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Kitabı oku: «Herz und Wissen», sayfa 12

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Capitel XXVI

Am zwölften August hörte Carmina wieder was von Ovid. Er schrieb von Montreal aus und schilderte die Ueberreichung jenes Empfehlungsschreibens, das er einst beinahe zerrissen hätte. Die damals so harmlos scheinenden Folgen dieser Ueberreichung sollten auf das Schicksal Ovid’s, Carmina’s und Benjulia’s von ernstlichem Einflusse sein.

Ovid’s Brief lautete:

»Ich möchte wissen, mein Lieb, ob es wohl einen zweiten Mann auf der Welt giebt, der seinem Lieblinge so von Herzen gut ist wie ich Dir; und sollte es noch einen solchen geben und derselbe durch widrige Umstände gezwungen sein zu reisen, so möchte ich ihn fragen, ob er wohl stets und ständig daran denkt, was er seinem Schatze vor der Trennung noch Alles hätte sagen sollen, aber vergessen hat zu sagen.

So liegt die Sache bei mir und davon will ich Dir ein Beispiel geben.

Ich habe hier einen Freund gefunden, einen Mr. Morphew, der neulich so freundlich war, mich zu einer musikalischen Abendunterhaltung in seinem Hause einzuladen. Er ist Arzt und amüsiert sich in seinen Mußestunden mit einer jener großen und traurigen Gattung von Streichinstrumenten, die man Violin-Cello nennt. Mit dem Beistande von Freunden kühlt er in der heißen Jahreszeit seine Gäste in gastfreundschaftlicher Weise durch die Vorträge eines Dilettantenquartetts ab. Ich habe bei ihm einen entzückenden Abend verbracht. Wenn Du aber glaubst, ich hätte der Musik gelauscht, so sage ich Dir, daß ich auch nicht eine einzige Note davon gehört, sondern nur an Dich gedacht habe.

Ob ich Dich wohl neugierig gemacht habe? Es ist mir, als ob ich Deine Augen sich erhellen sähe und Dich mich auffordern hörte fortzufahren!

Es fiel mir ein, daß Du eine so große Freundin von Musik bist, woran ich vor meiner Abreise hätte denken sollen, denn dann hätte ich Dir sagen können, daß der Unternehmer der Herbstconcerte in der Oper ein alter Freund von mir ist. Derselbe wird Dir aber von jetzt ab mit Freuden jeden Abend, wenn sein Programm Dich anzieht, eine Loge zur Verfügung stellen, denn ich habe meine Vergeßlichkeit dadurch gut gemacht, daß ich mit dieser Post an ihn geschrieben.«

Miß Minerva wird Deine Gesellschafterin im Theater sein, und wenn Mr. Frank (der jedenfalls auf der Liste der Freibillets steht) Dir in Deiner Loge einen Besuch abstattet, so sage ihm von mir, er möge sich eine Perücke über die Glatze decken, vielleicht gäbe ihm Das das Aussehen eines Ehrenmannes!

Habe ich auch vergessen, Dir zu sagen, welcher Schatz Du mir bist? wie schön ich Dich finde? wie vollständig werthlos mein Leben ohne Dich wäre? Vielleicht habe ich es Dir gesagt; aber ich sage es Dir nochmals Solltest Du jedoch der Wiederholung müde sein, so brauchst Du mich das nur wissen zu lassen.

Du fragst jedenfalls, ob ich Dir denn sonst nichts zu erzählen habe, keine Reiseabenteuer. Du willst ja Alles wissen, was mir widerfährt, und Du sollst jetzt wie nach der Hochzeit Deinen Willen haben. Meine süße Carmina, ja, Dein ergebener Sclave hat noch etwas Ernstlicheres zu berichten als gewöhnliche Reiseabenteuer – hat Dir ein Geständniß zu machen. Damit ich mich kurz fasse – ich habe hier in Montreal wieder praktiziert!

