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Kitabı oku: «Herz und Wissen», sayfa 11

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Capitel XXIII

Es entstand eine Pause; Mrs. Gallilee erwartete, daß Miß Minerva sprechen sollte, und diese, daß die Andere ihr vertraulich entgegenkäme. Vom Garten her erscholl das gezwitscher der Sperlinge, und gedämpft herein dringende Klaviertöne verkündeten, daß im Schulzimmer die Musikstunde begonnen hatte.

»Die Vögel machen einen unangenehmen Lärm«, bemerkte Mrs. Gallilee nach einer Weile.

»Und das Piano scheint verstimmt zu sein«, meinte Miß Minerva.

Mrs. Gallilee sah ein, daß sie selbst auf den Gegenstand, den sie im Auge hatte, zurückkommen müßte, wenn sie ihn nicht fallen lassen wollte, und sie fing daher wieder an:

»Ich fürchte, daß Sie mich nicht recht verstanden haben.«

»Ich fürchte, recht einfältig gewesen zu sein«, bekannte die Gouvernante.

»Wir sprachen von Mr. Le Frank und meiner Nichte, als Lehrer und Schülerin. Sind Sie in der Lage gewesen, sich ein Urtheil über Carmina’s musikalische Fertigkeit zu bilden?«

»Nein, ich habe noch keine Gelegenheit dazu gehabt«, antwortete die kluge Gouvernante.

»Ich habe von Mr. Le Frank ein Anerbieten bekommen«, fuhr Mrs. Gallilee fort, damit ihren Trumpf ausspielend, indem sie Miß Minerva einen Brief überreichte. »Wollen Sie mir sagen, was Sie davon halten?«

In dem Briefe schrieb Mr. Le Frank in servilen Ausdrücken, daß, falls Mrs. Gallilee’s reizende Nichte eines Lehrers in der Musik bedürfen sollte, er zu hoffen wage, daß ihm die Ehre und das Glück zu Theil werden möchten, die Studien derselben beaufsichtigen zu dürfen. Noch einmal nach dem Anfange des Briefes sehend, entdeckte die Gouvernante, daß diese bescheidene Offerte das Datum von vor acht Tagen trug, und sie fragte:

»Haben Sie Mr. Le Frank geantwortet?«

»Ich habe ihm nur geschrieben, daß ich sein Anerbieten in Erwägung ziehen wollte.«

Hatte sie auf die Abreise ihres Sohnes gewartet, ehe sie eine Entscheidung treffen wollte? Miß Minerva erinnerte sich, daß, als Mrs. Gallilee zuerst einen Musiklehrer für ihre Kinder hatte engagieren wollen, ihr Sohne sich gegen Mr. Le Frank ausgesprochen hatte.

»Wüßten Sie irgend etwas, was gegen die Annahme des Vorschlages wäre?« fragte Mrs. Gallilee.

»Ich halte es für eine delikate Sache, hier ein Urtheil abzugeben«, sagte Miß Minerva bescheiden. die allerdings einen Einwand wußte und Dank jener Erinnerung eine besonders boshafte Weise entdeckte, denselben vorzubringen.

»Bezieht sich das auf Mr. Le Frank?« fragte Mrs. Gallilee überrascht.

»Nein; ich zweifle nicht daran, daß sein Unterricht jeder jungen Dame dienlich sein würde.«

»Oder denken Sie dabei an meine Nichte?«

»Nein, Mrs. Gallilee, aber an Ihren Herrn Sohn«

»Wieso, wenn ich fragen darf?«

»Ich glaube, Ihr Herr Sohn würde dagegen sein, Mr. Le Frank zu Miß Carmina’s Lehrer anzunehmen.«

»Aus sachlichen Gründen?«

»Nein, aus persönlichen.«

»Wie meinen Sie das?«

»Sie haben wohl vergessen, daß damals, als Sie Mr. Le Frank für Ihre Töchter engagieren wollten, seine Persönlichkeit einen unangenehmen Eindruck auf Ihren Herrn Sohn machte, der dann Erkundigungen einzog, die Sie für unnöthig gehalten hatten. Verzeihen Sie, wenn ich diesen Umstand erwähne, aber ich bin es mir selbst schuldig, mein Urtheil zu rechtfertigen – ein Urtheil, das, wie Sie sich gütigst erinnern wollen, nicht freiwillig abgegeben wurde. Mr. Ovid’s Nachfragen brachten ein sehr unangenehmes Gerücht über Mr. Le Frank und eine frühere Schülerin desselben an’s Licht.«

