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Kitabı oku: «Der Mime», sayfa 7

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Paris, den diese Worte ärgerten, dem überhaupt dieser ganze Handel anfing ekelerregend zu werden, und der unter jeder Bedingung in den Besitz der Sklavin gelangen wollte, sagte hierauf, ohne recht zu wissen, was er that: er werde neunzigtausend Sesterzen zahlen.

»Ah, das ist ein Wort,« lächelte Fabius, vergnügt sich die Hände reibend, dem Crassus einen bedauernden Blick zuwerfend, »ich fürchte, der Tänzer erhält sie – wie, Crassus?«

Dem Crassus stieg die Röthe inʼs Gesicht, sein Kropf wogte purpurn auf und ab. Er murmelte etwas von Schwindelei und erhob sich.

»Ich zahle nicht mehr als zweiundachtzigtausend,« erwiderte er wegwerfend, »aber ich zahle sofort! Wann wird dich wohl der Tänzer bezahlen?« setzte er ironisch lächelnd hinzu.

»Ja, wann?« frug Fabius diensteifrig.

Paris überlegte, bis zu welchem Termin er das Geld möglicherweise beisammen haben könnte.

»In drei Tagen bist du im Besitz von neunzigtausend Sesterzen,« sagte er aufʼs Gerathewohl, sich die Folgen seiner Versprechung gewaltsam aus dem Kopf schlagend.

Der Händler schlug vor, die Angelegenheit bis dahin zu vertagen, indem er geltend machte, beide Theile könnten die Sache noch einmal in reifliche Erwägung ziehen. Für Lydia würde gut gesorgt werden, er betrachte sie bereits als das Eigenthum eines Andern.

Als hierauf Paris Lydia allein zu sprechen verlangte, bat Fabius, er möge ihm folgen, während Crassus, den Fabius bei Seite ziehend, diesem inʼs Ohr flüsterte: »Nimm dich in Acht, ich will unter die Schaar der Götter aufgenommen werden, wenn dich der Schwindler bezahlt.«

Fabius zuckte die Achseln und Crassus entfernte sich brummend.

Fünftes Capitel

Als der Tänzer einige Minuten später den Thürvorhang zurückschob, der in die Hütte der afrikanischen Sklavin führte, sah er das Mädchen, dessen ganzes Wesen seine Seele bereits mit einer unbeschreiblich wehmüthigen Träumerei erfüllte, in einer höchst anziehenden, in einer für ihre Eigenart sehr charakteristischen Situation. Sie knieete vor dem Strohlager der Erkrankten, reichte ihr, sanft zuredend, zu trinken, und hüllte die von Fieberschauern Geschüttelte immer wieder von Neuem in den Mantel, den sie in ihrer nervösen Unruhe unaufhörlich zurückschob.

Paris blieb am Eingang beobachtend stehen, die eigenthümliche mitleidige Heiterkeit bewundernd, mit der dies selbst so unglückliche Geschöpf diese Unglückliche tröstete, und sich den niedrigsten Diensten unterzog. Denn als jetzt der Kranken ein klebriger Schleim auf die Lippen trat, schloß Lydia zwar einen Moment erschreckt die Augen, stand aber dann keinen Augenblick an, denselben mit der Hand zu entfernen.

»O, wie elend ich bin!« wimmerte die Kranke, sich in das Stroh vergrabend.

»Trinke, liebe Frau!« flüsterte Lydia, ein Lächeln erzwingend, »du wirst darauf einschlafen, wenn du später aufwachst, fühlst du dich gewiß gesund.«

Sie ergriff den Becher, hob den Kopf des Weibes, nickte ihr freundlich ermuthigend zu, und schob ihr den Becherrand zwischen die zusammengekrampften Zähne, die auf dem Metall ein klapperndes Geräusch von sich gaben.