Vielleicht vergibst Du mir, wenn ich Dir die näheren Umstände mittheile. Es ist eine traurige Geschichte, aber ich bin so eitel, zu glauben, daß mein Antheil an derselben Dich interessieren wird. Ich bin ja seit dem schönsten aller Tage, an dem Du mir zuerst gestandest, daß Du mich liebtest, ein eitler Mann geworden.

Ich erwähnte vorhin Mr. Morphew als einen neuen Freund von mir in Canada. Bekannt bin ich mit demselben geworden durch ein Empfehlungsschreiben, das mir Benjulia mitgegeben hatte.

Sprich aber über das, was ich Dir jetzt sage, mit Niemandem, vor allen Dingen nicht mit Benjulia, wenn Du denselben sehen solltest, was ich aufrichtig nicht hoffe. Er ist ein hartherziger Mann, und wenn er erführe, was für ein Resultat es gehabt hat, daß er mir die Thür seines Freundes geöffnet hat, möchte er vielleicht etwas sagen, was Dich empören könnte.

Mr. Morphew ist ein würdiger, geschäftiger alter Herr, der seiner Berufsroutine folgt und dessen ärztliche Praxis hauptsächlich darin besteht, jungen Kanadiern in die Welt zu helfen. Als ich ihn kennen lernte, war zufällig besondere Nachfrage nach seinen Diensten, und als ich an dem Tage nach der musikalischen Gesellschaft bei ihm dinierte, wurde er sogar von Tische weggeholt. Da ich der einzige Gast war, so fiel es seiner Gattin anheim, mich zu unterhalten.

Die gute Dame fing denn auch an von Benjulia zu sprechen, den sie rundweg für einen Flegel erklärte. Um dies zu beweisen, zeigte sie mir das Empfehlungsschreiben, das der Doctor damals eigenhändig geschlossen hatte, ehe er es mir übergab. Du möchtest den Inhalt jedenfalls auch gern wissen, deshalb gebe ich Dir hier eine Abschrift: »Ueberbringer dieses ist ein überarbeiteter Doctor, Namens Ovid Vere, der Ruhe und gute Luft braucht. Ermuthigen Sie ihn nicht, sein Gehirn anzustrengen, und schicken Sie ihn auf dem kürzesten Wege in die größte Wüste Canada’s.«

Du wirst hieraus ersehen, daß ich die gastfreundliche Aufnahme, die mich hier in Montreal zurückgehalten hat, mir selbst zu verdanken habe. Doch zurück zu meiner Geschichte. Zehn Minuten nach Mr. Morphew’s Fortgang wurden seine Dienste wieder verlangt, und zwar diesmal für einen Mann, der, wie der Bote erklärte, im Sterben läge.

Mrs. Morphew war in Verlegenheit, was sie thun sollte. »Im vorliegenden Falle«, sagte sie »ist der Tod eine Gnade; aber es ist mir schrecklich, an die Verlassenheit des Armen zu denken, der in seinen letzten Augenblicken kein lebendes Wesen an seinem Sterbelager haben wird.«

Das veranlaßte mich, mich näher nach dem Patienten zu erkundigen, und die Antworten gaben mir ein, so trostloses Bild von Armuth und Leiden und erinnerten mich so lebhaft an einen ähnlichen Fall, den ich selbst erlebt hatte, daß ich vergaß, wie krank ich selbst war, und mich erbot, an Morphew’s Stelle zu dem Sterbenden zu gehen.

Der Bote führte mich zu dem elendsten Hause in dem ärmsten Quartiere der Stadt, wo der Mann in einer Bodenkammer auf einer Matratze auf dem Boden lag. Ich will Dir seine Krankheit nicht beschreiben, sondern nur sagen, daß jeder andere Mensch außer einem Doctor sofort wieder aus dem Zimmer gestürzt wäre. Ihn zu retten war unmöglich; ich konnte ihm nur noch für einige Tage die Schmerzen lindern, und wenn es soweit wäre, den Tod leicht machen.