»Das war eine abscheuliche Verleumdung, Miß Minerva! Es überrascht mich, daß Sie darauf zurückkommen.«

»Ich beziehe mich, gnädige Frau, nur auf die Ansicht, die Mr. Ovid von der Sache hatte. Wäre es Mr. Le Frank nicht gelungen, sich erfolgreich zu rechtfertigen, so wäre er natürlich nicht in dies Haus aufgenommen. Aber Ihr Herr Sohn hatte seine eigene Ansicht von der Rechtfertigung desselben. Ich war damals zugegen und hörte ihn sagen, daß er, wenn Maria und Zo älter gewesen wären, zu einem Lehrer gerathen haben würde, der keine falschen Gerüchte über sich zu widerlegen brauchte; da sie indeß noch Kinder wären, wollte er weiter nichts sagen. Daran dachte ich vorhin. Mr. Ovid wird jedenfalls unzufrieden sein, wenn er hört, daß Mr. Le Frank der Musiklehrer seiner Cousine ist; und sollte ihm in seiner Abwesenheit irgend ein albernes Geschwätz zu Ohren kommen, so könnte das unangenehme Resultate – ich meine Mißverständnisse nach sich ziehen, die auf schriftlichem Wege nicht leicht zu berichtigen sein und daher höchst wahrscheinlich Mißtrauen und Eifersucht erwecken könnten.«

Miß Minerva wußte, daß der Musiklehrer nur als Mittel dienen sollte, um zwischen Ovid und Carmina Unheil zu stiften, und sie würde der Mutter ihre Hilfe wahrscheinlich nicht versagt haben, wenn dieselbe sie in’s Vertrauen gezogen hätte. So aber war sie auf ihrer Hut, um zu verhindern, daß ihr vielleicht einmal die Schuld für das Complott in die Schuhe geschoben werden könnte.

Mrs. Gallilee hatte darauf gerechnet, daß die Gouvernante bei ihrer heimlichen Neigung zu Ovid jedem Anschläge, der eine Entfremdung desselben mit Carmina befördern könnte, ohne Zögern und Mißtrauen zustimmen würde, sah sich aber wiederum von derselben geschlagen. Es blieb ihr nun nichts übrig, als der Heirath auf eigene Verantwortlichkeit hin das erste Hindernis; in den Weg zu legen.

»Ich zweifle nicht daran, daß Sie aufrichtig gesprochen haben«, sagte sie, da die Gouvernante mit den Händen im Schooße ruhig dasaß »aber Sie haben doch dem verständigen Sinne meines Sohnes nicht Gerechtigkeit widerfahren lassen, und Sie sind – was bei Ihrer Stellung ja ganz natürlich ist – nicht im Stande, seine Ergebenheit und Zuneigung zu Carmina richtig zu würdigen.«

Da dieser Stich auch nicht von der geringsten sichtbaren Wirkung belohnt wurde, so fuhr sie nach einer Pause, während welcher sie Miß Minerva beobachtet hatte, fort: »Ziemlich die letzten Worte, die er mit mir sprach, drückten sein Vertrauen – sein hingebendes Vertrauen zu meiner Nichte aus. Der bloße Gedanke daran, daß er auf Jemanden eifersüchtig sein könnte, besonders auf eine Persönlichkeit wie Mr. Le Frank, ist einfach lächerlich. Es wundert mich, daß Sie die Sache nicht in diesem Lichte sehen.«

»Ich würde dieselbe so gut wie Sie in diesem Lichte sehen«, entgegnete Miß Minerva, »wenn Ovid zu Hause wäre.«