»O Lydia,« flüsterte die Kranke, nach der Hand des Mädchens greifend, »wenn du mir wie gestern das Lied sängest – weißt du, das von dem Regenbogen über den wogenden Aehren – ich glaube, ich würde vielleicht wiederum einschlafen.«

Lydia träufelte ihr den Rest des Schlaftrunks auf die blauen Lippen, nickte träumerisch mit dem Kopf, legte die Arme in den Schoß, und besann sich eine Weile. Dann, nach dem sie, mit der Hand an ihrem Gewandsaum spielend, vor sich nieder gesehen, als müsse sie, ehe sie beginne, trübe Erinnerungen verscheuchen und sich überwinden, räusperte sie sich. Dann erst begann sie in knieender Stellung leise ein wehmüthiges Wiegenlied zu singen. Ihre Stimme klang belegt, kaum hörbar entschwebten die traurigen Töne ihrem kaum geöffneten, äußerst kleinen Lippenpaar. Sie hielt dabei das eirunde Köpfchen auf die Schulter geneigt, und sah mit einem ersterbenden Blick inʼs Weite, als öffne sich vor der Sehnsüchtigen das Meer, an dessen äußerstem Saume die Küste ihrer Heimat dämmerte, die weißen Tempel und blauen Berge.

Paris, der nun dicht hinter ihr stand, traten, als er sie mit so kindlich rührendem Ausdruck singen hörte, die Thränen in die Augen. Er fühlte, wie schwer es ihr wurde, sich zu diesem Gesange aufzuraffen und daß sie nur der Kranken zuliebe sich überwunden, denn sie in ihrem Kummer mochte Ruhe und Schweigen begehren. Als jetzt die Kranke wirklich in einen unruhigen Halbschlummer verfiel, sang das Mädchen noch einige Zeit weiter vor sich hin, bis ihr plötzlich die Stimme im Munde quoll, ein Seufzer schließlich die Töne erstickte und sie mit weitgeöffneten Augen stumm inʼs Ferne sah. Diese geisterhaft großen Augen nahmen allmählich einen immer feuchteren Glanz an, schon zuckte es schmerzlich um den träumerisch geöffneten Mund und Paris, dies zarte schmerzverklärte Gesicht von der Seite betrachtend, fühlte den innigsten Drang, ihr um den Hals zu fallen und sie zu fragen, ob sie ihn jemals gern haben könne. Vom Markte herüber brauste es noch wie fernes Sturmestosen. Die Kranke begann regelmäßige Athemzüge hören zu lassen, das Gold eines Sonnenstrahls fiel durch die Dachöffnung, spielte in dem Stroh des Lagers, huschte über die zitternden Lippen der Schlummernden und trug seine tanzenden Staubtheilchen bis an das Haar der Griechin heran. Paris fühlte nun den Drang, die Hand auf dies blauschwarze Haar zu drücken, doch von einer gewissen Ehrerbietung, die ihm einem Weibe gegenüber ganz neu war, zurückgehalten, begnügte er sich, die Aufmerksamkeit des Kindes dadurch auf sich zu ziehen, daß er mit dem Fuße ein wenig heftiger auftrat. Sie wandte sich um und nun war es ein lieblicher Anblick, wie ihre leidenden Züge sich zu einem hoffnungsseligen Lächeln verklärten, welches Lächeln dann erstarb und einem furchtsamen Ausdruck Platz machte.

»Du sangst?« frug Paris, wie von einer unsichtbaren Hand zu ihr hingezogen.

Wiederum lächelte sie erröthend, beugte den Kopf und sagte mit einer an Vogelgezwitscher erinnernden Stimme: »Ja, Herr.«

»Was ist dies für ein Lied,« frug Paris weiter, dem es streng genommen gar nicht um das Lied zu thun war, der ganz im Anschauen dieses lieblichen, knieenden Mädchenbildes schwelgte. Ganz wunderbar ergriff ihn die süße Beschränktheit, die über diesem griechischen Profil ruhte und die, da sie den männlichen Schutz herauszufordern schien, mehr anzog, als dies die geistvollsten Stirnlinien gethan haben würden.

»Was ist dies für ein Lied?« frug er nochmals.

»Ich sang es oft unsern Nachbarskindern,« erwiderte sie, die Augenlider einmal rasch auf, dann sogleich wieder niederschlagend.

»Du singst es schön,« sagte Paris, dem die Zunge kaum gehorchte und der, so sehr er sich besann, keine vernünftige Frage finden konnte.

»O!« sagte sie, den Kopf schüttelnd, »Clytia sang es schöner.«

»Wer ist Clytia?« frug Paris.