Bei meinem nächsten Besuche war er im Stande zu sprechen, und ich entdeckte nun, daß er ein Mitglied meines Berufes war, ein Mulatte von Geburt aus den südlichen Staaten Amerikas dessen einzige verhängnißvolle That im Leben seine Heirath gewesen war. Das Empörendste das nur ein schlechtes Weib begehen kann, hatte seine Frau begangen, und doch hing er noch mit wahnsinniger Liebe an ihr. Schande und Ruin hatte sie über ihn gebracht und er hatte ihr nicht einmal, sondern wieder und wieder vergeben, und das unter Umständen die ihn in seiner eigenen Achtung und der seiner besten Freunde herabwürdigten. Als sie ihn das letzte Mal verlassen hatte, war er ihr nach Montreal gefolgt, wo sie ihn endlich in einem Anfalle trunkenen Wahnsinns durch Selbstmord von ihr befreit hatte. Aber ihr Tod hatte seinen, Verstand angegriffen, und als er wieder aus dem Irrenhause entlassen wurde, gab er seine letzten Ersparnisse dafür hin, ihr ein Denkmal auf’s Grab setzen zu lassen, und pilgerte täglich nach dem Kirchhofe, bis seine Kräfte nicht mehr dazu ausreichten. Und jetzt, da der Schatten des Todes sich immer finsterer um ihn zog, war das Einzige, was ihn sich noch an das Leben klammern ließ, weshalb er mich beschwor, ihn zu heilen, das Andenken an seine Frau, um deren Grab, wie er sagte, sich nach seinem Tode Niemand kümmern würde.

O mein Lieb, ich habe immer zärtlich Dein gedacht, aber nachdem ich diese unselige Geschichte gehört, strömte mein Herz über von Dankbarkeit gegen Gott, daß er Dich mir geschenkt.

Gestern starb er, und seine letzten Worte waren die Bitte, ihn zu derjenigen, die ihn entehrt hatte, in dasselbe Grab zu bestatten. Habe ich ihn zu richten? Doch selbst dann würde ich seine letzten Wünsche als ein Dankopfer für Dich erfüllen.

Ich muß Dir noch etwas sagen. Am Tage vor seinem Tode bat er mich, eine alte Reisetasche zu öffnen, welche buchstäblich das Einzige war, das er noch besaß; denn er hatte weder Geld noch Kleider. In einer Ecke dieser Tasche steckte eine mit einem Bindfaden zusammengebundene Rolle Papier – weiter war nichts darin.

»Nehmen Sie mein Buch«, sagte er; »diesen einzigen Entgelt kann ich Ihnen geben«.

Er war zu schwach, um mir zu sagen, worüber das Manuscript handelte, oder irgend welchen Wunsch in Betreff der Veröffentlichung desselben auszudrücken; und ich muß zu meiner Beschämung bekennen, daß ich durchaus keinen Werth darauf legte, sondern es einfach als eine Erinnerung an ein trauriges Erlebniß mitnahm. Da ich heute Morgen ziemlich früh erwachte, so sah ich mir mein Geschenk zum ersten Male an und fand mich zu meinem Erstaunen für das Wenige, was ich hatte thun können, hundertfältig belohnt. Dieser Unglückliche muß Gaben besessen haben, die ihn, wie ich keinen Anstand nehme zu bekennen, unter günstigen Verhältnissen einen Platz unter den größten Aerzten unserer Zeit verschafft haben würden. Sein Ausdruck ist dunkel und manchmal grammatisch uncorrect, aber er, und er allein, hat ein Problem in der Behandlung der Gehirnkrankheiten gelöst, an dem bis jetzt die Aerzte der ganzen civilisirten Welt verzweifelten.

