!«
»Ja, man will dich sehen,« wiederholte Crassus.
»Hörst du?« rief Fabius, dem es Angst zu werden begann.
»Sie ist doch nicht betrunken?« frug Crassus mit einfältigem Gesichtsausdruck.
»Betrunken? Wo denkst du hin?« rechtfertigte sich der Händler. »Verfluchtes Geschöpf, soll die Peitsche deine Widerspenstigkeit brechen?«
»Ich glaube, sie fürchtet sich vor mir,« sagte Crassus mit sanfter Stimme, sich über den Magen streichend und ein verliebtes Lächeln sehen lassend.
»Kann wohl sein, Herr,« entgegnete Fabius rasch, »wahrlich deine imponirende Erscheinung – man sieht es dir an, daß du Geld hast und daß du trotz Jupiter ein Lebemann bist, der mit Frauen umzugehen versteht. Sieh! das merken die Dinger gleich heraus und da verkriechen sie sich. Auf! Auf!«
»Das arme Ding,« warf Crassus geschmeichelt hin und rückte näher.
»Ich glaube, ich bin trotz meiner angeborenen Herzensgüte genöthigt zur Peitsche zu greifen,« sagte der Händler, auf seinen Kunden blickend.
Der alte Herr erhob sich und tänzelte auf das Lager zu, mit dem Daumen und Zeigefinger sanft in die Luft schnalzend. So watschelte er wie ein trunkener Silen heran, dabei ein ägyptisches Liebesliedchen vor sich hinsummend.
»O, wir haben es auch zu seiner Zeit gelernt, Weiber zu bethören,« schmunzelte er, »komm mein Mäuschen – komm mein Herzchen – zeige mir dein Goldnäschen, dein Goldmäulchen, deine Goldäuglein —«
Während er diese halb durch die Nase gegurgelten Koseworte mit ekelhaft süßlicher Zärtlichkeit hervorsprudelte, betastete der alte Geck mit seinen dicken Fingern den Nacken der Unglücklichen, setzte sich neben sie und suchte ihr auf alle erdenkliche Art Muth zuzusprechen, während der Händler verlegen neben ihm stand, sich den Rothkopf kraulend und sich entschuldigend, es zucke ihm zwar in den Fingern, drein zu schlagen, aber er fürchte seiner Waare blaue Striemen beizubringen, und das schade doch zu sehr dem Verkauf; sie habe eine so weiße Haut und für blaue Mäler zahle man nichts.
»Nein, nicht schlagen, nicht schlagen, wir bringenʼs auch ohne Schlagen zu Stande,« lächelte der Dicke, »nicht wahr, mein Mäuschen?«
Grade in dem Augenblicke, da er dem Mädchen auf unschickliche Weise den Nacken betastend sein: Nicht schlagen! vor sich hinmurmelte, erhielt er einen Schlag auf die bläulich schimmernde rasirte Wange. Die Unglückliche, die in ihrer jungfräulichen Ehre gekränkt, emporgefahren war, hatte diesen Schlag mit solcher Raschheit erteilt, daß der alte Geck den dicken Mund aufreißend, sie ganz sprachlos anstarrte.
»Ich – ich glaube – sie schlägt,« stotterte er nach einiger Zeit wie geistesabwesend, und betrachtete das zornglühende Gesicht des nunmehr aufrecht sitzenden Mädchens, halb furchtsam, halb voll Bewunderung. Sie selbst schien indeß, als ihr Zorn verraucht war, kaum weniger erstaunt über ihre Tapferkeit als der Gezüchtigte zu sein. Ja, sehr bald schien sie dieselbe zu bereuen, denn sie stierte den rothen Fleck auf der getroffenen Wange ganz entsetzt an und es hätte vielleicht nicht viel gefehlt, so würde sie um Verzeihung gebeten haben.
»Zeig mir doch die zarten Finger, die so kräftig ausholen,« fuhr Crassus phlegmatisch, ohne erzürnt zu sein, fort, indeß der Händler, der anfangs keines Wortes mächtig dagestanden, auf Lydia losfuhr.
»Was, eine Sklavin!« schrie der Erzürnte. »Du unterstehst dich? Wartʼ ich will dich lehren, meine Kunden schlagen – martern laß ich dich, du Hündin – herbei, Sklaven! Bringt mir die Peitsche!«
Des Mädchens Augen begannen zu zucken, große Tropfen sammelten sich in dem schmerzlich brennenden Glanz dieser großen schwarzen Pupillen, die sich angstvoll auf ihren Peiniger richteten.