»Was für einen Unterschied macht das?«

»Entschuldigen Sie – einen großen Unterschied, dächte ich. Er hat eine lange Reise unternommen, und zwar bei schlechter Gesundheit, und es werden Stunden, kommen, wo er niedergeschlagen sein wird. Zu solchen Zeiten werden Kleinigkeiten ernst genommen und häufig sogar wohlgemeinte Worte – in Briefen, meine ich – falsch verstanden. Ich wüßte das, was ich gesagt habe, nicht besser zu vertheidigen, und kann nur bedauern, daß ich Ihr schmeichelhaftes Vertrauen in mich so unbefriedigend vergolten habe.«

Nachdem sie so ihrerseits ihren Stich angebracht hatte, erhob sie sich, um sich zurückzuziehen. »Haben Sie sonst noch Befehle für mich?«

»Ich möchte gern ganz sicher sein, daß ich Sie nicht mißverstanden habe«, erwiderte Mrs. Gallilee. »Sie halten Mr. Le Frank für befähigt, die musikalischen Studien einer jungen Dame zu leiten? Danke Ihnen. Dann bin ich über den Punkt, in Betreff dessen ich Ihren Rath einzuholen wünschte, beruhigt. Wissen Sie, wo Carmina ist?«

»Auf ihrem Zimmer, denke ich.«

»Wollen Sie die Güte haben, dieselbe zu mir zu schicken?«

»Mit dem größten Vergnügen. Guten Abend.«

Das war der erste Versuch Mrs. Gallilee’s, Miß Minerva zu benutzen, ohne derselben Vertrauen zu schenken.

Capitel XXIV

Während die Herrin des Hauses und die Gouvernante ihre besonderen Gründe hatten, sich auf ihre Zimmer zurückzuziehen, war für Carmina die Einsamkeit eine Nothwendigkeit, da die einzigen Freunde, welche die Arme jetzt um sich versammeln konnte, die Abwesenden und Todten waren. Sie hatte an Ovid geschrieben, blos weil ihr der Gedanke Vergnügen machte, daß der Brief ihn auf dem Postdampfer begleiten würde, mit dem er nach Quebec fuhr. Auch an Teresa hatte sie geschrieben. Darauf hatte sie das Piano geöffnet und die göttlich schöne Musik Mozart’s gespielt, bis dieselbe sie traurig gestimmt und sie das Instrument mit wehem Herzen geschlossen hatte. Dann saß sie eine Zeit lang am Fenster und dachte an Ovid, aber mit dem Vorrücken des Abends wurde die Einsamkeit immer schwerer zu ertragen und sie schellte nach dem Mädchen und fragte dasselbe, ob Miß Minerva Muße habe. Auf die Mittheilung daß dieselbe zu Mrs. Gallilee gerufen worden, fragte sie nach Zo. Aber auch diese befand sich im Schulzimmer, um nach Maria ihren Musikunterricht zu bekommen. Als sie wieder allein war, öffnete sie ihr Medaillon und legte Ovid’s Porträt neben dasselbe auf den Tisch. Ihre traurige Phantasie weilte bei ihren todten Eltern; sie malte sich aus, wie ihr Geliebter denselben vorgestellt würde und durch seine muntere Stimme, sein anmuthiges Lächeln und seine klugen, freundlichen Worte ihre Herzen gewönne. So fand sie Miß Minerva noch ganz in ihre melancholischen Träume versunken, sich die Abwesenden zurückrufend, die Todten belebend – nicht wie eine Siebzehnjährige, sondern wie eine, die sich dem Grabe nähert.

Als die Gouvernante ihr meldete: »Mrs. Gallilee wünscht Sie zu sprechen«, sprang sie voll Unruhe auf. »Habe»ich ein Unrecht gethan?«

»Nein. Weshalb fragen Sie so?«

»Sie sprechen in so eigenthümlicher Weise. O Frances, ich habe mich nach Ihrer Gesellschaft gesehnt, und jetzt, da Sie hier sind, sehen Sie mich so kalt an, als ob ich Sie beleidigt hätte? Vielleicht sind Sie nicht wohl?«

»Das ist es; ich befinde mich nicht gut.«

»Nehmen Sie etwas von meinem Lavendelwassers Lassen Sie mich Ihnen die Stirn kühlen bei der Hitze Nein? Aber Liebe, setzen Sie sich auf jeden Fall. Was will meine Tante von mir?«