Wenn mir Jemand über die Schulter sähe, er würde sagen: »Dieser sonderbare Liebhaber schreibt an seine Auserwählte, als ob dieselbe sein College wäre!« Aber wir verstehen uns, Carmina, nicht wahr? Meine künftige Carriere ist für meine künftige Frau ein Gegenstand, der sie interessiert, und da die Dankbarkeit dieses Armen mir neue Aussichten eröffnet hat, wer sollte davon so gern hören wie Du? Nun muß ich Dir noch ein Wort über mein Befinden schreiben. Manchmal fühle ich mich so wohl, daß ich sofort auf dem nächsten Schiffe, das nach Liverpool absegelt, eine Cajüte bestellen könnte. Dann aber kommen wieder Zeiten, die mich zur Vorsicht und Geduld wohnen, besonders wenn ich mich mit Gehen oder Reiten übernommen habe. Meine nächste Reise wird mich landeinwärts in die gewaltigen Ebenen und Wälder dieses großen Landes führen, und wenn ich deren heilsame Luft geathmet habe, werde ich Dir endgültig den glücklichen Tag schreiben können, der uns wieder vereinen wird.

Meine Mutter hat wohl schon ihre gewöhnliche conversazione beim Schluß der Saison gegeben. Laß mich doch wissen, wie Dir die wissenschaftlichen Größen ihrer Gesellschaft gefallen, und laß mich Dir einen nützlichen Wink geben. Wenn Dir in Gesellschaft ein besonders entschiedener Mann begegnet, der aussieht, als ob er einem Photographen säße, so kannst Du als sicher annehmen, daß es ein Professor ist.

Ich hoffe aufrichtig, daß Du und meine Mutter gut zusammen auskommt. Ihr sagt Beide in Euren Briefen an mich zu wenig von einander, und es beunruhigen mich manchmal böse Ahnungen. Noch eins setzt mich bei unserer Correspondenz in Verwunderung: daß Miß Minerva mir nie einen Gruß zurückschickt, trotzdem ich sie immer grüßen lasse. Vergißt Du es? oder bin ich Deiner Freundin vollständig gleichgültig?

Die letzte Nachricht von Euch allen ist von Zo, die mir in einem der Couverts, die ich ihr beim Abschiede adressiert habe, einen Brief geschickt hat, über dessen Kleckse und Orthographie Miß Minerva die Haare zu Berge stehen würden. Ihr Bericht über den Familienkreis wird Dich jedenfalls persönlich interessieren. Hier hast Du ihn in seiner römischen Kürze: »Wenn Papa und Carmina nicht hier wären, wäre es zu Hause gar nicht auszuhalten.« Hiernach kann ich nichts mehr schreiben, das des Lesens Werth wäre.

Nimm die Küsse, mein Engel, die ich Die auf dem leeren Stücke unten sende, und liebe mich so, wie ich Dich liebe. Mögen diese Worte gewöhnlich klingen, Carmina, es liegt eine Welt von Bedeutung darin. O, könnte ich statt des Briefes mit dem Postdampfer zu Dir eilen!«

Capitel XXVII

Carmina’s nächster Brief aber enthielt keine Antworten auf Ovid’s Fragen. Sie wollte ihm nicht sagen, was bei der conversazione vorgefallen war, und konnte es nicht über sich gewinnen, ihm von seiner Mutter zu schreiben; dagegen zeigte ihr nächster Brief an ihre alte Freundin in Italien ihre Stellung in Mrs Gallilee’s Hause – die von Tag zu Tag unerträglicher wurde und immer offener auf künftige Verwickelungen und Gefahren hindeutete – in ihrem wahren Lichte.

»Wenn Du mich liebst«, so schrieb sie, »dann vergiß, in welch unhumaner Weise ich von Miß Minerva gesprochen habe!