Aber sie hatte, wie es schien, die Frage überhört, sie sah, während eine Wolke über ihre schmale Stirne glitt, vor sich nieder, spielte mit den Fingern unruhig im Stroh und frug dann plötzlich zusammenschreckend: »Wie?«

Paris antwortete nicht, ihn nahm ganz das Spiel ihrer zarten Finger im Stroh in Anspruch, bis er allmählich zu seiner Verwunderung gewahrte, wie das Mädchen abwechselnd erblaßte und erröthete, wie sich ihr Busen gewaltsam hob, ihre Bewegungen von einer peinlichen Unruhe begleitet waren und ihr gesenktes Augenlid mit dem Entschluß kämpfte, sich empor zu schlagen. Es schien irgend etwas in ihrem Inneren vorzugehen, das sie sich scheute auszusprechen. Doch als Paris eine darauf bezügliche Frage an sie stellte, verneinte sie dies heftig.

»Doch, Lydia, du willst mir etwas sagen,« warf er hin.

»Nein, nein,« lispelte sie kaum hörbar und setzte dann, auf die Schlummernde herabgebeugt, hinzu: »Horch! sie wacht.«

»O doch,« sagte er möglichst vertrauenerweckend, »komm, gestehe mirʼs ein – wie? du willst nicht?«

Sie athmete immer heftiger und suchte sich dadurch zu zerstreuen, daß sie den Mantel, der die Kranke bedeckte, in geordnete Falten legte. Paris, der befürchtete, man könne ihn stören, indem sich vielleicht ein neuer Käufer einstellte, redete ihr noch einmal Muth zu.

»Ach Herr,« stammelte sie. Sie sprach sehr wenig, aber sehr reizend durch das kleine weiße Näschen, und Paris hörte diesem kindischen Ton mit Entzücken zu, es lag darin etwas hilflos Zutrauliches.

»Ach Herr!« stammelte sie, »ich beschwöre dich bei den Göttern – wird er« —

»Wer?«

»Wird er mich kaufen?« hauchte sie tief erblassend.

»Crassus?« frug der Tänzer.

»So heißt er vielleicht, ich weiß nicht,« stieß sie zitternd hervor, die Hände faltend.

»Ich hoffe nicht,« sagte Paris mit sehr weicher Stimme.

»Nicht?« frug sie freudig aufsehend – »O! nicht?«

»Ich hoffe nicht,« sagte Paris noch leiser.

»O, das ist gut!« murmelte sie mehrmals, »das ist gut!« Und ihr Athem beruhigte sich ein wenig.

Als sie dann schweigend vor sich nieder sah, stand der junge Mann, von dem Liebreiz ihres spieligen Wesens wie an Leib und Seele gefesselt, vor ihr, die Zunge war ihm wie gelähmt, er hätte immer so stehen mögen, sie auf den Knieen vor sich.

Sie schien dies lange Schweigen zu beunruhigen, sie beugte den Kopf immer tiefer herab und in diesem Herabbeugen lag eine bestrickende Demuth.

Endlich erwachte Paris aus seinem Taumel.

»Wer glaubst du wohl, werde dich kaufen?« frug er, ein wenig lächelnd.

Sie sah langsam zu ihm empor, anfangs nahm ihr Gesicht einen gleichgültigen, sinnenden Ausdruck an, dann, nachdem sie dem Jüngling längere Zeit forschend in die Augen geblickt, senkte sie erröthend die von dem Dunkel der Haare scharf abgegrenzte Stirne und lispelte mit rührend bekümmertem Lächeln, das gleichsam um Entschuldigung bat: »O kaufe du mich, Herr!«

In Parisʼ Innerem that es einen Ruck, als diese einfache Bitte mit der Gewalt eines Naturlauts in sein Herz drang.

»Soll ich es thun?« frug er tief bewegt, kaum seiner Stimme mächtig.

Sie faltete wiederum die Hände, indeß ihr Auge gleichsam nach vorwärts drängend, im Innersten zu glühen begann.

»O – Herr!« Weiter brachte sie nichts hervor, aber ihr entschlüpften diese beiden Worte mit so eigenthümlich starker Betonung, daß in ihnen eine unendliche Dankbarkeit, eine süße Ergebung zitterte.