»Ich – ich konnte nichts dafür,« stotterte sie, »es thut mir leid.«
»Es thut dir leid?« frug Fabius höhnisch, »es soll dir gleich leid thun – ja —«
»Ich habe dich darum gebeten, mich nicht berühren zu lassen,« stieß sie bereits ein wenig mutiger hervor, »es geschah doch – ich dulde das nicht, du weißtʼs – dennoch thut mirʼs leid, daß ich ihn schlug – aber du solltest mich dafür nicht schlagen, hörst du?«
Sie sprach sich in eine Art Fiebererregung hinein, die indeß auf ihre beiden Bedränger nicht den mindesten Eindruck machte.
»Ein wenig Eigensinn würzt das Glück,« stammelte Crassus, sich noch immer verwirrt über die Wange streichelnd. Lydia aber richtete sich auf den Polstern empor, die weißen Arme gegen den Busen gepreßt und stand so zitternd am ganzen Leibe vor Fabius, der jeden Augenblick bereit war, sie anzupacken.
»Du kennst mich jetzt,« sagte sie leise, die zitternden blauen Lippen aufeinander drückend, »noch eine Mißhandlung, und du weißt was geschieht!« —
»Ich weiß, was geschieht?« rief der Händler, dessen Gesicht sich vor Erregung blauroth färbte, »o, wäre ich dich los! Herr, ich gebe sie dir zu achtzigtausend Sesterzen, hörst du! Nur um sie los zu werden, denn sie ruinirt mich noch. – — Glaubst du, Hündin, man könnte dir deine Todesgelüste nicht austreiben? Was nestelst du da im Gewand? – Gieb her! – Her mit dem Eisen! —«
Lydia war sich mit der Hand in den Busen gefahren und hatte daselbst mit einiger Anstrengung einen kleinen Dolch aus ihrer Stola, in die er sich verwickelt, herausgerissen. Diesen Stahl in der bebenden zarten Faust, mit rollenden, thränenschwimmenden Blicken, mit keuchender gewaltsam arbeitender Brust, kniete sie jetzt auf den Polstern.
»Wo hast du den Dolch her? – Es ist der meinige, Bestie!« rief der in Angst gerathende Kaufherr, der auch in diesem Augenblick an sein Eigenthum dachte, »du hast ihn mir gestohlen Dirne – gieb ihn her! —«
»Den Dolch kannst du wieder haben,« lispelte sie tonlos, mit dem Athem ringend, »aber erst, wenn er sich mit meinem Blut geröthet!«
»Nehmt ihr das Eisen ab!« jammerte der Händler, »sie ist im Stande und ersticht sich – nehmt ihr das Eisen ab! – Her damit! —«
Fabius, der keinen sehnlicheren Wunsch hatte, als ihr die Waffe zu entreißen, wagte nicht näher zu treten, er rang die Hände, stürzte vor, sprang zurück, fluchte, weinte und tanzte von einem Bein auf das andere, denn so bald er näher trat, zuckte Lydia mit dem Eisen gegen ihre Brust. Dann beschwor er wieder in zärtlichen Ausdrücken das Mädchen, sie möge doch den Dolch hergeben, er werde sie gewiß von jetzt ab gut behandeln.
Crassus, der den Tanzübungen seines Freundes mit Erstaunen zusah, fühlte sich von der Neuheit der Scene ganz angenehm gekitzelt, er faltete die Hände über dem Bauch, schmunzelte und lobte die Springübungen des Fabius, die er mit denen des berühmten Tänzers Paris verglich. Endlich, als sich der Händler nicht mehr zu helfen wußte, kniete er, von aufrichtiger Verzweiflung hierzu getrieben, vor Lydia nieder, faltete die Hände und indem seine Augen von Thränen überströmten, flehte er sie an, ihn doch nicht zu vernichten, er habe sein ganzes Vermögen auf sie gesetzt, mit ihr verliere er seine Existenz, er wolle sie ja auch recht billig an einen menschlichen Herrn verkaufen und verspreche ihr, sie von jetzt an zu behandeln wie eine Göttin, ihr alles Liebe und Schöne anzuthun. Lydia, obgleich sie selbst litt, was ein Sterblicher nur zu leiden vermag, und obgleich sie vor ihrem Peiniger mehr zitterte, als vor der Tatze des Löwen, besann sich und ward in ihren Entschlüssen wankend. Dieser Schmerzensausbruch des Verzweifelnden begann die Schwachherzige fast zu rühren, vielleicht durfte sie ihm diesmal trauen, vielleicht besserte er sich. Sie besaß so wenig Erfahrung, so wenig Menschenkenntniß und glaubte so leicht den schön klingenden Redensarten. Und dann! wenn er sie verkaufte, einerlei wem! Nur von ihm loskommen – und sie senkte die Spitze des Stahls und nahm dem noch immer am Boden Knieenden das Versprechen ab, sie nie mehr zu schlagen.