Nachdem ich den Brief abgesandt, hätte ich ihn gern zurückgefordert, wenn das angegangen wäre, denn ich begann noch denselben Abend mich über das, was ich im Aerger gesagt hatte, beschämt zu fühlen ja als die Stunden hingingen und es bald Bettgehenszeit war, wurde ich so unglücklich, daß ich noch einmal zu ihr ging auf die Gefahr hin, wiederum barsch aufgenommen zu werden. Es war ein günstiger Umstand für mich, daß auch sie allem Anschein nach in reuiger Stimmung war; denn als sie mich nach meinem Begehren fragte, lag in ihrer Stimme etwas, das mich auf den Gedanken brachte, daß sie geweint hätte – obgleich sie ganz gewiß nicht so aussieht, als ob sie sich einer solchen Schwäche schuldig machen könnte.

Ich gab meinem Bedauern so gut als ich konnte Ausdruck, kann mich aber nicht mehr erinnern, was ich eigentlich sagte. War ich doch erschreckt und überwältigt – und in der Stimmung bin ich immer einfältig. So ungeschickt mein Versöhnungsversuch aber auch gewesen sein mag, sie muß jedenfalls gesehen haben, daß ich nicht die Absicht hatte, sie zu mystifizieren und zu bekümmern; und doch kann sie, nach ihren Handlungen und Worten zu urtheilen, nichts Anderes angenommen haben, denn sie nahm plötzlich ihren Nachtleuchter der hinter mir auf dem Tische stand, hielt mir denselben vor’s Gesicht und sah mich an, als ob ich ein Monstrum wäre, von dem sie nie etwas gehört oder gesehen hätte! »Sie sind wenig besser als ein Kind«, sagte sie dabei; »ich besitze zehnmal Ihre Willenskraft – was haben Sie denn an sich, dem ich nicht widerstehen kann? Gehen Sie fort von mir! Nehmen Sie sich vor mir in Acht! Ich bin falsch – argwöhnisch – grausam. Haben Sie Einfalt denn keinen Instinct, der Sie schützt, der Ihnen räth, mich zu meiden?«

Dann setzte sie den Leuchter wieder hin und brach in ein abscheuliches höhnisches Lachen aus. »Da steht sie«, rief sie, »und sieht mich an wie ein Kind, das etwas Neues sieht. Ich vermag sie nicht zu erschrecken, sie nicht anzuekeln. Was heißt das?« Dann sank sie in einen Stuhl, und ihre Stimme klang fast wie ein Flüstern, so daß ich geglaubt haben würde, sie fürchte sich vor mir, wenn so etwas möglich gewesen wäre.

»Was wissen Sie von mir, das ich selbst nicht weiß?« fragte sie.

Ganz außer Stande, sie zu verstehen, nahm ich einen Stuhl, setzte mich zu ihr und antwortete: »Ich weiß nur, was Sie mir gestern sagten«.

»Und was war das?«

»Sie sagten mir, daß Sie elend seien«.

»Dann log ich! Glauben Sie, was sich Ihnen heute gesagt habe – in Ihrem eigenen Interesse glauben Sie es!«

»Dazu würde mich nichts bewegen«, antwortete ich. »Nein, Sie waren gestern elend und sind es heute noch. Das ist die Wahrheit! Es lastet etwas auf Ihrem Gemüthe«, fuhr ich fort, ohne jetzt zu wissen, wie ich zu dieser Kühnheit kam. »Wenn ich Sie nicht davon befreien kann, so kann ich es Ihnen doch wenigstens tragen helfen. Kommen Sie! sagen Sie mir, was es ist!«

Aber ich wartete vergeblich auf Antwort – sie sah mich nicht an.

»Lieben Sie?« fragte ich.