»Ich werde es,« erwiderte der junge Mann, »ich werde dich kaufen.«

Er verschluckte das Wort: »Kaufen,« da es ihm ihr gegenüber unwürdig erschien, verbesserte sich und deutete ihr an, daß sie bei ihm eine freundliche Aufnahme finden werde.

Als sie diese Betheuerung vernommen, zuckte es freudig über ihre Züge, sie bewegte die Lippen, brachte jedoch kein Wort hervor und während sie glückselig vor sich hin lächelte, flossen ihr die Thränen aus den Wimpern, die Wangen herab, so daß sie dieselben mit ihren Haaren entfernen mußte. Es war eine Erstarrung der Freude über sie gekommen, wie von einem Krampfe gelähmt, vermochte sie sich nur mit Mühe zu bewegen, kaum daß sie zu ihrem Retter aufschauen konnte.

Paris wollte sich zu ihr niederbeugen, ihr die Thränen aus den Augen zu küssen, als er jedoch die Stimme des Händlers vor dem Eingange hörte, bezwang er seine Sehnsucht, legte aber seine Hand auf Lydiaʼs Haar, dessen Duft ihm erwärmend in die Finger strömte. Sie, durch diese sanfte Berührung in den Zustand der Erwartung versetzt, blieb zitternd am Boden knieen und gerade als er ihr Haupt zurückbog, um einen Kuß auf ihre Stirne zu drücken, trat der Händler ein, worauf Paris die heftig Erröthende losließ, und that, als ob er das rothe Band bewunderte, das ihre Haare schmückte.

»Nun, Herr,« lachte der Eingetretene, der sogleich ahnte, was sich hier ereignet, »bleibst du bei deinem Versprechen?«

Paris erwiderte, er bleibe bei seinem Versprechen, er bitte sich aber aus, daß die Griechin gut behandelt und vor Allem keinem Andern mehr öffentlich zum Verkauf vorgeführt werde. Der Händler versprach dies und wollte sich, mit geheimnißvollem Lächeln, allerlei bezeichnende Geberden machend, wieder entfernen, Paris aber, als er das durch jene Geberden aufmerksam gewordene Mädchen bemerkte und sah, wie sie sich verwirrt abwendete, hatte zu viel Achtung vor ihrem naiven Taktgefühl, als daß er sie durch sein längeres Verweilen übeln Nachreden aussetzen mochte. Auch wünschte er vor den Blicken dieser Schacherseele sein Inneres sorgsam zu verhüllen, er ging deshalb sogar, ohne von Lydia herzlicheren Abschied zu nehmen, was ihm freilich große Ueberwindung kostete. Da in dem Augenblick, als er ging, die kranke Sklavin wieder erwachte, fand Lydia ohnedies keine Gelegenheit, ihrem Retter zu danken; auch war ihr das Herz so übervoll, daß sie es thatsächlich kaum durch Blicke vermocht haben würde. Desto liebevoller gab sie sich nun der Pflege der Kranken hin, denn es war ihr, als müsse sie den Göttern dadurch ihren Dank abstatten, daß sie einem ihrer verlassenen Geschöpfe zu Hilfe komme. Sie sprach der sich ein wenig besser Fühlenden liebevoll zu, strich ihr die wirren Haare aus der Stirne und ordnete ihr Lager mit einer solchen Sorgfalt, als gälte es, einer Mutter die letzten Stunden zu versüßen. Bei der raschen, nicht durch Nachdenken getrübten Art, mit der das Mädchen empfand, war es nicht zu verwundern, daß sie sogar sehr bald in ihr ursprünglich schelmisches Wesen zurückverfiel, aus dem sie das Elend der letzten Tage gerissen. Als nach einiger Zeit der zehnjährige Knabe der kranken Sklavin in die Hütte gesprungen kam, spielte sie mit ihm, wie eine ältere Schwester.

»Komm, sei hübsch still, damit du die Mutter nicht störst,« ermahnte sie.

»Wir wollen wieder Löwe und Jäger spielen,« sagte der Junge, »nicht wahr?«

»Ja, aber ganz leise,« flüsterte sie.