»Niemals mehr,« ächzte Fabius, mit den Blicken die Handbewegungen des Mädchens verfolgend.
»Und du wirst mich gut behandeln?« frug sie zögernd.
»Kein Haar werde ich Dir krümmen, lege nur den Dolch weg,« stammelte der Erregte.
»Ich weiß nicht, was ich thun soll?« schluchzte sie auf – o – darf ich dir trauen? – Wirst du mich nicht quälen?«
»Gewiß nicht, lege nur den Dolch weg,« murmelte er, immer bereit, auf sie einzudringen.
»So sei es denn,« hauchte sie, ihre Thränen trocknend.
»Aber du wirst mich also nicht schlagen, versprich es mir – schwörʼ es bei den Göttern!«
»Nein, nein, ich schwöre, lege nur den Dolch weg, oder gieb mir ihn,« stotterte der Ungeduldige.
»Wirklich nicht? —«
»Wie oft willst du es noch hören? Nein, nein!« schrie er fassungslos und die Eingeschüchterte wagte nicht, ihm zu trotzen. Zögernd, ihn manchmal wieder zurückziehend, überreichte sie dem Knieenden den Stahl.
Kaum hatte dieser aber den Griff in der Hand, als er, ein unartikulirtes Wuthgeächz ausstoßend, gleich einem Tiger in die Höhe und auf Lydia zusprang, so daß das Mädchen, von Entsetzen gepackt, auf das Lager zurücksank, während sich ihrem Munde ein herzzerreißender Angstschrei entrang.
Eben hatte er sie an den Armen gepackt, um sie, unverständliche Worte zwischen den Zähnen kauend, zu Boden zu schmettern, als der dicke Crassus, der dem Schauspiel mit Spannung gefolgt war, ein lautes: »Man kommt,« hören ließ. Fabiusʼ wuthverzerrter Blick fiel auf den Bäcker, er kam zu sich, er besann sich, wo er war, wen er zum Zeugen seiner Rohheit gemacht, und nun war es possirlich anzusehen, wie er die grimmig verzogenen Muskeln seines Gesichts in die Bahn eines höflichen Lächelns zwingen wollte, welches Lächeln natürlich seine ohnehin nicht schönen Züge vollständig zur Grimasse wandelte. Sogleich ließ er die Niedergesunkene los, wendete sich nach dem Eingang und begrüßte aufʼs Liebenswürdigste den neuen Ankömmling. Dieser neue Ankömmling, der nicht wußte, was hier vorgefallen, war Paris, der Tänzer.
Paris hatte, den Sklavenmarkt durchwandelnd, schon vor einigen Stunden den Händler Fabius erkannt, sich aber, er wußte selbst nicht warum, gescheut, denselben nach Lydia zu fragen, obgleich er keinen innigeren Wunsch hegte, als über das Schicksal derselben Kunde zu erhalten. Er ging mit sich selbst kämpfend, manchmal über seine Scheu lächelnd, vor dem Gerüst auf und ab, die vorüberdrängende Volksmasse, die ihm oft ehrerbietig Platz machte, kaum beachtend. Wo ist sie, sie stand nicht auf dem Gerüst! Ist sie bereits verkauft! Und wer hat sie gekauft? Diese Fragen bestürmten sein Herz, das sich mit Zweifeln zerquälte, das zuweilen die Theilnahme verspottete, die es an dem Loos dieses Griechenmädchens nahm. Endlich, da er den Bäckermeister das Gerüst betreten und später in jener Bretterhütte verschwinden sah, konnte er von peinlichen Ahnungen getrieben, seinem Drange, nach dem Mädchen zu forschen, nicht widerstehen und betrat das Gerüst. Als sich der Händler, seine Erregung geschickt unterdrückend, nun zu ihm wendete, stand er in einiger Verlegenheit, was er, da es ihm ja doch an dem nöthigen Gelde fehlte, hier thun und reden sollte. Schließlich würde ihn der gefoppte Handelsmann zur Thüre hinausjagen, dachte er, sobald seine Zahlungsunfähigkeit ersichtlich geworden wäre. Zu seinem Glück trat nun ein Sklave ein, dem Kaufherrn meldend, die Sklavin Mago, die im anstoßenden Verschlag aufbewahrt wurde, bedürfe dringend der Hilfe, sie sei kränker denn je, das Fieber scheine zugenommen zu haben. Der Händler, als er dies vernommen, fluchte über krankes Gesindel, das sich ihm zum Aerger aus der Welt stehlen wolle, und nachdem er erst behauptet, die afrikanische Schlange, da sie nicht gut verkäuflich sei, könne auch ohne Hilfe zu ihren Göttern abfahren, wennʼs ihr beliebe, beschloß er schließlich, da man nicht wissen könne, ob sich vielleicht gelegentlich doch noch ein Käufer einstelle, ihr Pflege angedeihen zu lassen. Er befahl, man solle Lydia verschleiern und sie in die anstoßende Hütte führen.