»Das sage ich Ihnen am Besten nicht.«

»Warum nicht?«

»Da sie jedenfalls fragen wird, was ich Ihnen gesagt habe. Ich habe ihre Geduld auf die Probe gestellt, und Sie wissen, was das bei ihr heißt! Sie hat mich statt des Mädchens geschickt, um mir Gelegenheit zu geben, irgend eine Unklugheit zu begehen; daher besorge ich den Auftrag genau so, wie das Mädchen gethan haben würde – und das können Sie ihr mit ruhigem Gewissen sagen. Also fragen Sie nicht weiter!«

»Nur noch eins, bitte. Handelt es sich um Ovid?«

»Nein«

»Dann kann meine Tante noch etwas warten. Setzen Sie sich; ich möchte mit Ihnen sprechen.«

»Und über was?«

»Ueber Ovid natürlich!« Carmina’s Aussehen und Ton beruhigten Miß Minerva sofort, denn sie bewiesen ihr, daß ihr Benehmen am Tage vorher bei ihrer unschuldigen Nebenbuhlerin keinen Argwohn wachgerufen hatte; doch weigerte sie sich, einen Stuhl zu nehmen, und sagte:

»Ich habe Ihnen schon gesagt, daß Ihre Tante in schlechter Laune ist. Gehen Sie lieber sofort zu ihr.«

Carmina erhob sich widerwillig, indem sie bemerkte: »Ich hatte so vieles, was ich Ihnen zu sagen wünschte —«, wurde hier aber durch ein schnell aufeinander folgendes Klopfen an der Thür unterbrochen. Es war die discrete, gebildete Maria, die sich mit Anmuth bei Carmina entschuldigte und dann, sich mit Bekümmerniß an Miß Minerva wendend, zu dieser sagte:

»Ich bedauere, Ihnen mittheilen zu müssen, daß Sie im Schulzimmer verlangt werden, da Mr. Le Frank nichts mit Zo anfangen kann.« Dabei seufzte sie über die Schlechtigkeit ihrer Schwester und wartete auf Anweisungen.

»Sage, daß ich Dir aus dem Fuße folge«, antwortete Miß Minerva, der diese Abberufung erwünscht war, da die herzliche Bewillkommnung von Seiten Carmina’s sie auf ganz unbegreifliche Weise gereizt hatte. Sie war böse auf sich, daß sie gereizt war, und verspürte Neigung, das Mädchen dafür zu schmähen, daß es an sie glaubte; und hätte sie nicht Selbstbeherrschung besessen, vielleicht wäre sie in die wahnsinnigen Worte ausgebrochen: »Sie Gans, weshalb durchschauen Sie mich nicht? Warum schreiben Sie nicht an den Narren, der in Sie verliebt ist, und sagen ihm, wie ich Sie beide hasse?« Maria’s Dazwischenkommen war ihr deshalb unbeschreiblich willkommen.

Als letztere wieder gegangen war, wollte ihr Miß Minerva mit einigen eiligen Entschuldigungsworten folgen, aber Carmina hielt sie an der Thür zurück.

»Seien Sie nicht streng mit Zo!« bat sie.

»Ich muß meine Pflicht thun«, antwortete Miß Minerva ernst.

»Wir waren als Kinder selbst manchmal unartig«, begütigte Carmina, »und sie hat erst neulich Brod und Wasser statt des Thees bekommen. Ich habe Zo so gern! Außerdem —«, und dabei sah sie die Gouvernante zweifelhaft an – »ich glaube nicht, daß Mr. Le Frank der Mann danach ist, mit Kindern umgehen zu können.«

»Warum meinen Sie das?« fragte die Gouvernante, die dieser Meinungsausdruck nach dem, was vorher zwischen ihr und Mrs. Gallilee vorgegangen war, neugierig machte.