Da aber sprang sie so plötzlich und so Ungestüm von ihrem Stuhle auf, daß sie denselben zu Boden warf; dennoch kam kein Wort über ihre Lippen. Ich hatte Muth genug fortzufahren, wenn ich sie auch nicht mehr anzusehen wagte:

»Ich liebe Ovid und er liebt mich wieder; das ist mein Trost in allen Widerwärtigkeiten. Sind Sie nicht so glücklich? Lieben Sie Jemanden, der Ihre Liebe nicht erwidert?«

Mir den Rücken zuwendend, ging sie zu ihrer Toilette, und ich glaube, sie sah in den Spiegel: dann endlich sagte sie: »Nun, was sonst noch?«

»Sonst nichts«, antwortete ich – »ausgenommen, daß ich hoffe, Sie nicht verletzt zu haben.«

So plötzlich wie sie zum Spiegel gegangen war, kam sie wieder zurück, nahm wieder das Licht und leuchtete mir wieder in’s Gesicht.

»Rathen Sie, was es ist«, sagte sie dabei. »Wie kann ich das?« fragte ich zurück.

Dann stellte sie das Licht ruhig wieder hin und schien, seltsam genug, erleichtert zu sein, denn sie sprach jetzt in ganz veränderter sanfter, trauriger Stimme:

»Sie sind das beste Mädchen von der Welt und meinen es gut, aber das nützt nichts – Sie können nichts dabei thun. Vergeben Sie mir meine gestrige Anmaßung; der Neid über Ihre glückliche Verlobung hatte mich wahnsinnig gemacht. Sie verstehen eine Natur wie die meinige nicht» Um so« besser! Ja, ja, um so besser! Gute Nacht.«

Es lag in diesen Worten eine solche hoffnungslose Ergebung und Selbstentäußerung, daß ich es nicht über mich gewinnen konnte, sie zu verlassen. Ich dachte daran, wie ich mich betragen haben, was für heftigen Ausbrüchen ich mich überlassen haben würde, wenn sich Ovid nichts aus mir gemacht hätte, und Alles, was mich in ihrem Betragen verwirrt und geärgert hatte, war jetzt erklärt! Da fiel mir ein, daß ich Deinen letzten Brief mit den Zeilen von unserem alten Priester bei mir hatte. Ich nahm denselben aus der Tasche und fragte, ihr den Brief Pater Patrizio’s hinhaltend:

»Würden Sie wohl einen kurzen Brief lesen, ehe wir einander gute Nacht sagen?«

Mit einem finsteren Blick zog sie sich zurück, als ob sie Argwohn empfände, und fragte scharf: »Wer ist der Schreiber?«

»Jemand, der Ihnen ein Fremder ist.«

Sofort klärte sich ihr Gesicht wieder auf, sie nahm den Brief, und wartete, was ich noch weiter zu sagen hätte. »Der Schreibens sagte ich, »ist ein guter alter Weiser, der Priester, der meine Eltern getraut und mich getauft hat und an den wir Alle uns stets gewandt haben, wenn wir eines Rathes bedurften. Meine Amme Teresa war wegen Ovid’s Abwesenheit um mich besorgt und sprach mit Pater Patrizio von meinem Exile in diesem Hause – entschuldigen Sie das Wort! – und von ihrer Besorgniß. Derselbe wollte erst überlegen, ehe er eine Ansicht ausspräche, und schickte ihr am andern Tage diesen Brief.«

Hier stockte ich plötzlich, da ich nicht wußte, wie ich das, was ich noch zu sagen hatte, mit der nöthigen Delicatesse ausdrücken sollte.

»Warum wünschen Sie, daß ich den Brief lese«, fragte sie ruhig.

»Ich glaube, sein Inhalt möchte —« Und wieder stockte ich wie ein albernes Kind; aber sie blieb geduldig und gab mir nur ein Zeichen fortzufahren.

»Ich glaube, derselbe möchte Sie in eine bessere Stimmung versetzen«, sagte ich dann; »und Sie davor bewahren, sich selbst zu verachten.«

Sie ging zu ihrem Stuhle zurück und las den Brief. Da Du mir erlaubt hast, die tröstenden Worte des guten Paters Patrizio unter meinen anderen Schätzen zu behalten, so schreibe ich hier den Brief für Dich ab, damit Du ihn nochmals lesen und sehen kannst, was ich meinte, und damit Du verstehen kannst, wie er Miß Minerva berührte.