»Geh mein Kind,« sagte er mit einer so sanften Stimme, als sei es ihm schlechterdings unmöglich, seine Menschenliebe zu verleugnen, »gehe zu der Kranken. Du hast ihr schon einmal beigestanden und verstehst es mit Kranken umzugehen. Gehe, gutes Kind!«
Er war wie umgewandelt und Lydia, auf die jedes besänftigende Wort sehr rasch eine schmerzstillende Wirkung übte, fuhr sich über die Augen und erhob sich, nicht ohne einen halb verwunderten, halb bittenden Blick auf Paris zu werfen. Eine Erinnerung dämmerte in ihrem Haupt, war das nicht der junge Mann, der, als man sie der Tiber entrissen, neben ihr gekniet. Sie sah ihn noch einmal starr an und schlug dann, als er auch sie ansah und dabei ein wenig erröthete, ihre Blicke nieder. Sie wußte nicht weshalb, aber es wurde ihr seltsam zu Muthe, als sie seinen sinnenden Blick auf sich ruhen fühlte, das Blut stieg ihr in die Wangen, sie fühlte wie ihr eine Flamme brennend heiß von dem Herzen nach dem Hirn schlug, die eben durchlebte Schreckensscene schwand mit einer ihr auffallenden Raschheit aus dem Gedächtniß, eine wunderliche, fast beglückende Leichtigkeit wollte Platz in ihrem Innern greifen, und obgleich ihr noch die Thränen in den Wimpern zitterten, schien ihr auf einmal das Leben lebenswerther, die Luft athembarer, sonniger. »O wenn er mich doch kaufte!« rief es in ihrer Brust, »wie wollte ich ihm dienen! Gewiß, er ist menschlich.« Diese Empfindungen stiegen um so dringender in ihrem Geiste auf, als sie seit jenem Sprung inʼs Wasser eigentlich gar nicht mehr an den jungen Mann gedacht. Die Empfindungen aber, die sein plötzliches Erscheinen in ihr wachriefen, lehrten sie, daß ihre Seele, ohne es zu wissen, über den Räthseln seines Blickes, seines Benehmens gebrütet. Ehe ihr der Sklave den Schleier über das Haupt warf, fand sie Gelegenheit, noch einmal einen jener vielsagenden, herzzerreißenden Blicke auf Paris zu richten, wie sie nur den leidenschaftlich Schutzflehenden zu Gebote stehen, einen jener heißen Blicke, die trotzdem sie zurückhaltend und schamhaft sind, doch in ihrer verzweifelnden Gier nach Hilfe jede conventionelle Rücksicht bei Seite setzen.
Paris verstand diesen Blick, er nickte ihr, seine Umgebung vergessend, zu. Freilich schämte er sich darauf dieses Nickens, aber der Wunsch, ihr beizustehen, ward auf einmal in ihm so lebhaft, daß er es sich gewissermaßen zur Pflicht machte, ihr zu helfen. Zugleich erschien sie ihm nicht nur als ein Geschöpf, das sein Mitleid verdiente, die schlichte Schönheit ihres griechischen Leibes, gehoben durch die heuchlerische Erbarmungslosigkeit ihres Besitzers und die unglückliche Lage, in der sie sich befand, wirkten eigenartig berauschend auf sein so verwöhntes Herz. Freilich! er hatte ausgeliebt, das gestand er sich, kein Weib konnte ihn mehr bis zur Selbstvergessenheit hinreißen, die süßen Jugendthorheiten waren für ihn dahin, aber es war ihm, als wenn sich hier dies ausgebrannte Herz an einer edleren Flamme beleben sollte, als wenn er, der immer der Sklave seiner Leidenschaft gewesen, hier der Herr seiner Neigung sein könne. Ein mildes sanft einlullendes Licht ging von diesem Körper aus, in dessen weicherem Glanz seine kranke Seele sich gesund baden zu können glaubte, es war ihm, als könne er seine Laster in ihre Unschuld untertauchen und sie in Tugenden verwandelt, wieder hervorziehen, ihr Anblick allein besserte ihn. Aber freilich beschlich ihn auch, wenn er die Reinheit dieser Linien betrachtete, ein schmerzliches Gefühl. »Willst du auch sie verunreinigen? sie wohl gar verderben?« tönte es in ihm wieder, »soll unter deinem wilden Hauch diese Rosenknospe dahinwelken? Das, was du berührst, das ziehst du mit hinab, Elender, der kaum mehr die Namen Tugend und Unschuld auszusprechen wagen darf.