Nun, weil Mr. Le Frank so häßlich ist. meinen Sie nicht auch?«

»Sie sollten doch lieber Ihre Meinung für sich behalten. Wenn er das erführe —«

»Ist er eitel? Mein armer Vater pflegte zu sagen, daß alle schlechten Musiker eitel seien.«

»Sie nennen doch Mr. Le Frank nicht einen schlechten Musiker?«

»O doch, das thue ich habe ihn in seinem Concerte gehört. Sein Spiel ist ein mechanisches Herleiern – eine Spieldose macht es ebenso gut. Sehen Sie, er macht so!«

Die Gesellschaft ihrer Freundin hatte ihr ihre jugendliche Laune zurückgegeben und sie ging zum Piano und amüsierte sich damit, Mr. Le Frank nachzuahmen. Da wurde sie durch ein energisches einmaliges Klopfen an der von Miß Minerva vorhin halb offen gelassenen Thür unterbrochen. Die Gouvernante sah durch die Oeffnung und erblickte – Mr. Le Frank, dessen kahler Kopf zitterte und dessen blühende Gesichtsfarbe sich vor verhaltener Wuth in fahle Blässe verwandelt hatte.

»Die kleine Range ist davongelaufen!« sagte er und eilte dann die Treppe hinunter, als ob er sich nicht getraute, auch nur noch ein Wort mehr zu sagen.

»Hat er mich gehört?« fragte Carmina zaghaft.

»Vielleicht hat er nur Ihr Spiel gehört«, antwortete Miß Minerva, trotzdem sie nicht daran zweifelte, daß Mr. Le Frank Carmina’s Ansicht über ihn ganz genau kenne. Denn wenn es auch erklärlich war, daß er die Gouvernante von dem Davonlaufen Zo’s in Person in Kenntniß setzte, so war doch unmöglich anzunehmen, daß die Flucht der Kleinen die Ursache des wüthenden Aergers gewesen wäre, den sein Gesicht vorher verrieth. Nein; der eitelste Mann und Musiker hatte gehört, daß er häßlich wäre und daß sein Vortrag dem Spielen einer Spieldose glich.

Sie verließen dann zusammen das Zimmer – Carmina, die sich unbehaglich fühlte, um ihrer Tante ihrer Aufwartung zu machen; Miß Minerva, die über dem Geschehenen brütete, um die entflohene Zo aufzusuchen. Der Bediente hatte sie indeß schon dieser Mühe überhoben, da er der in bloßem Kopfe in die Anlagen rennenden Kleinen gefolgt war und sie zurückgebracht hatte. Als Zo eingeschlossen wurde, sagte sie: »Ich mache mir nicht’s daraus; ich hasse Mr. Le Frank.« Aber Miß Minerva war zu sehr mit ihren Gedanken beschäftigt, um auf diese neue Unart ihres Zöglings Acht zu geben. Sie dachte daran, ob Mrs. Gallilee’s Plan jetzt wohl gelingen möge. Mochte nun Mr. Le Frank einwilligen, der Lehrer Carmina’s zu werden, oder nicht – Mrs. Minerva kannte die rachsüchtige Natur des Mannes sehr gut: er vergab nie und vergaß nie, sondern war Carmina’s Feind für’s Leben.

Capitel XXV

Der Monat Juli ging seinem Ende zu. Am Morgen des achtundzwanzigsten war Carmina damit beschäftigt, einen von Teresa erhaltenen Brief zu beantworten und derselben einen Bericht über ihre häuslichen Erlebnisse während ihres Aufenthaltes unter Mrs. Gallilees Dache zu geben. Der Brief lautete, aus dem Italienischen übersetzt:

»Bist Du mir böse, liebe Teresa, weil ich so spät auf die traurigen Nachrichten, die Du mir aus Italien mitgetheilt hast, antworte? Ich habe nur eine Entschuldigung.

Kann ich von Deiner Sorge um Deinen Mann hören, ohne den Wunsch zu empfinden, Dir Deine Bürde durch heitere Mittheilungen von mir tragen zu helfen? Wieder und wieder habe ich an Dich gedacht und meinen Schreibtisch geöffnet, aber dann verließ mich der Muth und ich schloß denselben wieder. Ob ich nun in glücklicherer Stimmung bin? Ja, meine gute alte Teresa, ich bin glücklicher – denn ich habe von Ovid einen Brief bekommen.

Er ist wohlbehalten in Quebec angelangt und fühlt sich nach der Seereise schon besser. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie schön und zärtlich er schreibt! Wenn ich seinen Brief lese, bin ich fast mit seiner Abwesenheit ausgesöhnt. Kann Dir das einen Begriff von dem Glücke und dem Troste geben, den ich diesem besten und theuersten der Menschen verdanke?