»Teresa, meine liebe Freundin, ich habe über Eure Besorgnisse nachgedacht und will mein Möglichstes thun, Euer Gemüth zu beruhigen Ich habe vierzig Jahre hindurch der Pflichten des Priesteramtes gewaltet, und es sind mir in dieser langen Zeit die innersten Geheimnisse von Tausenden beiderlei Geschlechts anvertraut worden. Aus diesem Material habe ich viele nützliche Schlüsse gezogen, von denen einige auch Euch nützlich sein mögen. Ich will das, was ich zu sagen habe, kurz in wenige Worte zusammenfassen: überlegt sie sorgfältig. Während bei dem Manne die Entwicklung der besseren Natur durch viele Einflüsse vollendet wird, vollzieht sich dieselbe bei der Frau durch einen einzigen Einfluß durch die Liebe. Ueberrascht es Euch, das von einem Priester zu hören? Erwartetet Ihr, daß ich sagen sollte durch Religion? Liebe Schwester, bei den Frauen ist Liebe Religion; sie öffnet ihnen die Herzen zu Allem, was gut ist, und handelt unabhängig von den Bedingungen menschlichen Glückes. Eine unglückliche, ohne Hoffnung liebende Frau ist durch diese Liebe doch um so besser und edler, und es wird sicherlich eine Zeit kommen, wo sie das zeigen wird. Ihr sorgt Euch um Carmina, weil sie hineingeworfen sei unter Fremde mit harten Herzen. Ich sage Euch, habt keine Furcht Sie mag leiden unter Prüfungen und mag denselben erliegen; aber die Kraft, sich wieder zu erheben, ist in ihr – und diese Kraft ist die Liebe.«

Zweimal las Miß Minerva den Brief und wiederholte dann einen Theil desselben für sich.

»Giebt er Ihnen Muth?« fragte ich.

Sie händigte ihn mir wieder ein und sagte: »Ich habe einen Satz daraus auswendig gelernt.«

Ich brauche Dir nicht zu sagen, welcher Satz das ist. Als ich die Veränderung zum Besseren in ihr sah, fühlte ich mich so erleichtert und war in der Ueberzeugung, daß wir wieder gute Freunde wären, so glücklich, daß ich mich beim Gutenachtsagen zu ihr beugte, um sie zu küssen.

Daran hinderte sie mich aber. »Nein«, sagte sie, »nicht eher, als bis ich etwas gethan habe, um es zu verdienen. Sie bedürfen der Hilfe mehr, als Sie denken. Bleiben Sie noch etwas länger; ich muß mit Ihnen über Ihre Tante sprechen.«

Etwas beunruhigt setzte ich mich wieder; ihre Augen ruhten abwesend auf mir; sie schien zu überlegen, und ich wollte sie nicht in ihren Gedanken stören. Der Abend war still und finster; kein Ton von draußen schlug an unser Ohr, bis die Stille im Hause durch eine leise, rauschende Bewegung aus der Treppe unterbrochen wurde. Das Geräusch kam näher und plötzlich wurde die Thür geöffnet und Mrs. Gallilee trat in das Zimmer.

Ich weiß nicht, von was für einer Thorheit ich besessen, warum ich eigentlich erschrocken war – genug, ich konnte nicht anders und schrie auf. Ohne die geringste Notiz von Miß Minerva zu nehmen, kam meine Tante direct auf mich zu und fragte: »Was thust Du hier, anstatt im Bett zu sein?«

Dies sprach sie in so befehlender Weise, mit solcher Anmaßung und Verachtung daß ich sie voll Erstaunen ansah. Es schien irgend ein Argwohn in ihr aufgestiegen zu sein, als sie mich bei Miß Minerva fand.