»Ja, ganz leise! So, nun bin ich dein Löwe,« gab er flüsternd zurück. Das kleine, nackte Geschöpf verkroch sich hinter einem Stuhl, und stürzte auf allen Vieren aus seinem Versteck auf Lydia zu, der alsdann die Pflicht erwuchs, die Geberde des Bogenschießens auszuführen, worauf der Kleine wieder lachend— in sein Versteck zurückrutschte. Dies trieben sie eine Weile, ohne daß das Mädchen ungeduldig zu werden begann, es schien sogar, als bereite ihr die Ausgelassenheit des Kleinen viel Vergnügen, bis sich der Junge ihr auf einmal, der Sache überdrüssig, um den Hals warf.

»Nicht, nicht, lasse daß« tadelte sie, sich seiner erwehrend, »du weckst deine Mutter.«

»Du mußt mich erlegen!« lispelte der Kleine, sie nur fester umschlingend, »steche mich jetzt todt, hörst du?«

Sie erhob sich mit ihm, der noch immer an ihrem Halse hing, eilte ein paarmal, leise auftretend, mit ihrer Last in dem Raume auf und ab und drohte dann scherzend, sie werde ihn herunter werfen. Kichernd, ganz in dem Spiel aufgehend, warf sie ihn schließlich auf das Stroh, das in einem Winkel der Hütte aufgehäuft lag, suchte den sich vor unterdrückter Heiterkeit Windenden immer wieder mit Strohbündeln zuzudecken, und bohrte ihm den Zeigefinger bald in die Hüfte, bald in die Brust, wobei sie schalkhafter Weise die Miene eines Kämpfenden annahm.

»So, jetzt bist du erlegt,« flüsterte sie ganz erschöpft und sehr erhitzt, nach Athem ringend, »jetzt ist es genug, du ermüdest mich zu sehr, Brutus. Horch, deine Mutter bewegt sich – komm, wir setzen uns zu ihr.«

»Nein, wir wollen noch den Gladiator spielen!« rief, diesmal ganz laut, der Kleine, »komm – das ist die Arena —.«

»Nein,« flüsterte sie, »denke doch an deine arme Mutter – willst du mich nicht festhalten – pfui! – Das darfst du nicht! Ei, bist du ungezogen, du zerreißest mir ja das Kleid!«

Wirklich hatte der Knabe ihr triumphirend ein Stück ihres Gewandes von der Schulter gerissen, weshalb sie ihm, halb im Scherz, halb im Ernst, einen kleinen Backenstreich versetzte, der indeß so unbeholfen zartfühlend ausfiel, daß er den Wildfang nur desto inniger zum Lachen reizte. Hierauf eilte sie zu der Kranken zurück, die lächelnd die Scene beobachtete.

»Es ist ein wilder Junge, nicht wahr?« sagte diese, einen dankbaren Blick auf ihre Pflegerin werfend.

»Was man doch ein Kind ist,« sagte Lydia, »Götter, was man doch zuweilen kindisch ist,« keuchte Lydia verlegen lachend, ihre zerzausten Haare um die erhitzte Stirne ordnend, »aber ich weiß nicht – mir war auf einmal so fröhlich.« Darauf blieb sie desto ernster in sinnender Lage am Boden knieen, obgleich der kleine Brutus sich die erdenklichste Mühe gab, sie aus ihrem Hinbrüten zu stören und sie zur Heiterkeit zu bewegen. Die stille Versunkenheit verhinderte sie indeß nicht, dem Kleinen, der um sie hersprang, zuweilen einen freundlichen Blick zuzuwerfen, und als nun der Händler, der gegangen war, wieder eintrat, kam ihr selbst diese egoistische Schacherseele weniger abstoßend vor, als vor einigen Stunden. Er brachte ihr Milch und Brod, das sie mit dem Knaben theilte, indem sie dem Hungrigen zuweilen einen eingeweichten Bissen in den Mund schob, wobei ihr Fabius, in Gedanken versunken, zusah, bis er sich endlich entfernte. Die übrige Zeit verbrachte sie am Lager der Kranken, bis sie gegen Mittag bemerkte, daß der Händler mit unruhiger, unschlüssiger Miene durch den Vorhang in die Hütte schielte, dann wieder den Kopf zurückzog, um draußen vor dem Eingang ein begonnenes Gespräch fortzusetzen.