Ach, mein Großmütterchen, ich sehe wie Du stutzig wirst und mit dem Daumennagel Dein Lieblingszeichen unter dem Worte »Troste« machst, und höre Dich für Dich hin brummen, »Ist sie in ihrem englischen Heim unglücklich? Und ist Tante Gallilee daran Schuld?« Ja, es ist so! Was ich um die Welt nicht an Ovid schreiben würde, Dir kann ich es gestehen: Tante Gallilee ist wirklich eine hartherzige Frau.

Erinnerst Du Dich, wie Du mir in Deiner geraden Weise sagtest, daß Mr. Le Frank wie ein Schurke aussähe? Ob er es ist, weiß ich nicht – aber ich weiß, daß meine Tante gerade durch sein Benehmen mit mir unzufrieden ist.

Vor drei Wochen schickte sie nach mir und sagte mir, daß meine Erziehung vollendet werden müsse, und daß besonders meine Musik nicht vernachlässigt werden dürfe, worauf ich ihr mit aller nöthigen Bereitwilligkeit und Achtung antwortete, daß ich gern bereit wäre, ihr zu gehorchen. Dann sagte sie, daß sie bereits einen Musiklehrer für mich gewählt habe, und nannte dann zu meinem Erstaunen seinen Namen. Mr. Le Frank, der Lehrer ihrer Kinder, sollte auch mir Unterricht geben! Ich habe viele Fehler, glaube aber wirklich, daß Eitelkeit nicht darunter ist, und wenn ich sage, daß ich besser Klavier spiele als Mr. Le Frank, so habe ich das nur meinem ausgezeichneten Lehrer in Italien zu verdanken. Davon ließ ich indeß wohlverstanden meiner Tante gegenüber nichts verlauten, da das einmal undankbar und dann auch nutzlos gewesen wäre; sie versteht eben nichts von Musik und macht sich nichts aus derselben.

So schieden wir als gute Freunde, und sie schrieb noch denselben Abend, um Mr. Le Frank für mich zu engagieren. Als aber am folgenden Tage seine Antwort kam, lehnte er es ab, mir Unterricht zu geben – und das, nachdem er sich selbst vorher in einem Briefe an meine Tante dazu angeboten hatte! Nach seinen Gründen gefragt, machte er die Ausrede, daß er über die freie Zeit, die er damals gehabt, wegen eines neuen Schülers nicht mehr verfügen könnte; aber der wahre Grund ist der, daß er gehört hat, wie ich ihn einen häßlichen Menschen und schlechten Spieler genannt habe, was ja, wie ich nicht leugne, ziemlich unbedacht von mir war. Miß Minerva sondierte ihn auf meine Bitte in der Sache, natürlich, um mich zu entschuldigen, aber er that, als ob er nicht verstünde, was sie meinte – aus welchem Grunde, weiß ich wirklich nicht Du wirst sagen »falsch und rachsüchtig«, und hast vielleicht Recht. Aber das Ernste bei der Sache für mich ist das Benehmen meiner Tante gegen mich, die mich kaum mit größerer Kälte und Strenge behandeln könnte, wenn ich ihren liebsten Wunsch durchkreuzt hätte. In Betreff meiner Erziehung hat sie noch nichts wieder verlauten lassen; wir treffen uns nur bei Tische, wo sie mich wie irgend eine vollständig Fremde empfängt; ihre eisige Höflichkeit ist unerträglich. Und diese Frau ist die Mutter meines geliebten Ovid’s!

Ob ich nun mit meinem Kummer fertig bin? Nein, Teresa, noch nicht. Ach, wie ich wünsche, bei Dir in Italien zu sein!

Du wiederholst in Deinen Briefen beharrlich, daß ich mich täusche, wenn ich Miß Minerva für meine aufrichtige Freundin halte. Aber bedenke doch, bitte – selbst wenn ich mich irren sollte – wie verlassen ich hier im Hause stehe! Ich kann ja mit der kleinen Zo spielen; aber mit wem soll ich sprechen, wem mich anvertrauen, wenn Miß Minerva sich als falsch beweisen sollte?