Als sie von dem Sklaven hinausgeleitet wurde, wandte sich Crassus an Fabius.
»In der That,« sagte er, »ein hübsches Mädchen. Zwar brennt noch meine Wange, die sie nicht sanft berührt, jedoch das wird sich geben, ich werde ihr künftig mittelst Küssen das Schlagen abgewöhnen.«
»Also sie gefällt dir, Herr,« frug Fabius lebhaft, »sie ist dein sofort, wenn du die Güte hast, achtzigtausend Sesterzen zu zahlen« —
»Das ist eine große Summe,« erwiderte der Meister, den Kopf schüttelnd, »viel Geld für solch einen Spaß!«
»Dafür istʼs auch ein Spaß, die Waare ist es werth, Herr,« sagte Fabius und sich höflich an Paris wendend, fügte er hinzu: »Erhebst du Einspruch, so ist sie dein – sagen wir fünfundachtzigtausend?«
Paris that, als wenn er nicht recht verstanden, in seinem Kopfe wirbelte es. Er sah Lydia als Dienerin des Crassus, er sah die Zahl achtzigtausend in riesigen Buchstaben an der Wand, er sah sich als Bettler, und zerbrach sich in der Geschwindigkeit den Kopf, bei welchem Freunde er das Geld etwa leihen könne.
Crassus, sein schwammiges Doppelkinn aus der Toga lüftend, drehte sich auf seinem Stuhle verächtlich nach Paris um, als wollte er sagen: »Dieser Tänzer und achtzigtausend Sesterzen! das verträgt sich nicht zusammen.«
»Ich zahle zweiundachtzigtausend,« sagte er dann gedehnt, indeß sein kropfartiger Hals von der steifen Toga beständig gescheuert sich röthete.
»Nun Herr?« wandte sich Fabius lächelnd an den Tänzer, »was sagst du hierzu?« und er richtete seinen Blick nach einer ganz anderen Himmelsgegend.
Paris entdeckte jetzt erst, daß der Mann schielte, welches Schielen im Verein mit dem süßlichen Lächeln, seinem Antlitz den Ausdruck des Erhängtseins aufdrückte. Paris that als überlege er, ob er zahlen sollte, während er im Stillen sich frug: »Da ist der Ritter Aemilius – der Senator Paulus, es sind Bewunderer meiner Kunst – werden sie mir das Geld leihen?« Es war ihm, als ließe man ihm die Wahl, den Tod des Erfrierens oder den des Verbrennens zu sterben, und dazwischen kam es ihm wieder vor, als habe man ihn zwischen das Gesicht des Crassus und des Fabius wie in einen Schraubstock geklemmt, und vor seinen Augen spiele eine Tigertatze mit dem ausgerissenen Herzen Lydiaʼs.
»Zweiundachtzigtausend,« murmelte er zögernd, sich in beunruhigter Seele ausmalend, was er wohl thun werde, wenn dieser Fettcoloß Crassus der Besitzer des Mädchens würde, ob er das Mädchen oder den Besitzer umbringen werde. Es überlief ihn ein Schauder, wenn er sich Lydia in der Gewalt dieser Fleischmassen dachte, geliebkost von diesen Händen, geküßt von diesen Lippen – nein! Hier mußte geholfen werden um jeden Preis.
»Bitte, lasse dich nieder, lasse dich nieder!« lud der Händler ein und Crassus, der mit seinen dicken Fäusten auf den Knieen trommelte, entfuhren die Worte: »Lasse dich doch nicht von dem Tänzer zum besten halten.« Worauf Fabius erst verlegen lächelte, dann erklärte, Zahlungsunfähige pflege er unter Umständen vor die Thüre zu setzen.