»Es geht in der That nicht,« hörte sie ihn hinter dem Vorhang sagen, »ich habe es ihm versprochen.«

»Nun, besehen wird man deine Waare doch wohl einmal dürfen,« erwiderte eine dünne, abgelebte Stimme, »du kannst ja nicht wissen, ob wir mehr zahlen.«

»Wenn es Paris erführe, er brächte mich um,« wandte der Händler ein.

»Ach was,« lächelte die andere Stimme, »wenn ich nun tausend Sesterzen mehr bezahle, he?«

»Das wäre freilich —,« stotterte Fabius zögernd.

»Siehst du?« fuhr die andere Stimme fort, »du weißt ja noch gar nicht, ob der Tänzer dich richtig bezahlt. Wo will ein Tänzer diese Summe hernehmen, wenn er nicht zum Dieb werden will?«

»Das ist richtig,« hörte Lydia den Händler sagen, und sie begriff jetzt, um was es sich handelte. Sie hatte zu frühe von endlicher Erlösung aus dieser Fessel geträumt!

Ein Käufer, der im Stande war, tausend Sesterzen mehr zu zahlen, konnte sie ihm, dessen Dienerin sie so gerne geworden wäre, entreißen. Und da Paris arm zu sein schien, lag nicht ihr ganzes Glück in ungewisser, dämmernder Ferne, und konnte es nicht jeden Augenblick vernichtet werden? Vor ihren Augen rannen alle Gegenstände verworren ineinander, die Ohren rauschten ihr, wie damals, als die Wellen des Tiber ihren Leib umschlangen. In ihrem kindischen Kopf begann ein Gedanke den andern zu verschlingen, bald hegte sie seligste Hoffnung, bald war sie ein Opfer des Zweifels. Und so saß sie, als wenn ihr ein gliedererstarrender Traum die Sinne betäubt, keiner deutlichen Ueberlegung fähig.