In meinem letzten Briefe wollte ich nicht zugeben, daß solch eine schreckliche Entdeckung möglich sein könnte, und nahm schon den bloßen Gedanken daran als Beleidigung meiner Freundin auf; seitdem – sieh’, mein Gesicht brennt vor Scham, während ich dies schreibe – seitdem bin ich in meiner Ansicht ein wenig, ein ganz klein wenig erschüttert, Und soll ich Dir sagen, wie das anfing? Ja; ich will es thun.

Meine liebe alte Freundin, Du hast Deine Vorurtheile, aber Du sagst aufrichtig, was Du meinst – und wen anders kann ich um Rath fragen? Ovid nicht; nein! Es ist mein einziges Bestreben, zu verhindern, daß er sich um mich ängstige; und außerdem habe ich seine Meinung über Miß Minerva bekämpft und ihn bewogen, freundlicher über sie zu denken. Solltet Ihr beide dennoch Recht gehabt haben, und habe ich allein Unrecht? Du sollst selbst urtheilen.

Die Veränderung in Miß Minerva’s Benehmen gegen mich begann, nachdem ich etwas gethan hatte, das uns gerade noch näher als früher hätte zusammenbringen müssen. Sie erhält von meiner Tante nur ein kärgliches Salair und wurde von geringfügigen Schulden gequält, und als sie mir das gestand, lieh ich ihr bereitwillig das Geld zur Bestreitung ihrer Rechnungen – eine Kleinigkeit, nur dreißig Pfund. Aber was, glaubst Du, that sie da? Sie zerknitterte die Banknoten in der Hand und verließ in ganz befremdlicher aufgeregter Weise das Zimmer, als ob ich ihr nicht geholfen, sondern sie beleidigt hätte! Den ganzen folgenden Tag ging sie mir aus dem Wege, und als ich am Tage darauf zu ihr auf ihr Zimmer ging und sie fragte, was sie habe, gab sie mir die außerordentliche Antwort: »Ich weiß nicht, wen von uns beiden ich am meisten verabscheue – mich oder Sie. Mich, weil ich mir von Ihnen Geld´borgte, oder Sie, weil Sie es mir geliehen haben.«

Ich ging wieder fort, nicht beleidigt, sondern nur verwirrt und bekümmert; und erst nach länger als einer Stunde kam sie, um sich zu entschuldigen, wobei sie indeß weiter nichts sagte, als daß sie krank und elend sei. Sie sah aber auch in der That so elend aus, daß ich ihr sofort vergab. Hättest Du das an meiner Stelle nicht auch gethan?

Dies war vor vierzehn Tagen, und gestern stellte sie meine Neigung für sie auf eine noch weit härtere Probe, die ich noch nicht überwunden habe.

Ovid’s Brief enthielt in den freundlichsten Ausdrücken eine Bestellung für sie. Er erinnerte sich, wie er schrieb, mit Dankbarkeit ihres freundlichen Versprechens bei seinem Abschiede; glaubte, daß sie Alles, was in ihren Kräften stände, thun würde, um mein Leben in seiner Abwesenheit glücklich zu machen; und bedauern, daß sie ihn so schnell verlassen, daß er ihr nicht persönlich hätte danken können. Mit Stolz und Freude ging ich selbst zu ihrem Zimmer und las ihr die Stelle vor – und weißt Du, wie sie mich empfing? Nein, Niemand – wirklich Niemand kann es errathen.

Sie gerieth, denke Dir, in die größte Wuth, und zwar nicht nur über mich (was ich ihr verziehen haben könnte), sondern auch über Ovid (was vollständig unentschuldbar ist). »Wie kommt er dazu, Ihnen von dem zu schreiben, was ich ihm beim Abschiede sagte?« brach sie los. »Und wie kommen Sie dazu, hierherzukommen, und es mir vorzulesen? Was geht mich Ihr Leben in seiner Abwesenheit an! Was habe ich von seiner Erinnerung und seiner Dankbarkeit!« Dabei sprach sie mit solcher Wuth und Verachtung von ihm, daß es mich zuletzt aufbrachte und ich zu ihr sagte: »Sie abscheuliche Person, es steht Ihnen nur eine Entschuldigung zur Seite – Sie sind toll!« Damit verließ ich das Zimmer – und ob ich die Thür schlug! Seitdem haben wir uns nicht wieder gesehen. Nun sage mir Deine Ansicht, Teresa. Ich war in Leidenschaft, als ich ihr das sagte; aber hatte ich denn ganz Unrecht? Glaubst Du wirklich, daß die Arme bei Sinnen ist?