»Die Klatscherei ist aus!«» rief sie streng. »Hörst Du nicht? Geh’ zu Bett!«

Hätte das nicht Jeden aufgebracht? Ich fühlte, wie mir die Zornröthe in’s Gesicht stieg. »Bin ich ein Kind, oder ein Domestike?« fragte ich. »Ich gehe früh oder spät zu Bett, wie es mir gefällt.«

Jetzt that sie noch einen Schritt vorwärts, ergriff mich am Arme und zog mich mit Gewalt vom Stuhle in die Höhe. Denk’ Dir, Teresa, in meinem ganzen Leben hat man mich nie anders als freundlich berührt; das weiß Niemand besser als Du! Ich versuchte vergeblich zu sprechen – sah Miß Minerva aufstehen, um sich in’s Mittel zu legen, und hörte sie sagen: »Mrs. Gallilee, Sie vergessen sich!« Wie ich aus dem Zimmer ging, weiß ich nicht; draußen erschütterte mich ein schrecklicher Anfall von Zittern; ich sank auf der Treppe hin und glaubte anfangs, ich würde ohnmächtig werden; doch nein, ich behielt meine Sinne, und konnte ihre Stimmen vom Zimmer her hören.

»Sie meinten, daß ich mich vergessen hätte?« fragte Mrs. Gallilee.

»Gewiß, Madame«, antwortete Miß Minerva; »Sie hatten sich vergessen.«

Die nächsten Worte konnte ich nicht verstehen; dann wurden sie wieder lauter und ich hörte meine Tante sagen:

»Ich bin mit Ihrem Benehmen gegen mich durchaus nicht zufrieden, Miß Minerva. Es hat sich in letzter Zeit sehr zum Schlimmen verändert.«

»In welcher Hinsicht Mrs. Gallilee?«

»In der Hinsicht, daß Ihre Sprechweise gegen mich eine Gleichstellung bekundet —«

»Halten Sie einen Augenblick inne, Madame! Ich bin nicht so reich wie Sie, wüßte aber nicht, in welcher Beziehung ich sonst nicht Ihresgleichen wäre. Bekundeten Sie vielleicht Ihre Ueberlegenheit dadurch, daß Sie ohne anzuklopfen in mein Zimmer traten?«

»Miß Minerva! wünschen Sie in meinen Diensten zu bleiben?«

»Sagen Sie, bitte, Beschäftigung, Mrs. Gallilee. Es ist mir ganz gleichgültig; ich kann ganz nach Ihrem Belieben gehen oder bleiben?«

Dann klang die Stimme meiner Tante näher, als ob sie auf die Thür zuginge. »Als ich Sie engagierte«, sagte sie, »machten wir jawohl monatliche Kündigung für beide Theile ab?«

»Ja – auf meinen Wunsch.«

»Dann kündige ich Ihnen hiermit.«

»Auf morgen über einen Monat?«

»Natürlich!«

Dann kam meine Tante heraus und fand mich auf der Treppe, von welcher ich mich zu erheben versuchte. Aber es ging nicht; der Kopf schwindelte mir. Trotzdem sie aber sehen mußte, daß ich vor Schwäche niedergesunken war, beschuldigte mich die Grausame, ohne auf meinen Zustand Rücksicht zu nehmen, des Horchens.

»Sehen Sie denn nicht, daß das arme Kind krank ist?« ertönte da Miß Minerva? Stimme, und als ich mich, immer schwächer werdend, nach derselben umsah, beugte sie sich über mich und ich fühlte ihre starken, sehnigen Arme um mich und mich sanft erhoben. »Ich werde für Sie sorgen«, flüsterte sie und trug mich so leicht, als ob ich ein Kind gewesen wäre, die Treppe hinab in mein Zimmer.

Ich muß ausruhen, Teresa. Die Erinnerung an jenen schrecklichen Abend ruft mir Alles wieder zurück. Aengstige Dich nicht um mich; Du sollst morgen mehr hören.«

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06 aralık 2019
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