Während der kleine Brutus neben ihr eifrigst den Rest einer Mahlzeit verzehrte, die eigentlich seiner Mutter zukommen sollte, verlor sich draußen das Gespräch und Lydia, die hierdurch wieder ein wenig zu sich selbst kam, faltete die Hände und flehte, indem sie murmelnd die Lippen bewegte, zu den Göttern. Das Gefühl, daß sie eine Waare und demnach käuflich sei, hatte eigentlich nichts Demüthigendes für ihr unerfahrenes Herz, es war ihr zu selbstverständlich, ja, im Gegentheil, das Gefühl der Abhängigkeit, in das sie hierdurch gerieth, würde sie wenigstens Paris gegenüber gerne ertragen haben. Es erschien ihr so beseligend, es war ihr etwas so Helles, Sonniges damit verknüpft ihm zu dienen, einerlei ob als Sklavin, ob als Eheweib. Sie besaß einen zu schwachen, zu wenig des Nachdenkens fähigen Geist, als daß sie ihr Loos als ein entwürdigendes empfand, ja sie malte sich in ihrer kindlichen Phantasie mit Genuß Paris als einen Tyrannen aus, der sie grausam mißhandelte, obgleich sie sehr wohl wußte, daß Paris durchaus nichts von einem derartigen Unmenschen an sich hatte. O, wenn er doch krank wäre, dachte sie manchmal, damit ich ihn pflegen könnte, ja für ihn aufopfern, für ihn sterben hätte sie mögen, wobei sie sich freilich das Todtsein in ihrem Verstande nur als eine andere bessere Art von Lebenbleiben vorstellte, so daß sie in diesem zweifelhaften Zustande, gleichsam als schöne Leiche, glaubte, sie werde der Liebe des jungen Mannes desto näher stehen und ihn desto gewisser an sich zu fesseln vermögen. Alle diese Phantasien hatten vielleicht ihren Ursprung in der eigenthümlichen Art, mit der des Mimen Charakter ihrem ahnungslosen Herzen imponirte, denn jenes freie Benehmen, das den Hauch der Bühnenwelt in prosaische Verhältnisse hereintrug, diese Gehobenheit des ganzen Wesens mußte auf ihr für Kunsteindrücke so empfängliches, griechisches Gemüth einen Reiz ausüben, der um so gefährlicher war, da dies Gemüth sich gänzlich arglos, unverdorben, urtheilslos der Welt hingab. Es war weniger das Mitleid, das er ihr entgegenbrachte, was sie anzog, obgleich sie auch dieses zu schätzen wußte. Es ging von ihm ein Odem aus, der jedes Weib berauschte, selbst wenn er sich bemühte, den Theatermenschen abzulegen, möglichst prosaisch zu sein. Selbst wenn ihn die tiefsten Gemüthsbewegungen aus jener phantastischen Scheinwelt in die nüchterne grausame Wirklichkeit herunterrissen, vergebens – er konnte in gewissen Bewegungen, Mienen und Stellungen nicht verleugnen, daß er gewohnt war, vor einer großen Volksmenge eine Rolle darzustellen und gebührend bewundert zu werden. Auch in dem Augenblick, da er mit Lydia gesprochen und sich sein Herz im Innersten erschlossen, war er Paris der Mime geblieben, dessen künstlerisch malerische, dessen durchdachte Bewegungen einen unbewußten Zauber um sich her verbreiteten. Dazu kam noch, daß Paris die Spuren des wüsten Lebens, das er geführt, ebenfalls nicht wohl völlig verbergen konnte, und daß oft gerade die Unschuld einem seltsamen, ihr selbst unerklärlichen Hang folgend, das Unbestimmte, Geheimnißvolle des Lasters zu ergründen strebt, besonders, wenn dies Laster nur der nachlässig umgeworfene Bettlermantel einer ursprünglich vornehmen Natur ist, wenn sich unter dem Leichtsinn Bildung und Tiefe versteckt. Nicht als ob Paris unwahr oder niedrig gewesen wäre, im Gegentheil, er erschien ehrlich und äußerst taktvoll, aber der Offenheit seines Benehmens war ein geistreich beobachtender Zug beigemischt, der ungemein interessirte. Sein feines Anständigkeitsgefühl war von einer liebenswürdigen Charakterschwäche angekränkelt, die man, da sie immerhin aus einem reichen Inneren hervorbrach, ihm gerne verzieh. Die Art, wie er die Augenlider melancholisch niederschlug, der resignirte Ausdruck seines schönen Gesichtes, der sich oft plötzlich in einem graziösen Lächeln verflüchtigte, die Wahl und Aussprache seiner Worte bestach jedes Herz und ließ erkennen, daß man es hier nicht mit einem gewöhnlichen Menschen zu thun habe. Lydia, die bei ihrer einfachen Denkungsart natürlich das Wesen des jungen Mannes nur sehr unvollkommen verstand, lockte gerade dies ihr Räthselhafte, und sie versenkte sich jetzt ganz aufgelöst mit innerem Auge so tief in dies anziehende Benehmen, daß sie, zu des kleinen Brutus Ergötzen, manchmal unverständliche Worte vor sich hinmurmelte. Bei ihr ersetzte die ihrem Volke eigenthümliche Phantasie gewissermaßen den eindringenden Verstand, sie schaute, statt zu urtheilen, sie fühlte, anstatt zu ergründen, und so kam es, daß trotz ihrer angeborenen Beschränktheit eine tiefe Leidenschaft in ihr Wurzel schlug.

»Was du nur hast?« frug das Kind die Sinnende.

Das Mädchen lächelte, küßte den Kleinen und ging dann sich umzukleiden. Dabei konnte sie es nicht unterlassen, immer wieder durch die Ritzen ihrer Bretterhütte auf die Straße zu schauen, als müsse sie unter den Vorübergehenden ihn erkennen, an den sie so viel dachte. Aber der Markt leerte sich, die Käufer gingen, die Buden wurden geschlossen, und die Dunkelheit sickerte leise, wie ein fein gewobener Vorhang zwischen den weißen Häusern auf das römische Straßenpflaster nieder.

Rasch entschlossen bat sie, im Tempel des Kastor beten zu dürfen, was ihr erlaubt wurde, und so huschte sie, ein Tuch um den Kopf, die Stufen des Tempels hinauf, immer noch, während sie zu Zeus flehte, erwartend, sie müsse ihn hinter dem Altar oder hinter einer Säule auf sich zukommen sehen.

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04 aralık 2019
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