Beim Ueberlesen Deines Briefes sehe ich, daß Du wissen willst, ob ich irgend welche neuen Bekanntschaften gemacht habe.

Höre also: Ich bin mit einer der holdseligsten Frauen bekannt geworden, die ich bis jetzt getroffen habe. Und wer, glaubst Du, ist das wohl? Meine andere Tante, Mrs. Gallilee’s jüngere Schwester, Lady Northlake! Sie soll nicht so schön gewesen sein, wie Mrs. Gallilee, als beide jung waren; ich kann aber nur erklären, daß ein solcher Vergleich jetzt gar nicht mehr möglich ist. Lady Northlake hat so etwas Reizendes, in Blick, Stimme und Benehmen, das ich Dir gar nicht beschreiben kann. Papa sagte früher, daß sie liebenswürdig und schwach wäre, sich von ihrem Gatten leiten ließe und leicht beeinflußt würde. Ich bin nicht klug genug, um wie er Charaktere zu beurtheilen, und vielleicht bin ich auch schwach und leicht zu beeinflussen; ehe ich aber noch zehn Minuten in Lady Northlake? Gesellschaft gewesen war, hätte ich Alles, was ich in der Welt besitze, darum gegeben, wenn sie meine Vormünderin geworden wäre.

Sie war gekommen, um Abschied zu nehmen, da sie London verläßt, und da meine Tante nicht zu Hause war, unterhielten wir uns lange auf’s Entzückendste. Sie lud mich so freundlich ein, sie in Schottland zu besuchen und Lord Northlake kennen zu lernen, daß ich mit Freuden die Einladung annahm.

Und als meine Tante nach Hause kam, vergaß ich ganz, daß wir nicht auf gutem Fuße mit einander standen, und berichtete ihr enthusiastisch Alles, was zwischen ihrer Schwester und mir vorgegangen war. Und wie, glaubst Du, begegnete sie meiner Annäherung? Sie weigerte sich, mich nach Schottland reisen zu lassen, und als ich sie, nachdem ich meine Enttäuschung einigermaßen überwunden, fragte weshalb, antwortete sie: »Ich bin Deine Vormünderin und handle nach meinem Dafürhalten. Ich halte es für besser, daß Du bei mir bleibst.« Ich sagte weiter nichts, aber die Härte meiner Tante rief mir die Güte meines seligen Vaters zurück und ich mußte Alles aufbieten, um nicht zu weinen.

Bei späterer Ueberlegung nahm ich an, daß sie mich mit auf’s Land nehmen wolle, da jetzt die Saison ist, wo Jeder die Stadt verläßt, und das hatte auch Mr. Gallilee geglaubt, der immer gut gegen mich ist, und mir schon Segelfahrten an der Küste versprochen; aber zu Jedermanns Erstaunen hat sie noch nicht die Absicht bekundet, London zu verlassen, so daß selbst die Dienerschaft fragt, was das zu bedeuten habe.

Da hast Du einen ganzen Brief voll Klagen, der vielleicht Deine Sorgen vermehren könnte, anstatt sie zu erleichtern. Aber, liebe alte Teresa, Du brauchst nicht ängstlich zu sein. Im schlimmsten Falle brauche ich bei meinen kleinen Bekümmernissen nur an Ovid zu denken – und das Eis seiner Mutter schmilzt sofort von mir ab und ich fühle mich tapfer genug, Alles zu ertragen.

Empfange die beste Liebe – nein, die zweitbeste! – und gieb Deinem armen leidenden Manne etwas davon ab. Darf ich Dich wohl um eine kleine Gefälligkeit bitten? Der Engländer, der jetzt in unserem Hause in Rom wohnt, wird nichts dagegen haben, wenn Du Dir einige Blumen aus meinem früheren Garten holst. Schicke mir doch ein Paar in Deinem nächsten Briefe.«

Türler ve etiketler

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06 aralık 2019
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